Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.11.2014, Az. VIII R 27/11

8. Senat | REWIS RS 2014, 1647

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 5. November 2014  VIII R 29/11 -Steuerfreie Einnahmen aus der Aufnahme von Pflegepersonen in den eigenen Haushalt)


Leitsatz

1. NV: Leistungen, die aus öffentlichen Mitteln der Jugendhilfe für die Aufnahme von Pflegepersonen in einen Haushalt über Tag und Nacht als Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII gewährt werden, sind auch dann eine steuerfreie Beihilfe zur Erziehung i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG, wenn die Betreuung über privatrechtliche Institutionen durch Verträge mit den Erziehungstellen abgewickelt und im Rahmen dieser Vertragsbeziehungen die öffentlichen Mittel von den Institutionen an die Erzieher --wie im Streitfall für die Aufnahme eines Pflegekindes-- ausgezahlt werden.

2. NV: Die Auffassung, bei einer Betreuung von bis zu fünf Kindern sei die Pflege regelmäßig nicht als erwerbsmäßig anzusehen, und diene deshalb unmittelbar der Förderung der Erziehung i.S. des § 3 Nr. 11 EStG (BMF-Schreiben vom 7. Februar 1990 IV B 1-S 2121- 5/90, BStBl I 1990, 109 zur Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII), ist nicht zu beanstanden.

3. NV: Privathaushalte der Erzieher sind keine Einrichtungen i.S. des § 34 SGB VIII, für die keine steuerfreien Beihilfen i.S. des § 3 Nr. 11 EStG in Betracht kommen.

4. NV: Sonstige betreute Wohnformen i.S. des § 34 SGB VIII sind nur gegeben, wenn sie als Einrichtung einen institutionalisierten Rahmen für die Betreuung bieten; dazu gehören nicht lediglich angemietete Wohnungen oder die bloße Überlassung von Wohnraum wie z.B. eines Zimmers im Haushalt der betreuenden Person.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2011  13 K 144/11 sowie der Einkommensteueränderungsbescheid des Beklagten für 2003 vom 14. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2010 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger und Revisionskläger (Kläger) Beträge zu versteuern haben, die die Klägerin für die Aufnahme von Pflegekindern in ihren Haushalt erhalten hat.

2

Die Kläger sind Eheleute und haben im Dezember 2003 zwei Pflegekinder in ihren Haushalt aufgenommen.

3

Grundlage der Haushaltsaufnahme waren mit dem Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen e.V. ([X.]) geschlossene [X.]. Danach hatte die Klägerin als [X.]-[X.] jeweils eine Pflegeperson in den Haushalt aufzunehmen, zu versorgen und zu betreuen.

4

Für die vertraglich zu erbringenden Leistungen standen der Klägerin im Streitjahr pauschal pro Kind und Monat ein Pflegegeld von 432 €, jeweils eine Pauschale für Sonderaufwendungen im Einzelfall von 67 € und für Fortbildung von 26 € sowie ein Honorar von 1.832 € zu. Mit den vereinbarten Zahlungen sollten alle vertraglichen Ansprüche der Klägerin erfüllt sein; weitergehende Ansprüche setzten einen Antrag an den [X.] sowie dessen schriftliche Genehmigung voraus.

5

Nach der Leistungsbeschreibung der [X.] für [X.]n ist eine Familie eine [X.], in der eine Fachkraft (entsprechend §§ 72, 72a des [X.]) im Sinne der Betriebserlaubnis nach §§ 45 ff. [X.] im Auftrag der [X.] in der Regel zwei Kinder in den Haushalt über Tag und Nacht --in Ausübung einer selbständigen Tätigkeit-- aufnimmt, versorgt und betreut.

6

Nachdem die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr keine Angaben zu den Einnahmen aus der Betreuungstätigkeit gemacht und erklärungsgemäß veranlagt worden waren, erhielt der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) aufgrund einer Kontrollmitteilung eines anderen Finanzamtes Kenntnis über die Zahlung von [X.] an die Klägerin in Höhe von 3.063,40 € für die Betreuung von Pflegekindern im Jahr 2003.

