Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2011, Az. IV ZR 131/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4546

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 131/09

Verkündet am:

20. Juli 2011

Heinekamp

[X.]

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2011

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7.
Zivil-senats des [X.] vom 13.
Mai 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung
und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin fordert von der Beklagten als Berufshaftpflichtversi-cherer des ehemaligen Notars Dr. [X.]
den Ausgleich ihrer durch eine Pflichtverletzung des Notars verursachten Schäden.

Die Klägerin nahm den Notar, ihren Streithelfer, wegen Pflichtver-letzungen
bei der Abwicklung eines Kaufvertrages über Eigentumswoh-nungen auf Schadensersatz in Anspruch. Durch rechtskräftiges Haft-pflichturteil wurde der Streithelfer
wegen Verletzung seiner Pflichten aus einem von der Klägerin erteilten Treuhandauftrag
verurteilt, an diese
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nebst Zinsen zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung eines Teils ihrer Ansprüche auf Darlehensrückzahlung und Teilübertragung ih-rer Sicherheiten.

In der Berufshaftpflichtversicherung waren nach §
4 Ziff.
3 der zu-grunde liegenden Bedingungen Haftpflichtansprüche wegen Schadens-verursachung durch wissentliche Pflichtverletzung vom [X.] ausgeschlossen. Die Deckungssumme der Versicherung war im [X.] auf 1
Mio.
[X.] pro Versicherungsfall beschränkt; im Übrigen betrug die Höchstleistung pro Versicherungsjahr 2
Mio.
[X.]. Zur Ergän-zung der Haftpflichtversicherung hält die für den Streithelfer zuständige Notarkammer [X.]
gemäß § 67 Abs. 3 Ziff. 3 Satz 1 [X.] bei der Beklagten eine Gruppenanschlussversicherung
für die [X.] übersteigende Vermögensschäden sowie bei einem ande-ren Versicherer eine Vertrauensschadenversicherung für Schäden auf-grund wissentlicher Pflichtverletzungen. Die von der Beklagten vorgeleg-ten [X.] mit Änderungsverträgen
enthalten in der Fassung des letzten Änderungsvertrages aus dem [X.] unter § 4 die folgende Regelung:

"Ausschlüsse
Eine Versicherungsleistung ist ausgeschlossen aufgrund von Schäden,

2.( ...)

3. die mittelbar entstehen, wie entgangener Gewinn, [X.],

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Nachdem die Klägerin die -
vermeintlichen
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Deckungsansprüche des Streithelfers gegen die Beklagte aus der Berufshaftpflichtversiche-rung und der Gruppenanschlussversicherung hat pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, nimmt sie nunmehr die Beklagte auf [X.] in Anspruch.

Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin die "zur Verfügung stehende" Mindestversicherungssumme aus der [X.] auszuzahlen, Zug um Zug gegen Abtretung ei-nes [X.] ihres Darlehensrückzahlungsanspruchs und [X.] ihrer Sicherheiten. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die Klage "klarstellend" insgesamt abgewiesen, weil das Ur-teil des [X.]s keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Hierge-gen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihre Hauptforderung, aller-dings beschränkt auf eine Zahlung von
255.645,94

,
"nebst Zinsen"
wei-terverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.] Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Beklagte aus der Berufshaftpflichtversicherung nicht einstandspflichtig sei. Die [X.] sei nach § 4 Ziff. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Vermögens-schaden-Haftpflichtversicherung
leistungsfrei, weil der Schaden auf einer wissentlichen Pflichtverletzung des
Streithelfers beruhe.
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Auch einen
Deckungsanspruch aus der Gruppenanschlussversi-cherung könne die Klägerin wegen Wissentlichkeit der Pflichtverletzung nicht geltend machen. Da dem Streithelfer als Notar keine Ansprüche aus der Gruppenanschlussversicherung zustünden, sei der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss insoweit ins Leere gegangen.

