Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.08.2011, Az. X ZR 55/10

X. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3685

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
X [X.]
Verkündet am:

30. August 2011

Boppel

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Regenentlastung
VOB/A 2009 § 16 Abs. 8; VOB/A 2002, 2006 § 25 Nr. 5 Satz 1
a)
Zur Beurteilung der Frage, ob an einem öffentlichen Auftrag ein grenzüber-schreitendes Interesse besteht, ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Auftrag nach den konkreten Marktverhältnissen, das heißt mit Blick auf die angesprochenen Branchenkreise und ihre Bereitschaft, Aufträge gegebe-nenfalls in Anbetracht ihres Volumens und des Ortes der [X.] auch grenzüberschreitend auszuführen, für ausländische Anbieter inte-ressant sein könnte.
b)
Bei
der Zulassung von Nebenangeboten werden die Grundfreiheiten des Primärrechts der [X.] und die Gebote der Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz gewahrt, wenn in den [X.] vorgegeben wird, dass Ausführungsvarianten eindeutig und erschöpfend beschrieben werden und alle Leistungen umfassen müssen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind, und dass bei nicht in [X.] oder in den [X.] geregelten Leistungen im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistungen zu machen sind.
[X.], Urteil vom 30. August 2011 -
X [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche
Verhand-lung vom 30.
August 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Meier-Beck und [X.], [X.], [X.] und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das am 22. März 2010 verkündete Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] wird auf Kosten der Klägerin, die auch die außergerichtlichen Kosten des Streithel-fers zu tragen hat, zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Frage, ob die beklagte Verbandsgemeinde in einem von ihr im Jahre 2005 außerhalb des Geltungsbereichs des [X.] durchgeführten [X.] betreffend eine Regenentlastung berechtigt war, auf Neben-angebote eines Mitbewerbers den Zuschlag zu erteilen.
Die der Ausschreibung zugrunde gelegten Bewerbungsbedingungen ent-hielten den Hinweis, dass der Auftraggeber nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil
A verfahren werde, und bestimmten für [X.] oder Nebenangebote:
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3
-

Der Bieter hat die in Änderungsvorschlägen oder Nebenangebo-ten enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu be-schreiben; die Gliederung des Leistungsverzeichnisses ist, soweit möglich, beizubehalten.
Änderungsvorschläge oder Nebenangebote müssen alle Leistun-gen umfassen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleis-tung erforderlich sind.
Soweit der Bieter eine Leistung anbietet, deren Ausführung nicht in [X.] oder in den Verdingungsunterlagen geregelt ist,
hat er im Angebot entspre-chende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leis-tung zu machen.

