Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2012, Az. III ZR 196/11

III. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2145

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 196/11

Verkündet am:

18. Oktober
2012

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2012 durch den Vizepräsidenten
Schlick und die [X.]
Dr. [X.], [X.], [X.] und Dr. Remmert

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 15. Juli 2011 wird [X.].

Die Kosten des [X.] hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin, eine in [X.] ansässige Anbieterin von Sportwetten, macht gegen die Stadt L.

(Beklagte zu 1) sowie gegen den [X.] (Beklagter zu 2) aus eigenem und aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung [X.] Rechts geltend.

Die Klägerin verfügt über eine Erlaubnis der gibraltarischen Behörden für die Veranstaltung von Sportwetten. Die von ihr unter anderem
in
[X.] ange-botenen Wetten vertrieb sie -
neben ihrer Präsenz im Internet
-
auch über
Wett-büros, welche von selbständigen [X.]n geführt wurden. Ein sol-cher [X.] (im Folgenden: Zedent) betrieb im Gebiet der Beklag-1
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-

ten zu 1 ein Wettbüro
und trat der Klägerin später seine Schadensersatzan-sprüche
ab.

Mit Verfügung vom 7. Juli 2005 untersagte die Beklagte zu 1 dem Zeden-ten die Vermittlung von Sportwetten
und ordnete die sofortige Vollziehung ihres Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Sie stützte sich auf die Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf-
und Verordnungsgeset-zes
in Verbindung mit
§ 284 StGB
und §§ 3, 5 Abs. 2 des [X.] zum Lotteriewesen in [X.] (gültig vom 1. Juli 2004 bis 31. Dezember 2007) und führte an, dem Zedenten
fehle die notwendige
staatliche
Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten.

Auf den
gegen diese Verfügung gerichteten Widerspruch des Zedenten
hob die Beklagte zu 1
zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auf, half dem Rechtsmittel jedoch im Übrigen nicht
ab und legte den Vorgang dem Landratsamt D.

als zuständiger Widerspruchsbehörde vor.
Mit
Bescheid vom 7. Juni 2006
wies das Landratsamt
den Widerspruch des Zeden-ten gegen die Untersagungsverfügung
zurück und ordnete deren
sofortige Voll-ziehung wieder an.

Der Zedent
erhob daraufhin Klage gegen die Verfügung
der [X.] zu
1
vor dem Verwaltungsgericht
R.

und stellte den Antrag, die auf-schiebende Wirkung seiner Klage
nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
Mit Beschluss vom 7. September
2006 wies das Verwaltungsgericht diesen
An-trag zurück. Zum 1. Oktober 2006 stellte der Zedent die Vermittlung von Sport-wetten der Klägerin ein. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2006 wies der [X.] die Beschwerde des Zedenten gegen die Abwei-sung seines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zurück.
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4

-

Die Klägerin
sieht
in dem Erlass der behördlichen Untersagungsverfü-gung, den im Folgenden ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen
sowie in der Schaffung beziehungsweise Aufrechterhaltung der Vorschriften des [X.] jeweils qualifizierte Verstöße gegen das Recht der [X.]. Sie verlangt
von den
[X.] für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2006 als Gesamtschuldnern
die als Ersatz eigenen Schadens und solchen des Zedenten.
Das [X.] hat die
Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist
ohne Erfolg
geblieben. Mit ihrer
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin [X.] weder nach den Grundsätzen des gemeinschafts-
beziehungsweise uni-onsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs
noch aus § 839 BGB, Art. 34 GG
oder aus enteignungsgleichem Eingriff verlangen.

Im Hinblick auf einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch
hat sich das Berufungsgericht die Auffassung des [X.]s zu
eigen gemacht, die [X.] hätten zwar objektiv
die europarechtlich gewährleistete Dienstleis-tungsfreiheit der Klägerin und des Zedenten verletzt. Das [X.] hat hier-6
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-

zu ausgeführt, nach
Urteilen
des Gerichtshofs der [X.] vom 8.
September 2010 genüge das
in den [X.] Ländern bestehende
Sport-wettenmonopol nicht der
für einen gerechtfertigten Eingriff in die [X.] Dienstleistungsfreiheit erforderlichen
Kohärenz, da Pferdewetten und bestimmte andere Glückspiele (z.B. Automatenspiele) der Gewerbefreiheit unterlägen, ob-gleich sie ein höheres Suchtpotential beinhalteten, als die dem Monopol unter-fallenden
Sportwetten. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz hat das [X.] gemeint,
es fehle jedoch an einem hinreichend qualifizierten [X.] gegen [X.]srecht. Bis zu den Urteilen des Gerichtshofs
vom 8. Septem-ber 2010 sei die Rechtsfrage, ob das [X.]
gegen [X.]s Recht verstoße, nicht in dem Maße geklärt gewesen,
als dass die Maßnahmen der [X.] als offenkundige
Verstöße
gegen Gemeinschaftsrecht einzustu-fen gewesen seien.