7

Diese Zahlungen erfasste das [X.] durch [X.] vom 14. April 2008 gemäß § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung als steuerpflichtige Einnahmen i.S. des § 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Auf den dagegen erhobenen Einspruch minderte es den Betrag unter Bezugnahme auf § 3 Nr. 26 EStG um 1.848 € und setzte als Gewinn aus selbständiger Arbeit einen Betrag von 1.215 € an.

8

Im Übrigen wies es den Einspruch, mit dem im Wesentlichen die Steuerfreiheit der Zahlungen nach § 3 Nr. 11 EStG geltend gemacht wurde, als unbegründet zurück.

9

Die daraufhin erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit Urteil vom 31. Mai 2011  13 K 144/11 als unbegründet ab. Die erfassten Erziehungsgelder seien entgegen der Auffassung der Kläger nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei, weil sie Vergütungscharakter aufwiesen und damit nicht ausschließlich zur Erziehung bestimmt seien.

Ausweislich der [X.] mit der Klägerin und der eigenen Leistungsbeschreibung des [X.] handele es sich bei den [X.]n um ein Angebot gemäß § 34 [X.]. Pflegesatzzahlungen an Betreiber von Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift seien aber nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] ([X.]) keine Beihilfen zur Förderung der Erziehung i.S. des § 3 Nr. 11 EStG, so dass auch für deren Weiterleitung an Dritte nichts anderes gelten könne.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 3 Nr. 11 EStG und § 3c Abs. 1 EStG.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil der Vorinstanz und den [X.] des [X.] für 2003 vom 14. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2010 aufzuheben, hilfsweise, die Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von ./. 3.029,78 € der Besteuerung zugrunde zu legen.

Das [X.] beantragt im Wesentlichen aus den Gründen des finanzgerichtlichen Urteils, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil sowie der Einkommensteueränderungsbescheid des [X.] für 2003 vom 14. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2010 sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Zu Unrecht hat das [X.] die Steuerfreiheit der Einnahmen verneint, die die Klägerin aus ihrer --dem Grunde nach den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit zurechenbaren-- Erziehertätigkeit erzielt hat.

1. Nach § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu fördern.

a) Öffentliche Mittel sind solche, die aus einem öffentlichen Haushalt stammen, d.h. haushaltsmäßig als Ausgaben festgelegt und verausgabt werden ([X.]-Urteile vom 19. Juli 1972 I R 109/70, [X.], 438, [X.] 1972, 839; vom 9. April 1975 I R 251/72, [X.], 374, [X.] 1975, 577).

Diese Voraussetzung ist auch gewahrt, wenn die derart in einem Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel nicht unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse, sondern mittelbar über Dritte gezahlt werden, sofern über die Mittel nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verfügt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt (vgl. [X.]-Urteile vom 15. November 1983 VI R 20/80, [X.], 536, [X.] 1984, 113; vom 18. Mai 2004 VI R 128/99, [X.], 22).

Die Pflege- und [X.] werden im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe von den Jugendämtern gezahlt. Ihrer Zuordnung zu Zahlungen "aus öffentlichen Mitteln" steht nach der Rechtsprechung nicht entgegen, dass zur Begründung von [X.] u.a. der Abschluss zivilrechtlicher Pflegeverträge --z.B. zwischen Jugendamt und [X.] für erforderlich gehalten wird. Die mit dem Abschluss solcher Verträge verbundenen Zahlungen an [X.] stellen trotz der in zivilrechtliche Form gekleideten Übertragung des Erziehungsrechts eine haushaltsplanmäßige Verausgabung "öffentlicher Mittel" dar ([X.]-Urteil vom 28. Juni 1984 IV R 49/83, [X.], 154, [X.] 1984, 571).

b) Eine unmittelbare Förderung der Erziehung im Sinne der Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die Zuwendungen öffentlicher Mittel die Erziehung ohne ein Dazwischentreten weiterer Ereignisse beeinflussen.

