Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2013, Az. II ZB 7/12

II. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1810

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II
[X.]
7/12

vom

22.
Oktober 2013

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 22.
Oktober 2013
durch [X.]
[X.], die
Richterin
Caliebe
sowie die Rich-ter Dr.
Drescher, [X.] und Sunder
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.]n wird der Beschluss des [X.] -
27.
Zivilsenat
-
vom 12.
März 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 229.544,76

Gründe:

I.
Mit Beschluss vom 12. März 2012 hat das Berufungsgericht den Antrag des [X.]n auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand we-gen Versäumung der Berufungseinlegungsfrist zurückgewiesen und die Beru-fung des [X.]n gegen das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2011 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im We-sentlichen ausgeführt:

1
-
3
-

Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 15. Februar 2012, eingegangen am 16.
Februar 2012, sei zulässig. Er sei rechtzeitig innerhalb der [X.] des §
234 ZPO gestellt, die am 7. Februar 2012 mit Entdeckung des übersehenen Fristablaufs begonnen habe.
Der Antrag sei jedoch nicht begründet. Die Fristversäumung beruhe auf einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des
Berufungs-führers. Auch bei der Übertragung von Aufgaben auf juristische Hilfskräfte, wie im vorliegenden Fall auf einen Rechtsreferendar, die dem [X.] zuarbeiteten, bestünden Weisungs-
und Überwachungspflichten, die sich nach der Art der Tätigkeit und dem jeweiligen Ausbildungsstand der Hilfskraft richteten. Inhalt der behaupteten Anweisung an den Referendar sei vorliegend nur pauschal gewesen, nachdem der Prozessbevollmächtigte am 31. Januar 2012 den Schriftsatz zur Berufungseinlegung gefertigt gehabt habe, ihm die Akte nach Ausfertigung des Schriftsatzes wieder vorzulegen. Es sei dem [X.] nicht zu entnehmen, dass eine hinreichend klare und unmissverständliche Anweisung dahingehend bestanden habe, wann die Akte mit
dem Berufungsschriftsatz vorzulegen sei. Das wäre jedoch geboten gewe-sen. Hierbei sei zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei der Überwa-chung von Fristen für einen Rechtsreferendar im Gegensatz zu einer [X.] mit einer dreijährigen Ausbildung um keine im Rahmen der Ausbildung bzw. des Studiums im Vordergrund stehende Tätigkeit gehan-delt habe. Hinzu komme, dass ein Rechtsreferendar bzw. Student, im Gegen-satz zu einer Rechtsanwaltsfachangestellten, bereits ausbildungsbedingt nicht ständig in einer Anwaltskanzlei tätig sei und daher, im Gegensatz zu einer be-reits viele Jahre bewährten zuverlässigen Bürokraft, bei Übertragung derartiger Aufgaben an ihn höhere Aufgaben an die Überwachungspflicht zu stellen seien. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass die Eintragung der Fristen in die 2
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4
-

Handakte sowie den Fristenkalender nicht vom Referendar selbst, sondern von der dafür zuständigen Angestellten noch vor deren Urlaubsantritt vorgenommen worden sei.
[X.] Die gemäß §
574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §
522 Abs. 1 Satz 4, §
238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§
574 Abs. 2 Nr.
2 Fall 2 ZPO) Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Die Rechtsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass der angefochtene Be-schluss bereits deshalb aufgehoben werden muss, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
a) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen nach ge-festigter Rechtsprechung des [X.] den maßgeblichen Sachver-halt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen; anderenfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz (§
576 Abs.
3, §
547 Nr. 6
ZPO) erforderlichen Gründen versehen und bereits deshalb aufzuheben ([X.], Beschluss vom
8.

