Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.03.2018, Az. 6 AZR 834/16

6. Senat | REWIS RS 2018, 11780

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Gegenstand

Ausgleich für Feiertagsarbeit im Rahmen des TV-N MV


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2016 - 2 [X.]/15 - aufgehoben, soweit es der Berufung stattgegeben hat.

2. Insoweit wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des [X.] für Arbeit an gesetzlichen [X.]en.

2

Die Beklagte betreibt öffentlichen Nahverkehr. Der Kläger ist seit 1982 bei ihr bzw. ihren Rechtsvorgängern als Kfz-Mechaniker in Vollzeit beschäftigt. Er arbeitet in der Werkstatt und leistet Schichtdienst. Der Schichtplan sieht auch Einsätze an Wochenenden und [X.] vor.

3

Bis zum 31. Dezember 2003 fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag zur Anpassung des [X.] - Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe - (BMT-G-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung. Seit dem 1. Januar 2004 gilt kraft beiderseitiger Tarifbindung der [X.] ([X.]) vom 18. März 2003. Dieser enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:

        

§ 9   

Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

        

(1)     

1Der Arbeitnehmer erhält neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung einen [X.]zuschlag. 2Er beträgt für

                 

…       

                 

c)    

für Feiertagsarbeit

135 v. H.

                 

…       

                 
                 

des auf die Arbeitsstunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts der Stufe 1 seiner [X.]. …

                 

4Die nach den vorstehenden Sätzen zu zahlenden [X.]zuschläge können auf schriftlichen Antrag im Verhältnis 1:1 in [X.] umgewandelt und dem Arbeitszeitkonto (§ 10) zugeführt werden.

        

…       

        
        

(3)     

Der Arbeitnehmer, der Wechselschichtarbeit im Sinne des § 8 Abs. 4 leistet, erhält eine Wechselschichtzulage von 110 Euro monatlich.

        

(4)     

Der Arbeitnehmer, der Schichtarbeit im Sinne des § 8 Abs. 5 leistet, erhält eine Schichtzulage von 90 Euro monatlich.

        

(5)     

Absatz 3 und 4 gilt nicht für Arbeitnehmer, die im Fahrdienst beschäftigt sind.

        

…       

        
        

§ 20   

Besondere Bestimmungen für [X.] im Fahrdienst

                 

Besondere Bestimmungen für [X.] im Betriebs- und Verkehrsdienst - einschließlich Verkehrs- und Fahrmeister - (Fahrdienst) ergeben sich aus Anlage 3.

                 

…       

                 

Anlage 3

        

Besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst gemäß § 20 TV-N MV

        

…       

        

§ 11   

        

3Ferner werden in jedem Kalenderjahr so viele bezahlte freie Tage gewährt, wie lohnzahlungspflichtige [X.]e in dieses Jahr fallen.

        

…“    

4

Nach einem Arbeitspapier der Beklagten vom 5. September 2012 wurde bzgl. der Gewährung freier Tage und der Bezahlung für Feiertagsarbeit die „Verfahrensweise im Fahrdienst“ zum Zwecke einer unternehmensweiten Vereinheitlichung auf die anderen Abteilungen übernommen. Als „maßgeblicher Grundsatz“ wurde in dem Arbeitspapier die Formulierung des § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV annähernd wörtlich wiedergegeben. Bei Arbeit an einem [X.] werde demnach ein bezahlter freier Tag als Ausgleich gewährt und die Feiertagsarbeit neben der regulären Vergütung mit einem Zuschlag von [X.] bezahlt.

5

Ein solcher Ausgleich von Feiertagsarbeit wurde auch beim Kläger vorgenommen. Mit mehreren an die Beklagte gerichteten Schreiben hat der Kläger jedoch einen [X.]zuschlag von 1[X.] geltend gemacht. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben an den Kläger vom 14. Mai 2013 und an den gewerkschaftlichen Vertreter des [X.] vom 2. April 2014 ab. Im Schreiben vom 14. Mai 2013 bestätigte die Beklagte zwar unter Bezugnahme auf das Arbeitspapier vom 5. September 2012 die unternehmensweit einheitliche Vorgehensweise. Die sich daraus für die Arbeit an [X.]en ergebenden Ansprüche seien jedoch durch die Gewährung eines bezahlten freien Tags und eines Zuschlags von [X.] erfüllt worden.