aa) Dies ist insbesondere für Zahlungen zu bejahen, mit denen die Zahlungsempfänger der Notwendigkeit des Gelderwerbs zum Lebensunterhalt enthoben und dadurch zeitlich in die Lage versetzt werden, sich der Erziehung zu widmen ([X.]-Urteil vom 27. April 2006 IV R 41/04, [X.], 69, [X.] 2006, 755, unter Bezugnahme auf die [X.]-Urteile vom 4. Mai 1972 IV 133/64, [X.], 374, [X.] 1972, 566, und in [X.], 154, [X.] 1984, 571; vgl. von [X.], in: [X.][X.], EStG, § 3 Nr. 11 Rz B 11/49).

Die Erziehung im Sinne der Vorschrift als "planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen" erfasst alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Entwicklungsvorgang beeinflussen (vgl. [X.]-Urteile vom 19. Juni 1997 IV R 26/96, [X.], 488, [X.] 1997, 652; vom 23. September 1998 XI R 9/98, [X.] 1999, 600; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 3 Nr. 11 EStG Rz 7 "Erziehung").

bb) Ihrer unmittelbaren Förderung dienen öffentliche Beihilfen selbst dann, wenn sie auch den Unterhalt des zu Erziehenden mit abdecken ([X.]/[X.], § 3 Nr. 11 EStG Rz 7 "Unmittelbare Förderung", m.w.N.).

Für die Frage, ob die an Pflegeeltern gezahlten [X.] die "Erziehung fördern" oder ob sie auch noch anderen Zwecken dienen, kommt es nämlich nach der [X.]-Rechtsprechung (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 154, [X.] 1984, 571) entscheidend auf Inhalt und Durchführung des Pflegeverhältnisses an.

Nach dieser Rechtsprechung kann regelmäßig kein Zweifel daran bestehen, dass an Pflegeeltern geleistete [X.] dazu bestimmt sind, zu Gunsten der in den Haushalt der Pflegeeltern dauerhaft aufgenommenen und wie leibliche Kinder betreuten Kinder und Jugendlichen "die Erziehung zu fördern".

Solche Zweifel hat der [X.] lediglich für Leistungen zu Gunsten sog. Kostkinder gesehen. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, ob die Zuschüsse nicht vor allem die Unterbringung und Verköstigung abgelten sollen (vgl. zur steuerlichen Würdigung der Unterbringung, Verköstigung und der allgemeinen Betreuung von Kindern in Kinderheimen: [X.]-Urteil vom 27. Juni 1974 IV R 204/70, [X.]E 114, 95, [X.] 1975, 147).

c) Öffentlich-rechtliche Beihilfen i.S. des § 3 Nr. 11 EStG sind allerdings nur uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen ([X.]-Urteil vom 23. September 1998 XI R 11/98, [X.]E 187, 39, [X.] 1999, 133; vgl. von [X.], in: [X.][X.], a.a.[X.], § 3 Nr. 11 Rz B 11/53; [X.]/ [X.], § 3 Nr. 11 EStG Rz 7). Leistungen, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden, können danach nicht als Beihilfe qualifiziert werden ([X.]-Urteil in [X.] 1999, 600).

aa) Demgemäß hat der [X.] die von Jugendämtern an Pflegeeltern geleisteten [X.] als nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei beurteilt. Mit der Zahlung der [X.] sei keine vollständige Ersetzung des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern beabsichtigt ([X.]-Urteil in [X.], 154, [X.] 1984, 571). Zuwendungen an Pflegeeltern ähnelten in vielerlei Hinsicht Zahlungen, die die leiblichen Eltern für die Erziehung ihrer Kinder ebenfalls steuerfrei erhielten (vgl. [X.]-Urteil vom 17. Mai 1990 IV R 14/87, [X.]E 161, 361, [X.] 1990, 1018).

bb) Diesen Leistungen gegenübergestellt hat der [X.] als steuerpflichtige Einnahmen Zahlungen an Personen, die Kinder nur des Erwerbs wegen in ihren Haushalt aufgenommen haben ([X.]-Urteil in [X.]E 161, 361, [X.] 1990, 1018).

