Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.10.2018, Az. B 13 R 63/18 B

13. Senat | REWIS RS 2018, 2994

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Gegenstand

(Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 307d SGB 6)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 14. März 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Beschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Frage, ob es die [X.] im Überprüfungsverfahren zu Recht abgelehnt hat, weitere vier persönliche Entgeltpunkte wegen Kindererziehung bei der Regelaltersrente der Klägerin zu berücksichtigen.

2

Die 1946 geborene Klägerin ist Mutter von vier Kindern (geboren 1970, 1974, 1981 und 1982), die sie jeweils im ersten Lebensjahr erzogen hat. Ab 1.5.2011 bezieht sie Regelaltersrente. Bei deren Berechnung wurden jeweils [X.] ([X.]) für die ersten zwölf Monate nach der Geburt (§ 249 [X.] idF bis 30.6.2014) berücksichtigt. Mit Bescheid vom 15.8.2014 wurde die Regelaltersrente neu berechnet, wobei ab 1.7.2014 ein Zuschlag von vier persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt wurde (§ 307d [X.]). Den im Februar 2016 gestellten, auf die Gleichbehandlung mit Müttern von ab 1992 geborenen Kindern gerichteten Überprüfungsantrag lehnte die [X.] ab. Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben.

3

Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Der Bescheid der [X.]n vom 24.2.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.6.2016 sowie der Bescheid vom 15.8.2014 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines weiteren Zuschlags in Höhe von vier persönlichen Entgeltpunkten ab 1.7.2014. Denn die [X.] sei bei Erlass des Bescheides vom 15.8.2014 von den zutreffenden Tatsachen ausgegangen und habe das geltende Recht richtig angewandt. Eine Überprüfung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen auf eine mögliche Unvereinbarkeit mit dem [X.] habe im Verfahren nach § 44 [X.] zu unterbleiben, sofern diese nicht bereits durch das [X.] festgestellt worden sei. Aber selbst wenn man dem nicht folgen wolle, so sei bereits im (vom selben Prozessbevollmächtigten vor dem erkennenden [X.]-Senat betriebenen) Verfahren L 19 R 218/16 (dieses war Gegenstand des Urteils des 5. Senats des [X.] vom [X.]) festgestellt worden, dass § 307d [X.] nicht gegen die Verfassung verstoße (Urteil vom 14.3.2018). Die Revision hat das [X.] nicht zugelassen.

4

Mit ihrer am [X.] beim [X.] eingegangenen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.]. Die Frage, ob § 307d [X.] gegen die Verfassung verstoße, habe grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen wichen die Erwägungen des [X.] zu § 44 [X.] von zwei Urteilen des [X.] ab.

5

II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

6

Das [X.] darf gemäß § 160 Abs 2 S[X.] die Revision gegen eine Entscheidung des [X.] nur dann zulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]) oder

-       

das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht ([X.]) oder

-       

bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden ([X.]).

7

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB [X.] Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]2 Rd[X.]; [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 96/10 - [X.] 4-1500 § 178a [X.]1 Rd[X.]8 mwN).

8

Es kann dahinstehen, ob die umfangreiche Beschwerdebegründung der Klägerin den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 S 3 S[X.] genügt und die erhobenen [X.] zumindest teilweise zulässig sind (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], S[X.], 12. Aufl 2017, § 160a Rd[X.]7a). Die Beschwerde ist jedenfalls schon deshalb unbegründet, weil die Frage, ob § 307d [X.] gegen die Verfassung verstößt, aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des [X.] höchstrichterlich geklärt ist (hierzu 1.). Auf die Unzulässigkeit der [X.] (hierzu 2.), die sich ausschließlich gegen die Erwägungen des [X.] zu § 44 [X.] wendet, kommt es deshalb nicht mehr entscheidend an. Denn ist ein [X.]-Urteil - wie vorliegend - auf mehrere Erwägungen gestützt, die es jeweils selbstständig tragen, so kann die Beschwerde nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn [X.] bezüglich aller dieser Erwägungen durchgreifen (stRspr, vgl nur [X.] Beschluss vom [X.] - B 6 [X.] 23/09 B - Juris Rd[X.]8 mwN).

9

1. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sich die Klägerin mit der Grundsatzrüge (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.]) gegen die allein tragenden Erwägungen des [X.] wendet, wonach § 307d [X.] nicht gegen die Verfassung verstoße. Die von ihr formulierte Frage, ob § 307d [X.] in der Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes ([X.]) vom [X.] ([X.] 787) "über die Berücksichtigung eines Zuschlages an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für Geburten vor dem [X.] gegen Verfassungsrecht verstößt", ist nicht (mehr) klärungsbedürftig. Dies ist aber Voraussetzung für die Zulassung der Revision (stRspr, zB [X.] Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.]2 Rd[X.] mwN; [X.] Beschluss vom 29.6.2018 - [X.] R 9/16 B - Rd[X.]2 mwN).

