Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2011, Az. VII ZB 28/10

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 8742

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.] ZB 28/10
vom 10. März 2011 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 10. März 2011 durch [X.] Dr. [X.] und [X.] Kuffer, [X.], [X.] und Prof. [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des [X.], 9. Zivilsenat in [X.], vom 27. Januar 2010 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. [X.]: 45.000 • Gründe: [X.] Das klageabweisende Urteil des [X.] ist den damaligen Pro-zessbevollmächtigten der Klägerin am 16. Oktober 2009 zugestellt worden. Der [X.] vom 13. November 2009 ist am 18. November 2009 beim Berufungsgericht eingegangen. Das ist den Prozessbevollmächtigten der Klä-gerin mit Verfügung vom 19. November 2009 mitgeteilt worden. Die Klägerin 1 - 3 - hat am Montag, dem 7. Dezember 2009, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Sie hat dazu vorgetra-gen, der allein sachbearbeitende Rechtsanwalt habe am Freitag und Samstag, dem 20. und 21. November 2009, an einer Baurechtstagung in [X.] und habe daher erst am Montag, dem 23. November 2009, von der Mittei-lung des Berufungsgerichts Kenntnis erlangt. Zur Glaubhaftmachung hat die Klägerin eine Teilnahmebescheinigung des Tagungsveranstalters vorgelegt. Hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist hat die Klägerin vorgetragen, der [X.] sei bei ihren Prozessbevollmächtigten am 13. November 2009 um 16.00 Uhr von einem privaten Postzustelldienst abge-holt worden, der ihn am 14. November 2009 dem Berufungsgericht hätte zustel-len sollen. Der Schriftsatz sei am 13. November 2009 um 19.52 Uhr bei dem Postzustelldienst erfasst worden, die Zustellung sei dort für den 14. November 2009 vorgesehen gewesen. Der verspätete Zugang habe nicht aufgeklärt wer-den können. Zur Glaubhaftmachung hat die Klägerin eine diese Tatsachen be- stätigende E-Mail des [X.] vorgelegt. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde. 2 I[X.] 1. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Berufungsgericht der Klägerin zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der 3 - 4 - Versäumung der Berufungsfrist verweigert hat, hat es das Verfahrensgrund-recht der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Es hat zudem nicht die ständige Rechtsprechung des [X.] beachtet. 4 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. a) Das Berufungsgericht lässt es dahinstehen, ob die Klägerin den Wie-dereinsetzungsantrag innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt hat. Davon ist auszugehen. Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter von der Versäumung der Berufungsfrist erst am 23. November 2009 erfahren hat und dass ihn hieran kein Verschulden trifft. 5 b) Das Berufungsgericht hält den Wiedereinsetzungsantrag für unbe-gründet. Zwar könne eine Prozesspartei auch bei Einschaltung eines privaten Beförderungsdienstes grundsätzlich darauf vertrauen, dass die normalen Post-laufzeiten eingehalten würden. Die Klägerin habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass der [X.] tatsächlich am 13. November 2009 dem privaten Zustelldienst überlassen worden sei. Die vorgelegte E-Mail bestätige lediglich die Übergabe eines an das Berufungsgericht gerichteten Großbriefes von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin an den Zustelldienst. Es gehe daraus aber nicht hervor, dass es sich um den [X.] im vorliegenden Verfahren gehandelt habe. Es sei daher möglich, dass die Postsendung einen anderen, ebenfalls an das Berufungsgericht gerichteten Schriftsatz enthalten habe. 6 c) Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsge-richt hat der Klägerin zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist versagt. 7 - 5 - aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch bei Einschaltung eines privaten Be-förderungsdienstes mangels gegenteiliger Anhaltspunkte darauf vertrauen durf-ten, dass die normalen Postlaufzeiten eingehalten werden (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Januar 2008 - [X.] 155/07, NJW-RR 2008, 930). 8 9 bb) Die Rechtsbeschwerde rügt jedoch zu Recht, dass das Berufungsge-richt gegen seine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 ZPO verstoßen und damit zugleich den Anspruch der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechts-schutzes und auf rechtliches Gehör verletzt hat. Das Berufungsgericht hätte die Klägerin auf seine Zweifel zum Inhalt des Großbriefs hinweisen und ihr Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens hinsichtlich des Versands des [X.]es geben müssen. Die Klä-gerin hatte in ihrem Wiedereinsetzungsantrag dargelegt, den [X.] am 13. November 2009 um 16.00 Uhr dem Postzustelldienst übergeben zu haben. Der Schriftsatz ging auch tatsächlich, wenn auch verspätet, beim [X.] ein. Es ging im Wiedereinsetzungsverfahren daher aus Sicht der Klägerin in erster Linie um den Grund für diese Verzögerung und um die Frage des Verschuldens. Es musste sich ihren Prozessbevollmächtigen dagegen nicht aufdrängen, dass das Berufungsgericht Zweifel daran haben könnte, dass es sich bei dem vom Postzustelldienst in seiner E-Mail genannten Großbrief nicht um den [X.] handeln könnte und dass deshalb insoweit von vornherein nähere Erläuterungen und weitere Glaubhaftmachung erforderlich sein könnten. Auf den notwendigen Hinweis hätte die Klägerin in zulässiger Weise ergänzend vortragen können (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2010 - [X.], [X.], 636; vom 16. Dezember 2009 - [X.], [X.], 458 und vom 13. Juni 2007 - [X.] 232/06, NJW 2007, 3212, je m.w.N.). 10 - 6 - 3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Die Klägerin hat in der Rechtsbeschwerde dargelegt, was sie nach dem gebotenen Hinweis ergän-zend dem Berufungsgericht gegenüber vorgetragen hätte: Im vorliegenden und in einem Parallelverfahren seien am 13. November 2009 die [X.] gefertigt und von einer [X.] in einem einzigen Großbrief dem Postzustelldienst übergeben worden; weitere Rechtsstreitigkeiten seien seinerzeit beim Berufungsgericht nicht anhängig gewesen. Die Klägerin hat ei-ne entsprechende eidesstattliche Versicherung der [X.] [X.]. Da das Berufungsgericht den Hinweis unterlassen hat, ist dieses klarstel-lende Vorbringen der Klägerin bei der Entscheidung über die [X.] zu berücksichtigen. 11 Der Klägerin war danach unter Aufhebung des angefochtenen Beschlus-ses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungs-frist zu gewähren. Sie hat glaubhaft gemacht, dass die Kanzleiangestellte ihrer Prozessbevollmächtigten den [X.] zusammen mit einem weite-ren am 13. November 2009 dem Postzustelldienst übergeben hat. Dies wird noch dadurch bestätigt, dass das Berufungsgericht selbst ausführt, in einem anderen Verfahren sei ebenfalls ein [X.] der Prozessbevoll-12 - 7 - mächtigten der Klägerin vom 13. November 2009 am 18. November 2009 ein-gegangen. Damit ist davon auszugehen, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin an der Versäumung der Berufungsfrist kein Verschulden trifft. 13 Die Verwerfung der Berufung als unzulässig ist gegenstandslos. [X.] Kuffer [X.]
Eick [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 05.10.2009 - 4 O 493/05 F - [X.] in [X.], Entscheidung vom [X.] - 9 U 140/09 -

Meta

VII ZB 28/10

10.03.2011

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2011, Az. VII ZB 28/10 (REWIS RS 2011, 8742)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8742

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