Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2018, Az. AnwZ (Brfg) 70/17

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2018, 12053

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[X.]:[X.]:[X.]GH:2018:200318[X.]ANWZ.[X.]RFG.70.17.0

[X.]UN[X.]SGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
AnwZ ([X.]) 70/17

vom

20. März 2018

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft
-
2
-

Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat
durch die Präsidentin
des [X.] [X.], die Richterin Lohmann
und [X.]
Remmert sowie den Rechtsanwalt [X.] und die Rechtsanwältin Merk

am
20. März 2018
beschlossen:

Auf Antrag des [X.] wird die [X.]erufung gegen das seinem Pro-zessbevollmächtigten am 25. Oktober 2017 an [X.] statt zugestellte Urteil des 2. Senats des Saarländischen Anwaltsge-richtshofs zugelassen.

Gründe:

I.

Der am 26.
November 1948 geborene Kläger wurde 1978 zur [X.] zugelassen. Mit Urteil vom 7.
Dezember 1992 wurde
er vom Landge-richt T.

wegen im Zeitraum von April 1987 bis 17.
Februar 1989 begangener Straftaten der Untreue in acht Fällen sowie des [X.]etruges und der Gebühren-überhebung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Daraufhin wurde er mit Urteil vom 16.
April 1994 des Ehrengerichts für den [X.]ezirk der Rechtsanwaltskammer K.

aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen.
1
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Der Kläger gab in einem Verfahren vor dem [X.] T.

am 9.
Juni 2011
eine strafbewehrte Erklärung dahingehend ab, es künf-tig zu unterlassen, in fremden Angelegenheiten selbständig entgeltlich [X.] Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Das [X.] T.

verurteilte den Kläger mit rechtskräftigem Urteil vom 7.
August 2015 wegen mehrfachen Verstoßes gegen die vorgenannte Unterlassungserklärung zu einer Vertragsstrafe von 20.000,04

Der Kläger beantragte am 19.
Mai 2015 bei der [X.] die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. In dem zugehörigen Fragebogen verneinte er die [X.] nach strafgerichtlichen Verurteilungen (§§ 4-8 [X.]ZRG) und gegen ihn ergan-genen Entscheidungen von Verwaltungsbehörden oder Gerichten gemäß §
10 [X.]ZRG. Die Frage wird in dem Fragebogen dahingehend erläutert, dass die Rechtsanwaltskammer nach §
36 Abs.
1 und 2 [X.] ein Recht auf [X.] Auskunft aus dem [X.]undeszentralregister gemäß §
41 Abs.
1 Nr. 11 [X.]ZRG zu §
7 Nr.
1 bis 5 [X.] habe, so dass ihr gegenüber keine Rechte aus §
53 Abs.
1 Nr. 1 [X.]ZRG hergeleitet werden könnten (§
53 Abs.
2 [X.]ZRG).

Nachdem die [X.]eklagte in dem Zulassungsverfahren mit Schreiben vom 7.
August 2015 dem Kläger gegen ihn gerichtete wettbewerbsrechtliche Verfah-ren wegen Verstößen gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vorgehalten [X.], ließ sich der Kläger mit Schreiben vom 2.
September 2015 dahingehend ein, es sei unstreitig, dass er nicht gegen Strafgesetze verstoßen habe. [X.]ei dem gegen ihn eigeleiteten Verfahren gehe es lediglich um zivilrechtliche Ansprüche auf Vertragsstrafe aufgrund von Wettbewerbsverstößen.

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Nach weiterem Schriftwechsel zwischen den Parteien erhob
der Kläger gegen die [X.]eklagte vor dem [X.] eine Untätigkeitsklage. Die [X.] wies nunmehr den Antrag des [X.] auf Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft mit [X.]escheid vom 11.
November 2016 zurück, da ein Versagungsgrund nach §
7 Nr.
5 [X.]

vorliege. Daraufhin hat der Kläger seine
Klage
erweitert. Er
hat beantragt, den [X.]escheid der [X.] vom 11.
November 2016 aufzu-heben und ihn als Rechtsanwalt zuzulassen. Der [X.] hat die Klage abgewiesen.

Der
Kläger beantragt die
Zulassung der [X.]erufung
gegen das Urteil des [X.]s.

II.

Der nach §
112e Satz 2 [X.], §
124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des [X.] auf Zulassung der
[X.]erufung hat Erfolg. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§
112e Satz 2 [X.], §
124 Abs. 2 Nr. 1, §
124a Abs.
5 Satz 2 VwGO).

