Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.11.2022, Az. VIII R 13/19

8. Senat | REWIS RS 2022, 8848

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Gegenstand

(Behandlung von Pflegegeldern für die intensivpädagogische Betreuung von Jugendlichen in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII)


Leitsatz

Pflegegelder, die für die intensivpädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII gezahlt werden, sind keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.], [X.] vom 26.03.2019 - 11 K 3207/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob [X.] für die intensivpädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher durch die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) steuerfreie Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren 2014 und 2015 jeweils maßgeblichen Fassung (EStG) sind.

2

Die Klägerin ist staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieherin. In den Streitjahren betreute sie besonders traumatisierte Jugendliche, die in Pflegefamilien, Heimen, Großeinrichtungen oder in geschlossenen Einrichtungen keine Aufnahme mehr finden konnten und diese Formen der Unterbringung, teilweise auch schon die geschlossene Psychiatrie, bereits durchlaufen hatten, jeweils im Rahmen einer intensivpädagogischen Betreuung i.S. des § 35 des [X.] ([X.]). Die [X.] besuchten keine Regelschulen, sondern wurden von der Klägerin unter Nutzung von Unterlagen einer Fernschule beschult. Die Klägerin firmierte nach außen als "…-Betreuungsstelle …" unter dem Namen "…".

3

Im Streitjahr 2014 betreute die Klägerin vier Jugendliche, im Streitjahr 2015 im Monat Mai fünf Jugendliche, im Rest des Jahres vier Jugendliche.

4

Zwischen der Klägerin und dem [X.] (Jugendwerk), das als Träger der freien Jugendhilfe an den … angebunden war, bestand ein Kooperationsvertrag. Dessen Gegenstand war die Durchführung von Hilfemaßnahmen im Rahmen der Jugendhilfe "gemäß § 27 [X.]. §§ 34, 35, 35a, 41 [X.]" durch die Klägerin als Betreuungsperson. Die Betreuungen waren auf der Grundlage vereinbarter Qualitätsstandards und eines Hilfeplans "in der Wohnung" der Klägerin durchzuführen. Der Klägerin oblagen u.a. die eigenverantwortliche Durchführung der Maßnahmen und die Gewährleistung eines gelingenden Alltags, die Mitwirkung bei der Erstellung eines Hilfeplans für die einzelnen [X.] als Grundlage ihrer pädagogischen Aktivitäten vor Ort und die schriftliche Dokumentation des Erziehungsprozesses samt Berichterstattung darüber an das Jugendwerk.

5

Der Betreuung der einzelnen [X.] lag zusätzlich jeweils ein Leistungs- und Honorarvertrag zwischen dem Jugendwerk und der Klägerin zugrunde. Die Klägerin verpflichtete sich zur Übernahme der Betreuung und Unterbringung zur Erziehung des [X.] "gemäß § 27 [X.]. §§ 34, 35, 35a bzw. 41 [X.]" auf Grundlage der im Kooperationsvertrag vereinbarten Pflichten. Sie erhielt für jeden [X.] ein Erziehungshonorar in Gestalt eines Tagessatzes (§ 5.1 [X.]. Anlage 1 zum jeweiligen Leistungs- und Honorarvertrag). Die Tagessätze lagen in den Streitjahren für die einzelnen [X.] zwischen 100,77 € und 101,03 €. In einzelnen Honorarverträgen wurde für die Höhe des [X.] auf die in den sog. Rahmenverträgen nach § 78f [X.] festgelegten Sätze für Regelleistungen und für konzeptionsbedingte Leistungen für Einrichtungen i.S. des § 78a Abs. 1 Nr. 4 [X.] Bezug genommen. Ferner wurde der Klägerin ein Teil des Sachaufwands tageweise ersetzt. Dies betraf Aufwendungen für die Verköstigung, kosmetische und persönliche Bedürfnisse des jeweiligen [X.], den hauswirtschaftlichen Bedarf sowie einen Mietanteil. Der [X.] war am [X.] orientiert und betrug in den Streitjahren zwischen 21,22 € und 21,48 € pro Tag für jeden [X.]. Bei einer Abwesenheit des [X.] von mehr als drei Tagen erhielt die Klägerin 75 % des Honorars und des [X.]es (§ 5.3 des jeweiligen Leistungs- und Honorarvertrags). Darüber hinaus wurden an die Klägerin die jeweils nach Alter gestaffelten Sätze für das dem [X.] zustehende Taschen- und Kleidergeld ausgezahlt (§ 5.2 [X.]. Anlage 2 zum Leistungs- und Honorarvertrag).