Auch durch das
das [X.] [X.] betreffende Urteil des [X.] vom 28. März 2006
sei der Beurteilungs-
und Ermessensspielraum der [X.] nicht entfallen oder auf Null reduziert [X.]. Weder habe das [X.] darin ausdrücklich die Verlet-zung unionsrechtlicher Vorschriften festgestellt, noch beinhalteten die Feststel-lungen denknotwendig
eine solche. Auch der Gerichtshof der [X.] habe ausgeführt, dass sich das [X.] in seiner
Ent-scheidung vom 28. März 2006 sowie in einem Beschluss vom 2. August 2006
nicht zur Vereinbarkeit des [X.]s mit dem [X.]srecht geäu-ßert habe. Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt,
das [X.]verfas-sungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass die maßgebliche [X.] Norm nicht nichtig sei und während der
eingeräumten
Übergangsfrist Eingriffe in das Grundrecht nach Art. 12 GG rechtfertige. Dass
eine solche Übergangs-frist auch auf europarechtlicher [X.]e gerechtfertigt sein
könne, habe der [X.]
-

6

-

richtshof der [X.] erstmals in seiner Entscheidung vom 8. Sep-tember 2010 in Sachen "Winner Wetten"
verneint.

Soweit die Klägerin den
Verwaltungsgerichten vorwerfe, eine Vorlage
an den Gerichtshof der [X.] unterlassen zu haben, stelle dies ebenfalls keinen offenkundigen Verstoß gegen [X.]s Recht dar, da eine Vorlagepflicht nach Art. 234 [X.]V (nunmehr Art. 267 AEUV) für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht bestehe.

Ansprüche aus § 839 BGB, Art. 34 GG
und enteignungsgleichem Eingriff schieden ebenfalls aus.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1.
Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass
die Klägerin als (gibraltarische) Veranstalterin von Sportwetten und die für sie auf der Grundlage von Geschäftsbesorgungsverträgen tätigen ([X.]) Vermittler Dienstleistungen im Sinne von Art. 49 [X.] (jetzt Art. 56 AEUV) angeboten ha-ben ([X.], Urteil vom 8. September 2010
-
C 316/07 u.a. -
[X.]
u.a., [X.], 1409
Rn. 56 ff). Weiterhin steht aufgrund der Urteile des Gerichtshofs der [X.] vom 8. September 2010
([X.]/08 -
[X.], [X.], 1422; [X.] aaO; [X.]/06
-
Winner Wetten
-
[X.], 1419) fest, dass das
in [X.] bis 2008 gemäß dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in [X.] vom 20. Juni 2004 (BayGVBl. [X.]) geltende [X.], aufgrund dessen ausschließlich die im Deutschen Lotto-
und Toto-11
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-

block zusammengeschlossenen Lotterieunternehmen der Länder Sportwetten ("[X.]") anbieten und (über die Lottoannahmestellen sowie über das [X.]) vertreiben durften, und damit die darauf
beruhenden Verwaltungs-
und Ge-richtsentscheidungen der Bediensteten zu 1 und 2 objektiv mit dem Gemein-schaftsrecht unvereinbar
waren:
Die Regelungen, die der Eindämmung der Spielsucht dienen sollten,
verstießen gegen das in den Urteilen des [X.] statuierte Kohärenzgebot, da eine Reihe von Glückspielen (insbesondere Automatenspiele), die nicht unter das staatliche Monopol fielen, ein höheres Suchtpotential aufweisen
als jene, für die das Monopol galt.
Zudem beanstan-dete der Gerichtshof in den die Rechtslage in [X.] und [X.] betreffenden Entscheidungen [X.] und [X.] die Durchführung inten-siver Werbekampagnen durch den Inhaber des staatlichen Monopols auf Sportwetten.

2.
Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Verletzung der
Dienstleis-tungsfreiheit durch die [X.] stelle
keinen hinreichend qualifizierten [X.]
gegen das [X.] Recht dar, wie er für einen gemeinschafts-
bezie-hungsweise unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch erforderlich sei
(so auch zur
Rechtslage in [X.] OLG Köln, Urteil vom 3. Mai 2012 -
7 [X.], juris, Rn. 20 ff), ist
im Ergebnis gleichfalls nicht zu beanstanden.

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist ein Verstoß gegen das [X.]srecht hinreichend qualifiziert, wenn der betref-fende Mitgliedstaat bei der Wahrnehmung seiner [X.] die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (z.B.
[X.], Urteile vom 13. März 2007 -
C-524/04 -
[X.] in [X.], [X.]. 2007,
I-2157
Rn. 118; vom 8. Oktober 1996 -
C-178/94 u.a. -
Dillenkofer u.a., [X.]. 1996,
I-4867
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8

-

Rn.
25; vom 26. März 1996 -
C-392/93 -
British Telecommunications, [X.]. 1996,
I-1654
Rn.
42; vom 5. März 1996 -
[X.]/93 u.a. -
Brasserie du Pêcheur [X.]. 1996,
I-1131
Rn.
45, 55
; siehe auch Senatsbeschluss vom 26. April 2012
-
III ZR 215/11, juris Rn. 12; Senatsbeschluss vom 24. Juni 2010 -
III ZR 140/09, NJW 2011, 772 Rn. 7; Senatsurteile
vom 22. Januar 2009 -
III ZR 233/07, [X.], 2534
Rn. 22 und
vom 24. Oktober 1996 -
III ZR 127/91, BGHZ
134, 30, 38). Diesem restriktiven Haftungsmaßstab liegt die Erwägung zugrunde, dass die Wahrnehmung gesetzgeberischer Tätigkeit, insbesondere bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen, [X.] durch die Möglichkeit von Schadensersatzklagen behindert werden darf, wenn [X.] den Erlass von Maßnahmen gebieten, die die Interessen des Einzelnen beein-trächtigen können ([X.], Urteile in Sachen
British Telecommunications aaO
Rn. 40 und Brasserie du Pêcheur aaO Rn. 45; Senatsbeschluss vom 26. April 2012 aaO). Nur wenn der Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungs-spielraum verfügte, kann schon die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen ([X.], Urteile
in Sachen [X.] in [X.]
und Dillen-kofer
jew. aaO; Senat aaO).

