Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.09.2010, Az. 17 W (pat) 70/07

17. Senat | REWIS RS 2010, 3033

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde - zur Glaubhaftmachung der Tatsachen die eine Wiedereinsetzung begründen sollen - Vortrag durch einen mit den geschilderten Umständen nicht befassten Anwalt reicht nicht aus


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2004 051 355.4-51

(hier: Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist)

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung am 24. September 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl.-Phys. Dr. [X.], der Richterin [X.], des [X.] [X.] und der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung

beschlossen:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verworfen.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Anordnung zur räumlich wahrnehmbaren Darstellung“ ist von der Prüfungsstelle für Klasse G 02 B des [X.] zurückgewiesen worden. Dieser Beschluss wurde am 17. November 2006 mittels Einschreiben an die Anmelderin übersandt.

2

Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin mit Schreiben vom 19. April 2007, eingegangen mittels Telefax am selben Tag, Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr bezahlt. Gleichzeitig damit hat sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung dieses Antrags führt sie aus:

3

Die Beschwerde gegen den angegriffenen Beschluss sei ohne Verschulden der Anmelderin trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt nicht fristgerecht eingelegt worden, da die Beschwerdefrist in eine Zeit dramatischen Umbruchs bezüglich der Zuständigkeiten bei den gewerblichen Schutzrechten sowie personeller Turbulenzen bei der Anmelderin gefallen sei.

4

Die Anmelderin (bzw. ihre Rechtsnachfolgerin) und das Tochterunternehmen verfügten insgesamt weltweit über mehr als 150 Schutzrechte bzw. Anmeldungen. In der zweiten Hälfte des Jahres 2006 hätten mit einem Schlag die wichtigsten Entwickler das Unternehmen der Patentanmelderin verlassen. Damit hätten die meisten technischen Ansprechpartner plötzlich nicht mehr zur Verfügung gestanden. Zusätzlich hätten einige der Erfinder, die das Unternehmen der Anmelderin verlassen hätten, ein eigenes Unternehmen gegründet, das im Wettbewerb zum Unternehmen der Anmelderin stehe. Schließlich hätten noch die bisherigen Vertreter die Vertretung niedergelegt. Die Anmelderin sei damit praktisch unverschuldet von heute auf morgen ohne technische und rechtliche Unterstützung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes dagestanden. Seitens der Anmelderin sei in den anschließenden Wochen versucht worden, die Situation so gut es ging zu meistern und die Bearbeitung der Schutzrechte bzw. der Anmeldungen wieder in geordnete Bahnen zu führen. Genau in diese [X.] sei das Fristversäumnis im vorliegenden Fall gefallen.

5

Zwar verfüge die Anmelderin auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes über fachkundige und gut ausgebildete Personen. Diese hätten jedoch hauptsächlich als Ansprechpartner für die bisherigen Vertreter gedient und seien nur in Einzelfällen selbst gegenüber dem [X.] tätig geworden. Durch die oben geschilderten Umstände habe die Anmelderin nun plötzlich die gesamte Korrespondenz vom [X.] erhalten und mit diesem führen müssen. Sie sei von diesen Vorgängen völlig überrascht worden. Zudem sei fachlich geeignete personelle Verstärkung trotz intensiver Bemühungen nicht sofort verfügbar gewesen. Dies alles habe letzten Endes dazu geführt, dass einzelne Fristen versäumt worden seien, wie im vorliegenden Fall die Frist zur Einlegung der Beschwerde.

6

Im Dezember 2006 sei eine [X.] Kanzlei mit der Übernahme der Bearbeitung sämtlicher Akten der Patentanmelderin und deren Tochter beauftragt worden. Diese Kanzlei habe die übernommenen Akten sortieren, sichten und bewerten müssen. Dies habe sich als schwierig gestaltet, denn die [X.] seien der [X.] nicht mächtig und hätten zudem wegen des [X.] einer Vielzahl von Erfindern von der Anmelderin keine Unterstützung bei der Beurteilung des Inhalts gehabt.

7

Im Februar 2007 sei dann die antragstellende Kanzlei mit der Übernahme der Anmeldung beauftragt worden. Nach der Sichtung sei festgestellt worden, dass im vorliegenden Fall keinerlei Unterlagen verfügbar waren. Diese hätten erst im Wege einer Akteneinsicht beim [X.] beschafft werden müssen. Erst mit der Einsichtnahme in die Patent- und Gebrauchsmusterrolle am 19. Februar 2007 sei festgestellt worden, dass ein Zurückweisungsbeschluss ergangen sei und dieser bereits Rechtskraft erlangt habe. Dies sei somit der Tag des Wegfalls des Hindernisses gemäß § 123 Abs. 2 [X.].