1. Die mit der Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß §
7 Nr.
5 [X.] verbundene Einschränkung der freien [X.]erufswahl ist nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter [X.]eachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ([X.], NJW 2017, 3704 Rn. 25; Senat, Urteil vom 10.
Oktober 2011 -
AnwZ ([X.]) 10/10, juris Rn. 13
ff.; [X.]eschluss vom 10.
Februar 2015 -
AnwZ ([X.]) 55/14, juris Rn. 5). Diese
Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der [X.]ewerber ein Verhalten gezeigt hat, dass ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände -
wie Zeitablauf und zwischenzeitliche Führung
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nach seiner Gesamtpersönlichkeit 5
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5
-

für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt (vgl. [X.] aaO; Senat, [X.]eschluss vom 10.
Februar 2015, aaO). Dabei sind das berechtigte Interesse des [X.]ewerbers nach beruflicher und [X.] Eingliederung und das durch das [X.]erufsrecht geschützte Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der [X.] an der Integrität des [X.], das in der Regel nur im [X.] einer funktionierenden Rechtspflege von [X.]elang
sein kann, einzelfallbezo-gen gegeneinander abzuwägen ([X.] aaO).

Im Rahmen der Prognoseentscheidung, die im Hinblick auf die [X.]eein-trächtigung der einer Zulassung entgegenstehenden Interessen der Öffentlich-keit zu erstellen ist (vgl. [X.],
aaO Rn. 27, 29), ist von [X.]edeutung, wie viele Jahre zwischen einer Verfehlung, die seinerzeit die Unwürdigkeit begründete, und dem Zeitpunkt der ([X.] liegen. Auch eine durch ein beson-ders schwerwiegendes Fehlverhalten begründete Unwürdigkeit kann durch Zeitablauf und Wohlverhalten des [X.]ewerbers derart an [X.]edeutung verloren ha-ben, dass sie der Zulassung des [X.]ewerbers nicht mehr im Wege steht. [X.]ei [X.] Straftaten mit [X.]ezug zur beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts hält der Senat in ständiger Rechtsprechung einen Abstand zwischen der die Un-würdigkeit begründenden Straftat des [X.]ewerbers und dessen Wiederzulassung von in der Regel 15 bis 20 Jahren für erforderlich (Senat, [X.]eschlüsse vom 10.
Februar 2015 aaO und vom 18.
November 1996 -
AnwZ
([X.]) 11/96, juris Rn.
13; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9.
Aufl., § 7 Rn.
41). [X.]indende feste Fristen gibt es jedoch nicht. Vielmehr sind alle für und gegen den jeweiligen [X.]ewerber sprechenden Umstände einzelfallbezogen zu gewichten (Senat, Urteil vom 10.
Oktober 2011; [X.]eschluss vom 10.
Februar

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2015; jeweils aaO). Wurde die Unwürdigkeit durch die [X.]egehung von Straftaten seitens des Rechtsanwalts begründet, ist neben der seit der [X.]egehung der letz-ten Straftat vergangenen Zeitspanne zu berücksichtigen, wie der [X.]ewerber in der Zwischenzeit mit seinem Fehlverhalten umgegangen ist und ob er sich auch ansonsten untadelig geführt hat (Senat, [X.]eschlüsse vom 10.
Februar 2015, aaO Rn. 6, und vom 4.
April 2005 -
AnwZ
([X.]) 21/04, juris Rn. 9).

2. [X.]ei Anwendung dieser Grundsätze bestehen ernstliche Zweifel, ob noch von einer die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft begrün-denden Unwürdigkeit des [X.] im Sinne von §
7 Nr. 5 [X.] auszugehen ist.

Zwar sind die von ihm bis Februar 1989 begangenen Straftaten als gra-vierend und berufsbezogen im Sinne der Senatsrechtsprechung einzustufen (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 10.
Februar 2015 aaO). Seit ihrer [X.]egehung sind indes mittlerweile 29 Jahre vergangen. Angesichts dieser sehr langen Zeit-spanne haben
die Straftaten für die Frage der ([X.] des [X.] inzwischen erheblich
an [X.]edeutung verloren.

