Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.08.2010, Az. 6 B 16/10

6. Senat | REWIS RS 2010, 4178

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Beteiligungsfähigkeit politischer Parteien


Gründe

1

Die auf den [X.] der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde der [X.]eklagten bleibt ohne Erfolg.

2

1. Grundsätzliche [X.]edeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von [X.]edeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Gemessen an dem [X.] des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO lässt sich der [X.]eschwerdebegründung keine solche Frage mit Grundsatzbedeutung entnehmen.

3

a) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält die [X.]eklagte zunächst folgende Frage:

"Steht es der Geltendmachung eines etwaigen Anspruches eines Kreisverbandes einer politischen [X.] im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft durch den Gebietsverband der jeweils höchsten Stufe entgegen, wenn der Kreisverband selbst beteiligungsfähig im Sinne des § 61 Nr. 2 VwGO ist?"

5

Dieser Frage kommt keine Grundsatzbedeutung zu, weil sie sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und anhand der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Weiteres im verneinenden Sinne beantworten lässt, so dass es ihr an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit fehlt (vgl. allgemein: [X.]eschlüsse vom 21. Dezember 1994 - [X.]VerwG 4 [X.] - [X.] 406.401 § 8a [X.]NatSchG Nr. 2 S. 4 und vom 29. Mai 1996 - [X.]VerwG 9 [X.] 155.96 - [X.] 310 § 58 VwGO Nr. 66 S. 4).

6

In der Rechtsprechung des [X.] (Urteile vom 28. März 1969 - [X.]VerwG 7 [X.] - [X.] 11 Art. 21 GG Nr. 1 S. 2 und vom 18. Juli 1969 - [X.]VerwG 7 C 56.68 - [X.]VerwGE 32, 333 <334> = [X.] 150 § 5 PartG Nr. 1 S. 1 f.) ist anerkannt, dass § 3 PartG den politischen [X.]en und - vorbehaltlich einer abweichenden [X.]estimmung in der Satzung der Gesamtpartei - ihren Gebietsverbänden der jeweils höchsten Stufe für sämtliche gerichtlichen Verfahren die [X.]fähigkeit einräumen und dadurch insbesondere die unbefriedigende zivilprozessuale Stellung der [X.]en beseitigen wollte. Nicht hingegen sollte die in den [X.]estimmungen besonderer Verfahrensordnungen - wie in § 61 Nr. 2 VwGO - schon gesicherte [X.]eteiligungsfähigkeit niederer Gebietsverbände ausgeschlossen werden. Es liegt klar zu Tage und bedarf nicht erst revisionsgerichtlicher Klärung, dass es diesem auf eine Erweiterung und nicht auf eine Schmälerung vorhandener prozessualer Rechte gerichteten Gesetzeszweck entspricht, die in § 3 Satz 2 PartG geregelte Prozessstandschaft der [X.]gebietsverbände der höchsten Stufe für die niederen Gebietsverbände mit dem Oberverwaltungsgericht als eine prozessuale Möglichkeit aufzufassen, die zu der eigenen [X.]eteiligtenfähigkeit der niederen Gebietsverbände hinzutritt.

7

b) Die [X.]eklagte führt weiter aus, der klagende [X.] der [X.] ([X.]) könne die von ihm unterhaltene Kontoverbindung dem kontenlosen Kreisverband [X.] der [X.] zur Verfügung stellen. Sie wirft hierzu als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf:

"Ist der grundsätzlich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG folgende Anspruch politischer [X.]en auf Zurverfügungstellung von Einrichtungen oder auf Gewährung von Leistungen durch einen Träger öffentlicher Gewalt ausnahmsweise dann nicht eröffnet, wenn die betreffende [X.] oder ihre Untergliederung die betreffende Leistung oder Einrichtung bereits anderweitig bezieht?"

9

Diese Frage führt bereits deshalb nicht auf eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache, weil sie sich dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt hat. Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann regelmäßig - und so auch hier - nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. [X.]eschlüsse vom 5. Oktober 2009 - [X.]VerwG 6 [X.] 17.09 - juris Rn. 7 und vom 1. Juni 2010 - [X.]VerwG 6 [X.] 77.09 - juris Rn. 10). Das [X.]erufungsgericht hat die Inanspruchnahme des Girokontos des klagenden [X.] der [X.] durch den Kreisverband nicht als die "bereits anderweitig (bezogene) betreffende Leistung" qualifiziert. Es hat im Gegenteil ausgeführt ([X.]), eine [X.]eeinträchtigung des Kreisverbandes in seiner Chancengleichheit lasse sich nicht durch den Verweis auf die Möglichkeit zur Mitbenutzung des Girokontos einer anderen [X.]gliederung verneinen, weil dies mit gewichtigen Nachteilen für den Kreisverband verbunden sei. Zum einen stieße die Herstellung der erforderlichen finanziellen Transparenz dann an ihre Grenzen, wenn auf das von mehreren [X.]untergliederungen gemeinsam genutzte Konto Spenden überwiesen würden, die sich keiner der beteiligten Untergliederungen zuordnen ließen. Zum anderen bestünde selbst bei sorgfältiger [X.]uchführung eine größere Gefahr von Fehlbuchungen als bei getrennter Kontoführung.

