Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2016, Az. X ZR 122/14

X. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 1704

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:291116UXZR122.14.0
Berichtigt durch Beschluss
vom 17. Januar 2017
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM [X.] [X.]S VOLKES
URTEIL
X ZR
122/14
Verkündet am:
29. November 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Tischlerarbeiten
BGB § 145
Sendet ein Bieter auf elektronischem Wege ein Hauptangebot und mit [X.] zeitlichem Abstand (hier: etwa zwei Stunden) kommentarlos eine weitere als Hauptangebot erkennbare Offerte, ist dies regelmäßig, wenn nicht besonde-re Umstände auf einen abweichenden Willen des Absenders hindeuten, dahin zu verstehen, dass das spätere Angebot an die Stelle des früher eingereichten treten soll, nicht aber, dass beide als Hauptangebot gelten sollen.
[X.], Urteil vom 29. November 2016 -
X [X.] -
[X.]

[X.]

-
2
-

Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 29.
November 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Meier-Beck, [X.]
und [X.] sowie die Richterinnen Schuster
und
Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 27. November 2014 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Die Berufung des [X.]n gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des [X.] vom 22. November 2013 wird insgesamt zurückgewiesen.

Der [X.] hat die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin beteiligte sich an einem von einem Eigenbetrieb des [X.] nach Maßgabe des [X.] [X.] durchgeführten Vergabeverfahren betreffend
die Sanie-rung und den Neubau
von Flächen eines Universitätsinstituts mit einem Ange-bot für das Gewerk Tischlerarbeiten. Die Vergabestelle hatte den Brutto-Auftragswert

Die Angebotsfrist lief bis zum 25. April 2012.
1
-
3
-

Die Klägerin sendete am 24. Februar 2012 um 9:11 Uhr auf elektroni-schem Wege
ein Angebot (im Folgenden: Angebot
1)

und um 11:02 Uhr ein weiteres Gebot (Angebot
2)

Die Einzelpreise beider Angebote
unterschieden sich lediglich in zwei Positionen
betreffend die Überarbeitung historischer, einflügliger Innentüren, und zwar waren in den Positionen 1.1.30 ("

mit drei Kassetten")
und 1.1.50 ("

mit
sechs Kassetten") die Einheitspreise umgekehrt zugeordnet, woraus vor dem Hintergrund unterschiedlicher Einheitsmengen für beide Positionen (3
Stück bzw. 6 Stück) die resultierte.
Im Öffnungstermin lagen Angebote von
drei [X.] vor. Der [X.] nahm von der Klägerin lediglich [X.] in die Niederschrift über den [X.] auf. Dieses war das preisgünstigste, die anderen beiden Angebote waren um bis zu
rund
3
% teurer.
Nachdem sie zunächst fehlende Erklärungen von einem Mitbewerber und der Klägerin angefordert und mit dieser
auch ein Aufklärungsgespräch ge-führt hatte, hob die Vergabestelle das Vergabeverfahren auf und berief sich [X.] auf die deutliche Überschreitung ihrer Kostenschätzung
und darauf, dass die Angebote zwar preislich dicht zusammenlägen, in den Kostenansätzen für ein-zelne Leistungspositionen jedoch zum Teil nicht nachvollziehbar voneinander abwichen.
Die Klägerin stellte einen Nachprüfungsantrag, den die zuständige Vergabekammer als unzulässig verwarf und der bestandskräftig geworden ist, nachdem die Klägerin die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde nach [X.] des [X.] zurückgenommen hatte.
Die ausgeschriebenen Leistungen wurden im Oktober 2012 unterteilt in vier Teillose erneut ausgeschrieben und auch vergeben.
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-
4
-

Mit ihrer Klage hat die Klägerin in erster Linie Schadensersatz in Höhe ihres positivenn
Interesses
verlangt
und dafür gel-tend gemacht, es habe kein zur Aufhebung des Vergabeverfahrens berechti-gender Grund vorgelegen; bei ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens hätte der Zuschlag auf ihr [X.] erteilt werden müssen.
Das [X.] hat den [X.]n antragsgemäß verurteilt. Das [X.] hat die Klage auf die Berufung bis auf für erstattungsfähig [X.]