Danach sind öffentliche Zuwendungen für die Übernahme der Heimerziehung keine Beihilfen i.S. des § 3 Nr. 11 EStG, wenn die dafür gezahlten Beträge --pauschal-- die tatsächlichen Kosten in angemessenem Umfang nach Maßgabe der zugrunde gelegten Pflegesätze hinsichtlich der Personal- und Sachkosten umfassen ([X.]-Urteil in [X.] 1999, 600, m.w.N. mit dem Hinweis, dass die unterschiedliche Behandlung von [X.]n und [X.] --vor allem im Hinblick auf ihre Unterschiede in der [X.] mit Art. 3 des Grundgesetzes vereinbar ist; ebenso [X.]-Urteil in [X.]E 187, 39, [X.] 1999, 133).

Dementsprechend hat der [X.] auch die von den Jugendämtern an die Betreuer von sog. Tagesgroßpflegestellen gezahlten [X.] nicht als nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei angesehen ([X.]-Urteil in [X.]E 161, 361, [X.] 1990, 1018); sie dienten nicht ausschließlich und nicht prägend der Erziehung, sondern auch der Unterbringung, Verpflegung und allgemeinen Betreuung.

cc) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das [X.] ([X.]) mit für das Streitjahr 2003 (wie auch die Veranlagungszeiträume bis 2007 einschließlich) maßgeblichem Schreiben vom 7. Februar 1990 [X.] ([X.], 109) bestimmt:

       

"Personen, die ein fremdes Kind versorgen und erziehen, erhalten in bestimmten Fällen wegen der Kosten, die dadurch typischerweise entstehen, finanzielle Leistungen aus öffentlichen Mitteln (Pflegegeld im weiteren Sinne). Diese Leistungen werden entweder in einem einheitlichen Betrag gezahlt oder sie setzen sich zusammen aus einem Betrag, der unmittelbar der Sicherung des Lebensbedarfs des Kindes dient (Pflegegeld im engeren Sinne), und aus einem Erziehungsbeitrag (Erziehungsgeld).

       

Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder in der Sitzung ESt I/90 - außerhalb der Tagesordnung - stellen sowohl das Pflegegeld im engeren Sinne als auch das Erziehungsgeld steuerfreie Einnahmen nach § 3 Nr. 11 EStG dar. Dies gilt auch bei Tages- oder [X.]. Voraussetzung ist jedoch, daß es sich um eine auf Dauer angelegte Pflege handelt und die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird. Erwerbsmäßig wird die Pflege betrieben, wenn das Pflegekind die wesentliche Erwerbsgrundlage darstellt. Bei einer Betreuung von bis zu fünf Kindern kann ohne nähere Prüfung unterstellt werden, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird."

Für Veranlagungszeiträume ab 2008 gilt nach dem bis zum 20. April 2011 geltenden [X.]-Schreiben vom 20. November 2007 [X.] (BStBl I 2007, 824) für die Vollzeitpflege nach § 33 [X.]:

       

"Sowohl das Pflegegeld als auch die anlassbezogenen [X.] und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln sind [X.] im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG, die die Erziehung unmittelbar fördern, sofern eine Erwerbstätigkeit nicht vorliegt. Werden mehr als sechs Kinder im Haushalt aufgenommen, wird eine Erwerbstätigkeit vermutet. Bei einer Betreuung von bis zu sechs Kindern ist ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird."

2. Nach diesen Grundsätzen ist abweichend von der Auffassung der Vorinstanz die Steuerfreiheit der im Streitfall bezogenen Einnahmen aus erzieherischer Tätigkeit gemäß § 3 Nr. 11 EStG gegeben.

a) Die Einnahmen der Klägerin sind öffentliche Mittel, weil sie unstreitig konkret bezogen auf die von der Klägerin betreuten Kinder jeweils von dem zuständigen Jugendamt auf der Grundlage der durch Haushaltsplan der Gebietskörperschaft bereitgestellten Haushaltsmittel bewilligt wurden.

