Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.09.2014, Az. IV ZR 1/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2639

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Gegenstand

Lebensversicherung: Wirksamkeit der formularmäßig vereinbarten Unabhängigkeit einer Kostenausgleichsvereinbarung von einer Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages und der Unkündbarkeit einer Kostenausgleichsvereinbarung


Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 17. Dezember 2013 aufgehoben, das Urteil des [X.] vom 14. August 2013 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 1.125,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 19. Juni 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin 79% und der Beklagte 21%. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein [X.] Lebensversicherer, fordert von dem Beklagten Zahlung aus zwei [X.]en. Dieser hat widerklagend Rückzahlung der von ihm auf diese geleisteten Teilzahlungen sowie Auszahlung des [X.] der Versicherung geltend gemacht.

2

Der Beklagte stellte am 28. Juni 2011 einen "Antrag auf Fondsgebundene Rentenversicherung" sowie einen gesonderten "Antrag auf [X.]". Zu letzterem heißt es im Abschnitt "Tilgungsplan":

"Die Tilgung der Abschluss- und Einrichtungskosten erfolgt separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen. Die Fälligkeit der Teilzahlungen richtet sich nach § 2 der Bedingungen für die [X.]."

3

sowie

"Wichtig: Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser [X.]. Die Kosten sind auch im Falle einer Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrages zu bezahlen."

4

Unmittelbar über der Unterschrift zur [X.] findet sich der fettgedruckte Hinweis:

"Mir ist ebenfalls bekannt, dass ich die [X.] nicht kündigen kann."

5

Die Höhe der Abschluss- und Einrichtungskosten bei 60 monatlichen Raten zu je 52,50 [X.] ist mit insgesamt 3.150 [X.] angegeben. Eine Verzinsung ist nicht vorgesehen. Die monatliche Prämie für die Versicherung in Höhe von 150 [X.] wurde für die Dauer von 60 Monaten um den monatlich auf die [X.] zu zahlenden Betrag reduziert.

6

Am 18. November 2011 beantragte der Beklagte, die Beiträge zu erhöhen, und schloss mit der Klägerin eine weitere [X.], die mit der ersten identische Regelungen zur separaten Zahlung und fehlenden Kündbarkeit enthält. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung hatte der Beklagte weitere Abschluss- und Einrichtungskosten von 2.797,20 [X.] in 60 monatlichen Teilraten von 46,62 [X.] - ebenfalls ohne Verzinsung - zu zahlen.

7

Die dem Vertrag zugrunde liegenden "Bedingungen für die [X.] ([X.])" der Klägerin bestimmen unter anderem:

"§ 1 Gegenstand der [X.] (...)

(2) Das Zustandekommen des vorliegenden Vertrages zur [X.] ist abhängig vom Zustandekommen des genannten Versicherungsvertrages.

(3) Die Auflösung des einmal zustande gekommenen Versicherungsvertrages führt dagegen - ausser bei einem Widerruf - nicht zur Beendigung der [X.]. .

§ 5 Vertragsbeendigung

...

(2) Eine Kündigung der [X.] ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich und führt dazu, dass die Gesamtsumme der noch nicht getilgten Abschluss- und Einrichtungskosten sofort fällig wird.

(3) Die Auflösung des einmal zustande gekommenen Versicherungsvertrages führt dagegen - ausser bei einem Widerruf - nicht zur Beendigung der [X.]. ..."

8

Der Beklagte zahlte in der [X.] von August 2011 bis Juli 2012 die monatliche Rate von 52,50 [X.] auf die erste [X.] sowie von Dezember 2011 bis Juli 2012 die monatliche Rate von 46,62 [X.] auf die zweite [X.]. Ab August 2012 stellte er die Zahlungen ein. Insgesamt leistete er Zahlungen von 1.002,96 [X.] (12 x 52,50 [X.] sowie 8 x 46,62 [X.]). Mit Schreiben vom 29. August 2012 kündigte der Beklagte seine Rentenversicherung mit der [X.] mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin bestätigte den Eingang der Kündigung zum 4. September 2012. Sie berechnet ihre Ansprüche wie folgt:

Abschluss- und Einrichtungskosten
für die Versicherung

3.150,00 €

zuzügl. Abschluss- und Einrichtungskosten               
für die Beitragserhöhung

2.797,20 €

abzügl. Rückkaufswert

1.324,09 €

abzügl. Teilzahlungen

1.002,96 €

gesamt

3.620,15 €

9

Gerichtlich geltend gemacht hat sie einen Betrag von 3.284,55 [X.] nebst Zinsen. Der Beklagte hat Widerklage in Höhe von 2.327,05 [X.] erhoben. Diese Forderung setzt sich aus den gezahlten Beträgen auf die [X.]en von 1.002,96 [X.] sowie aus dem Rückkaufswert von 1.324,09 [X.] zusammen.

Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 3.284,55 [X.] nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem [X.] seit dem 28. Dezember 2012 sowie vorprozessuale Anwaltskosten von 302,10 [X.] zu zahlen. Die Widerklage hat es abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt er, das Urteil des [X.] teilweise aufzuheben, das Urteil des Amtsgerichts teilweise abzuändern, die Klage abzuweisen sowie die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 1.324,09 [X.] nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem [X.] ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist überwiegend begründet.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine gesonderte [X.] zulässig und wirksam. Insbesondere verstoße sie nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2 [X.] und stelle keine unzulässige Umgehung dar. Ferner genügten die geschlossenen Vereinbarungen den Anforderungen an das Vorliegen eines gesonderten Vertragsschlusses sowie hinreichender Transparenz. Die [X.]en verstießen ferner nicht gegen §§ 307 ff. [X.]. Insbesondere stelle der Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers keine unangemessene Benachteiligung dar. Der Beklagte habe die [X.]en auch nicht wirksam widerrufen können. Sowohl der Widerruf in der Klageerwiderung als auch die möglicherweise als Widerruf auszulegende Kündigung mit Schreiben vom 29. August 2012 sei nicht fristgerecht erfolgt. Die Widerrufsbelehrungen genügten den Anforderungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Daher sei die Widerklage unbegründet.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

1. Wie der Senat bereits in seinen - vergleichbare Sachverhalte betreffenden - Urteilen vom 12. März 2014 entschieden und im Einzelnen begründet hat, verstoßen die [X.]en nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 [X.] ([X.], [X.], 567 Rn. 14-22; [X.], juris Rn. 12-20). Auch eine Unwirksamkeit wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] kommt nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor Augen geführt, dass er die [X.]en nicht kündigen kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärungen zu deren Beendigung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertrages oder der [X.]en selbst (vgl. Senatsurteil vom 12. März 2014 - [X.] aaO Rn. 23-25).

2. Dem Beklagten stand allerdings das Recht zu, die [X.]en zu kündigen, da die vertraglich festgelegte Unabhängigkeit der [X.] von einer Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Ausschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im Antragsformular wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unwirksam sind (Senatsurteil vom 12. März 2014 - [X.], [X.], 567 Rn. 26-35; [X.], juris Rn. 21-30).

Hieran hält der Senat auch in Anbetracht des weiteren Vorbringens der Klägerin fest. Die unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers liegt gerade darin begründet, dass sein Kündigungsrecht für die [X.] für den Fall der Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages ausgeschlossen werden soll. Wie im Fall eines Versicherungsnehmers zu entscheiden wäre, der - anders als in sämtlichen bisher dem Senat vorliegenden Fallgestaltungen - nicht ratierlich, sondern in einem Betrag sofort bei Vertragsschluss zahlt, muss hier nicht entschieden werden. Die Unwirksamkeit des [X.] führt dazu, dass dem Versicherer nach erklärter Kündigung keine Zahlungsansprüche aus der [X.] für die Zukunft mehr zustehen, nicht dagegen zur sofortigen Fälligkeit sämtlicher Abschluss- und Einrichtungskosten.

Hieraus folgt, dass der Beklagte die [X.]en mit Schreiben vom 29. August 2012, der Klägerin zugegangen am 4. September 2012, wirksam gekündigt hat. Die Klägerin kann daher nur Zahlung bis einschließlich September 2012 verlangen. Da der Beklagte Zahlungen bis Juli 2012 geleistet hat, steht ihr lediglich ein Anspruch auf restliche Zahlung von 198,24 € zu. Infolge der von der Klägerin durchgeführten Verrechnung mit dem Rückkaufswert der Versicherung in Höhe von 1.324,09 € folgt hieraus, dass die Klage abzuweisen und die Klägerin auf die Widerklage unter Abweisung des weitergehenden [X.] zu verurteilen ist, an den Beklagten 1.125,85 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Mayen                              Harsdorf-Gebhardt                                     [X.]

                 Lehmann                                          Dr. Brockmöller

Meta

IV ZR 1/14

24.09.2014

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Bonn, 17. Dezember 2013, Az: 8 S 214/13, Urteil

§ 307 Abs 2 Nr 2 BGB, § 169 Abs 5 S 2 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.09.2014, Az. IV ZR 1/14 (REWIS RS 2014, 2639)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2639

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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