6

Die Betreuung und Unterbringung der [X.] fand auf einem von der [X.] erworbenen Grundstück samt Gebäude (einem ehemaligen Gasthof) statt. Das Gebäude bestand in den Streitjahren aus drei abgeschlossenen Wohnungen (Nrn. 1 bis 3) im Ober- und im Dachgeschoss sowie im Erdgeschoss aus einem Gemeinschafts- und Aufenthaltsraum, einem Freizeit- und Fitnessraum, einer [X.] und Toiletten. In den Streitjahren bewohnte die Klägerin die Wohnung Nr. 1 (79,59 qm) in der Mitte des Gebäudes selbst, in der großen Wohnung Nr. 2 im Ober- und Dachgeschoss (150,89 qm) wohnten ihre beiden erwachsenen Söhne mit Freundinnen und in der Wohnung Nr. 3 (66,89 qm) die betreuten [X.]. Die [X.] verfügten in dieser Wohnung jeweils über Einzelzimmer, zudem hatte die Wohnung ein eigenes Bad. In den Streitjahren war ein Jugendlicher in dem zur Wohnung Nr. 2 gehörenden Dachgeschoss untergebracht, weil die Wohnung Nr. 3 nur drei Einzelzimmer hatte. Zur Wohnung der Klägerin (Nr. 1) hatten die [X.] insoweit Zutritt, als die Klägerin dort für sie jederzeit ansprechbar war. In der Wohnung der Klägerin wurde jedoch nicht gemeinsam gekocht und gelebt. Die Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten fand in der [X.] und im Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss (26 qm) statt, die [X.] konnten zur Zubereitung kleinerer Mahlzeiten auch die Küche in ihrer Wohnung nutzen. Die gemeinsamen Aktivitäten wie der Schulunterricht und Freizeitaktivitäten fanden im Gemeinschafts- und Aufenthaltsraum im Erdgeschoss (45 qm) statt. Zudem stand für den Sport ein Fitnessraum (21 qm) zur Verfügung.

7

In den Streitjahren beschäftigte die Klägerin insgesamt vier Personen. Hierzu gehörten einer ihrer Söhne und dessen Freundin, die bei der Klägerin zur Ausbildung als Erzieher beschäftigt waren. Zudem arbeiteten für die Klägerin noch ein angehender Erzieher, der sein Anerkennungsjahr absolvierte, und eine ausgebildete erzieherische Fachkraft im Rahmen einer Teilzeitstelle.

8

Die Klägerin erteilte dem [X.] der [X.] monatliche Rechnungen über die Erziehungshonorare und den [X.]. Die Summe der für alle vier [X.] zusammen gezahlten Erziehungshonorare (ohne den [X.]) belief sich monatlich durchschnittlich auf 12.120 € (rund 404 € pro Tag für durchschnittlich 30 Tage im Monat). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) wurde der Aufwand der Klägerin für Sachkosten und die Personalkosten ([X.] € für das Streitjahr 2014 und 34.344,41 € für das Streitjahr 2015) nicht in voller Höhe durch den [X.] gedeckt.

9

Die gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Jahresgewinne der Klägerin betrugen im Streitjahr 2014  69.662 € und im Streitjahr 2015 (nach Abzug von Betriebsausgaben für einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 28.000 €) 42.456 €.

Die Klägerin behandelte die Vergütungen aus der erzieherischen Tätigkeit in ihren Gewinnermittlungen und Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre zunächst als steuerpflichtige Betriebseinnahmen aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) folgte dem in den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre (jeweils vom 30.08.2016). Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch und machte geltend, die Einnahmen aus der erzieherischen Tätigkeit seien steuerfreie Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG. Das [X.] wies die Einsprüche als unbegründet zurück.