([X.], [X.] 2015, 489). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zu-rückweisung der [X.] beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf voll-ständige Zurückweisung der Berufung des [X.]n weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der [X.] die [X.] zwar rechtswidrig aufgehoben und insoweit eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat
(§ 280 Abs. 1 i.
V.
mit § 311 Abs. 2 Nr. 1, §
241 Abs. 2 BGB), dass der Klägerin der
Zuschlag aber auch bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens nicht hätte erteilt
werden dürfen, weil ihre [X.]e als vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot hätten
ausgeschlos-sen werden müssen.
II.
Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.
1.
In der Rechtsprechung der [X.] ist anerkannt, dass die Abgabe mehr als eines Hauptangebots nicht ausgeschlossen ist. Als unproble-matisch wird es angesehen, wenn sich mehrere Angebote eines Bieters nicht nur im Preis, sondern darüber hinaus in der sachlich-technischen Ausführung unterscheiden, ohne dass die Abweichungen die Einordnung als Nebenangebot 8
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gestatteten (vgl. [X.], Beschluss vom 23. März 2010

[X.], [X.]
2010, 1012, 1013
f.; Beschluss vom 9. März 2011

[X.], [X.] 2011, 598, 600
f.; [X.], Beschluss vom 29. Oktober 2013

Verg 11/13, [X.] 2014, 436, 439
f.).
2.
Dem ist jedenfalls zuzustimmen, soweit ein Bieter mehrere Hauptan-gebote mit Inhalten anbietet, die sich in dem von § 13
[X.] Abs. 2 i.
V.
mit §
7a
[X.] [X.]/[X.] gesteckten Rahmen bewegen. Wäre ein solches Angebot allein abgegeben worden, wäre es nach § 16d [X.]/[X.] wie ein Hauptangebot zu werten (vgl. auch [X.], Beschluss vom 23. März 2011