Um festzustellen, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt, sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen, die für den dem nationa-len Gericht vorgelegten Sachverhalt kennzeichnend sind. Zu diesen [X.] gehören insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der [X.] Vorschrift, die Frage, ob der Verstoß oder der Schaden vorsätzlich be-gangen beziehungsweise
zugefügt wurde oder nicht, die Frage, ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist oder nicht, und die Frage, ob möglicherweise das Verhalten eines Gemeinschaftsorgans dazu beigetragen hat, dass nationale 17
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Maßnahmen oder Praktiken in [X.] Weise eingeführt oder aufrecht erhalten wurden (z.B. [X.], Urteile in Sachen [X.] in [X.]
aaO
Rn. 119; Brasserie du Pêcheur aaO
Rn.
56 sowie
vom 4. Dezember 2003 -
C-63/01 -
Evans, [X.]. 2003, I-14492
Rn.
86; Senat aaO mwN).

Die vom Gerichtshof entwickelten Grundsätze zur Haftung eines [X.] für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht gelten dabei für alle Staatsgewalten unabhängig davon, ob der schadensverursachende Verstoß dem Gesetzgeber, den Gerichten oder der Verwaltung des Mitgliedstaats anzu-lasten ist (vgl. [X.], Urteil
vom 30. September 2003 -
C-224/01 -
Köbler, [X.]. 2003,
I-10290
Rn. 31 f).

b) Ob an den vorstehenden Kriterien
gemessen ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert ist, haben die Tatsachengerichte unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, insbesondere an Hand der vom Gerichtshof der [X.] entwickelten Leitlinien zu beurtei-len (Senatsurteil vom
22. Januar 2009 -
III ZR 233/07, [X.], 2534 Rn. 23). Die insoweit eingeschränkte revisionsrechtliche Überprüfung des [X.] lässt im Ergebnis Rechtsfehler nicht erkennen.

aa)
Da die Klägerin der [X.] zu 1 keine über den bloßen Vollzug der vom [X.] zu 2 getroffenen Regelungen hinausgehenden Verstöße vorwirft, hat sich das Berufungsgericht bei der Beurteilung des exekutiven und legislativen Handelns der [X.] sowie des materiellrechtlichen Inhalts der Entscheidungen des Verwaltungsgerichts R.

und des [X.] mit Recht auf die Frage der Vereinbarkeit der in
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-

[X.] im maßgeblichen Zeitraum geltenden Regelungen zum [X.] mit dem [X.] Gemeinschaftsrecht beschränkt.

bb) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass vorliegend eine einfache Verletzung des Gemeinschaftsrechts zur Annahme eines qualifi-zierten Verstoßes nicht ausreicht. In Ermangelung einer abschließenden ge-meinschaftsrechtlichen Harmonisierung auf dem Gebiet des [X.] verblieb dem [X.] zu 2 ein erheblicher Gestaltungsspielraum.

cc) [X.]falls nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Berufungsge-richts, dass in dem in Rede stehenden Zeitraum
die Rechtsprechung des [X.] der Europäischen
[X.] die Grenzen zulässiger staatlicher [X.] noch nicht so präzise geklärt hatte, dass die in [X.] seinerzeit geltende Rechtslage aufgrund der Judikatur des Gerichtshofs als offenkundig mit dem [X.] Recht unvereinbar gewertet werden musste.

Erst in seinen Entscheidungen vom 8. September 2010 ([X.]/08 -
Car-men Media, [X.], 1422; [X.]/07 u.a. -
[X.] u.a. -
[X.], 1409; [X.]/06 -
Winner Wetten
-
[X.], 1419) hat sich der Gerichtshof mit der Rechtfertigung des [X.] [X.]s und dessen konkreter Ausgestaltung befasst. In den vorangegangenen Entscheidungen zur staatli-chen Regulierung und Monopolisierung von Sportwetten (Urteile vom 6. No-vember 2003 -
C-243/01 -
[X.] [X.]. 2003,
[X.]
= NJW 2004, 139; vom 21. Oktober 1999 -
C-67/98 -
[X.], [X.]. 1999,
I-7304
= [X.] 2000, 151;
vom 21. September 1999
-
C-124/97-
Läärä, [X.]. 1999,
I-6104
= [X.] 2000, 148 und
vom 24. März 1994 -
C-275/92 -
[X.], [X.]. 1994,
I-1078
= NJW 1994, 2013)
hat der Gerichtshof zwar abstrakte Grenzen für solche Reglementierun-gen aufgezeigt. Jedoch hat er zugleich betont, dass den Mitgliedstaaten unter 21
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23
-

