Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.06.2016, Az. EnVZ 30/15

Kartellsenat | REWIS RS 2016, 10458

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Gegenstand

Zwangsgeldverhängung wegen Anzeigepflichtverletzung eines Energieversorgungsunternehmens gegenüber der Bundesnetzagentur: Anzeigepflicht für eine Energiebelieferung von Haushaltskunden mit "Nutzenergie"; Auslegung des Begriffs durch das Beschwerdegericht


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.

Der Gegenstandswert des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

A. Die Betroffene bietet seit Anfang 2012 bundesweit die kombinierte Erbringung von Energiedienstleistungen und die Versorgung mit "Nutzenergie" an, worunter sie Licht, [X.], Wärme und Kälte versteht. Sie hat rund 410.000 Kunden, davon etwa 85 % Haushaltskunden.

2

In den [X.] der Betroffenen ist unter anderem vorgesehen, dass der Kunde die Anlagen zur Erzeugung von Nutzenergie (d.h. Geräte, die elektrische Energie verbrauchen) und das Verbrauchsnetz entgeltlich beizustellen hat. Das Entgelt für die von der Betroffenen erbrachten Leistungen und das damit verrechnete Entgelt für die Beistellung werden anhand der mit dem Stromzähler gemessenen Energie berechnet. Daneben erhebt die Betroffene eine Grundgebühr.

3

In einer früheren Fassung der [X.] war vorgesehen, die Betroffene realisiere die Beschaffung von Strom, Brenn- und Treibstoffen im Falle einer Beauftragung durch den Kunden zentral reguliert im fremden Namen und auf eigene Rechnung. In einer seit Juni 2015 veröffentlichten Fassung ist vorgesehen, die Betroffene realisiere die Beschaffung eigenständig, zentralreguliert und in Vollmacht und beauftrage dazu einen Lieferanten mit der Lieferung direkt an die Abnahmestelle oder an eine Tankstelle.

4

In einem vorangegangenen Verfahren setzte die Bundesnetzagentur gegen den Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Betroffenen wegen Nichtbefolgung der Pflicht zur Anzeige der Geschäftstätigkeit gemäß § 5 Satz 1 [X.] ein Bußgeld in Höhe von 40.000 Euro fest. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. November 2014 gab sie der Betroffenen auf, ihr spätestens bis 3. Dezember 2014 die Tätigkeit der Belieferung von Haushaltskunden mit Energie anzuzeigen. Zugleich drohte sie ihr für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung ein Zwangsgeld in Höhe von 400.000 Euro an.

5

Die Beschwerde der Betroffenen gegen den angefochtenen Bescheid ist erfolglos geblieben. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der die Bundesnetzagentur entgegentritt.

6

B. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

7

I. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

8

Die Betroffene sei gemäß § 5 Satz 1 [X.] zu der verlangten Anzeige verpflichtet. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht habe sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Haushaltskunden mit Primärenergie beliefert. Ihr Vorbringen, die Kunden nicht mit Energie im Sinne von § 3 Nr. 18 [X.], sondern mit "Nutzenergie" zu beliefern, entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Zudem ergebe die Auslegung der mit den Kunden geschlossenen Vereinbarungen, dass die Betroffene Energie an die Kunden liefere. Bei der in den [X.] vorgesehenen Beistellung von Anlagen und Netz handle es sich um eine reine Fiktion. Nach der ursprünglichen Fassung der [X.] bilde die Lieferung elektrischer Energie auch den vertraglich geschuldeten Liefergegenstand. Für die während des Beschwerdeverfahrens geänderte Fassung ergebe sich trotz des modifizierten Wortlauts nichts anderes.

9

Aufgrund dieser vertraglich übernommenen [X.] sei die Betroffene Lieferantin im Sinne von § 3 Nr. 18 [X.]. Ihr Einwand, sie trete nur als Bevollmächtigte der Kunden beim Abschluss von [X.] mit Versorgern auf, entspreche nicht dem Inhalt ihrer [X.]. Diese enthielten nicht den erforderlichen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass der Kunde die Betroffene bevollmächtige, mit einem Energieversorger Verträge über die Lieferung von Energie namens und auf Rechnung des Kunden zu schließen. Ob die Betroffene gegenwärtig und in Zukunft weiterhin Verträge nach diesem Vorbild abschließe, sei unerheblich, weil die Betroffene jedenfalls die Verträge über die Versorgung der vorhandenen Kunden im eigenen Namen abgeschlossen habe. Entsprechendes gelte für die geänderte Fassung der [X.]. Auch danach trete die Betroffene trotz einzelner scheinbar abweichender Klauseln als alleinige Ansprechpartnerin ihrer Kunden auf. Für einen Vertragsschluss als Bevollmächtigte sei darüber hinaus eine Bevollmächtigung durch externe Energieversorger erforderlich; die Erteilung solcher Vollmachten habe die Betroffene nicht dargetan.