X
ZR
92/09, [X.] 2011, 709

Ortbetonschacht). Werden mehrere solche Hauptangebote abgegeben, besteht grundsätzlich keine Gefahr einer [X.]verzerrung. Da ihre Gleichwertigkeit mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit nachgewiesen werden muss (§ 13 [X.] Abs. 2 [X.]/[X.]), ist rechtlich sichergestellt, dass keine wirtschaftlich nachteilige Beschaffung getätigt wird.
3.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unterscheiden sich Angebot
1 und Angebot
2,
abgesehen vom Preis,
nur in der beabsichtigten Art der Ausführung und damit zusammenhängend in den [X.]. Gemäß Angebot 1 wäre
der Auftrag vollständig mit den eigenen betriebli-chen Mitteln der Klägerin ausgeführt worden; nach [X.] war ein [X.] für anspruchsvollere Teilleistungen vorgesehen.
Es ist fraglich, ob bei dieser Ausgestaltung die Annahme eines insge-samt zum Angebotsausschluss
führenden Mehrfach-Hauptangebots gerechtfer-tigt ist. Die beiden Angebote der Klägerin unterscheiden sich im Wesentlichen zwar nur im Preis. Ob der Bieter die Leistung allein oder unter Einsatz von Nachunternehmern ausführen möchte, ändert nichts daran, dass eine mit dem Leistungsverzeichnis identische Leistung erbracht werden soll. Zum [X.] kann das zwingend aber nur dann führen, wenn unabdingbare Vor-13
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6
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aussetzung für die Wertungsfähigkeit mehrerer
Hauptangebote eines Bieters ist, dass sie sich (auch) technisch-inhaltlich unterscheiden.
Das kann indes zweifelhaft sein. Die vom Berufungsgericht im Streitfall für den Ausschluss her-angezogenen Argumente überzeugen jedenfalls nicht.
a)
Das Berufungsgericht meint, der Bieter verschaffe sich durch diese Angebotsgestaltung potenziell einen ungerechtfertigten wettbewerblichen Vor-teil für den Fall, dass der Auftraggeber die Eignung des vorgesehenen [X.]s verneinen sollte, weil er sich dann auf die Ausführung in Eigenarbeit zurückziehen könne.
Ob dies
bei der gebotenen wertenden Betrachtung
tragfähig ist, erscheint fraglich. [X.] ein Bieter, was, wie ausgeführt, vergaberechtlich zu Recht als unproblematisch angesehen wird, neben der von ihm eigentlich bevorzugten Ausführung mit einer vom Leistungsverzeichnis abweichenden,
aber statthaften Spezifikation weitere Hauptangebote ein, etwa eines, das den im
Leistungsver-zeichnis vorgegebenen Anforderungen explizit entspricht und andere, die nochmals abweichende Spezifikationen
aufweisen,
betreibt er diesen Aufwand ersichtlich ebenfalls, um dem Risiko zu begegnen, dass der Auftraggeber die Wertungsfähigkeit seiner eigentlich bevorzugten Ausführung verneinen könnte. Das Berufungsgericht zeigt somit keinen
spezifisch vergaberechtlichen
Un-rechtsgehalt oder unredlichen
Vorteil des Bieters
auf,
der auch eine Ausführung mit [X.]
anbietet.
b)
Das Berufungsgericht hat den Angebotsausschluss ferner damit [X.], die Klägerin hätte sich mit der gewählten Angebotsgestaltung unge-rechtfertigte wettbewerbliche Vorteile verschaffen
können, indem sie nach [X.] der Angebotsfrist eines ihrer beiden -
jeweils unvollständigen -
Angebote lückenhaft hätte belassen können, damit es ausgeschlossen wird, und nur das andere
vervollständigte, um sich nur damit weiter um den Zuschlag zu [X.]. Die Gefahr einer derartigen Manipulation durch einen Bieter habe sich im 16
17
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Anwendungsbereich der Vergabe-
und Vertragsordnung für Bauleistungen ob-jektiv dadurch erhöht, dass der Auftraggeber bei unvollständigen Angeboten zur Nachforderung der fehlenden Erklärungen und Nachweise verpflichtet sei und es der Bieter durch die Erfüllung der Nachforderung bzw. durch deren Nichter-füllung in der Hand habe, ob er an jedes seiner Angebote gebunden bleibe oder nicht.
Diese Erwägung begegnet rechtlichen Bedenken.
Die vom [X.] als Ausschlussgrund herangezogene abstrakte Gefahr einer Manipulation des [X.] dadurch, dass der Bieter nur eines seiner Angebote durch Nachreichung fehlender Unterlagen zuschlagsreif machen könnte, ist kein spezifisches Problem der Einreichung mehrerer Hauptangebote, sondern kann sich prinzipiell genauso bei Einreichung einer
einzigen Offerte ergeben. Gerade für solche Konstellationen war dieses Problem auch Gegenstand ge-richtlicher Entscheidungen und Erörterungen
(vgl. etwa BayObLG, Beschluss vom 19.
März 2002

Verg
2/02, [X.] 2002, 252 und dazu [X.], [X.], 86
ff.; [X.]/[X.]/[X.],
Handkomm. zur [X.], 11. Aufl. 2008 A § 25 aF Rn. 127).
Ungeachtet dieses vermeintlichen Manipulationspotenzials hat die Vergabe-
und Vertragsordnung für Bauleistungen, wie das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, in ihrer Ausgabe 2009 erstmals die Verpflichtung der Auftraggeber begründet, fehlende Erklärungen nachzufordern. Dies
ist aufgrund von Erfahrungswerten
aus der Praxis im Interesse eines umfassenden [X.] geschehen,
um den Ausschluss von Angeboten aus vielfach nur forma-len Gründen zu verhindern und die Anzahl der am Wettbewerb teilnehmenden Angebote nicht unnötig zu reduzieren (vgl. die Eingangshinweise des Vergabe-
und Vertragsausschusses für Bauleistungen, BAnz 155a vom 15. Oktober 2009
und Einführungserlass des [X.] unter anderem zur Vergabe-
und [X.] vom 10. Juni 2010