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-

Berücksichtigung ihrer jeweiligen sittlichen, religiösen, kulturellen und soziokul-turellen Besonderheiten ein Ermessen zustehe, festzulegen, welche [X.] sich insbesondere bezüglich der Art und Weise der Veranstaltung von Lotterien ergäben (Urteile in Sachen [X.] aaO
Rn. 63; [X.]
aaO
Rn.
14
f, 33 f; Läärä
aaO,
Rn. 13 f, 35 f, 39; [X.]
aaO,
Rn. 60 f). Nähere Vorgaben zur Ausübung dieses Ermessens
enthalten die Entscheidungen nicht. Dies trifft insbesondere auch auf die von der Revision angeführten Urteile in den Sachen [X.] und [X.] (jew. aaO) zu, die sich mit der Rechtslage in Italien befassen.

(1) In dem Fall [X.] hat der Gerichtshof ausgeführt, die Begrenzung des Glückspielbetriebs zu den Zwecken, die Spiellust und den Betrieb der [X.] in geordnete Bahnen zu lenken, die Risiken eines solchen Betriebs im [X.] und andere Straftaten auszuschalten und die sich daraus erge-benden Gewinne gemeinnützigen Zwecken zuzuführen, diene europarechtlich legitimen Zielen (aaO Rn. 35). Der Gerichtshof hat die Zulässigkeit von [X.] negativ dahingehend abgegrenzt, dass sie wirklich dem Ziel dienen müssten, die Gelegenheiten zum
Spiel zu vermindern, und dass die Erzielung von Einnahmen für [X.] Aktivitäten nur eine erfreuli-che Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein dürfe (aaO
Rn. 36). Schließlich hat der Gerichtshof betont, es sei Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die mitgliedstaatlichen Rechtsvor-schriften gerechtfertigten Zielen dienten und die in ihnen enthaltenen [X.] verhältnismäßig seien
(aaO Rn. 37). Nähere inhaltliche Vorgaben, [X.] (weiteren)
Ziele im Bereich der Regulierung von Wetten eine Einschrän-kung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können und welche Maßnahmen
zur Erreichung dieser Ziele zulässig sind, sind dem Urteil nicht zu entnehmen.
Im Gegenteil
hat der Gerichtshof, ebenso wie im
Urteil in der Sache [X.] 24
-

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-

(aaO,
Rn. 35 f, 39),
den weiten Ermessens-, Beurteilungs-
und Entscheidungs-spielraum der Mitgliedstaaten bei der Zulassung von Lotterie-
und Glückspiel-angeboten unterstrichen (Stein, Anmerkung zu dem Urteil in der Sache [X.], [X.] 2000, 153, 154).
Insbesondere auch
die Monopolisierung bei einem [X.] hat der Gerichtshof nicht für unzulässig gehalten (siehe Urteil in der Sa-che [X.] aaO, Rn. 32 f; Urteil in der Sache [X.] aaO
Rn. 34 f). Die Unver-einbarkeit der [X.]n Rechtslage betreffend die Sportwetten mit der Dienstleistungsfreiheit ließ sich damit aus dem Urteil in der Sache [X.] nicht ableiten.

(2) Dies gilt in gleicher Weise für das Urteil des Gerichtshofs
der Europä-ischen Gemeinschaften in der Sache
[X.]. Darin hat der Gerichtshof [X.] unter Bezugnahme auf seine Entscheidungen in den Sachen [X.], [X.] und [X.] bekräftigt, dass den Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer je-weiligen sittlichen, religiösen, kulturellen und soziokulturellen Besonderheiten ein Ermessen zustehe, Beschränkungen des Betriebs von Spielen und Wetten zu statuieren (aaO Rn. 63). Weiterhin hat er betont, dass solche Beschränkun-gen durch zwingende Gründe,
wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeu-gung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können (aaO Rn. 67). Allerdings hat er weiter ausgeführt, die Reglementierungen, die auf solche
Gründe sowie auf die [X.] gestützt seien, Störungen der [X.]n Ordnung vorzubeugen, müssten auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie "kohärent"
und systematisch zur Begrenzung der Wett-tätigkeiten beitrügen (aaO).

Obgleich zur Begründung der
Europarechtswidrigkeit der im maßgebli-chen Zeitraum
in [X.] geltenden Rechtslage
angeführt wurde, sie genüge 25
26
-

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nicht den Anforderungen der Kohärenz, konnte aus der "[X.]-Entschei-dung"
noch nicht mit
der notwendigen Klarheit abgeleitet
werden, dass die in Rede stehenden
Regelungen zu Sportwetten einen nicht gerechtfertigten Ein-griff in die Dienstleistungsfreiheit
beinhalteten. Der Gerichtshof hat sich in [X.] mit der Kohärenz, das heißt mit der Stimmigkeit, der dort [X.] nur unter dem Gesichtspunkt befasst, dass der [X.] im [X.] eine Politik der Ausweitung des Spielens und Wettens verfolge und sich in diesem Fall als Rechtfertigung seiner Reglementierungen nicht auf die öffentliche [X.] und die [X.] berufen könne, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern (aaO Rn. 68 f). Die Kohärenz unter dem für den vorliegenden Sachverhalt maßgebenden As-pekt, dass Glücksspiele, die nicht unter das staatliche Monopol fallen, ein höhe-res Suchtpotential aufweisen als jene, für die das Monopol gilt, war in der "[X.]-Entscheidung"
hingegen auch nicht andeutungsweise angesprochen. Dieser Gesichtspunkt hat in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Euro-päischen [X.] erst in den Urteilen vom
8. September 2010 ([X.] aaO Rn.
67 f;
[X.]
aaO Rn. 100 ff, 106) Bedeutung erlangt. Dementsprechend ließ sich dem "[X.]-Urteil"
kein -
zumindest kein
einen qualifizierten [X.] begründender
-
Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die fraglichen Rege-lungen einen ungerechtfertigten Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit beinhalte-ten.