Die Beklagte sei auch nicht als [X.] nach §
19a Abs. 2 Satz 2 [X.] zur Leistung einer Entschädigung verpflich-tet. Die in dieser Regelung
statuierte [X.] sei bereits auf-grund des von der Beklagten erhobenen Einwands der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung ausgeschlos-sen. Entgegen dem Wortlaut des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] sei nicht "nur"
streitig, ob der Ausschlussgrund der wissentlichen Pflichtverletzung eingreife, sondern auch, ob und in welcher Höhe eine Haftung der [X.] als [X.] gemäß § 156 Abs. 3 [X.] a.F. in Betracht komme. Auch der Einwand der Erschöpfung der [X.] in der Vertrauensschadenversicherung schließe eine Anwendung des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] aus, da der [X.] nur im Umfang eines Regressanspruchs gegen den [X.] zur Vorleistung verpflichtet sei.

I[X.] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Beklagte aus der Berufshaftpflichtversicherung nach § 4 Abs. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtver-8
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sicherung nicht deckungspflichtig ist, weil
der Schaden durch eine wis-sentliche Pflichtverletzung des Streithelfers verursacht worden ist. Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Streithelfer habe wissentlich ge-gen die ihm erteilten Treuhandauflagen verstoßen,
ist
nicht zu [X.] und wird
von der Revision nicht gerügt.

2. Aus der Gruppenanschlussversicherung kann die Klägerin kei-nen
Anspruch geltend machen,
da diese Versicherung von den Notar-kammern als Versicherung für fremde Rechnung i.S.
der
§§ 74 ff. [X.] a.F. abgeschlossen wird
([X.] in [X.]/[X.], [X.] [2006]
A IV Rn. 201). Der als [X.] versicherte Notar kann daher über die Rechte aus dem Versicherungs-vertrag nicht
verfügen oder sie gerichtlich verfolgen (§ 75 Abs. 2 [X.] a.F.), so dass auch der Klägerin, die aufgrund der Pfändung und [X.] die Rechtsstellung des Notars erlangt hat, die Aktivlegitimation
fehlt.

3. [X.] ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine [X.] der Beklagten nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] bereits dem Grunde nach nicht bestehe.

a) Der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung ist für den
Anspruch aus § 19a Abs. 2 Satz
2 [X.] unerheblich.
Die [X.] ist nicht dadurch aus-geschlossen, dass sich die Beklagte neben dem Einwand der [X.] der Pflichtverletzung auf die Erschöpfung der [X.] in der Berufshaftpflichtversicherung berufen hat. Zwar setzt die [X.] nach dem Wortlaut des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] voraus, dass "nur streitig"
ist, ob Ersatzansprüche wegen wissentlicher 12
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Pflichtverletzung ausgeschlossen sind. Hiermit soll jedoch
unter Berück-sichtigung von Sinn und Zweck der Regelung
lediglich klargestellt wer-den, dass eine [X.] ausscheidet, wenn der [X.] aufgrund anderer Einwendungen, die seine Einstands-pflicht aus der Berufshaftpflichtversicherung dem Grunde nach betreffen,
leistungsfrei ist.

Anlass für die Einführung einer [X.] in § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] war die Überlegung, dass in der Praxis der Mandanten-schutz lückenhaft ist, wenn Streit darüber besteht, ob der Notar seine Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat und sowohl der Be-rufshaftpflicht-
als auch der [X.] eine Regulie-rung
unter Hinweis auf die Leistungspflicht des jeweils anderen ableh-nen. Im Interesse einer zügigen Schadensregulierung begründet die [X.] des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] daher eine [X.] des [X.]s im Verhältnis zum Vertrauensschadenversi-cherer (BT-Drucks. 13/11034, [X.] f.).
Dieser Zweck würde
verfehlt, wenn die [X.] des [X.]s auch auf-grund solcher Einwendungen in der Berufshaftpflichtversicherung ausge-schlossen wäre, die lediglich die Höhe der Leistungspflicht des [X.] betreffen.

Der [X.] betrifft allein die Höhe der [X.]. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass eine Erschöpfung der maßgeblichen Gesamtversicherungssumme in der [X.] zu befürchten sei, weil in Bezug auf den Streithelfer für das be-troffene Versicherungsjahr eine Vielzahl gemeldeter Haftpflichtschäden vorliege. Eine Erschöpfung hätte aber nur zur Folge, dass die Leistung aus der Berufshaftpflichtversicherung der Höhe nach anteilig zu kürzen 15
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wäre (§ 156 Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F.). Dass durch die Beklagte bereits Zahlungen an die übrigen Gläubiger erfolgt sind und die Leistungspflicht daher nach § 156 Abs. 3 Satz 2 [X.] a.F. entfallen wäre, ist weder [X.] noch ersichtlich.

b) Dass sich die Beklagte außerdem auf eine
Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung berufen hat, steht einer [X.] nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] dem Grunde nach nicht entgegen.

Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die [X.] des [X.]s nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] durch seinen Regressanspruch gegen den [X.] begrenzt ist. Dieser Regressanspruch folgt aus §
19a Abs. 2 Satz 4 [X.]. Anspruchsgegner sind nach dem Wortlaut die "Personen, für deren Verpflichtungen"
der [X.] gemäß Satz 2 einzustehen hat, also in erster Linie der Vertrauens-schadenversicherer. Nach dem [X.] soll der [X.] den durch den Anspruchsübergang nach Satz
3 gewährleisteten Schutz des vorleistenden Berufshaftpflichtversi-cherers ergänzen und ihn von Kosten freistellen, die ihm aufgrund seiner [X.] entstanden sind. Da dem Geschädigten im Regelfall keine direkten Ansprüche aus dem [X.] zustehen (Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 -
IV ZR 213/89, [X.], 299 unter [X.]), kann der [X.] einen Ausgleichsanspruch gegen den [X.] nicht auf die Legalzession nach § 19a Abs. 2 Satz 3 [X.] stützen. Anspruchs-grundlage für den Ausgleichsanspruch ist daher § 19a Abs. 2 Satz 4 [X.].
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Bereits aus Wortlaut und Zweck des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] ergibt sich, dass der [X.] nur in der Höhe vorleis-tungspflichtig ist, in der eine Einstandspflicht und damit eine Regress-pflicht des [X.]s besteht. Indem die Regelung
eine [X.] "bis zur Höhe"
der für den [X.] geltenden Mindestversicherungssumme anordnet, ist
klarge-stellt, dass es sich lediglich um eine Obergrenze handelt. Aus der For-mulierung
und der Begründung des Gesetzgebers für die Neuregelung des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] folgt weiter, dass eine [X.] im Verhältnis zum [X.] angeordnet wird. Der Forderungsübergang nach § 19a Abs. 2 Satz 3 [X.] und der Aufwen-dungsersatzanspruch nach § 19a Abs. 2 Satz 4 [X.] sollen ihm für seine Vorleistung einen vollen Ausgleich gewähren. Mit dem Charakter als [X.] wäre
eine Erweiterung der Einstandspflicht des [X.]s über die des [X.] hinaus und damit unabhängig von einer Regressmöglichkeit nicht zu vereinbaren. Zwar gehen nach § 19a Abs. 2 Satz 3 [X.] auch die [X.] des Geschädigten gegen den Notar auf den [X.] über. Es würde jedoch dem durch die Regressansprüche ver-folgten Ziel eines vollen Ausgleichs der Vorleistung widersprechen, wenn der [X.] das Insolvenzrisiko des Notars tragen müsste. Dieses Risiko ist bei Notaren, die sich zu wissentlichen Pflicht-verletzungen verleiten lassen, generell erhöht.

Hieraus folgt jedoch nur, dass sich eine Erschöpfung der Versiche-rungssumme in der Vertrauensschadenversicherung nach § 156 Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. auf die Höhe der [X.] auswirken
würde.

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4. Da das Berufungsgericht zur
Frage der Erschöpfung der Versi-cherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung keine ausrei-chenden Feststellungen getroffen
hat, ist
die Sache zur Prüfung der Hö-he der [X.]
der Beklagten an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen.

5. Für das weitere
Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Das Berufungsgericht hat zu prüfen, in welcher Höhe der Klägerin der
geltend gemachte Zinsanspruch zusteht.
Auch insoweit ist der [X.] der Versicherungssumme in der Vertrauensscha-denversicherung erheblich.

a) Der Antrag der Klägerin, das Berufungsurteil aufzuheben, "so-weit die Klage auf Zahlung von ()
abgewie-sen worden ist", ist unter Berücksichtigung des Antrags in der Berufungs-instanz dahingehend auszulegen, dass gesetzliche Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem vorgenannten [X.] seit dem 1. August 2000 geltend ge-macht werden. Dabei handelt es sich um die im [X.] gegen den Notar rechtskräftig titulierten
Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB.

b) Diesem Zinsanspruch steht die Deckungsbeschränkung in § 4 Ziff. 3 [X.] nicht entgegen. Eine Auslegung der Ausschlussklausel ergibt, dass gesetzliche Verzugszinsen hiervon nicht erfasst
sind.