B
15

8163.6/1
S.
7). [X.] Regelungen sind über die Einbeziehung der Vergabe-
und Vertragsordnung 19
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-

für Bauleistungen in der jeweils aktuellen Fassung in der Vergabeverordnung (vgl. § 2 VgV vom 12. April 2016) geltendes Recht. Dass sie gegen [X.] Recht verstießen, zeigt das Berufungsgericht nicht auf. Schon deshalb be-stehen Bedenken
gegen seine eher rechtspolitisch geprägte
Befürwortung von [X.] wegen der abstrakten Gefahr, Bieter könnten von den rechtlich zulässigen Möglichkeiten der Nachreichung von Erklärungen einen selektiven und damit unredlichen Gebrauch machen.
4.
Die Tragfähigkeit der vom Berufungsgericht für den Angebotsaus-schluss gegebenen Begründung bedarf indes keiner abschließenden Beurtei-lung. Seine Entscheidung kann keinen Bestand haben, weil es rechtsfehlerhaft angenommen hat, die Klägerin habe (hintereinander) zwei Hauptangebote ab-gegeben.
a)
Für die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen ist nach allgemeinen Grundsätzen darauf abzustellen, wie der Erklärungsempfänger sie nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Das gilt auch für die hier interessierende Frage, ob zwei im vergabe-rechtlichen Sinne als Hauptangebote zu verstehende Offerten abgegeben [X.].
Zwar ist die Auslegung individualvertraglicher Erklärungen im Grundsatz dem Tatrichter vorbehalten. Das Ergebnis der tatrichterlichen Würdigung ist aber

ohne dass es einer entsprechenden Verfahrensrüge bedürfte (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 1995

[X.], [X.]Z 131, 297, 301
f.) -
für das Revisionsgericht nicht bindend, wenn dabei gesetzliche oder allgemein an-erkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt [X.] (st. Rspr. z.B. [X.], Urteil vom 2. Februar 2006 -
III ZR 61/05, [X.], 871, 872). Zu den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen, deren Ein-haltung das Revisionsgericht nachzuprüfen hat, gehört insbesondere, dass der Tatrichter von ihm festgestellte wesentliche Tatsachen bei der Auslegung ge-21
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-
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-

bührend berücksichtigt ([X.], Urteil vom 5. Oktober 2006

[X.], [X.], 3777).
b)
Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten [X.] sind die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht frei von [X.]. Es hat zwar den Einwand der Klägerin, sie habe Angebot
2 statt des [X.]s
1 und
nicht selbständig neben diesem eingereicht, nicht übergangen, es hat dabei aber für die rechtliche Beurteilung wesentliche Umstände unberück-sichtigt gelassen.
aa)
Ob ein Bieter mehrere Hauptangebote abgeben will, lässt sich zwei-felsfrei bejahen, wenn er zur Einreichung den konventionellen Weg gewählt und alle Angebotsunterlagen gegenständlich in einem verschlossenen Umschlag eingereicht hat (vgl. § 13 [X.] Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 [X.]/[X.]). Erfüllen darin mehrere Offerten die an das Hauptangebot gestellten
Voraussetzungen, wird der Auftraggeber als Adressat dies als Ausdruck des [X.] verstehen, mehrere Hauptangebote unterbreiten zu wollen. Das gilt umso mehr, als eine versehentliche Zusammenstellung mehrerer Hauptangebote in einer Briefsen-dung kaum
anzunehmen ist.
Als vergleichbar eindeutig wird zu beurteilen sein, wenn der Bieter von der eröffneten Möglichkeit der elektronischen Angebotseinreichung Gebrauch macht und mehrere Hauptangebote einheitlich in einer elektronischen Sendung übermittelt.

bb)
Im Streitfall wurden beide Angebote jedoch getrennt in einem [X.] von etwa zwei Stunden gesendet. Hier entfällt die Einheitlichkeit des Sendevorgangs als verbindender
und auf den Willen zur Unterbreitung mehre-rer Hauptangebote hindeutender
Umstand. Die Übermittlung eines weiteren elektronischen Angebots unter solchen Umständen innerhalb der Angebotsfrist ist aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers als Empfänger nach [X.] und 24
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10
-

Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ohne Weiteres regelmäßig dahin zu verstehen, dass das spätere das frühere ersetzen soll. Er konnte das erste eingegangene Angebot nur als vom Bieter abschließend gewollte Offerte verstehen. Wird wenig später kommentarlos erneut ein Angebot gesendet, legt ohne auf einen abweichenden Willen des Absenders hindeutende Umstände schon die zeitliche Abfolge die Annahme nahe, dass dieses das Erstere [X.] soll. Eine solche Ersetzung ist rechtlich möglich. Angebote können bis zum Ablauf der in den Vergabeunterlagen dafür festgelegten
Frist abgegeben wer-den. Daraus folgt, dass sie erst mit dem Ablauf
dieser Frist bindend werden (§
145 BGB) und dementsprechend bis zu diesem Zeitpunkt auch ausgetauscht werden können. Dass beide gleichzeitig gelten sollen, wird der Auftraggeber als Empfänger im Zweifel schon deshalb nicht unterstellen, weil die Einreichung paralleler Hauptangebote nur in engen Grenzen statthaft ist und im Regelfall die Annahme angezeigt ist, dass ein Bieter nur ein Angebot abgeben will, um nicht Gefahr zu laufen, gar kein wertungsfähiges Gebot eingereicht zu haben. Solan-ge nicht besondere Umstände Anlass zu der Annahme geben, dass etwas [X.] gewollt sein könnte, ist deshalb grundsätzlich das später gesendete [X.] für sich als das maßgebliche und gewollte zu betrachten. Das gilt [X.] auch dann, wenn die Abweichung lediglich in der Wahl einer anderen tech-nischen Spezifikation besteht (oben II
2). Möchte der Bieter in einem solchen Fall nur ein weiteres wertungsfähiges Hauptangebot nachreichen
und nicht ein bereits
abgegebenes ersetzen, kann und muss er dies in geeigneter Form zum Ausdruck bringen.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist
der Umstand, dass das spätere Angebot kommentarlos übermittelt wurde, kein Indiz dafür, dass beide Angebote parallel gelten sollten. Ein
solches
Verhalten ist im Zweifel so zu in-terpretieren, dass ein wertungsfähiges Angebot erhalten bleibt. Die [X.] selbst hat im Übrigen keine entsprechenden Zweifel am Gewollten [X.], sondern Angebot
2 als dasjenige angesehen, das allein abgegeben wer-den sollte. Anders ist es nicht zu verstehen, dass sie allein dieses Angebot in 28
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11
-

das Protokoll über die Angebotsöffnung aufgenommen hat. Die Klägerin hat dem nicht widersprochen und nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen war auch nur Angebot
2 Gegenstand des nach §
15 [X.]/[X.] geführten Aufklärungsgesprächs. Die [X.]en haben insoweit also über-einstimmend nur Angebot
2 als Gegenstand des Vergabeverfahrens angese-hen.
III.
Das angefochtene Urteil kann deshalb mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar und ist deshalb aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revisionser-widerung die weiteren geltend gemachten Ausschlussgründe zu Recht verneint.
1.
Mit ihrem als Gegenrüge zu behandelnden Einwand, die Klägerin verhalte sich treuwidrig (§ 242 BGB), wenn sie die Erstattung des [X.] verlange, obwohl sie sich nicht in der zweiten Ausschreibung um den Auftrag beworben habe, kann die Revision nicht gehört werden. Sie zeigt schon keinen hierzu in den Vorinstanzen gehaltenen und vom [X.] übergan-genen oder vom Berufungsgericht unerwähnt gelassenen Tatsachenvortrag auf. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht allein getroffenen Feststellungen, dass der [X.] den Gegenstand des aufgehobenen Vergabeverfahrens in modifizierter Form, aufgeteilt in vier Teillose, erneut ausgeschrieben und die Klägerin sich darum nicht beworben hat, lässt sich ein rechtshemmender [X.] gegen die geltend gemachte Schadensersatzforderung nicht begründen.
2.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat das [X.] die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen eines anderen schwerwiegenden Grundes (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 [X.]/[X.], § 17 [X.] Abs. 1 Nr. 3 [X.]/[X.]) rechtsfehlerfrei verneint.
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12
-

