Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.07.2016, Az. XII ZB 203/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 7502

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:270716BXIIZB203.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]

vom

27. Juli 2016

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 D

Zu den Anforderungen an die Weiterleitung einer beim unzuständigen Gericht einge-reichten [X.].
[X.], Beschluss vom 27. Juli 2016 -
XII [X.] -
OLG Rostock

[X.] ([X.])

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 27. Juli 2016 durch den Vor-sitzenden
Richter
Dose, [X.] Klinkhammer, [X.] und [X.] und die Richterin Dr. [X.]
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familien-senats
des [X.]s Rostock vom 4. Mai 2015 wird auf Kosten der Antragsgegnerin verworfen.
Wert:

Gründe:
I.
Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Sie streiten um einen Vermö-gensausgleich nach Veräußerung des ehemaligen Familienhausgrundstücks.
Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin mit seinem später berichtigten Beschluss n zu [X.]. Der Beschluss ist den [X.]n der Antragsgegnerin am 24. November 2014 zugestellt worden. Die neue [X.] der Antragsgegnerin hat gegen den Beschluss mit am 23. Dezember 2014 beim Amtsgericht eingegangenem
Schriftsatz Beschwerde eingelegt
und zugleich "Prozesskostenhilfe" beantragt. Einen weiteren, die Beschwerdebegründung enthaltenden Schriftsatz hat die [X.] am 20. Januar 2015
per Fax an das Amtsgericht gesandt. Der Schriftsatz ist vom Amtsgericht an 1
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das [X.] weitergeleitet worden, bei diesem aber erst nach Ablauf der [X.] (26. Januar 2015) eingegangen.
Das [X.] hat die Beschwerde als unzulässig verworfen und das von der Antragsgegnerin
gestellte Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewie-sen. Dagegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG in Verbin-dung mit §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 5 FamFG und §§ 522 Abs. 1 Satz
4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzu-lässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entge-gen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer [X.] Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] nicht.
1. Das [X.] hat die Verwerfung der Beschwerde damit [X.], dass die Beschwerdebegründungsschrift erst nach dem 26.
Januar 2015, einem Montag, bei ihm eingegangen sei. Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand sei der Antragsgegnerin nicht zu gewähren, weil die Fristversäu-mung auf dem ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihrer [X.]n beruhe, die die [X.] beim unzuständigen Gericht eingereicht habe. Für das Amtsgericht habe auch nicht ausreichend Zeit bestanden, die Beschwerdebegründung im ordentlichen Geschäftsgang innerhalb der Begründungsfrist an das [X.] wei-terzuleiten.

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2. Diese Ausführungen bewegen sich im Rahmen der Rechtsprechung des [X.] und lassen keinen Zulassungsgrund im Sinne des §
574 Abs. 2 ZPO erkennen.
a) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die [X.] auch im Hinblick auf den Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts vom 22. Dezember 2014 versäumt worden ist. Denn die Be-richtigung eines Beschlusses wegen offenbarer Unrichtigkeit hat grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf von [X.] (vgl. Senatsbe-schluss vom 28.
Juni
2000

[X.] 157/99

FamRZ 2000,
1499 mwN). Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn etwa die berichtigte Fassung die Beschwer des Rechtsmittelführers
erst hinreichend erkennen lässt (vgl. Se-natsbeschluss vom 9. November 1994

[X.]/93

FamRZ 1995, 155, 156 mwN). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. Für die [X.] war vielmehr schon anhand der Begründung des Ausgangsbeschlus-ses unschwer zu erkennen, dass der vom Amtsgericht dem Antragsteller zuge-sprochene Betrag bei bekannten Ausgangsgrößen der Hauptforderung und der begründeten Gegenforderung, die die Antragsgegnerin zur Aufrechnung gestellt hat, offensichtlich fehlerhaft ermittelt worden ist und der letztlich eingesetzte Betrag der richtige ist.
Die Rechtsbeschwerde hat diesbezüglich auch keine Rüge erhoben.

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird die
Kausalität des [X.] nicht dadurch ausgeschlossen, dass
der Antragsgeg-nerin aufgrund verzögerter Vorlage der Beschwerdeschrift bis zum Ablauf der [X.] noch keine Eingangsbestätigung des Oberlan-desgerichts und kein Aktenzeichen mitgeteilt worden waren.
Denn die Pflicht
zur unverzüglichen Vorlage der Beschwerde (§ 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz
2 FamFG) dient zwar der Beschleunigung des Verfahrens,
kann und soll den 6
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Rechtsanwalt aber nicht von der eigenständigen Prüfung des richtigen Adressa-ten der Beschwerdebegründung und des Ablaufs der [X.] entlasten.
c) Etwas anderes gilt auch nicht wegen nicht rechtzeitiger Weiterleitung der Beschwerdebegründung an das [X.]
oder weil das Oberlan-desgericht vor seiner Entscheidung das mit der [X.] der Antragsgegnerin nicht beschieden hat.
aa)
Der Antragsgegnerin konnte wegen des von ihr gestellten Verfah-renskostenhilfegesuchs unabhängig von der Frage, ob sie sich für bedürftig [X.] durfte, keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden.
Denn selbst bei bestehender Bedürftigkeit wäre eine solche für die Fristversäumung nicht ursächlich geworden. Die Rechtsanwältin der Antragsgegnerin hat die Be-schwerde
nämlich
auch ohne Verfahrenskostenhilfebewilligung vorbehaltlos eingelegt und begründet (vgl. [X.] Beschluss vom 19. September 2013