6

Der Kläger meint, er habe bzgl. der Arbeit an gesetzlichen [X.]en dieselben Ansprüche wie die im Fahrdienst Beschäftigten. Dies ergebe sich aus dem Arbeitspapier der Beklagten vom 5. September 2012 und der betrieblichen Praxis. Demnach habe er entsprechend § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] einen Anspruch darauf, unabhängig von der konkreten Diensteinteilung in jedem Kalenderjahr so viele bezahlte freie Tage gewährt zu bekommen, wie lohnzahlungspflichtige [X.]e in dieses Jahr fallen. Bei Arbeit an einem [X.] habe er zudem zusätzlich zu seiner regulären Vergütung Anspruch auf den [X.]zuschlag iHv. 1[X.] aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c [X.], welcher auf seinen Antrag hin im Verhältnis 1:1 in [X.] umgewandelt und dem Arbeitszeitkonto zugeführt werden könne. Die Ansprüche aus § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] und § 9 Abs. 1 [X.] stünden nach Wortlaut und Tarifsystematik nebeneinander.

7

Der Kläger hat daher beantragt festzustellen,

        

1.    

dass der Kläger Anspruch auf so viele zusätzliche bezahlte freie Tage hat, wie lohnzahlungspflichtige [X.]e in das Jahr fallen;

        

2.    

dass über den Anspruch auf Bezahlung für Arbeit an [X.]en hinaus der Anspruch auf Zahlung des [X.]zuschlags nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. [X.] und der Anspruch auf einen bezahlten weiteren freien Tag, wenn an einem lohnzahlungspflichtigen Arbeitstag gearbeitet worden ist, nebeneinanderstehen und eine Verrechnung unzulässig ist;

        

3.    

dass über den Anspruch auf Bezahlung von Arbeit an [X.]en hinaus die Ansprüche auf Zahlung eines [X.]zuschlags nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. [X.] sowie auf einen Ersatzruhetag nach § 11 Abs. 3 Satz 2 [X.], wenn an einem [X.] gearbeitet worden ist, nebeneinanderstehen und eine Verrechnung unzulässig ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach § 20 [X.] gelte § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV nur für die Arbeitnehmer im Fahrdienst und somit nicht für den als Kfz-Mechaniker beschäftigten Kläger. Er sei mit dem Fahrpersonal wegen unterschiedlicher Arbeitsbedingungen auch nicht vergleichbar. Dem Kläger sei kein übertariflicher Anspruch zugesagt worden.

9

Zudem könne der Kläger die streitgegenständlichen Feststellungen selbst dann nicht verlangen, wenn er ein Angehöriger des Fahrpersonals wäre. Auch für das Fahrpersonal bestünden die Ansprüche aus § 9 Abs. 1 [X.] und § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] nicht nebeneinander. Bei der Aufnahme des Zuschlags von 1[X.] in § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c [X.] sei ungewollt nicht beachtet worden, dass die Arbeitnehmer im Fahrdienst nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] bereits bezahlte freie Tage gewährt bekommen. Es handle sich um ein Redaktionsversehen, welches durch die Protokolle der [X.] belegt werden könne. § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c [X.] und § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] hätten denselben Regelungszweck. Es sollte ein Ausgleich für die Belastung der Feiertagsarbeit geschaffen werden, sei es durch Auszahlung eines [X.]zuschlags oder durch Gewährung eines bezahlten freien Tags. Der einzige Unterschied zwischen § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c [X.] und § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] bestünde darin, dass der Arbeitnehmer im Falle des § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c [X.] gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 [X.] selbst entscheiden könne, ob er sich den [X.]zuschlag iHv. 1[X.] auszahlen oder als Gutschrift auf sein Arbeitszeitkonto buchen lassen wolle. Unabhängig davon, wie er sich entscheide, werde damit auch der Anspruch auf einen bezahlten freien Tag nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] erfüllt. Dies entspreche der Tarifpraxis.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat dieses Urteil teilweise abgeändert und im [X.] festgestellt, der Kläger habe für jeden zahlungspflichtigen [X.] Anspruch auf einen bezahlten freien Tag nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2016 wurde aber ein Tenor mit der Feststellung verkündet, dass der Kläger Anspruch auf so viele zusätzliche bezahlte freie Tage habe, wie lohnzahlungspflichtige [X.]e in das Jahr fallen. Eine Berichtigung wurde nicht vorgenommen. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, der zu 1. gestellte Antrag sei auf die Feststellung gerichtet, dass dem Kläger der Anspruch aus § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] neben dem Anspruch aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c [X.] zustehe. Mit diesem Inhalt sei der Antrag zulässig und begründet. Bezogen auf die Anträge zu 2. und zu 3. hat das [X.] die Berufung zurückgewiesen. Die Klage sei insoweit unzulässig, da diese Anträge inhaltlich nicht über den Antrag zu 1. hinausgingen.