[X.]) Eine gesetzliche, von der Rechtsprechung entwickelte oder in der Literatur anerkannte Definition des Begriffs "mittelbarer Schaden"
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gibt es nicht, so dass dessen Inhalt im Wege der Auslegung aus dem [X.], insbesondere der [X.] selbst zu ermitteln ist ([X.], Urteil vom
8. Juni 1994

VIII ZR 103/93, NJW 1994, 2228 unter [X.] b).

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdi-gung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 -
IV ZR 135/92, [X.]Z 123, 83, 85). Dabei kommt es auf die Verständ-nismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrecht-liche Spezialkenntnisse und damit -
auch
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auf seine Interessen an. Bei [X.] geht das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel es erfordert. Daher sind [X.] nach ständiger Rechtsprechung des [X.] eng auszulegen und nicht weiter, als es ihr Sinn unter Beach-tung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom [X.] 2002 -
IV ZR 226/01,
VersR 2003, 236 unter [X.]; vom 17. März 1999 -
IV ZR 89/98,
VersR 1999, 748 unter 2 a).

[X.]) Nicht unter den Begriff des "[X.]es"
und des "mittelba-ren"
Schadens im Sinne dieser Klausel fallen nach diesen Grundsätzen die von der Klägerin geltend gemachten Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB.

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Ausgehend von dem Wortlaut der Ausschlussklausel wird der ver-ständige Versicherungsnehmer unter den Begriff "[X.]"
in erster Linie den Vermögensnachteil fassen, der als Folge des durch das pflichtwidrige Verhalten eintretenden primären Vermögensnachteils in Form eines Verlustes von Zinsen entsteht, d.h. den entgangenen und damit "verlorenen"
[X.]. Dagegen ist der Anspruch auf Verzugs-zinsen nach § 288 Abs. 1 und 2 BGB unabhängig von dem Nachweis ei-nes tatsächlichen Verlustes. Der Verzugszins ist dem Grunde und der Höhe nach als objektiver Mindestschaden gesetzlich festgelegt, so dass dem Schuldner der Beweis, dass tatsächlich kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist, abgeschnitten wird ([X.]/[X.], BGB 70. Aufl.
§ 288 Rn. 4). Die [X.] von gesetzlichen Verzugszin-sen ist allein an das Vorliegen der Verzugsvoraussetzungen gekoppelt, so dass die [X.] nahe liegender ist als die eines An-spruchs auf Ersatz weitergehenden Zinsschadens oder entgangenen Gewinns. Da mit einer vorsätzlichen Pflichtverletzung oftmals die [X.]sunfähigkeit des Notars verbunden ist, kann der [X.] regelmäßig von einer Verpflichtung des Notars zur [X.] von Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB ausgehen.

Auch der erkennbare Zweck des [X.] und des [X.] spricht für eine enge
Ausle-gung des Begriffs "[X.]". Die Vertrauensschadensversicherung dient in erster Linie dem Schutz der Geschädigten, außerdem der Wah-rung des Ansehens des [X.] (Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 -
IV ZR 213/89, [X.], 299
unter [X.] a); vom 27. Mai 1998 -
IV ZR 166/97, [X.], 1016 unter 1; vom 30. September 1998 -
IV ZR 323/97, [X.], 1504 unter [X.]). Beide Zwecke sprechen dafür, dass der Geschädigte zumindest den mit dem primären Vermögensscha-29
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den nahezu zwangsläufig verbundenen gesetzlichen Verzugsschaden geltend machen kann. Soweit man den Grund für den Ausschluss mittel-barer Schäden in der Begrenzung und Kalkulierbarkeit des Schadenspo-tenzials sieht, wird dieses Ziel bereits durch die in § 3 I Abs. 1 [X.] fest-gelegte Mindestversicherungssumme pro Versicherungsfall erreicht, was der durchschnittliche Versicherungsnehmer den [X.] ohne weiteres ent-nehmen kann. Eine weite Auslegung des Begriffs "mittelbarer Schaden"
ist also auch nicht aufgrund berechtigter Interessen
der [X.] oder der Prämien
zahlenden Notarkammern und ihrer Mitglieder geboten.