Die Klägerin hatte unter Berücksichtigung eines Preisnachlasses das günstigste Hauptangebot abgegeben. Den Zuschlag erhielt der mit seinem Hauptangebot an dritter Stelle liegende Bieter
R., weil die Beklagte mehrere der von ihm eingereichten Nebenangebote wertete und dadurch zu einem unter dem Hauptangebot der Klägerin liegenden Angebotspreis gelangte.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Nebenangebote schon deshalb nicht hätten gewertet werden dürfen, weil die Beklagte für [X.] keine Mindestanforderungen vorgegeben habe, und entgangenen Gewinn sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen eingeklagt. Die Beklagte und ihr Streithelfer, der in ihrem Auftrag die [X.] erstellt und die Angebote geprüft hatte, sind dem entgegengetreten. Das 3
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Landgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin nach Beweisaufnahme zurückgewiesen.
Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte und der Streithelfer beantragen, verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.
[X.] Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisi-onsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Neben-angebote hätten gewertet werden dürfen, obwohl die Beklagte in den [X.] keine Mindestanforderungen
an den Inhalt von [X.]n oder Nebenangeboten vorgegeben hatte. Zwar [X.] die zur [X.] der [X.] geltende Richtlinie 93/37/[X.] ([X.] [[X.]]) und die an ihre Stelle getretene Richtlinie 2004/18/[X.] ([X.] [VKR]) die Festlegung von Mindestanforderungen vor; auch habe der Gerichtshof der [X.] diese Anforderung als unverzichtbar für ein transparentes Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte und als Grundla-ge der Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebots angesehen. [X.] seien jedoch bereits die Schwierigkeiten zu bedenken, die ein solches Er-fordernis der Vergabestelle hinsichtlich der notwendigen Sachkunde und des zusätzlichen [X.]aufwands bereite, sei sie doch gezwungen, [X.] schon bei der Ausschreibung in ihre Überlegungen und ihr Ausführungs-5
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konzept einzubeziehen. Außerdem könnten inhaltliche und technische Vorga-ben die Nutzbarmachung des Fachwissens der Bieter herabsetzen, obwohl [X.] regelmäßig dazu dienten, gerade noch nicht bedachte Lösungen anzubieten, wovon auch im Streitfall habe profitiert werden können. Aber selbst wenn mit Blick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zur Bedeutung von Mindestanforderungen für Transparenz und Gleich-behandlung auch im [X.] in Fällen mit [X.] für Nebenangebote Mindestanforderungen festgelegt werden müssten, sehe das einschlägige nationale Vergaberecht eine entsprechende Verpflichtung bis heute nicht
vor,
und dieses Problem werde in der Fachliteratur kontrovers disku-tiert. Für die Frage, wann unterhalb der Schwellenwerte [X.] anzunehmen sei, habe im Übrigen auch die Klägerin keine gesicherten Voraus-setzungen anführen können. Nach allem habe die Beklagte nicht annehmen müssen verpflichtet zu sein, Mindestanforderungen für Nebenangebote in ihrer Ausschreibung aufzunehmen. Ein Verschulden der [X.] sei deshalb nicht anzunehmen.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch stünde der Klägerin nach der neuesten Rechtsprechung des [X.] ([X.], Urteil vom 9.
Juni 2011

X
ZR
143/10, [X.] 2011, 703 Rn.
11
ff.
Rettungsdienstleis-tungen
II, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen) zu, wenn die Beklagte ihre gegenüber den Teilnehmern am Vergabeverfahren bestehenden Rücksicht-nahmepflichten (§
241 Abs.
2 in Verbindung mit §
311 Abs.
2 Nr.
1 BGB) dadurch verletzt hätte, dass sie
die Nebenangebote der Mitbewerber der Kläge-rin gewertet hat, obwohl sie in den Vergabeunterlagen keine Mindestanforde-8
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rungen im Sinne
von Art.
19 Abs.
1 und 2 [X.] festgelegt und erläutert hatte. Eine entsprechende Pflichtverletzung liegt der [X.] jedoch nicht zur Last.
a) Eine Pflichtverletzung durch regelwidrige Anwendung der Vergabeund Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) scheidet aus. Deren für das durchgeführte Vergabeverfahren einschlägigen [X.] verpflichten nach wie vor nicht zur Formulierung von Mindestanforderungen für Nebenan-gebote. Entsprechendes ist vielmehr lediglich
seit der Ausgabe 2006 der Vergabe
und Vertragsordnung für Bauleistungen

für in den Anwendungsbe-reich des [X.] fal-lende Vergabeverfahren vorgesehen (§
25a Nr. 3 VOB/A/2006; §
16a Abs. 3 VOB/A 2009). Eine analoge Anwendung dieser Regelungen im [X.] kommt nicht in Betracht, weil keine ungewollte Regelungslücke vorliegt. Da die dem Streitfall zugrunde liegende Ausschreibung vor Inkrafttreten der VOB/A 2006 erfolgt ist, wäre für eine entsprechende Anwendung im Streitfall ohnehin nur Art. 19 [X.] infrage gekommen, wofür die Voraussetzungen gleich-ermaßen nicht vorliegen.
b) Ihre vorvertraglichen Fürsorgepflichten hätte die Beklagte danach nur verletzt, wenn sie nach dem Primärrecht der [X.] verpflichtet gewesen wäre, ungeachtet des Fehlens einer entsprechenden Regelung in der Vergabe
und Vertragsordnung für Bauleistungen an anderer Stelle in ihren Vergabeunterlagen