[X.]) Der Revision ist allerdings im Ausgangspunkt
darin beizupflichten, dass
die Würdigung des Berufungsgerichts, aus dem Urteil des [X.] vom 28. März 2006 ([X.] 115, 276)
habe sich ebenfalls nicht mit der für einen gemeinschafts-
beziehungsweise unionsrechtlichen Staatshaf-tungsanspruch erforderlichen Deutlichkeit die Unvereinbarkeit des [X.]n Monopols
für Sportwetten mit der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit [X.]
-

14

-

geben, nicht mehr vom tatrichterlichen Beurteilungsspielraum gedeckt ist. Das [X.] hat
dort unter Bezugnahme auf Randnummer 62 der
"[X.]-Entscheidung"
des [X.] (Urteil vom 6. November 2003 -
C-243/01, [X.]. 2003, [X.]) ausgeführt, die -
durch die seinerzeitigen [X.]n Regelungen nicht erfüllten -
Anforderun-gen des [X.] Verfassungsrechts liefen parallel zu den vom Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben, nach denen die Erzielung von Einnahmen zur Finanzierung [X.]r Aktivitäten nur nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund einer restriktiven Politik im Bereich von Wetten und Glückspielen sein dürfe ([X.] 115, 276, 316 f). [X.] ist der Revision weiterhin, dass der Generalanwalt beim Gerichtshof [X.] in seinem Schlussantrag
in der Sache "[X.] u.a."
unter Bezugnahme auf das Urteil des [X.] vom 28. März 2008 ausgeführt hat, die Lektüre die-ser Entscheidung lasse es als "unzweifelhaft"
erscheinen, dass das (mit dem [X.]n übereinstimmende [X.] und [X.]) Sport-wettenmonopol nicht die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt habe, um als kohärent und systematisch eingestuft zu werden
([X.]/07, juris
Rn. 64). Dies ist
richtig. Zwar stellt die von der Revision angeführte Passage aus dem Urteil des [X.] lediglich ein obiter dictum dar. Ferner hat das [X.] hervorgehoben, ihm fehle die Zuständigkeit, einen möglichen Verstoß gegen [X.]s Gemeinschaftsrecht zu prüfen (aaO S.
299
f). Gleichwohl hat es sich ausdrücklich
dahingehend festgelegt, dass die von ihm festgestellten verfassungsrechtlichen Mängel der bestehenden Rege-lungen zum [X.] in gleicher Weise mit den vom Gerichtshof der [X.] entwickelten europarechtlichen Vorgaben unvereinbar [X.]. Damit konnte
für die Rechtsanwender in der Judikative und der Exekutive sowie für den Gesetzgeber auch der europarechtliche status quo nicht mehr zweifelhaft sein.
-

15

-

Dennoch haben die [X.] nicht in hinreichend qualifizierter Weise gegen das [X.] Recht verstoßen.

(1) Zwar hat die Verwaltung der [X.] auch nach Bekanntwerden des Urteils des [X.] die Untersagungsverfügung auf-recht erhalten
und es der Klägerin beziehungsweise
ihrem [X.] nicht -
etwa durch Erteilung einer entsprechenden Genehmigung -
ermöglicht, Sportwetten zu vertreiben. Ein qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschafts-recht ist ihr gleichwohl nicht anzulasten. Denn die
Bediensteten der [X.] durften annehmen, dass es
bis zu der vom [X.] dem Ge-setzgeber aufgegebenen Neuregelung des Wett-
und Glückspielrechts, die [X.] zum 1. Januar 2008 erfolgen musste,
auch mit dem materiellen europä-ischen Gemeinschaftsrecht in Einklang stand, das Angebot von Sportwetten den bisherigen Monopolinhabern vorzubehalten. Es kann deshalb
auf sich be-ruhen, ob insoweit die Rechtsauffassung vertretbar war, während der vom [X.] zugestandenen Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2007 sei
ein an sich materiell europarechtswidriger Regelungszustand aus zwingenden Gründen der Rechtssicherheit (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 8.
September 2010 -
[X.]/06 -
Winner Wetten,
[X.], 1419
Rn. 66 mwN) gemeinschaftsrechtlich hinnehmbar, wie dies in dem Verfahren "Winner Wetten"
vor dem Gerichtshof offenbar alle Regierungen, die
Erklärungen abge-geben haben, geltend gemacht haben (vgl. [X.] aaO Rn. 63; Schlussanträge des Generalanwalts [X.], juris,
Rn. 79 ff; siehe ferner [X.] [X.], 1435, 1439; [X.] [X.], 1078, 1080).