IX
ZB 67/12

NJW 2014, 1307
Rn.
7 f.
mwN).

bb) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch nicht
deshalb
zu gewähren, weil die Beschwerdebegründung nicht rechtzeitig weitergeleitet [X.] wäre.
Geht eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung statt beim Rechtsmit-telgericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses grundsätzlich ver-pflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelge-richt weiterzuleiten (Senatsbeschlüsse vom
16. Januar 2014

[X.] 571/12

FamRZ 2014, 550 Rn. 14; vom 23. Mai 2012

[X.] 375/11

FamRZ
2012, 1205 Rn. 26
und vom 15. Juni 2011

[X.] 468/10

FamRZ 2011, 1389 Rn.
12). Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtsu-9
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chenden auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaats-prinzip). Geht der Schriftsatz so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres er-wartet werden kann, darf die [X.] darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim
Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden der [X.] oder ihrer [X.]n nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewäh-ren ist (Senatsbeschluss vom 23.
Mai
2012

[X.] 375/11

FamRZ 2012, 1205 Rn. 23 und [X.] Beschluss vom 6. November 2008

[X.]/06

FamRZ
2009, 320 Rn. 7 mwN).

cc) Gemessen daran konnte die Antragsgegnerin nicht erwarten, dass die Beschwerdebegründung noch bis zum 26. Januar 2015 beim [X.] eingehen würde. [X.] verfügte am 21. Januar 2015
die Weiterleitung der am 20. Januar 2015 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerdebegründung an das [X.]. Insoweit unterscheidet sich der Fall von der
mit der
Rechtsbeschwerde angeführten Entscheidung des [X.] vom 3. Juli 2006 (II ZB 24/05

NJW 2006, 3499). In jenem
Fall war die Weiterleitung vom Vorsitzenden erst 15 Tage nach Eingang verfügt worden und betrug die in der Entscheidung angenommene übliche Postlaufzeit zwischen Land-
und [X.] nur zwei Tage. Das lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres übertragen, weil hier die Versendung durch Kurier erfolgt ist. Dass der Schriftsatz nicht binnen der folgenden drei [X.] (22., 23. und 26. Januar 2015) beim [X.]
einging und die Kuriersendung erst am 26. Januar 2015 abging, widerspricht nicht dem or-dentlichen Geschäftsablauf und begründet daher nicht den Vorwurf eines Ver-stoßes gegen den Grundsatz des fairen
Verfahrens. Denn das Amtsgericht war als unzuständiges Gericht nur gehalten, die ersichtlich in die Empfangszustän-digkeit des [X.]s fallende Beschwerdebegründung an dieses [X.]
-
7
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terzuleiten. Es war hingegen nicht verpflichtet,
den Fristablauf
zu prüfen
und den Schriftsatz sodann als besonders eilig oder etwa per
Fax weiterzuleiten. Die Rechtsbeschwerde verkennt schließlich nicht, dass auch keine Verpflich-tung des Amtsgerichts bestand, die [X.] der Antragsgeg-nerin telefonisch über ihren Fehler zu informieren
(vgl. Senatsbeschluss vom 16. Januar 2014

[X.] 571/12

FamRZ 2014, 550 Rn. 15 mwN).
Wenn somit der Kurierdienst den Schriftsatz nicht so zeitig zum Rechts-mittelgericht befördert
hat, dass dadurch die Frist gewahrt werden konnte, ist dieses Risiko von dem Verfahrensbeteiligten zu tragen, dessen Rechtsanwalt den Schriftsatz an das falsche Gericht adressiert hat
(vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012

[X.] 61/12

FamRZ 2013, 436 Rn. 12).
Es bleibt daher bei der alleinigen Ursächlichkeit des [X.], so dass das Ober-landesgericht zu Recht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat.
[X.] Nedden-Boeger

[X.] [X.]

Vorinstanzen:
[X.] ([X.]), Entscheidung vom 25.08.2014 -
206 [X.]/11 -

OLG Rostock, Entscheidung vom 04.05.2015 -
11 UF 20/15 -

14

Meta

XII ZB 203/15

27.07.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.07.2016, Az. XII ZB 203/15 (REWIS RS 2016, 7502)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7502

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XII ZB 203/15

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