etwa in ihren ergänzend verwendeten Vertragsbedingun-gen

Mindestanforderungen für Nebenangebote zu definieren. Diese Verpflich-tung hätte bestanden (Art. 4 Abs. 3 Unterabs.
2 und 3 [X.]), wenn ohne Ergrei-fung dieser Maßnahme eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten des [X.] zu besorgen gewesen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.
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aa) Öffentliche Auftraggeber haben das Primärrecht der [X.] nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs
der [X.] im [X.] zu beachten, sofern ein grenzüberschreiten-des Interesse am Auftrag zu bejahen ist (vgl. [X.], Urteil vom 23. Dezember 2009 -
C-376/08, [X.] 2010, 469 Rn.
22 mwN -
Serrantoni). Ob ein [X.] im Streitfall allein wegen des geschätzten [X.], der nach dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Vortrag der Parteien und bei ent-sprechender Anwendung von §
3 VgV etwa 1,3
Millionen

dürfte, bejaht werden kann, erscheint fraglich. Der Vorschlag der Klägerin, das grenzüberschreitende Interesse in Anlehnung an §
2 Nr.
6 VgV pauschal bei [X.] ab einer Million Euro
zu bejahen, überzeugt nicht. Diese im [X.]srecht (vgl. Art. 9 Abs. 5 lit.
b Unterabs. 3 VKR) wurzelnde Regelung privi-legiert die Bauauftraggeber bei kleineren Losen von an sich [X.] Aufträgen in einem gewissen Umfang (bis zu 20% des Gesamt-werts) hinsichtlich der [X.]. Das bietet keine tragfähige Grundlage für die Schlussfolgerung, dass bei Aufträgen von einem Gesamtvo-lumen ab einer Million Euro
ein grenzüberschreitendes Interesse besteht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist es stets Sa-che des nationalen Gerichts, alle maßgeblichen Gegebenheiten, die den fragli-chen Auftrag betreffen, eingehend zu würdigen, um festzustellen, ob im Einzel-fall ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht (vgl. [X.], [X.]
2010, 469 Rn.
25 mwN). Es bietet sich an, hierfür in Anlehnung an die für Vergabeverfahren außerhalb der Vergaberichtlinien ergangene Mitteilung der [X.] ([X.] Nr. [X.] vom 1. August 2006,
S. 2
ff. unter 1.3.) eine Prognose darüber anzustellen, ob der Auftrag nach den konkreten Marktver-hältnissen, das heißt mit Blick auf die angesprochenen Branchenkreise
und ihre Bereitschaft, Aufträge gegebenenfalls in Anbetracht ihres Volumens und des Or-tes der Auftragsdurchführung
auch grenzüberschreitend auszuführen, für aus-ländische Anbieter interessant sein könnte. Da das Berufungsgericht hierzu kei-12
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ne Feststellungen getroffen hat, ist das Bestehen eines grenzüberschreitenden Interesses im Streitfall zugunsten der Revision zu unterstellen.
bb) Aus dem Primärrecht der [X.] lassen sich, was die Ausgestaltung der Vergabeunterlagen bezüglich Nebenangeboten anbelangt, keine unverzichtbaren Anforderungen ableiten, die über die von der [X.] in ihren Vergabeunterlagen formulierten, aus dem Tatbestand ersichtlichen Vor-gaben hinausgingen.
(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] unterscheiden sich der Ober-
und der [X.] dadurch, dass der Erstere den in den Vergabekoordinierungsrichtlinien detailliert vorgesehenen, besonderen und strengen Regeln unterliegt, die im Bereich unterhalb des [X.] einschlägigen Schwellenwerts, der auch im Streitfall nicht erreicht worden ist, nicht gelten
([X.], Urteil vom 15. Mai 2008 -
C-147
und 148/06, [X.] 2008, 625 Rn. 19