Die anschließend erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Die Begründung des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2019, 1969 mitgeteilt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Bundesrechts. Das [X.] habe zu Unrecht verneint, dass die Voraussetzungen einer gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG steuerfreien Beihilfe zur unmittelbaren Förderung der Erziehung erfüllt seien. Die Klägerin habe die [X.] im Rahmen einer Vollzeitpflege gemäß § 33 [X.] in ihren Haushalt aufgenommen und dort intensivpädagogisch betreut. Da sie weniger als sechs Jugendliche gleichzeitig betreut habe, sei ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass die [X.] steuerfreie Beihilfen seien.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] Baden-Württemberg vom 26.03.2019 - 11 K 3207/17 aufzuheben und unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 jeweils vom 30.08.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.11.2017 die Einkommensteuer auf 0 € herabzusetzen.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die an die Klägerin gezahlten [X.] in den Streitjahren keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind.

a) Gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu fördern. Ersetzen die [X.] den sachlichen und zeitlichen Aufwand der Pflegeeltern nicht und ist dies auch nicht beabsichtigt, sind sie als steuerfreie Beihilfe i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG anzusehen (vgl. z.B. Urteile des [X.] --[X.]-- vom 14.07.2020 - VIII R 27/18, [X.], 113, [X.] 2021, 672, Rz 19; vom 05.11.2014 - VIII R 29/11, [X.], 1, [X.] 2017, 432; vom 28.06.1984 - IV R 49/83, [X.], 154, [X.] 1984, 571). Am Charakter einer Beihilfe i.S. des § 3 Nr. 11 EStG fehlt es hingegen, wenn die [X.] für [X.] gezahlt werden, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 1, [X.] 2017, 432; vom 05.11.2014 - VIII R 27/11, [X.], 960, und [X.], [X.], 967, jeweils m.w.N.; vom 17.05.1990 - IV R 14/87, [X.], 361, [X.] 1990, 1018).

b) [X.], die an die Betreiber von Einrichtungen und sonstiger Formen betreuten [X.] § 34 [X.] gezahlt werden, sind keine steuerfreien Beihilfen, weil typisierend davon auszugehen ist, dass sie die Sach-kosten in angemessenem Umfang ersetzen und die [X.] vergüten (s. [X.]-Urteil vom 23.09.1998 - XI R 9/98, [X.] 1999, 600, unter [X.] [Rz 21], für Pflegesatzzahlungen an den Betreiber eines sog. [X.]; zustimmend Schreiben des [X.] --BMF-- vom [X.], [X.], 1802, unter [X.]; vgl. auch § 78a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. [X.]. § 78c Abs. 2 Satz 1 [X.], nach denen Pflegeentgelte an Heimbetreiber leistungsgerecht sein müssen).

c) Eine steuerfreie Beihilfe kann hingegen vorliegen, wenn ein einzelner Jugendlicher in den Haushalt der Betreuungsperson zeitlich unbefristet aufgenommen und dort intensivpädagogisch [X.] 35 [X.] betreut wird. In diesem Fall entspricht das Pflegeverhältnis seinem Inhalt und der Durchführung nach --unabhängig von der sozialrechtlichen Qualifikation des [X.] als intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung [X.] 35 [X.]-- der Betreuung des [X.] im Rahmen einer nicht erwerbsmäßigen Vollzeitpflege [X.] 33 [X.] ([X.]-Urteil in [X.], 113, [X.] 2021, 672, Rz 25; BMF-Schreiben in [X.], 1802, unter D.; zum Beihilfecharakter der [X.], die im Rahmen einer Vollzeitpflege gezahlt werden, vgl. [X.]-Urteil in [X.], 113, [X.] 2021, 672, Rz 19, m.w.N., und BMF-Schreiben in [X.], 1802, unter A.). Werden mehrere Jugendliche zeitlich unbefristet in den Haushalt der Betreuungsperson aufgenommen und dort intensivpädagogisch [X.] 35 [X.] betreut, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen, ob die Anzahl der durch die Pflegeperson betreuten Kinder bzw. [X.] oder andere Umstände für eine erwerbsmäßige Betreuung und den Vergütungscharakter der gezahlten [X.] sprechen ([X.]-Urteil in [X.], 113, [X.] 2021, 672, Rz 25; BMF-Schreiben in [X.], 1802, unter D.; vgl. auch § 78a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. [X.]. § 78c Abs. 2 Satz 1 [X.]). Die von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung im Zusammenhang mit einer Vollzeitpflege gemäß § 33 [X.] angewandte Vermutungsregel, dass eine erwerbsmäßige Betreuung nicht vorliegt, wenn nicht mehr als sechs Kinder gleichzeitig in den Haushalt der Pflegeperson aufgenommen und betreut werden (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 1, [X.] 2017, 432; in [X.], 960; in [X.], 967; [X.]-Beschluss vom 10.12.2019 - VIII S 12/19 (AdV), [X.] 2020, 357, m.w.N.; vgl. auch BMF-Schreiben in [X.], 1802, unter A.), greift in den Fällen der intensivpädagogischen Betreuung mehrerer Jugendlicher, die unbefristet in den Haushalt der Betreuungsperson aufgenommen werden, daher nicht.