Die [X.] hat dazu vorgetragen, eine fachkundige Kostenschätzung habe den fraglichen Betrag (138.248,73

i-nes Architekten des einbezogenen Planungsbüros gestellt. Das [X.] ist diesem von ihm zutreffend als gegenbeweislich eingeordneten Beweis-antritt mit der Begründung nicht nachgegangen, der [X.] habe seiner
se-kundären Darlegungslast nicht genügt. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu [X.].
Macht der Kläger für seinen auf Ersatz des [X.] Schadensersatzanspruch geltend, der Auftraggeber hätte das Vergabever-fahren nicht aufheben dürfen, weil der dafür angeführte Grund (§
17 [X.] Abs. 1 [X.]/[X.]) nicht vorgelegen habe, muss er darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für den vom Auftraggeber herangezogenen [X.] nicht gegeben waren. [X.] obliegt dem Kläger insoweit der Beweis negativer Tatsachen. Nach ständiger Recht-sprechung trifft den Prozessgegner der für eine negative Tatsache [X.] eine sekundäre Darlegungslast, deren Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, der der Gegner aber jedenfalls so konkret nachkommen muss, dass der beweisbelasteten [X.] eine Widerlegung mög-lich ist (vgl. [X.], Urteil vom 24.
März 2010

XII
ZR 175/08, [X.]Z 185, 1 Rn.
20 mwN; [X.]/[X.], ZPO,
Vor § 284 Rn. 24 mwN).
Wie der [X.] bereits entschieden hat, kann es zwar einen schwerwiegenden und deshalb zur Aufhebung des Vergabeverfahrens [X.] Grund darstellen, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle
aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorlie-genden und erkennbaren Daten vertretbar erscheint und die im Vergabeverfah-ren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen ([X.], Urteil vom 20. Novem-ber 2012

X ZR 108/10, [X.] 2013, 208 Rn. 18

Friedhofserweiterung: Urteil vom 8. September 1998 -
X [X.], [X.]Z 139, 280). Für die Schät-zung muss die Vergabestelle oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte 32
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-

Fachmann aber Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungser-gebnis ernsthaft erwarten lassen ([X.],
[X.] 2013, 208 Rn. 18 -
Fried-hofserweiterung).
Das Berufungsgericht hat den Einwand des [X.]n, die Klägerin [X.] ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte eine unzulängliche Kosten-schätzung, zu Recht schon mit Blick darauf nicht gelten lassen, dass diese Schätzung auf einer nicht mehr aktuellen Haushaltsunterlage beruhte. Es hat zutreffend angenommen, dass dem [X.]n

worauf schon das [X.] hingewiesen hatte -
oblegen hätte, die Vertretbarkeit der Kostenschätzung mit substanziiertem Sachvortrag zu unterlegen. Die Frage der Vernehmung des benannten Zeugen hierzu stellte sich danach nicht.
3.
Das Berufungsgericht hat zu Recht eine Bindungswirkung nach §
179 Abs. 1 GWB an die Entscheidung der Vergabekammer verneint. Diese hatte im Rahmen ihrer Ausführungen zu der angenommenen Unzulässigkeit des [X.] die Ansicht geäußert, das Angebot der Klägerin wäre nach §
16 Abs. 1 Nr. 1 Buchst.
g [X.]/[X.]
wegen vorsätzlich unzutreffender Erklärungen in Bezug auf ihre Eignung auszuschließen gewesen.
Nach § 179 Abs. 1 GWB ist das ordentliche Gericht, wenn ein Verfahren vor der Vergabekammer
stattgefunden hat, an deren bestandskräftige Ent-scheidung bzw. an die Beschwerdeentscheidung gebunden, wenn wegen eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften Schadensersatz begehrt wird.
Mit dieser Bindungswirkung soll im
Interesse der Verfahrensökonomie eine nochmalige Prüfung derselben Sach-
und Rechtsfragen im Rahmen des [X.] vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 13/9340 S. 22 zu [X.] §
133 GWB). Von der Bindungswirkung ist aber nur das erfasst, was den im [X.] nach § 168 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 oder §
178 GWB ergangenen Ausspruch in tatsächlicher Hinsicht und in der rechtli-chen Beurteilung trägt. Das betrifft in erster Linie einen von den Nachprüfungs-35
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-
14
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instanzen bejahten Verstoß der Vergabestelle gegen Bestimmungen über das Vergabeverfahren, deren Einhaltung nach § 97 Abs. 6 verlangt werden kann. Bindungswirkung kann auch