[X.] und [X.]). Hier müssen öffentliche Auftragge-ber nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] aber das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit
und sonst die "grundlegenden Vorschriften" des [X.]srechts beachten ([X.], aaO Rn.
20), insbesondere diejenigen über die Freiheit des Warenverkehrs, die Dienstleistungsfreiheit und das Niederlassungsrecht,
sowie die daraus abgelei-teten Grundprinzipien, insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz ([X.], Urteil vom 23. Dezember 2009 -
C-376/08, [X.] 2009, 469 Rn. 23 -
Serrantoni).
(2) Durch welche Maßnahmen sie die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz verwirklichen wollen, ist in einem gewissen Maß in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt ([X.], aaO Rn. 31). Soweit es die Zu-lassung von Nebenangeboten betrifft, genügt es im Bereich oberhalb der 13
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Schwellenwerte, wie der Gerichtshof der [X.] zu
Art.
19 [X.] entschieden hat, nicht, wenn sich (lediglich) aus einer nationalen Bestimmung ergibt, dass die Erbringung einer qualitativ gleichwertigen Leistung sicherge-stellt sein muss. Nur eine Erläuterung in den Vergabeunterlagen ermögliche den [X.] in gleicher Weise die Kenntnis von den Mindestanforderungen, die ihre Änderungsvorschläge erfüllen müssten, um vom Auftraggeber berücksich-tigt werden zu können und sei aus Transparenzgründen im Interesse der Gleichbehandlung der Bieter hinreichend
(vgl. [X.], Urteil vom 16. Oktober 2003 -
C-421/01, [X.]
2004, 50 Rn.
26 ff. -
Traunfellner).
(3) Unabhängig davon, dass diese aus Transparenzgründen hohen An-forderungen an die Qualität der Vergabeunterlagen Ausdruck der Besonderheit und Strenge der in den Anwendungsbereich der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien fallenden Vergabeverfahren sind und nicht ohne Weiteres mit den aus dem Primärrecht der [X.] herzuleitenden Anforderungen gleichgesetzt werden können, zeichnet sich der Streitfall dadurch aus, dass, wie vom Ge-richtshof der [X.] gefordert, aus den Vergabeunterlagen her-vorgeht, was die Bieter beachten müssen, um ihre Nebenangebote [X.] auszugestalten. Die dort festgelegten Vorgaben dienen gleichermaßen der Präzisierung des Inhalts von Nebenangeboten, wie sie zu deren verbesserter Vergleichbarkeit mit den Hauptangeboten beitragen. In Änderungsvorschlägen oder Nebenangeboten enthaltene Leistungen eindeutig und erschöpfend zu be-schreiben und die Gliederung des Leistungsverzeichnisses dabei, soweit mög-lich, beizubehalten, ist zwar in erster Linie eine an die Bieter gerichtete Oblie-genheit. Kommt der Bieter ihr aber nach, erschwert dies zugleich den Aus-schluss seiner Nebenangebote
von der Wertung aus sachfremden Gründen und fördert dadurch mittelbar die Transparenz des Vergabeverfahrens. [X.] verhält es sich bei der Vorgabe, dass Änderungsvorschläge oder Nebenan-gebote alle Leistungen umfassen müssen, die zu einer einwandfreien [X.]
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rung der Bauleistung erforderlich sind. Das Gleiche
gilt schließlich für die [X.], mit der Regelung § 10 Nr. 4 Abs. 4 Satz 2 VOB/A 2002 und § 8 Abs. 3 Un-terabs.
3 Satz 2 VOB/A 2009 übereinstimmende Anforderung, dass zu angebo-tenen Leistungen, deren Ausführung nicht in [X.] oder in den Vergabeunterlagen geregelt ist, im Angebot ent-sprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung [X.] werden müssen. Entsprechen eingereichte Nebenangebote diesen Vor-gaben, muss der öffentliche Auftraggeber sich intensiv mit deren inhaltlichen Merkmalen auseinandersetzen. Da er begründen muss, warum einzelne Be-werber oder Bieter abgelehnt wurden (§
20 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2009), führen die im Streitfall aufgestellten Anforderungen zu einer höheren Kontrolldichte hinsichtlich der Vergabeentscheidung, was in gleichem Maße der Transparenz des Vergabeverfahrens zugute kommt, wie es das Risiko des Auftraggebers [X.], Schadensersatzansprüchen des mit seinen Nebenangeboten zu Unrecht übergangenen Bieters ausgesetzt zu werden.