Der [X.] hält dem Kläger zu Unrecht einen schwerwie-genden Verstoß gegen die Wahrheitspflicht vor, weil er in dem Fragebogen zum Antrag auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die Frage nach [X.] Verurteilungen verneint hat. Der Kläger durfte sich gemäß §
53 Abs.
1 Nr.
2 [X.]ZRG als unbestraft bezeichnen, weil die strafgerichtliche Verurtei-lung durch das [X.] T.

vom 7.
Dezember 1992 zu tilgen war
(vgl. [X.], [X.]eschluss vom 3.
November 2008 -
AnwZ ([X.]) 1/08, juris Rn. 16; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9.
Aufl., §
7 Rn. 53; [X.] in Henss-ler/Prütting, [X.], 4.
Aufl., §
7 Rn. 47). Die Tilgungsfrist lief gemäß §
46 Abs.
1 10
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7
-

Nr. 4, §
47 Abs.
1 [X.]. §
36 Satz 1 [X.]ZRG
-
unter [X.]erücksichtigung der Dauer der Freiheitsstrafe (§
46 Abs. 3 [X.]ZRG)
-
am 7.
Juni 2011 und damit weit vor dem Antrag des [X.] auf Wiederzulassung vom 19.
Mai 2015 ab. Der Hin-weis der
[X.] in dem Fragebogen zum Antrag auf Zulassung zur [X.] auf §
53 Abs.
1 Nr. 1, Abs.
2 [X.]ZRG ist vorliegend nicht einschlä-gig. Danach dürfen sich Verurteilte, deren Verurteilung nicht in das Führungs-zeugnis aufzunehmen ist
(vgl. §§
33, 34 [X.]ZRG), gegenüber der nach §
36 Abs.
1, 2 [X.] [X.]. §
41 Abs.
1 Nr. 11 [X.]ZRG auskunftsberechtigten Rechts-anwaltskammer nicht als unbestraft bezeichnen, falls sie -
wie vorliegend ge-schehen
-
hierüber belehrt werden. Hiervon nicht betroffen ist das Recht des Verurteilten, sich gemäß §
53 Abs.
1 Nr. 2 [X.]ZRG als unbestraft bezeichnen zu dürfen, wenn die Verurteilung zu tilgen ist. Letzteres
ist hier der Fall.

Da sich der Kläger als unbestraft bezeichnen durfte, gereicht es ihm -
entgegen der Auffassung des [X.]s
-
auch nicht zum Nachteil, dass er in seinem an die [X.]eklagte gerichteten
Schreiben vom 2.
September 2015 die Auffassung vertreten
hat, er habe nicht gegen Strafgesetze verstoßen. Zudem handelte
es sich um eine Stellungnahme zu dem vorangegangenen Schreiben der [X.] vom 7.
August 2015. Dort werden dem Kläger [X.] gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vorgehalten. Die
Ausführungen des [X.] vom 2.
September 2015, er habe nicht gegen Strafgesetze versto-ßen, beziehen
sich ausschließlich
auf diese Vorwürfe. Ihnen
kann keine weiter-gehende Aussage dahingehend beigemessen werden, er sei niemals straffällig geworden.

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Ob allein die dem Kläger von der [X.] zur Last gelegten Verstöße gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz -
im
Rahmen der erforderlichen Ver-hältnismäßigkeitsprüfung und Prognose (s.o. zu 1.)
-
eine weiterhin bestehende Unwürdigkeit im Sinne von §
7 Nr.
5 [X.] zu begründen vermögen, bedarf der Klärung im [X.]erufungsverfahren.

Offen bleiben kann, ob die Zulassung
der [X.]erufung auch aufgrund der weiteren vom Kläger geltend gemachten Gründe angezeigt ist.

III.

Das Verfahren wird als [X.]erufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer [X.]erufung bedarf es nicht (§
112e Satz 2 [X.], §
124a Abs.
5 Satz 5 VwGO).

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Rechtsmittelbelehrung:

Die [X.]erufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des [X.]e-schlusses über die Zulassung der [X.]erufung zu begründen. Die [X.]egründung ist beim [X.]undesgerichtshof, [X.] 45a, 76133 [X.] einzureichen. Die [X.]egründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert wer-den. Die [X.]egründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung ([X.]erufungsgründe). Wegen der Verpflichtung sich im [X.]erufungs-verfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrung in der angefochtenen Entscheidung mit der Maßgabe [X.]ezug ge-nommen, dass auch Rechtslehrer an einer staatlichen oder staat-lich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der [X.], eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der [X.], die
die [X.]efähigung zum Richteramt besitzen, zugelassen sind. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die [X.]erufung unzulässig.

[X.]
Lohmann
Remmert

Lauer
Merk

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 25.10.2017 -
AGH 7/16 -

Meta

AnwZ (Brfg) 70/17

20.03.2018

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2018, Az. AnwZ (Brfg) 70/17 (REWIS RS 2018, 12053)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12053

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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