umgekehrt
-
der
Verneinung eines geltend ge-machten Vergaberechtsverstoßes zukommen (vgl. [X.]/[X.], Komm. zum Vergaberecht, 3. Aufl., § 124 Rn. 2). Desgleichen kann von der Bindungswir-kung erfasst sein, wenn sich der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren im Rahmen der sachlichen Prüfung des [X.] nach den Grundsät-zen der Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten auf Voraussetzungen für den Ausschluss des Angebots des Antragstellers beruft und deren Erfüllung bestands-
oder rechtskräftig bejaht wird. Schon mit Blick auf die [X.] Rechtsfolge der Bindungswirkung nach §
179 Abs. 1 GWB, derzufolge die Verletzung einer Bestimmung über das Vergabeverfahren oder auch die [X.] eines Angebots im Schadensersatzprozess nicht mehr infrage ge-stellt werden kann, kann dies aber nur im Rahmen einer in der Sache zur Be-gründetheit des [X.] ergehenden Entscheidung geschehen.

Im Streitfall betrifft die bestandskräftige Entscheidung der [X.] demgegenüber lediglich die Frage des [X.] für den angebrachten Nachprüfungsantrag und damit nur den Zugang zum Nachprü-fungsverfahren.
4.
Zu Recht hat das Berufungsgericht auch in der Sache einen Verstoß gegen §
16 Abs. 1 Nr. 1 Buchst.
g [X.]/[X.] verneint. Die Einreichung

lückenhafter Angebotsunterlagen mag in Anbetracht der von vornherein geplan-ten
Einschaltung eines Nachunternehmers nachlässig gewesen sein, stellt sich aber schon angesichts des eingereichten Formblatts 221, das nach den Fest-stellungen des Berufungsgerichts kalkulatorische, auf [X.] hindeutende Angaben enthielt, nicht als vorsätzlich falsche Angabe über die eigene Eignung dar.
38
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-
15
-

5.
Auch die Voraussetzungen des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführten § 13 Abs. 1 Nr. 5 [X.]/[X.] sind nicht erfüllt. Danach sind Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig; Änderungen des [X.] an seinen Eintragungen müssen zweifelsfrei sein.
Der erstere Tatbestand schließt zwar gegenständliche Manipulationen der Vergabeunterlagen ebenso ein wie die Abgabe eines davon abweichenden Angebots. Beides liegt hier aber nicht vor. Die Klägerin hat auch keine Eintragungen im Angebot geändert, [X.] die Unterlagen nachträglich vervollständigt.
IV.
Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden. Das landgerichtliche Urteil ist insgesamt wiederherzustellen.
40
41
-
16
-

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1 und §
97 Abs.
1 ZPO.
Meier-Beck
[X.]
[X.]

Schuster
Kober-Dehm
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.11.2013 -
7 O 1504/12 -

[X.], Entscheidung vom 27.11.2014 -
2 [X.]/13 -

42
[X.]:[X.]:[X.]:2017:170117BXZR122.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X [X.]
vom
17. Januar 2017
in dem Rechtsstreit

[X.]:[X.]:[X.]:2017:170117BXZR122.14.0
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat am 17.
Januar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck und [X.], Dr.
Grabinski, [X.] und die Richterin Dr.
Kober-Dehm

beschlossen:
Das Urteil des
Senats vom 29. November 2016 wird wegen offen-barer Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO dahingehend berich-tigt, dass es unter Rn. 2 statt: "Die Klägerin sendete am 24. Feb-24.

Meier-Beck
[X.]
Grabinski

[X.]
Kober-Dehm
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.11.2013 -
7 O 1504/12 -

[X.], Entscheidung vom 27.11.2014 -
2 [X.]/13 -

Meta

X ZR 122/14

29.11.2016

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2016, Az. X ZR 122/14 (REWIS RS 2016, 1704)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1704

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ZR 122/14

X ZR 108/10

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