d) Nach diesen Vorgaben hat das [X.] im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Pflegesatzzahlungen an die Klägerin keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind. Die Würdigung des [X.], die [X.] seien von der Klägerin im Rahmen einer Heimunterbringung oder anderen Form des sonstigen betreuten [X.] gemäß § 34 i.V.m. § 35 [X.] erwerbsmäßig betreut worden, ist nicht zu beanstanden.

aa) Nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten und des [X.] wurden die [X.] von der Klägerin jeweils intensivpädagogisch [X.] 35 [X.] betreut. Weiterer Ausführungen des [X.]s hierzu bedarf es daher nicht.

[X.]) Die [X.] wurden in den Streitjahren von der Klägerin im Rahmen einer Einrichtung [X.] 34 [X.] betreut.

Zwar sind Privathaushalte der Erzieher, in denen dem [X.] [X.] überlassen wird, keine Einrichtungen [X.] 34 [X.] ([X.]-Urteil in [X.], 1, [X.] 2017, 432, Rz 57, 58). Der [X.] hat aber im Urteil in [X.], 1, [X.] 2017, 432 in Rz 62 bereits angedeutet, dass in sog. Mischfällen trotz einer familienähnlichen Betreuung auch von der Betreuung der Kinder und [X.] in einer Einrichtung [X.] 34 [X.] auszugehen sein kann. Ein solcher Mischfall liegt angesichts der räumlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen im Streitfall vor. Umstände, die für eine stationäre Betreuung der [X.] in einer Einrichtung (Kleinstheim) oder in einer Form des sonstigen betreuten [X.] § 34 [X.] sprechen (abgetrennte Wohnbereiche, Gemeinschafträume und der Einsatz von Personal), sind neben weiteren Umständen (der Zuweisung der [X.] zur persönlichen Betreuung durch die Klägerin und ihrer Unterbringung bei der Klägerin) vorhanden, die für eine Betreuung der [X.] wie in einer [X.] gemäß § 33 Satz 2 [X.] sprechen. Die Würdigung, ob in solchen Mischfällen der Schwerpunkt im Bereich der Unterbringung nach § 34 [X.] liegt oder die Elemente einer Vollzeitpflege nach § 33 [X.] überwiegen, ist unter Einbeziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalls vorzunehmen und obliegt daher dem [X.] als Tatsacheninstanz (vgl. zu den fließenden Grenzen zwischen den Anwendungsbereichen der §§ 33, 34 [X.] und den Abgrenzungskriterien Urteile des [X.] vom 24.10.2008 - 7 A 10444/08, Das Jugendamt --[X.]-- 2009, 92; des [X.] vom 25.08.2020 - 7 K 2354/18, juris, Rz 32; des Schleswig-Holsteinischen [X.] vom 27.02.2019 - 2 K 8/19, E[X.] 2019, 766, Rz 51, 57, 58, sowie aus der Kommentarliteratur [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 33 Rz 17b; [X.]/[X.], [X.], § 33 Rz 45, § 34 Rz 8, 9; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 33 Rz 75, 76, und Rechtsgutachten des [X.] vom 12.01.2021 - [X.], [X.] 2021, 91, 92).