Mai 2012
-
[X.] 1/11, [X.] 2/11, [X.], 2523 Rn.
3; Beschluss
vom 19.
März 2013
-
VI
[X.]
68/12, NJW 2013, 1684 Rn.
6; Beschluss vom 16.
April 2013 -
VI
[X.]
50/12, NJW-RR 2013, 1077 Rn.
4 jeweils [X.]). Das [X.] hat grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das [X.] festgestellt hat (§
577 Abs. 2 Satz 4, §
559
ZPO). Enthält der an-gefochtene Beschluss keine tatsächlichen Feststellungen, ist das [X.] nicht zu einer rechtlichen Prüfung in der Lage ([X.], Be-schluss
vom 19. März 2013
-
VI
[X.]
68/12, NJW 2013, 1684 Rn.
6; Beschluss vom 16. April 2013 -
VI
[X.]
50/12, NJW-RR 2013, 1077 Rn.
4 beide [X.]). Wird 4
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-
5
-

diesen Anforderungen nicht genügt, liegt ein von Amts wegen zu berücksichti-gender Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung der Entscheidung des [X.]s nach sich zieht ([X.], Beschluss vom 16.
April 2013 -
VI
[X.]
50/12, NJW-RR 2013, 1077 Rn.
4 [X.]). Eine Sachdarstellung ist ledig-lich dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel noch mit hinreichender Deutlichkeit aus den [X.] ergeben ([X.], Beschluss vom 16. April 2013 -
VI
[X.]
50/12, NJW-RR 2013, 1077
Rn.
5 [X.]).
Dies gilt auch für Beschlüsse, mit denen die Berufung wegen Versäu-mung der Berufungs-
oder der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig [X.] und die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist verweigert worden ist (vgl. [X.], Beschluss
vom
8. Mai 2007 -
[X.] 74/06, NJW 2007, 2045 Rn.
4; Beschluss vom

-
[X.] 1/11, [X.] 2/11, [X.], 2523 Rn.
3; Beschluss
vom 19. März 2013
-
[X.] 68/12, NJW 2013, 1684 Rn.
6).
b) Es kann dahinstehen, welche Darstellungstiefe hinsichtlich des maß-geblichen Sachverhalts, über den entschieden wird, des Streitgegenstands und der Anträge bei Beschlüssen erforderlich ist, die die Berufung als unzulässig verwerfen und die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist [X.]. Zwingend erforderlich ist jedenfalls, dass die [X.] es dem Rechtsbeschwerdegericht gestatten, die prozessualen Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. [X.], Beschluss
vom 8. Mai 2007 -
VI
[X.]
74/06, NJW 2007, 2045 Rn.
4;
Beschluss vom

-
VI
[X.]
1/11, [X.] 2/11, [X.], 2523 Rn.
3).
[X.]) Das ist hier nicht der Fall. Der angefochtene Beschluss erlaubt schon nicht die Feststellung, dass der [X.] die Berufungsfrist tatsächlich versäumt 7
8
9
-
6
-

hat. Es fehlt eine Darstellung des
Prozessverlaufs mit den für die Fristberech-nung maßgeblichen Daten.
[X.]) Auch eine inhaltliche Überprüfung des [X.] ist anhand des wiedergegebenen Sachverhalts nicht möglich. So wirft das Berufungsgericht dem Prozessbevollmächtigten des [X.]n offensichtlich vor, dass dieser einem bei ihm beschäftigten Rechtsreferendar die Weisung gegeben hat, am 31. Januar 2012, nachdem er, der Prozessbevollmächtigte, den Schriftsatz zur Berufungseinlegung gefertigt hatte, ihm die Akte nach Aus-fertigung des Schriftsatzes wieder vorzulegen und diese Anweisung nicht hin-reichend klar zeitlich konkretisiert hat. Weitere Umstände, die die Beurteilung erlauben würden, ob in der Anweisung des Prozessbevollmächtigten des [X.] ein diesem zuzurechnendes Verschulden liegt, können dem angefoch-tenen Beschluss nicht entnommen werden.
Dies wäre aber erforderlich gewesen. Wird eine Anweisung nur mündlich erteilt und betrifft sie einen so wichtigen Vorgang wie die Anfertigung und Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes oder die Notierung einer Frist, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Erle-digung etwa im Drange der übrigen Geschäfte in Vergessenheit gerät. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen Organisationsmangel ([X.], Beschluss
vom 5. November 2002 -
VI [X.], [X.], 435, 436; Beschluss vom 4. November 2003 -
[X.] 50/03, NJW
2004, 688, 689; Be-schluss vom 22. Juni 2004 -
VI
[X.]
10/04, NJW-RR 2004, 1361, 1362; Be-schluss vom 26.
Januar 2009 -
II [X.] 6/08, [X.], 1083 Rn.
16; Beschluss vom 20. September 2011 -
[X.] 23/11, NJW-RR 2012, 428 Rn.
9; Beschluss vom 7. März 2012 -
XII [X.] 277/11, NJW-RR 2012, 743 Rn.
11; Beschluss
vom 22.
Januar 2013
-