Diesen Erwägungen stellt die [X.]eklagte in ihrer [X.]eschwerdebegründung zwar ihre Ansicht entgegen (GA [X.]l. 575), die Mitbenutzung des Girokontos des [X.] stelle sich für den Kreisverband als gleichwertige Alternative dar. Sie begründet diese Einschätzung jedoch nicht in einer dem [X.] des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise. Denn durch den Verweis auf Passagen ihrer vorinstanzlichen Schriftsätze vom 3. Mai 2005 (GA [X.]l. 203 bis 205), 8. November 2006 (GA [X.]l. 294 ff.) und 4. Juli 2007 (GA [X.]l. 397) geht sie nur auf die erste der hier tragenden Erwägungen des [X.], die Gefährdung des für die [X.]enfinanzierung geltenden Transparenzgebotes, ein. Den zweiten von dem [X.]erufungsgericht angeführten Grund, die allgemein gegebene Gefahr von Fehlbuchungen, lässt sie vollständig außer acht.

Abgesehen hiervon ist die Frage der [X.]eklagten wiederum mangels Klärungsbedürftigkeit nicht von grundsätzlicher [X.]edeutung. Denn gerade für die hier in Rede stehende Konstellation des Verweises einer [X.]untergliederung auf die [X.]enutzung eines anderweitig eingerichteten Kontos hat sie der [X.]undesgerichtshof bereits verneint (Urteil vom 11. März 2003 - [X.] - [X.]GHZ 154, 146 <152> für ein Treuhandkonto; vgl. auch Urteil vom 2. Dezember 2003 - [X.], 1031 <1032>). Zudem ist offensichtlich und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass ein Träger öffentlicher Gewalt dem gegen ihn gerichteten Gleichbehandlungsanspruch aus § 5 PartG nicht entgegenhalten kann, die betreffende [X.] könne sich Ersatz für die einer anderen [X.] gewährte, ihr hingegen vorenthaltene öffentliche Leistung bei einem - privaten - Dritten beschaffen. Dies widerspräche der nach Sinn und Zeck des § 5 PartG gebotenen weiten Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift (vgl. dazu: Urteil vom 13. Dezember 1974 - [X.]VerwG 7 C 42.72 - [X.]VerwGE 47, 280 <287> = [X.] 160 Wahlrecht Nr. 13 S. 28 f.).

c) Die [X.]eklagte verweist schließlich auf den Umstand, dass der Kreisverband [X.] des klagenden [X.] der [X.] ein Girokonto bei der [X.] unterhalten habe, bis dieses von der [X.]ank im [X.] des Jahres 2000 gekündigt worden sei, und will grundsätzlich geklärt wissen:

"Setzt in dem Fall, dass die betreffende [X.] in der Vergangenheit die begehrte Leistung anderweit bezogen hatte, dieses Nutzungsverhältnis aber beendet wurde, der Anspruch aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG auch voraus, dass die betreffende [X.] oder ihre Untergliederung erfolglos alle zumutbaren rechtlichen Schritte gegen diese Kündigung ergriffen hat?"

Diese Frage verhilft der [X.]eschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg, denn auch sie hat sich dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt. Dieses ist vielmehr in Würdigung der konkreten Umstände des entschiedenen Einzelfalles davon ausgegangen, dass dem Kreisverband [X.] der [X.] keine zumutbaren rechtlichen Schritte zur Verfügung standen bzw. stehen, um eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu erreichen, das die [X.] - entsprechend dem Vorgehen anderer [X.] [X.]anken gegenüber rechtsextremen Organisationen - beendet hatte. Das Oberverwaltungsgericht hat mit für den Senat bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass es keine Anhaltspunkte für eine [X.]ereitschaft der [X.] zu einer freiwilligen Fortführung des Vertragsverhältnisses gibt, es hierfür vielmehr der Verpflichtung durch ein zivilgerichtliches Urteil bedürfte. Das [X.]erufungsgericht hat hieran die rechtliche Einschätzung geknüpft, es sei nicht ausgeschlossen, dass das zuständige Zivilgericht einen eventuellen Anspruch des Kreisverbandes auf Fortsetzung der Vertragsbeziehungen als verwirkt ansehen werde. Diese Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ist einer rechtsgrundsätzlichen Entscheidung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich. Im Übrigen liegt es auf der Hand und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass der gegen die [X.]eklagte gerichtete Anspruch auf Gleichbehandlung nicht deshalb ausgeschlossen wäre, weil der Kreisverband [X.] der Klägerin in einem früheren Zeitpunkt einen Dritten auf die Gewährung einer entsprechenden Leistung hätte in Anspruch nehmen können, dies aber nicht getan hat.

Meta

6 B 16/10

10.08.2010

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 14. Dezember 2009, Az: 16 A 1822/07, Urteil

§ 3 S 2 PartG, § 61 Nr 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.08.2010, Az. 6 B 16/10 (REWIS RS 2010, 4178)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4178

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 K 8787/18

2 BvR 1006/14

M 7 S 17.1453

M 22 E 17.4282

M 22 E 16.2635

M 7 S 15.786

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