Dass das [X.] im Streitfall zu dem Ergebnis gekommen ist, es überwögen die Umstände, die für eine Unterbringung der [X.] in einer Einrichtung der Klägerin [X.] 34 [X.] sprechen, ist nicht zu beanstanden. Die vom [X.] für seine Würdigung herangezogenen und gewichteten Umstände, die [X.] und die Klägerin hätten innerhalb des Gebäudes in abgetrennten Wohnungen mit eigenen Bädern gewohnt, für die Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten sowie die Freizeitaktivitäten seien die [X.] und -räume im Erdgeschoss genutzt worden und die [X.] seien maßgeblich durch das von der Klägerin angestellte Personal mitbetreut worden, tragen den Schluss des [X.], dass der für die Betreuung der [X.] in einer Einrichtung [X.] 34 [X.] erforderliche sachliche und institutionelle Rahmen gegeben war. Die weitere Würdigung des [X.], trotz der persönlichen Zuweisung der [X.] zur Betreuung durch die Klägerin, des unbestritten hohen persönlichen Engagements der Klägerin und ihrer täglichen Ansprechbarkeit für die [X.] rund um die Uhr könne angesichts der räumlichen Gegebenheiten der Unterbringung und des Zusammenlebens sowie des Personaleinsatzes nicht mehr von der Aufnahme und Betreuung der [X.] im Haushalt der Klägerin ausgegangen werden, ist möglich und nachvollziehbar. Zudem hat das [X.] plausibel darauf abgestellt, die Klägerin habe auch durch ihren Internetauftritt im Außenverhältnis den Eindruck vermittelt, als dauerhafte Einrichtung in Form einer Betreuungsstelle tätig zu sein.

cc) Schon die Betreuung und Unterbringung der [X.] in einer Einrichtung spricht nach der typisierenden Betrachtung der Rechtsprechung unabhängig von der Betreuungsintensität für den Entgeltcharakter der gezahlten [X.] (s. unter [X.]b). Zudem sind aufgrund der Anzahl der betreuten [X.] und der weiteren Rahmenbedingungen der Betreuung im Streitfall Umstände vorhanden, die selbst bei Annahme einer intensivpädagogischen Betreuung unter Aufnahme der [X.] in den Haushalt der Klägerin auf eine erwerbsmäßige Betreuung schließen lassen (s. unter [X.]c). Das [X.] hat den Vergütungscharakter der gezahlten [X.] darüber hinaus in nicht zu beanstandender Weise daraus abgeleitet, die Bezugnahme auf die Regelungen in "§§ 34, 35 [X.]" und auf die Regelung des § 78f [X.] in den zugrunde liegenden Betreuungsverträgen zeige, dass der Klägerin leistungsgerechte [X.] nach den sog. landesrechtlichen Rahmenverträgen i.V.m. §§ 78f, 78b Abs. 2 Satz 1 [X.] gezahlt worden seien. Schließlich ist es auch überzeugend, dass das [X.] den Vergütungscharakter des Pflegegelds aus den in beiden Streitjahren (unter Außerachtlassung der Betriebsausgaben für einen Investitionsabzugsbetrag) erzielten Gewinnen in Höhe von jeweils rund 70.000 € ableitet. Da die Sach- und Personalkosten der Klägerin nicht durch den tageweisen Sachkostenersatz gedeckt wurden, musste die Klägerin diese Aufwendungen durch die für die Erziehung gezahlten Tagessätze mitfinanzieren. Dass sie in beiden Streitjahren gleichwohl die genannten Gewinne erzielt hat, spricht dafür, dass die für die [X.] gezahlten Tagessätze Vergütungscharakter hatten.

2. Über die Höhe der Gewinne der Klägerin, die bei [X.] der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG in den Streitjahren anzusetzen und der Besteuerung zu unterwerfen sind, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

3. Der [X.] entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O).

Meta

VIII R 13/19

30.11.2022

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 26. März 2019, Az: 11 K 3207/17, Urteil

§ 3 Nr 11 S 1 EStG 2009, § 8 Abs 1 EStG 2009, § 33 SGB 8, § 34 SGB 8, § 35 SGB 8, § 78a SGB 8, § 78b SGB 8, § 78c SGB 8, § 18 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG 2009, EStG VZ 2014, EStG VZ 2015

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.11.2022, Az. VIII R 13/19 (REWIS RS 2022, 8848)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8848

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