Gegen diese Entscheidung hat nur die Beklagte die vom [X.] zugelassene Revision eingelegt. Sie begehrt damit die vollständige Zurückweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das [X.] hat zwar zu Recht angenommen, dass der Anspruch aus § 20 [X.] iVm. § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] für Angehörige des Fahrpersonals neben dem Anspruch aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. [X.] stehe. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der [X.] jedoch nicht abschließend entscheiden, ob der nicht im Fahrdienst beschäftigte Kläger einen Anspruch auf eine entsprechende Anwendung des § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] hat.

I. Die Klage ist zulässig. Da der Kläger gegen die auf seine ursprünglichen Anträge zu 2. und zu 3. bezogene Zurückweisung seiner Berufung keine Revision eingelegt hat, ist die Abweisung seiner Klage insoweit in Rechtskraft erwachsen. Der im Revisionsverfahren noch rechtshängige ehemalige Antrag zu 1. ist nach der gebotenen Auslegung zulässig.

1. Der Antrag bedarf der Auslegung. Sein Wortlaut ist an § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] angelehnt und lässt darauf schließen, dass er zumindest von der entsprechenden Anwendbarkeit dieser Tarifnorm ausgeht. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass der Kläger nach seinem Prozessvorbringen festgestellt wissen will, dass er neben der Erfüllung des Anspruchs aus § 9 Abs. 1 [X.] eine bezahlte Freistellung entsprechend § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] verlangen kann. Dieses [X.] wurde im Revisionsverfahren auch nicht in Frage gestellt.

2. Mit diesem Inhalt ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über eine bezahlte Freistellung des [X.] entsprechend § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] beizulegen und insoweit weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl. [X.] 21. Dezember 2017 - 6 [X.] - Rn. 24 mwN).

II. Ob die noch rechtshängige Klage begründet ist, lässt sich mangels hinreichender Feststellungen noch nicht abschließend entscheiden. Dies führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Für die begehrte Feststellung besteht keine tarifliche Grundlage.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der [X.] kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG). Der Kläger kann deshalb unstreitig für Feiertagsarbeit einen Zeitzuschlag bzw. eine entsprechende Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c bzw. Satz 4 [X.] verlangen.

b) Der [X.] sieht für den Kläger als in der Werkstatt beschäftigten Kfz-Mechaniker jedoch keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] vor. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 20 [X.] enthält die Anlage 3 besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst und gilt somit nicht für andere Beschäftigtengruppen. Eine Tariflücke, welche eine analoge Anwendung des § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] für andere Beschäftigtengruppen eröffnen würde, ist nicht ersichtlich. Nach der tariflichen Konzeption ist es für den Kläger daher ohne Belang, dass für das Fahrpersonal die Ansprüche aus § 9 Abs. 1 [X.] und § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] nebeneinanderstehen (vgl. hierzu [X.] 22. März 2018 - 6 [X.] - Rn. 16 ff.).

