Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.11.2014, Az. IV ZR 230/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1714

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Gegenstand

Privater Rentenversicherungsvertrag mit Kostenausgleichsvereinbarung: Kündigung einer Kostenausgleichsvereinbarung bei unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers; Umdeutung des Widerrufs in eine Kündigung


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 2 des [X.] vom 8. Mai 2014 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen

vier Wochen.

Der Streitwert wird auf 882,35 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin, ein [X.] Lebensversicherer, fordert von dem [X.]eklagten Zahlung aus einer [X.]. Am 3. Dezember 2010 stellte der [X.]eklagte einen "Antrag auf [X.]/Antrag auf [X.]". Als monatlicher [X.]eitrag für die Rentenversicherung waren 100 € vorgesehen. In Abschnitt [X.] ist hierzu unter der Rubrik "Vertragsdaten/[X.]eitrag" vermerkt:

"In den ersten 48 Monaten wird der Monatsbeitrag um die Teilzahlungen für die [X.] reduziert, ..."

2

In dem die [X.] betreffenden Abschnitt [X.] findet sich folgender fettgedruckter Hinweis:

"Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur [X.]eendigung dieser [X.]."

3

Weiter ist geregelt, dass die Tilgung der Abschluss- und [X.]inrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen erfolgt. Die Abschluss- und [X.]inrichtungskosten sind mit einem Gesamtpreis von 2.699,42 € angegeben, zahlbar in 48 monatlichen Raten von 56,29 €. Als nominaler und effektiver Jahreszins ist 0% angegeben.

4

In Abschnitt [X.] zur [X.]eratungsdokumentation heißt es ferner:

"Ich habe verstanden, dass die Abschluss- und [X.]inrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag getilgt werden. Diese Kosten sind auch im Falle einer [X.]eitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrages zu tilgen."

5

Unmittelbar über dem [X.] für die [X.] findet sich die vorformulierte [X.]rklärung:

"Ich beantrage die unkündbare [X.] gemäß dieses Antrages. ...

[X.] ist ebenfalls bekannt, dass ich die [X.] nicht kündigen kann."

(letzter Satz im Original fettgedruckt)

6

Der [X.]eklagte zahlte von Februar 2011 bis Juli 2012 monatlich je 100 € an die Klägerin. Hiervon entfallen auf die [X.] 1.013,22 € (18 x 56,29 €). Ab August 2012 stellte er die Zahlungen ein. Nachdem die Klägerin ihn mit Schreiben vom 5. November 2012 vergeblich zur Zahlung des Rückstandes aufgefordert hatte, stellte sie am 10. Dezember 2012 den Restbetrag fällig. Unter [X.]erücksichtigung des [X.] der Versicherung von 458,52 € hat die Klägerin mit der Klage Zahlung von 1.058,47 € nebst Zinsen und außergerichtlichen Kosten begehrt. Der [X.]eklagte ließ mit seiner Klageerwiderung vom 22. August 2013, der Klägerin zugegangen am 29. August 2013, seine "Vertragserklärungen zum Vertrag" widerrufen.

7

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die [X.]erufung der Klägerin hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den [X.]eklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 176,12 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen [X.]asiszinssatz seit dem 10. Januar 2013 sowie weitere 46,41 € zu zahlen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihr Zahlungsbegehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

8

II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht mehr vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf [X.]rfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

9

1. Wie der [X.] bereits in seinen - vergleichbare Sachverhalte betreffenden - Urteilen vom 12. März 2014 entschieden und im [X.]inzelnen begründet hat, verstößt die [X.] nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 [X.] ([X.], [X.], 567 Rn. 14-22; [X.], juris Rn. 12-20). Auch eine Unwirksamkeit wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]G[X.] kommt nicht in [X.]etracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor Augen geführt, dass er die [X.] nicht kündigen kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärung zu deren [X.]eendigung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertrages oder der [X.] selbst (vgl. [X.]surteil vom 12. März 2014 - [X.], [X.], 567 Rn. 23-25).

2. Dem [X.]eklagten stand allerdings das Recht zu, die [X.] zu kündigen, da die vertraglich festgelegte Unabhängigkeit der [X.] von einer Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Ausschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im Antragsformular wegen unangemessener [X.]enachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 [X.]G[X.] unwirksam sind ([X.]surteile vom 12. März 2014 - [X.], [X.], 567 Rn. 26-35; [X.], juris Rn. 21-30). Hieran hat der [X.] auch in Anbetracht des weiteren Vorbringens der Klägerin in seinen späteren [X.]ntscheidungen festgehalten (vgl. Urteile vom 15. Oktober 2014 - [X.], Rn. 7; vom 8. Oktober 2014 - [X.], Rn. 12; vom 24. September 2014 - [X.], juris Rn. 16).