Das [X.] hat während der von ihm zugestandenen Übergangsfrist nicht die uneingeschränkte Fortgeltung der als verfassungswid-28
29
30
-

16

-

rig -
und aufgrund der Parallelität der Kohärenzanforderungen zugleich als ge-meinschaftsrechtswidrig -
erkannten Rechtslage gebilligt. Vielmehr hat es für die Anwendbarkeit der bislang geltenden Normen Maßgaben statuiert, nach denen unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Be-grenzung der [X.] und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols andererseits [X.] war ([X.] 115, 276, 319). Danach durften
zwar -
vor dem Hinter-grund, dass die Errichtung eines staatlichen [X.] für sich genommen weder verfassungs-
noch europarechtswidrig
ist (vgl. [X.] aaO [X.]) -
das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Unternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom [X.] zu 2 veranstaltet wurden, wei-terhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden, wo-bei
das [X.] sogar eine Aufrechterhaltung der Strafbe-wehrung nicht für ausgeschlossen erachtete
(aaO
S. 319). Jedoch war damit zu beginnen, das [X.] konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der [X.] auszurichten. Der Staat durfte ins-besondere die Übergangszeit nicht zu einer expansiven Vermarktung von Wet-ten nutzen. Daher waren bis zu einer Neuregelung die Erweiterung des Ange-bots staatlicher
Wettveranstaltungen sowie eine Werbung, die über sachliche Informationen zur Art und Weise der Wettmöglichkeit hinausgehend gezielt zum Wetten aufforderte, untersagt. Ferner hatte die staatliche Lotterieverwaltung umgehend aktiv über die Gefahren
des Wettens aufzuklären (aaO).

Das [X.] hat die in der gesetzlichen Regelung an-gelegten und dementsprechend in der Praxis realisierten Defizite bei der [X.] der das [X.] grundsätzlich rechtfertigenden, vorgenannten
Ziele darin
gesehen, dass es an einer aktiven Prävention
fehlte (aaO S. 311 f) und vor allem, dass
die Geschäftspraxis des Monopolanbieters nach ihrem [X.]
-

17

-

sächlichen Erscheinungsbild dem einer
wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung entsprach (aaO S.
314
ff). Das [X.] hat insoweit die breit angelegte [X.], in der das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wurde (aaO S. 314), die breiten Vertriebswege und die fehlende aktiv kommunizierte Prävention beanstandet (aaO
S. 315 f).

Der Behebung eben jener Defizite dienten
die im Vorgriff auf entspre-chende gesetzliche Neuregelungen für die Übergangszeit aufgestellten Maßga-ben. Ihr Inhalt zielte darauf ab, genau die Mängel der bestehenden Rechtslage abzustellen, die maßgeblich zu deren Verfassungswidrigkeit führten. Da das [X.] bei seiner Entscheidung nicht nur der Sache nach die Kriterien der "[X.]-Entscheidung"
angewandt,
sondern zugleich -
wie ausgeführt -
die Parallelität der Anforderungen des [X.] Verfassungs-rechts zu den vom [X.] zum Gemeinschaftsrecht formu-lierten betont hatte (aaO S. 316 f), lag
für die Verwaltung der [X.]
die An-nahme nahe, dass, sofern diese Maßgaben beachtet werden, auch vor dem formellen Erlass der entsprechenden (Änderungs-)Gesetze in der Praxis ein Zustand hergestellt werden kann, der nicht nur mit dem Grundgesetz, sondern auch mit
dem Europarecht in Einklang steht
(so vor allem [X.], Beschluss vom 23. August 2006 -
24 [X.] 06.1881,
juris Rn. 53, 64; die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde durch [X.] des [X.] vom 19. Oktober 2006, [X.], 2326, nicht zur Entscheidung angenommen). Im Übrigen wäre wegen des Anwendungsvorrangs des Ge-meinschaftsrechts
die Einräumung einer Übergangszeit durch das [X.]ver-fassungsgericht nicht nur ins Leere gegangen, sondern sogar für den [X.] irreführend gewesen. Dass die
vom [X.] ein-geforderten
Maßgaben tatsächlich zügig und vollständig umgesetzt wurden, hat 32
-

18

-

der [X.], vom [X.] gebil-ligt, der [X.]n Verwaltung in ständiger Rechtsprechung
attestiert (z.B. [X.], Beschlüsse vom 3. August 2006, [X.], 1430, 1431 f; vom 23.
August 2006 -
24 [X.] 06.1881, juris Rn.
35 f, 52; vom 2. Oktober 2007
-
24 [X.] 07.1986, juris Rn. 30 und vom 15. November 2007 -
24 [X.] 07.2792, juris Rn. 29 f;
[X.] [X.], 2326,
2327 zum Beschluss des [X.] vom 23. August 2006; siehe auch [X.],
[X.] vom 31. März 2006
-
1 BvR 1840/05, juris Rn. 5).