Der Umstand, dass diese bewilligten Zahlungen über einen zwischengeschalteten Träger an die Klägerin als Erziehende auf der Grundlage eines Vertrages zwischen ihr und dem Träger geleistet wurden, steht der Annahme "öffentlicher Mittel" i.S. des § 3 Nr. 11 EStG nicht entgegen.

aa) Allerdings hat die Finanzverwaltung zur Vollzeitpflege im Wege der Abwicklung über einen zwischengeschalteten Träger durch [X.]-Schreiben vom 21. April 2011 [X.] –[X.]: 126 ([X.], 487) mit Wirkung von diesem Tag an die Steuerfreiheit geleisteter Zahlungen nach § 3 Nr. 11 EStG an die Voraussetzung geknüpft, dass

-       

der Pflegeperson das ihr zustehende Pflegegeld direkt vom örtlichen Jugendamt bewilligt worden ist, so dass das Geld bei dem zwischengeschalteten freien Träger nur einen so genannten durchlaufenden Posten darstellt;

-       

zur Annahme eines durchlaufenden Postens eindeutige und unmissverständliche vertragliche Regelungen zwischen Jugendamt, freiem Träger und der Pflegeperson/[X.] des § 33 [X.] bestehen (vertragliche Vereinbarung zwischen allen Parteien, dass das vom Jugendamt zweckgebunden an den freien Träger ausgezahlte Pflegegeld unverändert an die Pflegeperson weitergeleitet wird und sich durch diese formale, organisatorische Abwicklung dem Grunde und der Höhe nach am [X.] nichts ändert) und

-       

Vollmacht und Erklärung der Pflegeperson vorliegen, mit der Weiterleitung des Pflegegeldes des örtlichen [X.] über den freien Träger einverstanden zu sein.

bb) Diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung steht der Annahme "öffentlicher Mittel" im Sinne von in einem öffentlichen Haushalt als Ausgaben festgelegten und entsprechend verausgabten Beträgen ([X.]-Urteil in [X.], 438, [X.] 1972, 839) nicht entgegen.

Diese Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung schon dann gewahrt, wenn die in einem Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel nicht unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse, sondern mittelbar über Dritte gezahlt werden, sofern über die Mittel nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verfügt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 536, [X.] 1984, 113; in [X.], 22).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

(1) Die Verwendung der Mittel durch Zahlung an den Träger --wie im [X.] unterliegt unstreitig der Rechnungskontrolle durch die Jugendhilfebehörde.

Deren Kontrolle umfasst auch die vom Träger abgeschlossenen --standardisierten-- Verträge mit den jeweiligen Pflegepersonen zu jeder der von diesen betreuten Personen, so dass es ersichtlich einer weitergehenden Kontrolle bei den Pflegepersonen für eine hinreichende Mittelverwendungskontrolle nicht bedarf. Denn der Träger unterliegt öffentlicher Rechnungskontrolle hinsichtlich der Frage, ob er die für ein bestimmtes Kind bewilligten [X.] tatsächlich zu dessen Betreuung an die von ihm vertraglich zur Betreuung verpflichtete Person eingesetzt hat.

(2) Die danach durch die Rechnungskontrolle der öffentlichen Hand mögliche Feststellung, dass die zur Förderung der Erziehung einer bestimmten Person bereitgestellten Mittel an die nach den ggf. vorzulegenden Unterlagen verpflichtete Pflegeperson tatsächlich abgeflossen sind, genügt für die haushalterisch erforderliche Kontrolle der [X.] Mittelverausgabung. Der gewählte Zahlungsweg über einen freien Träger zieht danach den Charakter der gezahlten Beträge als "öffentliche Mittel" i.S. des § 3 Nr. 11 EStG nicht in Zweifel (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 536, [X.] 1984, 113; in [X.], 22).