VIII [X.] 46/12, NJW-RR 2013, 699 Rn.
14
f.;
Beschluss vom 10
11
-
7
-

23. Januar 2013 -
XII [X.] 559/12, NJW-RR
2013, 572 Rn.
9; Beschluss vom 5.
Juni 2013 -
XII [X.] 47/10, [X.], 1061 Rn.
12).
Eine solche Sicherung gegen das Vergessen einer mündlich angeordne-ten Wiedervorlage kann aber bereits in einer den Anforderungen der Recht-sprechung genügenden Organisation des [X.] in einer Kanzlei liegen. Der angefochtene Beschluss enthält keine Ausführungen dazu, weshalb nicht spätestens am Tag des Fristablaufs die -
wohl
-
vergessene Wiedervorlage der
Akte bemerkt worden ist. Sollte es sich hierbei um ein individuelles Versagen des Rechtsreferendars und nicht um einen Mangel in der -
nach dem von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Vorbringen des [X.]n ord-nungsgemäßen
-
Organisation der Ausgangskontrolle gehandelt haben, trifft den [X.]n an der Fristversäumung kein Verschulden (vgl.
[X.], Beschluss
vom 27. März 2001 -
[X.] 7/01, NJW-RR 2001, 1072; Beschluss vom 4.
April 2007 -
III [X.] 85/06, NJW-RR 2007, 1430 Rn.
9; Beschluss
vom 15. November 2007 -
IX [X.] 219/06, [X.], 526 Rn.
13). Das Verschulden des Rechtsan-walts steht einer Wiedereinsetzung dann nicht entgegen, wenn im Rahmen der Büroorganisation durch eine allgemeine Arbeitsanweisung Vorsorge dafür ge-troffen wurde, dass bei normalem Verlauf der Dinge die Frist -
trotz des Fehlers des Rechtsanwalts
-
mit Sicherheit gewahrt worden wäre ([X.], Beschluss
vom 15. Februar 2006 -
XII [X.] 215/05, [X.], 1205 Rn.
9 [X.]).
Die Übertragung der Fristenkontrolle auf einen im Führen des [X.] ausgebildeten und eingewiesenen Rechtsreferendar führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht zu einer Erhöhung der Überwa-chungspflicht des Rechtsanwalts. Das Gegenteil ist der Fall ([X.], Beschluss vom 20. Dezember 2005 -
[X.] 13/05, [X.], 1070 Rn.
5
f. [X.]).
12
13
-
8
-

2. Die gebotene Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen des Senats mit dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde zu befassen.

Bergmann

Caliebe

Drescher

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.12.2011 -
3 O
4913/06 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 12.03.2012 -
27 [X.] -

14

Meta

II ZB 7/12

22.10.2013

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2013, Az. II ZB 7/12 (REWIS RS 2013, 1810)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1810

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZB 46/12

XII ZB 559/12

XII ZB 47/10

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