c) Diese tarifliche Differenzierung ist wegen der besonderen Ausgestaltung der Arbeitszeit und der Zulagen des Fahrpersonals mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ([X.] 22. März 2018 - 6 [X.] - Rn. 27 ff.). Die Nichtgewährung bezahlter freier Tage nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] für die nicht im Fahrdienst Beschäftigten verstößt entgegen der Ansicht des [X.] auch nicht gegen § 11 Abs. 3 Satz 2 [X.], wonach Arbeitnehmer, welche an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag beschäftigt werden, einen [X.] haben müssen, der innerhalb eines den [X.] einschließenden Zeitraums von acht Wochen zu gewähren ist. Der [X.] iSd. § 11 Abs. 3 Satz 2 [X.] ist nicht notwendigerweise ein zusätzlicher bezahlter freier Tag. Der Arbeitnehmer muss lediglich im Ausgleichszeitraum für den gearbeiteten [X.] einen [X.], also einen Tag ohne Arbeit, erhalten. Das kann auch ein ohnehin arbeitsfreier Werktag sein, eine bezahlte Freistellung an einem [X.] verlangt das Gesetz nicht ([X.] 19. September 2012 - 5 [X.] - Rn. 21; vgl. auch [X.] 23. März 2006 - 6 [X.] - Rn. 16).

2. Der streitgegenständliche Anspruch kann auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden (vgl. hierzu [X.] 21. Dezember 2017 - 6 [X.] - Rn. 30 f.; 14. November 2017 - 3 [X.] - Rn. 22 f.). Ein Anspruch auf Gleichbehandlung besteht für den Kläger bezogen auf den Streitgegenstand schon deshalb nicht, weil ihm keine Leistungen vorenthalten wurden, welche andere Arbeitnehmer erhalten haben. Keinem der Arbeitnehmer der [X.], auch nicht den im Fahrdienst Beschäftigten, wurden die Ansprüche aus § 9 Abs. 1 TV-N MV und § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] nebeneinander zugestanden. Das Arbeitspapier der [X.] vom 5. September 2012 sieht unter Missachtung von § 9 Abs. 1 Satz 4 TV-N MV nur vor, dass die Arbeit an [X.]en bei allen Beschäftigten durch die bezahlte Freistellung an einem anderen Tag und durch die Zahlung eines „Feiertagszuschlags“ von [X.] abgegolten wird. Vor dem Hintergrund dieser betrieblichen Praxis hat ein Angehöriger des Fahrpersonals erfolgreich die Feststellung begehrt, dass er neben dem Anspruch aus § 9 Abs. 1 [X.] die bezahlte Freistellung nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] verlangen kann (vgl. [X.] 22. März 2018 - 6 [X.] - Rn. 16 ff.). Die [X.] hat mit ihrer Vorgehensweise keine Arbeitnehmergruppe bevorzugt, sondern ihr fehlerhaftes Tarifverständnis auf alle Beschäftigten angewandt. Im Ergebnis hat sie sich damit vollständig von den tariflichen Vorgaben gelöst und ihr eigenes System geschaffen, welches allerdings keine auszugleichende Ungleichbehandlung bewirkt hat. Im Gegenteil blieb die tariflich vorgesehene Differenzierung unbeachtet.

3. Folglich kann der streitgegenständliche Anspruch auch nicht aus einer betrieblichen Übung abgeleitet werden (vgl. hierzu [X.] 12. Dezember 2017 - 3 [X.] - Rn. 41). Die [X.] hat, wie dargelegt, neben dem Anspruch aus § 9 Abs. 1 [X.] keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung entsprechend § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] anerkannt und erfüllt.

4. Ob die [X.] dem Kläger einen übertariflichen Anspruch auf freie bezahlte Tage entsprechend § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] zugesagt hat, steht noch nicht fest. Mangels individueller Vereinbarung käme nur eine Gesamtzusage in Betracht. Diesbezüglich kann der [X.] nicht abschließend entscheiden.

a) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags iSv. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet und es bedarf ihrer auch nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 Satz 1 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen ([X.] 22. März 2017 - 5 [X.] - Rn. 13). Dabei wird die Gesamtzusage bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart wird, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an ([X.] 23. Januar 2018 - 1 [X.] - Rn. 26).