Ob auch [X.] der Anzeigepflicht nach § 5 Satz 1 [X.] unterlägen, bedürfe keiner Entscheidung. Die Betroffene handle jedenfalls deshalb nicht als Kommissionärin, weil sie auf eigene Rechnung tätig werde. Unerheblich sei auch, ob die Betroffene daneben als Energiedienstleisterin im Sinne von § 2 Nr. 5 [X.] tätig sei. Für die Anzeigepflicht reiche aus, dass sie jedenfalls auch Energielieferantin sei.

II. Die Beschwerdeentscheidung hält den Angriffen der Nichtzulassungsbeschwerde stand.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, der Streitfall werfe die Frage auf, ob die Eigenschaft als Energielieferant im Sinne von § 5 Satz 1 [X.] von den getroffenen Vereinbarungen oder von der tatsächlichen Leistungserbringung abhänge. Sie hält diese Frage für klärungsbedürftig, weil in einer Kommentierung die zuletzt genannte Auffassung vertreten werde.

Dies ist unzutreffend.

a) Die von der Nichtzulassungsbeschwerde in den Vordergrund gestellte Frage, ob es für die Eigenschaft als Lieferant auf die getroffenen Vereinbarungen oder auf die tatsächliche Leistungserbringung ankomme, ist für die Entscheidung des Streitfalls unerheblich.

Das Beschwerdegericht hat zwar ausgeführt, für die Frage, wer Lieferant im Sinne von § 3 Nr. 18 [X.] ist, sei die Übernahme der [X.] aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen maßgeblich. Bei der Beurteilung der für den Streitfall maßgeblichen Vereinbarungen hat es aber nicht auf einzelne Vertragsbestimmungen abgestellt, sondern darauf, wer aus Sicht des Kunden als Stromlieferant auftritt. Damit hat es zu Recht als entscheidend angesehen, ob die Betroffene gegenüber ihren Kunden tatsächlich als Lieferantin von Strom fungiert hat.

b) [X.] ist allenfalls die - von der Nichtzulassungsbeschwerde bejahte - Frage, ob für die Stellung als tatsächlicher Lieferant allein physikalisch-technische Gegebenheiten ausschlaggebend sind. Diese Frage bedarf indes nicht der Beantwortung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren.

Das Beschwerdegericht hat die genannte Frage in Übereinstimmung mit den vom ihm zitierten Literaturstellen (Säcker in [X.] Kommentar, Energierecht, 3. Auflage, § 5 [X.] Rn. 10 f; [X.] in [X.]/[X.][X.], 3. Auflage, § 5 [X.] Rn. 5, 7; [X.]/Schex, § 5 [X.] Rn. 3) verneint. Dass in der Rechtsprechung abweichende Auffassungen vertreten werden, wird von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht aufgezeigt.

Die vom Beschwerdegericht zugrunde gelegte Auffassung wird auch durch die von ihm selbst als abweichend zitierte und von der Nichtzulassungsbeschwerde in den Vordergrund gestellte Kommentarstelle ([X.]/[X.], 86. Ergänzungslieferung, § 5 [X.] Rn. 15) nicht in Frage gestellt. An der zitierten Stelle wird die Frage behandelt, ob [X.] der Anzeigepflicht nach § 5 Satz 1 [X.] unterliegen. In diesem Zusammenhang wird ausgeführt, anzeigepflichtig sei nur "der tatsächliche Leistungserbringer, d.h. der Lieferant der Energie". Hieraus kann nicht abgeleitet werden, dass ausschließlich physikalisch-technische Vorgänge maßgeblich sein sollen und schuldrechtlichen Vereinbarungen keine Bedeutung beizumessen sei. Die postulierte Ausnahme von der Anzeigepflicht für Kommissionäre wird vielmehr auf die Erwägung gestützt, diese handelten nicht auf eigene Rechnung, weshalb die Abnehmer nicht des mit § 5 Satz 1 [X.] angestrebten besonderen Schutzes bedürften. Auch nach dieser Auffassung kommt den schuldrechtlichen Absprachen zwischen den an einer Lieferung Beteiligten mithin ausschlaggebende Bedeutung zu.

c) Die Frage, ob ein Verkaufskommissionär der Anzeigepflicht nach § 5 Satz 1 [X.] unterliegt, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich.