(4) Soweit, wie im Streitfall, keine sachlich-technischen Anforderungen in Bezug auf den Gegenstand von Nebenangeboten festgelegt wurden, beein-trächtigt dies nicht die Möglichkeiten etwaiger ausländischer Interessenten im Vergleich zu denjenigen der
inländischen Anbieter, ihre [X.]fähigkeit, insbesondere ihre spezielle Fachkunde durch Einreichen von Nebenangeboten zur Geltung zu bringen. Beide Gruppen erhalten dieselben Vergabeunterlagen als Grundlage für die Angebotserstellung und können bei der Ausarbeitung von Angebotsvarianten darauf aufbauend in gleichem Maße kreativ werden. Von jedem Unternehmen, das sich geeignet fühlt, einen ausgeschriebenen Auftrag auszuführen, sei es ein ausländisches oder ein einheimisches, kann der öffent-liche Auftraggeber erwarten, dass es auf der Grundlage seiner aus den [X.] ersichtlichen sachlich-technischen Anforderungen an die ge-wünschte Leistung Varianten ausarbeiten kann, wenn der Auftraggeber dafür, 17
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wie auch im Streitfall, einen Rahmen dergestalt vorgibt, dass eine Variante alle Leistungen umfassen muss, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleis-tung erforderlich sind und dass die vorgeschlagene Alternativausführung ein-deutig und erschöpfend, möglichst entsprechend der Gliederung des [X.] unterbreitet werden muss. Dafür, dass die Grundfreiheiten des [X.]srechts im [X.] nur dann nicht gefährdet sind, wenn für zugelassene Nebenangebote auch inhaltlich-auftragsbezogene Mindestanfor-derungen vorgegeben werden, ist nichts ersichtlich.
Dieses Ergebnis wird durch die Vergabeverfahren außerhalb der Verga-berichtlinien betreffende Mitteilung der [X.] ([X.] Nr.
C
179 vom 1.
August 2006 S. 2
ff.) gestützt. Abgesehen von hier nicht einschlägigen [X.] wie der hinreichenden Bekanntmachung des [X.] und eines ausreichenden Rechtsschutzes, wird in der Mitteilung eine diskriminie-rungsfreie Beschreibung des Auftragsgegenstands gefordert. Dabei hat die [X.] der Mitteilung zufolge in diesem Zusammenhang Ausgrenzungs-strategien durch Fixierung der Ausschreibung auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder Ähnliches,
ohne die Gestattung des Ausweichens auf gleichwertige Alternativen und Stellung von Bedingungen im Auge, durch die ausländische
Bieter direkt oder indirekt benachteiligt werden (Forderung nach Ansässigkeit im selben Mitgliedstaat bzw. der Region des Auftraggebers, Nicht-akzeptanz von Befähigungsnachweisen u.
Ä.). Die Ausgestaltung der [X.] in Bezug auf Nebenangebote hat die [X.] dagegen nicht zum Gegenstand ihrer Mitteilung gemacht.
(6) Auch aus sachlichen Gründen erscheint es dem [X.] nicht ange-zeigt, die Voraussetzungen für die Wertungsfähigkeit eingereichter Nebenange-bote im [X.] zu verschärfen. Die Anforderungen in Art.
19 [X.] bzw. Art.
24 VKR für den [X.] sind in der Konsequenz 18
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unter dem Gesichtspunkt der unbehinderten Wahrnehmung der Dienstleistungs-freiheit durchaus ambivalent. Wie bereits ausgeführt, besteht der Sinn und Zweck der Zulassung von Nebenangeboten darin, das unternehmerische Po-tenzial der für die Deckung des [X.] geeigneten Bieter dadurch auszuschöpfen, dass der Auftraggeber Vorschläge für alternative Lösungen er-hält, auf die seine eigenen
Mitarbeiter
gerade deshalb nicht kommen konnten, weil sie nicht über dieselbe Fachkunde wie die Bieter verfügen. Deshalb mögen die Verpflichtungen aus Art.
19 [X.] und 24 VKR zur Vorgabe von Mindestan-forderungen bei der Beschaffung vergleichsweise homogener Güter unproble-matisch sein, wie etwa in dem vom Gerichtshof der [X.] ent-schiedenen Fall, in dem in den Vergabeunterlagen für die Ausführung einer Straßendecke außerhalb von Autobahnbrücken eine zweischichtige Betondecke mit Oberbetonqualität vorgeschrieben war und es um die Frage ging, ob das Angebot einer aus [X.] gefertigten Asphaltdecke qualitativ gleich-wertig war ([X.], [X.]