b) Das [X.] hat im Tatbestand seines Urteils bezugnehmend auf eine nicht protokollierte Aussage der Prokuristin der [X.] in der Verhandlung am 7. Juni 2016 festgestellt, dass die besonderen Bedingungen für das Fahrpersonal aus der Anlage 3 [X.] im Betrieb der [X.] gleichfalls auf die Arbeitnehmer der Werkstatt angewendet würden, da man die dortigen Belastungen durch die Schichtarbeit als ähnlich belastend ansehe wie die Arbeitszeiten des Fahrpersonals. Hiervon ausgehend hat das [X.] in den Entscheidungsgründen seines Urteils angeführt, der Kläger falle zwar nicht unter den tariflichen Anwendungsbereich der Anlage 3 [X.], da er nicht zum Fahrpersonal iSv. § 20 [X.] gehöre. Er könne sich gleichwohl auf die Anlage 3 [X.] berufen, da die [X.] in zulässiger Weise die besonderen Regelungen für das Fahrpersonal übertariflich auch auf ihre Arbeitnehmer in der Werkstatt anwende. Damit könne der Kläger ebenso wie die Angehörigen des Fahrpersonals die bezahlten freien Tage nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] unabhängig von dem Zeitzuschlag nach § 9 Abs. 1 [X.] beanspruchen.

c) Die Revision rügt diesbezüglich zu Recht eine fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts.

aa) Nach § 286 Abs. 1 ZPO haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Beweiswürdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. [X.] ist die Würdigung allein darauf hin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denkgesetze und [X.] verletzt wurden. Um diese Überprüfung zu ermöglichen, haben die Tatsachengerichte nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen (vgl. [X.] 21. September 2017 - 2 [X.] - Rn. 38 mwN).

bb) Dieser eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle hält die Annahme des [X.]s, dass einem Werkstattmitarbeiter aufgrund einer übertariflichen Zusage der [X.] zusätzlich zum Zeitzuschlag nach § 9 Abs. 1 [X.] freie Tage entsprechend § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] zustünden, nicht stand. Das [X.] hat wesentliche Umstände nicht berücksichtigt. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Aussage der Prokuristin im Berufungsurteil zutreffend wiedergegeben wurde oder ob sie entsprechend der Darstellung der Revision nicht die Anwendung der Anlage 3 [X.] auf die Werkstattmitarbeiter bestätigt hat, sondern nur die Übernahme der für das Fahrpersonal praktizierten Verfahrensweise bei Arbeit an gesetzlichen Feiertagen. Die Fehlerhaftigkeit der gerichtlichen Sachverhaltswürdigung ergibt sich schon daraus, dass das [X.] Umstände unberücksichtigt gelassen hat, welche gegen die Zusage einer übertariflichen Leistung im Sinne des Klagebegehrens sprechen. Die [X.] hat, wie dargelegt, gegenüber allen Beschäftigtengruppen eine Gewährung bezahlter Freistellung iSv. § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] neben der Erfüllung des Anspruchs aus § 9 Abs. 1 [X.] abgelehnt. Das Arbeitspapier der [X.] vom 5. September 2012 sieht eine solche Anspruchskombination nicht vor. Gleiches gilt für die Schreiben der [X.] an den Kläger vom 14. Mai 2013 und an den gewerkschaftlichen Vertreter des [X.] vom 2. April 2014, welche die dargestellte betriebliche Praxis schildern. Die [X.] hat damit nur zum Ausdruck gebracht, dass sie andere Beschäftigtengruppen hinsichtlich der Feiertagsarbeit dem Fahrpersonal gleichstellen will. Dieser Wille könnte aber auf die von ihr tatsächlich vorgenommene Behandlung des Fahrpersonals beschränkt sein. Ein Wille zu einer auf § 11 Satz 3 der Anlage 3 [X.] in seiner korrekten Anwendung bezogenen übertariflichen Leistung gegenüber den nicht im Fahrdienst Beschäftigten wäre dann ggf. nicht erkennbar. Diese Möglichkeit hat das [X.] unberücksichtigt gelassen, wenn es ausgehend von einer Anwendung der Anlage 3 [X.] eine übertarifliche Zusage annimmt.

cc) Dem [X.] ist eine abschließende Entscheidung verwehrt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Parteien im Rahmen einer Fortsetzung des Berufungsverfahrens weiteren entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag zur Frage des Vorliegens einer Gesamtzusage erbringen werden. Das [X.] wird den Sachverhalt deshalb einer neuen Würdigung zu unterziehen haben.

        

    Fischermeier    

        

    Heinkel    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Wollensak    

        

    Kohout    

                 

Meta

6 AZR 834/16

22.03.2018

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Rostock, 16. Juni 2015, Az: 2 Ca 918/14, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.03.2018, Az. 6 AZR 834/16 (REWIS RS 2018, 11780)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11780

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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