(3) Der Annahme "öffentlicher Mittel" i.S. des § 3 Nr. 11 EStG steht auch nicht das [X.]-Urteil in [X.], 488, [X.] 1997, 652 entgegen.

Soweit danach Empfänger einer steuerbefreiten Beihilfe nur die Personen sein können, denen sie im Hinblick auf den Zweck der Leistung bewilligt worden ist, will die Entscheidung die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG hinsichtlich einer Beihilfe lediglich auf diejenigen Personen beschränken, denen sie materiell-rechtlich nach dem Zweck der Beihilfe zukommen soll.

Da die im Streitfall vom Jugendamt bewilligten Zahlungen den Pflegepersonen --wie hier der [X.] zukommen sollten, entspricht die Anwendung des § 3 Nr. 11 EStG im Streitfall den Anforderungen dieser Entscheidung.

b) Die streitigen Zahlungen sind des Weiteren i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung.

aa) Zu Recht gehen die Beteiligten wie auch das [X.] in Übereinstimmung mit der Auffassung der Finanzverwaltung in den [X.]-Schreiben in [X.], 109 --zu den [X.] 2003 bis 2007 einschließlich-- sowie in BStBl I 2007, 824 --zu den [X.] von 2008 bis zum 20. April 2011-- für die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII, d.h. für die regelmäßig in den Familienhaushalten der Pflegeperson über Tag und Nacht vorgenommene Betreuung von Kindern und Jugendlichen davon aus, dass diese der Erziehung dient und dafür geleistete Zahlungen der Jugendhilfeträger damit --dem Grunde nach-- Beihilfen zur Förderung der Erziehung i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind.

Denn nach der [X.]-Rechtsprechung wird mit der Zahlung der in diesem Zusammenhang bewilligten [X.] keine vollständige Ersetzung des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern beabsichtigt (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 154, [X.] 1984, 571; in [X.]E 161, 361, [X.] 1990, 1018).

(1) Zu Unrecht haben aber [X.] und [X.] das Vorliegen einer Vollzeitpflege i.S. des § 33 SGB VIII mit der Begründung verneint, die von der Klägerin in ihrem Familienhaushalt erbrachte Erziehungsleistung gegenüber den beiden Pflegekindern sei --weil sie nach den abgeschlossenen Verträgen "als [X.]" tätig geworden [X.] als "in einer (anderen) Einrichtung betreuten [X.]" i.S. des § 34 SGB VIII erbracht anzusehen, für die die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG nicht gelte.

Sonstige betreute Wohnformen i.S. des § 34 [X.] sind nur gegeben, wenn sie als Einrichtung einen institutionalisierten Rahmen für die Betreuung bieten (Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 28. Mai 2014  12 [X.] 14.154, Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2014, 341, m.w.N.). Eine nur angemietete Wohnung --und folglich die bloße Überlassung von Wohnraum wie z.B. ein Zimmer im Haushalt der betreuenden Person entsprechend den Verhältnissen im [X.] genügt nicht. Denn unter "Einrichtung" ist eine auf eine gewisse Dauer angelegte --hier fehlende-- Verbindung von sächlichen und persönlichen Mitteln zu einem bestimmten Zweck unter der Verantwortung eines Trägers zu verstehen ([X.], Urteil vom 6. Mai 2010  26 K 6023/09, juris).

Nach dieser Rechtsprechung bestimmt sich die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine Betreuung in einer [X.] nach § 33 SGB VIII oder in einem Heim oder in einer anderen Einrichtung betreuten [X.] nach § 34 SGB VIII handelt, allein nach den tatsächlichen Verhältnissen der konkreten Unterbringung.

(2) Dies gilt gleichermaßen für den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG, weil die Auslegung des Merkmals "unmittelbare Förderung der Erziehung" nach der [X.]-Rechtsprechung (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 154, [X.] 1984, 571; in [X.]E 161, 361, [X.] 1990, 1018) wie auch nach der daran anknüpfenden Verwaltungspraxis (vgl. [X.]-Schreiben in [X.], 109 sowie in BStBl I 2007, 824: Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG nur bei Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII) im Wesentlichen an der tatsächlichen Ausgestaltung der Pflegesituation orientiert ist.