2004, 50 Rn.
8, 12
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Traunfellner). Ist Gegenstand der Beschaffung dagegen eine komplexe Leistung, beispielsweise ein schlüs-selfertig zu errichtender Gebäudekomplex, so besteht regelmäßig eine Vielzahl von Möglichkeiten, Alternativvorschläge zu unterbreiten. Diese können sich auf die Bauleistung als Ganzes beziehen, aber auch nur auf einzelne Gewerke oder Teile davon. Muss der öffentliche Auftraggeber auch hier inhaltliche Mindestbe-dingungen für Nebenangebote vorgeben, liegt auf der Hand, dass es [X.] nur gelingen wird, einen Bruchteil der objektiv möglichen Alternativausfüh-rungen vergaberechtskonform in den Vergabeunterlagen anzusprechen. Die daraus resultierende Einengung des [X.] benachteiligt die einheimi-schen Unternehmen nicht minder als ausländische Anbieter, deren Interessen durch die Dienstleistungsfreiheit geschützt werden sollen.
(7) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] finden bei der Festlegung der zum Schutz der Grundfreiheiten ausländischer 20
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Bieter in Vergabeverfahren im [X.] zu ergreifenden [X.] auch Verhältnismäßigkeitserwägungen Berücksichtigung ([X.],
[X.] 2009, 469 Rn. 23 -
Serrantoni). Insoweit ist zu bedenken, dass die Ausarbeitung [X.] Mindestanforderungen den für die Erstellung der Vergabeunterlagen erforderlichen Aufwand aus den vorstehend dargelegten Gründen erheblich erhöht und die Zahl der im Unterschwellenbe-reich angesiedelten Vergabeverfahren zugleich um ein Vielfaches über derjeni-gen
der in den Geltungsbereich der Vergabekoordinierungsrichtlinie
fallenden liegt. Dass Vergabeverfahren ohne grenzüberschreitenden Bezug ausgenom-men werden könnten, entlaste die Auftraggeber vielfach gleichwohl nicht, weil dieser Bezug oftmals nicht zweifelsfrei verneint werden könnte, so dass die [X.] in diesen Fällen doch zu unterstellen und dem bei [X.] der Vergabeunterlagen Rechnung zu tragen wäre. Der mögliche Ge-winn für die Bieter bei dieser Verfahrensweise gegenüber derjenigen, bei der an die Einreichung von Nebenangeboten Anforderungen wie im Streitfall gestellt werden, überwiegt im Verhältnis
zu der Zusatzbelastung der Auftraggeber je-denfalls nicht.
2. Die Revision ist auch im Übrigen unbegründet.
a) Mit der Rüge, das Berufungsgericht habe die Wertungsfähigkeit des [X.] zu Unrecht bejaht, unternimmt die Revision den ihr [X.] Versuch, die gegenteilige und eingehend begründete Würdigung des Berufungsgericht durch die eigene zu ersetzen.
b) Soweit die Revision geltend macht, das [X.] sei aus-schlussreif, weil dort die Umsatzsteuer nicht ausgewiesen sei, hat der [X.] bislang nicht entschieden und erschiene zweifelhaft, ob der Preisbestandteil der Umsatzsteuer, deren Höhe gesetzlich feststeht, einen in der Leistungsbeschrei-21
22
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bung vorgesehenen Preis darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 24. Mai 2005

X
ZR
243/02, [X.], 594), dessen versäumte Angabe zum Angebots-ausschluss führen müsste. Dies kann aber auf sich beruhen, weil das [X.] die Vergabeunterlagen in revisionsrechtlich nicht zu beanstanden-der Weise dahin ausgelegt hat, dass die Verpflichtung zur
Angabe der Umsatz-steuer sich auf das Hauptangebot bezog.
c) Die Verfahrensrügen hat der [X.] geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird gemäß §
564 ZPO abgesehen.

24
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II[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.
Meier-Beck
[X.]
Grabinski

[X.]
Schuster
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.02.2007 -
8 O 39/06 -

O[X.], Entscheidung vom 22.03.2010 -
12 U 354/07 -

25

Meta

X ZR 55/10

30.08.2011

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.08.2011, Az. X ZR 55/10 (REWIS RS 2011, 3685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3685

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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