(2) Die vorstehenden Erwägungen gelten auch für die mit dem Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung der [X.] zu 1 befassten Verwaltungsgerichte des [X.] zu 2. Anders als die Re-vision geltend macht, liegt auch kein hinreichend qualifizierter Verstoß von Be-diensteten des [X.] zu 2 gegen [X.]s Gemeinschaftsrecht vor, weil der [X.] es unterlassen hat, das von dem Zedenten angestrengte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Untersagungsverfügung der [X.] zu 1 gemäß Art. 234 Abs. 3 [X.] (jetzt Art. 267 Abs. 3 AEUV) auszusetzen und dem Gerichtshof
der [X.]
die Frage der Vereinbarkeit der in [X.]
seinerzeit geltenden Regelun-gen über das [X.] mit dem [X.] Recht vorzulegen. Zwar ist der Verwaltungsgerichtshof in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO letzt-instanzlich entscheidendes Gericht (siehe § 152 Abs. 1 VwGO), das nach den genannten Bestimmungen zur Vorlage an den [X.] ist, wenn über die Auslegung von Gemeinschafts-
beziehungsweise [X.]srecht zu befinden ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs entfällt die [X.] jedoch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sofern es, wie hier, jeder Partei
unbenommen bleibt, ein Hauptverfahren entwe-der selbst einzuleiten oder dessen Einleitung zu verlangen, in dem jene im 33
-

19

-

summarischen Verfahren vorläufig entschiedene Frage des Gemeinschafts-rechts erneut geprüft werden und den Gegenstand einer Vorlage bilden kann, ([X.], Urteile vom 24. Mai 1977 -
107/76 -
Hoffmann-La Roche, [X.]. 1977, 957 Rn. 5 f und vom 27. Oktober 1982 -
35 und 36/82 -
Morson u.a., [X.]. 1982, 3723 Rn. 8 ff; siehe auch [X.] NJW 2007, 1521, 1522).

Das hiernach bestehende Ermessen des [X.] war entgegen der Auffassung der Klägerin schon deshalb nicht auf Null reduziert, weil aus den zuvor dargestellten Gründen ein offenkundiger [X.] gegen das Gemeinschaftsrecht nicht vorlag.

(3) Soweit die Legislative des [X.] zu 2 betroffen ist, ist ein solcher Verstoß ebenfalls auszuschließen. Dabei kann dem Gesetzgeber
insbesondere nicht vorgehalten
werden, er habe schnellstmöglich, also noch vor Ablauf der vom [X.] eingeräumten Übergangszeit, eine "auch dem Buchstaben nach"
gemeinschaftsrechtskonforme Gesetzeslage schaffen müs-sen. Zunächst durfte auch der Gesetzgeber davon ausgehen, dass schon vor Anpassung des Gesetzeswortlauts an die Vorgaben des [X.]verfassungs-rechts die Exekutive willens und in der Lage ist, für die Übergangsphase einen Zustand herzustellen, der europarechtlich keinen durchgreifenden Bedenken (mehr) ausgesetzt ist. Zudem war
ausreichende Zeit
vonnöten, um den
aus den Vorgaben des [X.] folgenden (national-
wie europa-rechtlichen) Anpassungsbedarf sorgfältig zu ermitteln, die hieraus folgenden Handlungsoptionen herauszuarbeiten und sich -
gegebenenfalls auch nach Ab-stimmung mit
den Rechtssetzungsorganen des [X.] -
unter Abwägung der jeweils in Rede stehenden Belange für eine Lösung zu entscheiden. So gab es für die Schaffung einer im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Eu-ropäischen [X.] kohärenten Lösung für den Bereich der Sportwetten und 34
35
-

20

-

Glücksspiele eine Vielzahl von denkbaren Lösungen, da den Mitgliedstaaten insoweit ein weiter Ermessensspielraum zusteht ([X.], Urteil vom [X.] 2003 -
C-243/01 -
[X.], [X.]. 2003, [X.]
Rn. 63 mwN). Hinzu kommt, dass die hier maßgeblichen Regelungen nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes von den Ländern zu schaffen waren und diese Regelungen, um einen -
sinnvollen -
bundeseinheitlichen Standard zu gewährleisten, in einem Staatsvertrag aller [X.] Länder enthalten waren. Aufgrund dieser Aus-gangslage ist dem
[X.] zu 2 insbesondere nicht anzulasten, dass sie auf einen gesetzgeberischen "Alleingang"
verzichtete und zusammen mit den übri-gen Ländern wiederum eine -
nunmehr den europarechtlichen Vorgaben ent-sprechende

bundeseinheitliche Regelung anstrebte. Unter Berücksichtigung dieser Umstände war es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zu 2 -
eben-so wie alle anderen [X.]länder -
die
bis zum 31. Dezember 2007 eingeräum-te Übergangsfrist ausschöpfte.

ee) Der weitere Hinweis der Revision
auf den Beschluss der [X.] des [X.] des [X.] vom 27. April 2005 ([X.], 1141) ist für ihre Rechtsauffassung unbehelflich. Das [X.]verfas-sungsgericht hat
darin unter Bezugnahme auf die "[X.]-Entscheidung"
le-diglich
geäußert, "erhebliche Zweifel"
an der Vereinbarkeit des [X.] mit dem Gemeinschaftsrecht könnten ""
werden (aaO S. 1142 f). Ein offenkundiger Verstoß der [X.] gegen das Gemein-schaftsrecht lässt sich angesichts dieser zurückhaltenden Formulierung hieraus nicht ableiten.