8

Auf diesen Vortrag hin hat der Senat einen Zwischenbescheid erlassen, in dem er darauf hingewiesen hat, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung keinerlei [X.] enthält, eine Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen gemäß § 123 Abs. 2 Satz 2, Halbsatz 2 [X.] jedoch noch im Verfahren möglich sei; zudem bestünden Bedenken, ob nach dem Vortrag der Anmelderin von fehlendem Verschulden ausgegangen werden könne (§ 123 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

9

Die Anmelderin hat sich auf diesen Zwischenbescheid nicht geäußert.

Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist ist nicht zulässig.

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig, wenn er statthaft und form- und fristgerecht gestellt worden ist und die den Antrag begründenden Tatsachen enthält; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]). Dies ist eine bereits im Rahmen der Zulässigkeit des [X.] zu prüfende Frage ([X.], ZPO, 31. Aufl., § 238 Rdnr. 10 i. V. m. § 233 Rdnr. 8; [X.], ZPO, 22. Aufl., Band 3, 2005, § 233 Rdnr. 19).

Zwar ist im vorliegenden Fall der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung einer Beschwerde statthaft und innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich beantragt worden. Der Antrag enthält die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 123 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 [X.]). Diese sind jedoch weder bei der Antragstellung noch im Verfahren glaubhaft gemacht worden (§ 123 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

Allerdings ist bei der Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, ein voller Beweis nicht erforderlich, vielmehr genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ([X.], a. a. [X.], § 294 Rdnr. 1). Pauschale Behauptungen jedoch genügen nicht ([X.], [X.], 8. Aufl., § 123 Rdnr. 44). [X.] sind eidesstattliche Versicherungen (auch eine eigene), Atteste, Bescheinigungen, anwaltliche Versicherung, unbeglaubigte Photokopien, Sendeprotokolle ([X.], a. a. [X.], § 123 Rdnr. 45).

Die Antragstellerin hat jedoch keinerlei Glaubhaftmachungsunterlagen vorgelegt. Allerdings muss die Tatsache, dass für die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen keine Mittel zur Glaubhaftmachung angegeben sind, nicht stets zur Unzulässigkeit des [X.] führen. Diese Angaben sind nicht schlechthin notwendig, wie etwa dann, wenn sich die für die Bewilligung der Wiedereinsetzung maßgeblichen Tatsachen aus den Akten ergeben und gerichtsbekannt oder sonst offenkundig sind, so dass ausnahmsweise auf [X.] verzichtet werden könnte ([X.], ZPO, 1. Aufl., 2010, § 236 Rdnr. 6). Dies trifft vorliegend aber nicht zu. Damit reicht der bloße [X.]vortrag allein nicht aus. Hinzu kommt, dass die Glaubhaftmachung als solche (anders als der [X.]) bereits für eine gewisse Großzügigkeit Platz bietet. Der Tatsachenvortrag wurde jedoch im vorliegenden, äußerst komplexen Sachverhalt in keinem einzigen Punkt durch [X.] wie Belege, Erklärungen der [X.] selbst, Darlegung von konkreten organisatorischen Maßnahmen oder Unterlagen irgendwelcher ergänzender Art untermauert. Allein der Vortrag durch einen mit den geschilderten Umständen nicht befassten Anwalt kann auch unter Zugrundelegung eines großzügigen Maßstabes nicht ausreichen, um dies als Glaubhaftmachung ansehen zu können.

Die Vorlage von [X.]n kann auch nach der Antragstellung „im Verfahren“ erfolgen (§ 123 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]). Darauf hat der Senat durch einen Zwischenbescheid hingewiesen. Eine Äußerung auf diesen Zwischenbescheid ist nicht erfolgt.

Deshalb war der Antrag auf Wiedereinsetzung (als unzulässig) zu verwerfen.

Damit musste dahingestellt bleiben, ob der Wiedereinsetzungsantrag wegen mangelnden Verschuldens begründet ist. Auf seine insoweit bestehenden Bedenken hat der Senat in seinem Zwischenbescheid hingewiesen.

Eine mündliche Verhandlung über den Antrag auf Wiedereinsetzung wurde nicht beantragt und ist auch nicht sachdienlich, so dass die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist ohne mündliche Verhandlung abgelehnt werden konnte ([X.], a. a. [X.], § 123 Rdnr. 161).

Meta

17 W (pat) 70/07

24.09.2010

Bundespatentgericht 17. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.09.2010, Az. 17 W (pat) 70/07 (REWIS RS 2010, 3033)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3033

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