c) Eine Geltendmachung des [X.] ist
nicht durch die Mindestversicherungssumme des § 67 Abs. 3 Satz 2 [X.] ausge-schlossen, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung 500.000 [X.] =

[X.]) Zwar
ergibt sich aus dem Wortlaut des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.], der eine [X.] "bis zur Höhe"
der für den [X.] "geltenden Mindestversicherungssumme"
anord-net, dass die gesetzliche Mindestversicherungssumme die Vorleistungs-pflicht begrenzt.
Die
Klägerin
fordert
bereits einen [X.] in dieser Höhe, so dass daneben ein Zinsanspruch als Vorleistung nach §
19a Abs. 2 Satz 2 [X.] grundsätzlich nicht geltend gemacht werden kann.

Ein Zinsanspruch nach
§ 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] könnte der Klä-gerin
aber unter der Voraussetzung zustehen, dass die Entschädigung in der Hauptsache aufgrund des [X.]s in der [X.] zu kürzen ist, so dass die Hauptforderung allein 31
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die gesetzliche Mindestversicherungssumme nicht erreicht. Dass die [X.] durch den Regressanspruch gegen den Vertrauens-schadenversicherer
und damit auch durch die (Gesamt-)[X.]
in der Vertrauensschadenversicherung
begrenzt ist, würde in diesem Fall eine
Geltendmachung des [X.] nicht ausschlie-ßen. Der [X.] ist in entsprechender Anwen-dung des § 150 Abs. 2 Satz 2 [X.] a.F. zur Zahlung von Zinsen auch
dann verpflichtet, wenn diese
zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen, sofern die Zinsen auf einer von ihm
veranlassten Verzögerung der Befriedigung des [X.] beruhen. Diese für Haftpflichtversicherungen geltende Vorschrift ist aufgrund der Funktion der Vertrauensschadenversicherung auch auf Ansprüche gegen den [X.] entsprechend anzuwenden. Mit der Ergänzung der Berufshaftpflichtversicherung durch eine Gruppenan-schluss-
und eine Vertrauensschadenversicherung wollte der [X.] den Vermögensschutz sicherstellen, den die St[X.]tshaftung bei Amtspflichtverletzungen anderer Amtsträger schafft (Senatsurteil vom 30. September 1998 [X.]O). Eine wirksame Ergänzung der Haftpflichtver-sicherung des Notars, die einen der St[X.]tshaftung vergleichbaren Schutz gewährleistet, setzt voraus, dass die Vertrauensschadensversicherungen in ihrer Handhabung den Regeln der Haftpflichtversicherung folgen (Se-natsurteile
vom 27. Mai 1998 [X.]O; vom 30.
September 1998 [X.]O); die Vertrauensschadenversicherung hat die Funktion einer [X.], die das Risiko vorsätzlicher Pflichtverletzungen des Notars in den Versicherungsschutz einschließt (Senatsurteile vom 27. Mai 1998 [X.]O und 30. September
1998 [X.]O).

Es bedarf daher weiterer
Feststellungen, ob
der [X.] zu einer Kürzung der von der Klägerin geforderten [X.]
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gungsleistung führt
und ob
der [X.] in diesem Umfang eine verspätete Befriedigung des Geschädigten und damit [X.] aus dem gekürzten [X.] veranlasst hat.

[X.]) Ein Zinsanspruch könnte der Klägerin auch nach §§ 286, 288 BGB wegen Verzugs der Beklagten mit der Erfüllung ihrer Vorleistungs-pflicht zustehen. Insoweit sind weitere Feststellungen zum Umfang der [X.] und zu den Verzugsvoraussetzungen erforderlich.

Dr. [X.][X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr.
Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.03.2008 -
2/17 [X.]/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 13.05.2009 -
7 [X.]/08 -

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Meta

IV ZR 131/09

20.07.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2011, Az. IV ZR 131/09 (REWIS RS 2011, 4546)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4546

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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