Diese Orientierung der Anwendung des § 3 Nr. 11 EStG an den tatsächlichen Verhältnissen unterscheidet sich von den Voraussetzungen für den Kindergeldanspruch der Pflegekinder gemäß den §§ 32, 63 EStG, für den die sozialrechtliche Einordnung ihrer Wohnung als sonstige betreute Wohnform nach Maßgabe des § 34 SGB VIII nach der Rechtsprechung des [X.] steuerrechtliche [X.] hat (vgl. [X.]-Urteil vom 2. April 2009 III R 92/06, [X.]E 224, 542, [X.] 2010, 345).

(3) Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob Zahlungen für die Betreuung in Einrichtungen nach § 34 SGB VIII stets --mangels ausdrücklicher Ausrichtung auf die [X.] aus dem Anwendungsbereich des § 3 Nr. 11 EStG ausscheiden (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 161, 361, [X.] 1990, 1018 zu sog. Tagesgroßpflegestellen; in [X.]E 187, 39, [X.] 1999, 133 zu einem Kinderhaus) oder bei bestimmten Mischformen eine solche Anwendung in Betracht zu ziehen sein könnte (vgl. zu den Mischformen und den nach der Rechtsprechung fließenden Grenzen zwischen den Anwendungsbereichen der §§ 33, 34 SGB VIII [X.], Urteil vom 24. Oktober 2008  7 A 10444/08, Das Jugendamt 2009, 92).

bb) Die Förderung dient auch "unmittelbar" der Förderung der Erziehung.

(1) Unmittelbare Förderung der Erziehung i.S. der Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die Zuwendungen öffentlicher Mittel die Erziehung ohne ein Dazwischentreten weiterer Ereignisse beeinflussen ([X.]-Urteil in [X.], 69, [X.] 2006, 755 unter Bezugnahme auf die [X.]-Urteile in [X.], 374, [X.] 1972, 566, und in [X.], 154, [X.] 1984, 571; vgl. von [X.], in: [X.] [X.], a.a.[X.], § 3 Nr. 11 Rz [X.]/49).

Dabei kann von einer "unmittelbaren" Förderung der Erziehung nach der Rechtsprechung allerdings dann nicht gesprochen werden, wenn die Aufnahme des Kindes in den Haushalt der Pflegeperson --wie im Falle der [X.] auf Seiten der Pflegepersonen als Erwerbstätigkeit anzusehen ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 154, [X.] 1984, 571).

(2) Auf der Grundlage der Verwaltungsauffassung (s. [X.]-Schreiben in [X.], 109) kann indessen bei einer dauerhaften Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII --wie im [X.] mit einer Betreuung von bis zu fünf Kindern aufgrund eines Anscheinsbeweises ohne nähere Prüfung unterstellt werden, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird.

Zu Recht enthalten die [X.]-Schreiben keine Einschränkungen dieser durch die erkennbare Absicht der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigten pauschalierenden Regelung. Denn das Gesetz enthält in § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine weitere Einschränkung, sondern sieht lediglich in Satz 3 Beschränkungen dann vor, wenn die Zahlung --anders als im [X.] eine Gegenleistung für eine bestimmte wissenschaftliche oder künstlerische Leistung sowie für eine Arbeitnehmertätigkeit darstellt (zur Steuerfreiheit von [X.] nach § 3 Nr. 50 EStG insoweit vgl. [X.]-Urteil vom 2. Oktober 2003 IV R 4/02, [X.]E 203, 459, [X.] 2004, 129).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VIII R 27/11

05.11.2014

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 31. Mai 2011, Az: 13 K 144/11, Urteil

§ 3 Nr 11 EStG 2002, § 18 Abs 1 Nr 3 EStG 2002, § 33 SGB 8, § 34 SGB 8

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.11.2014, Az. VIII R 27/11 (REWIS RS 2014, 1647)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1647

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