Regelmäßig nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die bereits höchstrichterlich entschieden ist (stRspr, zB [X.] Beschluss vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 B - RdNr 6 mwN; zu den - hier nicht in Betracht kommenden - Ausnahmen vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], S[X.], 12. Aufl 2017, § 160 Rd[X.]b f). Aber auch wenn das [X.] eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] 3-1500 § 160 [X.] Juris RdNr 7; [X.] Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - [X.] 3-1500 § 146 [X.] Juris RdNr 6). Letztendlich kann dahinstehen, ob die von der Klägerin formulierte Frage möglicherweise bereits bei Beschwerdeeinlegung durch die Rechtsprechung zu § 249 [X.] idF des [X.] 1992 im vorstehenden Sinne geklärt war (vgl [X.] Beschluss vom 29.3.1996 - 1 BvR 1238/95 - FamRZ 1996, 789; [X.] Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - [X.] 4-5761 Allg [X.]; [X.] Urteil vom 18.10.2005 - [X.] RA 56/04 R- Juris Rd[X.]4). Denn die formulierte Frage ist spätestens durch das Urteil des 5. Senats des [X.] vom 28.6.2018 ([X.] R 12/17 R - zur Veröffentlichung in [X.]E und [X.] 4 vorgesehen) geklärt. Der 5. Senat hat sie dahingehend beantwortet, dass § 307d Abs 2 S 1 [X.] in der - im vorliegenden Fall wie auch dort maßgeblichen - Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom [X.] nicht gegen die Verfassung verstößt ([X.] Urteil vom [X.] - Juris Rd[X.]0, 14 ff). Dem schließt sich der erkennende 13. Senat des [X.] an.

2. Der Klägerin ist kein Nachteil daraus erwachsen, dass ihre Rechtsfrage ggf erst nach Eingang ihrer Beschwerde durch das [X.] (sicher) geklärt worden ist. Ihre Beschwerde konnte jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil auch ihre [X.] nicht durchgreift.

Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] S[X.] bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das [X.] tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des [X.] auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl [X.] Beschluss vom [X.] - B 9a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]3 Rd[X.]7; [X.] Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.]2 Rd[X.]1).

Die Klägerin rügt die Abweichung des [X.] von zwei Urteilen des [X.] (Urteil vom [X.] - 11/7 [X.]/87 - [X.]E 64, 62 = [X.] 4100 § 152 [X.]8, Juris Rd[X.]1, sowie Urteil vom [X.] [X.] 2/06 R - [X.] 4-4300 § 330 [X.] Rd[X.]5). Die Beschwerdebegründung genügt jedoch nicht den vorstehend genannten Anforderungen, denn die Klägerin versäumt es schon, aus den von ihr wörtlich zitierten Auszügen der beiden [X.]-Urteile Rechtssätze, also fallübergreifende Aussagen zur Auslegung revisiblen Rechts (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], S[X.], 12. Aufl 2017, § 160 Rd[X.]3 mwN), herauszuarbeiten. Darüber hinaus legt sie nicht dar, dass der dem [X.] zugeschriebene Rechtssatz sowie die zitierten Passagen der [X.]-Urteile tatsächlich Aussagen zum selben Gegenstand enthalten. Dies wäre jedoch deutlich aufzuzeigen gewesen, denn der dem [X.] zugeschriebene Rechtssatz hat - wohlwollend interpretiert - die Frage zum Gegenstand, ob im Verfahren nach § 44 [X.] eine den zur Überprüfung gestellten Verwaltungsakt tragende - noch nicht für verfassungswidrig erklärte - Norm auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht zu untersuchen ist. Demgegenüber ist Gegenstand des Urteils vom [X.] (11/7 [X.]/87 - [X.]E 64, 62 = [X.] 4100 § 152 [X.]8, Juris Rd[X.]1) die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 44 [X.] nach einer Nichtigkeitserklärung durch das [X.]. Zugleich betrifft die zitierte Passage des [X.]-Urteils vom [X.] (B 7a [X.] 2/06 R - [X.] 4-4300 § 330 [X.] Rd[X.]5) nicht die Auslegung des § 44 [X.], sondern des "§ 330 Abs 1 SGB III (idF, die § 330 durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10. Dezember 2001 - [X.] 3443 - erhalten hat)", wie in Rd[X.]3 dieses Urteils ausgeführt.

3. Die Beschwerde kann auch nicht deshalb erfolgreich sein, weil die im angegriffenen Urteil zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung des [X.] im Widerspruch zur Praxis des [X.] steht, in Verfahren aus Anlass eines Überprüfungsantrags nach § 44 [X.] auch die Frage der Vereinbarkeit der dem [X.] zugrunde liegenden Normen mit dem [X.] zu untersuchen (vgl zB [X.] Urteil vom 10.12.2013 - [X.] R 91/11 R - [X.] 4-2600 § 249b [X.]; [X.] Urteil vom 23.10.2013 - [X.] RS 6/12 R - Juris; [X.] Vorlagebeschluss vom 29.8.2006 - [X.] RJ 47/04 R - Juris). Eine Divergenz gegenüber einer dieser Entscheidungen hat die Klägerin nicht gerügt. Allein die von der Klägerin jedenfalls sinngemäß auch geltend gemachte inhaltliche Unrichtigkeit des angegriffenen [X.]-Urteils kann - wie oben bereits ausgeführt - nicht zur Zulassung der Revision führen.

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 S[X.].

Meta

B 13 R 63/18 B

10.10.2018

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Bayreuth, 21. Februar 2017, Az: S 16 R 409/16, Urteil

§ 307d Abs 2 S 1 SGB 6 vom 23.06.2014, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.10.2018, Az. B 13 R 63/18 B (REWIS RS 2018, 2994)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2994

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1 BvR 96/10

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