Nach den Feststellungen des [X.] handelt die Betroffene auf eigene Rechnung. Sie ist folglich nicht Verkaufskommissionärin.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt, das Beschwerdegericht habe entscheidungserhebliches Vorbringen zu den vertraglichen Aufgaben der Betroffenen im Verhältnis zu deren Kunden übergangen.

Diese Rüge ist unbegründet.

a) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, das Beschwerdegericht habe den Vortrag der Betroffenen zu deren Funktion als bloße Zentralregulierungsstelle mit Delkrederehaftung im [X.] nicht erfasst und damit den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt.

Diese Rüge vermag schon deshalb nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zu führen, weil dieses Rechtsmittel gemäß § 86 Abs. 4 Nr. 3 [X.] einer Zulassung nicht bedarf, soweit eine Versagung des rechtlichen Gehörs vorliegt und gerügt wird. Unabhängig davon wäre die Rüge jedenfalls unbegründet.

Das Beschwerdegericht hat den Vortrag der Betroffenen, sie sei reiner Energiedienstleister, nicht übergangen. Es hat hieraus lediglich andere rechtliche Schlussfolgerungen gezogen. Hierin liegt weder eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG noch ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Das Beschwerdegericht war nicht gehalten, auf alle von der Nichtzulassungsbeschwerde in diesem Zusammenhang angeführten Details ausdrücklich einzugehen. Es hat in der Beschwerdeentscheidung dargelegt, welche Gesichtspunkte aus seiner Sicht dafür ausschlaggebend sind, dass die Betroffene abweichend vom Wortlaut einzelner Bestimmungen in ihren [X.] und sonstiger Äußerungen als Lieferantin tätig ist. Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Beschwerdegericht seine Beurteilung hierbei nicht allein auf den Umstand gestützt, dass in den [X.] der Betroffenen von "Versorgung" die Rede ist. Es hat vielmehr zutreffend darauf abgestellt, wie sich die vertraglich geschuldete Tätigkeit der Betroffenen aus der insoweit maßgeblichen objektiven Sicht eines durchschnittlichen Kunden darstellt. Den von der Nichtzulassungsbeschwerde ergänzend aufgezeigten Gesichtspunkten kommt hierbei kein derart starkes Gewicht zu, dass sie zwingend einer ausdrücklichen Erörterung seitens des [X.] bedurft hätten.

b) Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt, das Beschwerdegericht habe dem Umstand, dass sich die Betroffene lediglich zur Lieferung von "Nutzenergie" verpflichtet habe, zu Unrecht jede Bedeutung abgesprochen.

Damit zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls weder einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG noch einen Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf.

Das Beschwerdegericht hat insbesondere nicht verkannt, dass seine Auslegung in Widerspruch zum Wortlaut der angeführten Vertragsbestimmungen steht. Es hat seine Auslegung indes zu Recht nicht allein am Wortlaut orientiert, sondern das Gesamtbild der von der Betroffenen übernommenen Leistung in den Blick genommen. Seine Beurteilung, dass die Betroffene ihre Kunden nach den geschlossenen [X.] nicht allein mit "Nutzenergie", sondern mit Energie im Sinne von § 3 Nr. 14 [X.] beliefert, beruht weder auf einem unzutreffenden Obersatz noch auf einem sonstigen zulassungsrelevanten Rechtsfehler.

Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde war das Beschwerdegericht weder nach Art. 12 Abs. 1 GG noch nach Art. 14 GG zu einer abweichenden Auslegung gezwungen. Das Beschwerdegericht hat die Betroffene nicht in der Wahl oder Ausübung eines neuen Berufs beschränkt. Es ist vielmehr in Würdigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu dem Ergebnis gelangt, dass die Betroffene trotz ihrer abweichenden Wortwahl als Energielieferantin tätig ist und deshalb den für die Ausübung dieses Berufs geltenden Regeln unterfällt. Hierin liegt weder eine unzulässige Beschränkung der Berufsfreiheit noch eine Enteignung.

III. [X.] beruht auf § 90 Satz 2 [X.], die Entscheidung über die Festsetzung des [X.] auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.

Limperg                               Strohn                                Grüneberg

                      Bacher                              Deichfuß

Meta

EnVZ 30/15

07.06.2016

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 17. Juni 2015, Az: VI-3 Kart 190/14 (V), Beschluss

§ 3 Nr 18 EnWG, § 5 S 1 EnWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.06.2016, Az. EnVZ 30/15 (REWIS RS 2016, 10458)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10458

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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