ff) Die Einleitung
des Vertragsverletzungsverfahrens 2003/4350 durch die [X.] mit dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 4. April 2006
ist für die Rechtsposition der Klägerin ebenfalls unbehelflich. 36
37
-

21

-

Zwar mag sich hieraus ebenso wie aus der Entscheidung des [X.] vom 28. März 2006 die Unvereinbarkeit des [X.] mit dem Gemeinschaftsrecht ergeben haben. Aus den vorstehenden Gründen scheidet jedoch gleichwohl ein hinreichend qualifizierter Verstoß der [X.] gegen das [X.] Recht aus.
In dem Schreiben äußerte die [X.] Zweifel an der Vereinbarkeit der in den einzelnen [X.]ländern geltenden Regelungen zum [X.] mit der Dienstleistungsfreiheit nur unter den in der "[X.]-Entscheidung"
des Gerichtshofs der [X.] (Urteil vom 6. November 2003 -
C-243/01, [X.]. 2003, [X.]) angesprochenen Aspekten. Die [X.] bemängelte, dass nach ihr vorliegenden Erkenntnissen die Monopolveranstalter in [X.] einen erheblichen Werbeaufwand für die Sportwetten betrieben. Unter Bezugnahme auf Randnummer 69 des "[X.]-Urteils"
(aaO) wies sie darauf hin, dass sich die Mitgliedstaaten zur Rechtfertigung von Reglementierungen von Wetten nicht auf die Notwendigkeit berufen dürften, die Gelegenheiten zum Spiel zu [X.], wenn ihre Behörden die Verbraucher zugleich dazu anreizten und ermun-terten, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staats-kasse daraus Einnahmen [X.]. [X.] diese Defizite wurden jedoch abge-stellt, so dass die [X.] die Rechtspraxis vertretbar als gemeinschaftskon-form ansehen konnten.

c) Eine
Vorlage der Sache an den Gerichtshof der [X.] gemäß Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV ist nicht erforderlich. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
als vorlagebedürftig angesehene Frage, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen [X.]srecht mit
der Er-wägung verneint werden könne, die Mitgliedstaaten hätten sich für berechtigt halten dürfen, für eine Übergangszeit einen europarechtswidrigen Zustand [X.], stellt sich aus den unter b, [X.] (1) ausgeführten Gründen nicht. 38
-

22

-

Auch im Übrigen
besteht keine Notwendigkeit, eine Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV einzuholen. Die Feststellung, ob die Voraussetzungen für einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch im konkreten Einzelfall er-füllt sind, obliegt entsprechend den vom Gerichtshof hierfür entwickelten Leitli-nien grundsätzlich den nationalen Gerichten ([X.], Urteile vom 13. März 2007 -
C-524/04
-
[X.] in [X.] -
[X.]. 2007, I-2157
Rn. 116 und vom 12. Dezember 2006 -
C-446/04 -
[X.]
in the FII Group Litigation, [X.]. 2006, [X.], Rn. 210 mwN). [X.]srechtliche Fragen, die über die bloße Anwendung der Grundsätze
des unionsrechtlichen Staats-haftungsanspruchs auf den konkreten Sachverhalt hinausgehen, wirft der Fall nicht auf.

3.
Ansprüche der Klägerin gegen die [X.] aus § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit
Art. 34 Satz 1 GG bestehen gleichfalls nicht.

Zwar handelten die Verwaltungsbediensteten der [X.] objektiv pflichtwidrig, weil die Untersagungsverfügung mit dem Gemeinschaftsrecht un-vereinbar war. Jedoch fällt ihnen insoweit aus den oben (2 b [X.] (1)) genannten Gründen keine
Fahrlässigkeit zur Last, zumal sie sich bei ihrer Einschätzung der Rechtslage im Einklang mit der Rechtsprechung des
für sie zuständigen
Verwaltungsgerichtshofs befanden (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 1995 -
III ZR 160/94, NJW 1995, 2918, 2920).

Eine Haftung des
[X.] zu 2 wegen legislativen Unrechts kommt bereits
deshalb nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber lediglich Aufgaben der Allgemeinheit wahrnimmt, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt,
ihm daher grundsätzlich keine drittschützenden Amts-pflichten
im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB obliegen
(vgl. z.B. Senatsbe-39
40
41
-

23

-

schluss vom 12. Oktober 2006 -
III ZR 144/05, NVwZ 2007, 362 Rn. 23; Se-natsurteile vom 24. Oktober 1996 -
III ZR 127/91, [X.], 30, 32 und vom 7.
Juni 1988 -
III ZR 198/87, NJW 1989, 101). Die Amtshaftung für die [X.] des [X.] zu 2 scheitert an
§ 839 Abs. 2 Satz 1 BGB.

4.
Zu Recht haben die Vorinstanzen auch Ansprüche aus enteignungs-gleichem Eingriff verneint. Insoweit erhebt die Revision ebenfalls keine [X.].

Schlick

[X.]
[X.]

[X.]
Remmert
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.11.2010 -
54 O 30/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 15.07.2011 -
1 [X.] -

42

Meta

III ZR 196/11

18.10.2012

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2012, Az. III ZR 196/11 (REWIS RS 2012, 2145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2145

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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