a) Ohne [X.]rfolg macht die Revision geltend, das [X.]erufungsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Umdeutung des mit Schriftsatz vom 22. August 2013 erklärten Widerrufs in eine Kündigung vorgenommen. Sinn und Zweck des § 140 [X.]G[X.] ist es, die Absicht der handelnden Person, einen bestimmten wirtschaftlichen [X.]rfolg zu erreichen, auch dann zu verwirklichen, wenn das von ihr gewählte rechtliche Mittel unzulässig ist, ein anderes zulässiges Mittel jedoch, das ihrem hypothetischen Willen entspricht, den angestrebten wirtschaftlichen [X.]rfolg herbeizuführen vermag ([X.]GH, Urteil vom 10. Dezember 1997 - [X.], NJW 1998, 896 unter 3). Soweit das [X.]erufungsgericht auf dieser Grundlage die Widerrufserklärung in eine Kündigung umgedeutet hat, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 140 [X.]G[X.] vorliegen, ist ebenso wie die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen in erster Linie Sache des Tatrichters. Seine Auslegung kann mit der Revision nur erfolgreich angegriffen werden, wenn gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, [X.]rfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen oder in [X.]etracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in [X.]rwägung gezogen werden ([X.]GH, Urteil vom 27. Juni 2014 - [X.], juris Rn. 29 zu § 140; ferner [X.]surteile vom 23. Juli 2014 - [X.], [X.], 1189 Rn. 14; vom 10. Juli 2013 - [X.], [X.]GHZ 198, 32 Rn. 12; vom 24. Februar 1993 - [X.], [X.]GHZ 121, 357, 363; [X.]sbeschluss vom 18. Dezember 2013 - [X.], Z[X.]V 2014, 311 Rn. 12).

Derartige Rechtsfehler liegen hier nicht vor. Das [X.]erufungsgericht hat sich im [X.]inzelnen mit der Frage befasst, ob der Schriftsatz des [X.]eklagtenvertreters vom 22. August 2013 in eine Kündigungserklärung umgedeutet werden kann und dies bejaht. Hierbei hat es rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass es erkennbares Ziel des [X.]eklagten ist, nicht weiter an die [X.] gebunden zu bleiben. Wenn dies schon nicht rückwirkend durch einen Widerruf in [X.]etracht kommt, so ist es naheliegend, dass der [X.]eklagte jedenfalls eine [X.]eendigung der [X.] ex nunc erstrebte (vgl. zur Umdeutung einer fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung [X.]GH, Urteil vom 24. Juli 2013 - [X.], NJW 2013, 3361 Rn. 17 f.; zur Umdeutung einer Anfechtung in einen Rücktritt [X.]GH, Urteil vom 7. Juni 2006 - [X.], [X.]GHZ 168, 64 Rn. 27). [X.]iner Umdeutung steht ferner nicht entgegen, dass die umzudeutende Willenserklärung von einem Rechtsanwalt der betroffenen [X.] abgegeben wurde ([X.]GH, Urteil vom 9. Oktober 1980 - [X.], [X.]GHZ 78, 216, 221).

b) Der [X.]eklagte hat daher mit dem Schriftsatz vom 22. August 2013 wirksam die Kündigung der [X.] erklärt. Weitere Ansprüche für die [X.] nach Zugang der Kündigungserklärung am 29. August 2013 stehen der Klägerin nicht zu. [X.]ntgegen der Auffassung der Revision führen die Zahlungseinstellung und die spätere wirksame Kündigung der [X.] durch den Versicherungsnehmer auch nicht dazu, dass hierdurch die gesamten [X.] [X.]inrichtungskosten wegen einer zuvor gewährten Stundung in voller Höhe sofort fällig würden. Wie der [X.] mittlerweile entschieden hat, führt die wirksame Kündigung der [X.] zu ihrem [X.]rlöschen für die Zukunft mit der Folge, dass die Klägerin hieraus keine weiteren Ansprüche geltend machen kann (vgl. [X.]surteile vom 8. Oktober 2014 - [X.], Rn. 14; vom 24. September 2014 - [X.], juris Rn. 16). Hieran vermag auch die Regelung in § 2 Abs. 2 der [X.]edingungen für die [X.] nichts zu ändern. Anderenfalls würde das Recht des Versicherungsnehmers zur fristlosen Kündigung der [X.] unterlaufen und von dem zufälligen Umstand abhängig gemacht, ob sich der Versicherungsnehmer im [X.]punkt der Kündigung mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen in Verzug befand. Die Klägerin kann, worauf das [X.]erufungsgericht zu Recht hinweist, keine Zahlungen über den nächstmöglichen Kündigungstermin des [X.]eklagten hinaus verlangen (vgl. [X.]GH, Urteil vom 25. November 2010 - [X.], NJW 2011, 1438 Rn. 32; [X.]/[X.], [X.]G[X.] 73. Aufl. § 314 Rn. 11).

Mayen                          [X.]                                  Dr. Karczewski

                [X.] [X.]rockmöller

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

IV ZR 230/14

03.11.2014

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Stendal, 8. Mai 2014, Az: 22 S 7/14, Urteil

§ 140 BGB, § 307 Abs 2 Nr 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.11.2014, Az. IV ZR 230/14 (REWIS RS 2014, 1714)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1714

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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