Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2006, Az. IX ZB 239/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5701

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[X.][X.] 239/04 vom 12. Januar 2006 in dem Verbraucherinsolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.] §§ 35, 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, § 287 Abs. 2 Satz 1, § 292 Abs. 1 Satz 3 a) Der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen wird von der [X.] gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht erfasst (Fortführung von [X.], [X.] 2005, 437). b) Der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen gehört zur [X.], wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor [X.] während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist. [X.], [X.]uss vom 12. Januar 2006 - [X.] 239/04 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] am 12. Januar 2006 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners und die sofortige Be-schwerde des Treuhänders werden der [X.]uss der 4. Zivil-kammer des [X.]s [X.] vom 29. September 2004 und der [X.]uss des Amtsgerichts [X.] vom 19. August 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren, an das Insolvenzgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 1.022,90 • festgesetzt. Dem Schuldner wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Pro-zesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt Dr. [X.] beigeordnet. - 3 - Gründe: [X.] Mit [X.]uss vom 24. Oktober 2001 eröffnete das Amtsgericht - Insolvenzgericht - auf Eigenantrag das vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder. Nach Durchführung des [X.] wurde das Verfahren durch [X.]uss vom 18. November 2003 aufgehoben. Zum Treuhänder im [X.] wurde der bisherige Treuhänder bestimmt. 1 Für das [X.] stand dem Schuldner ein Einkommensteuererstat-tungsanspruch von 1.162 • zu. Diesen teilte das Finanzamt, nachdem das In-solvenzverfahren am 18. November 2003 aufgehoben worden war, anteilig auf. Den auf die [X.] vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens entfallenden Betrag in Höhe von 1.022,90 • überwies es an die Gerichtskasse, den Restbetrag von 139,10 • an den Schuldner. 2 Mit [X.]uss vom 19. August 2004 hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - von Amts wegen entschieden, dass auch der an die [X.] überwiesene Betrag dem Schuldner zustehe. Auf die sofortige Be-schwerde des Treuhänders hat das [X.] den [X.]uss des [X.] abgeändert und festgestellt, dass der (Rest-)Anspruch auf Einkommens-teuererstattung in Höhe von 1.022,90 • dem Treuhänder zustehe. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die [X.] der erstinstanzlichen Entscheidung. 3 - 4 - I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 793 ZPO, weil sie vom [X.] zugelassen worden ist. Hieran ist das [X.] gebunden, § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO. 4 Für die Frage, was der Treuhänder durch die Abtretung erlangt, findet gemäß § 292 Abs. 1 Satz 3 [X.] die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 [X.] entsprechende Anwendung. Vorliegend geht es um die Frage, ob der [X.] pfändbares Einkommen darstellt. Dies ist in § 850 ZPO geregelt. Gemäß § 36 Abs. 4 [X.] ist für die Entscheidung dieser Frage wie in den Fällen des § 89 Abs. 3 [X.] das Insolvenzgericht als [X.] zuständig ([X.], [X.]. v. 5. Februar 2004 - [X.] 97/03, [X.], 732). Der Rechtsmittelzug richtet sich in diesem Fall nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften. Deshalb war hier gemäß § 793 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben ([X.], [X.]. v. 5. Februar 2004 aaO; v. 17. Februar 2004 - [X.] 306/03, Z[X.] 2004, 441). Der Be-schluss des [X.], dem eine Anhörung des Treuhänders vorausge-gangen war, hatte [X.] (vgl. [X.], [X.]. v. 6. Mai 2004 - [X.] 104/04, [X.], 1379). 5 Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, § 575 Abs. 1 bis 3 ZPO. 6 - 5 - II[X.] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der bisheri-gen Entscheidungen sowie zur Zurückverweisung an das Insolvenzgericht. 7 1. Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Anspruch auf Einkommensteuererstattung für das [X.] von der [X.] nach § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] umfasst sei und deshalb dem Treuhänder zustehe. 8 Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. Wie der [X.] zwischenzeitlich entschieden hat, wird der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzah-lungen von der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht er-fasst, weil er öffentlich-rechtlicher Natur ist und nicht den Charakter eines Ein-kommens hat, das dem Berechtigten aufgrund eines Arbeits- oder Dienstver-hältnisses zusteht ([X.], Urt. v. 21. Juli 2005 - [X.] ZR 115/04, [X.] 2005, 437, 438). 9 2. Der streitige Betrag unterfällt damit derzeit dem Verwaltungs- und Ver-fügungsrecht des Schuldners. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch [X.]uss vom 18. November 2003 hat der Schuldner dieses Recht über sein Vermögen zurückerlangt, soweit es nicht von der Abtretung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] erfasst wird. Der Anspruch auf Steuerrückerstattung war damit aus der Insolvenzbeschlagnahme entlassen (MünchKomm-[X.]/[X.], § 200 Rn. 31, § 203 Rn. 21; [X.]/[X.], [X.] § 200 Rn. 6 f). 10 3. Das Insolvenzgericht hätte jedoch von Amts wegen die Anordnung einer [X.] gemäß § 203 Abs. 1 [X.] prüfen müssen. Eine [X.] - 6 [X.] Anordnung ist auch im Verbraucherinsolvenzverfahren zulässig ([X.], [X.]. v. 1. Dezember 2005 - [X.] 17/04, z.[X.].). Diese Entscheidung wird das Insolvenzgericht nach der Zurückverweisung nachzuholen haben. Mit der Anordnung der [X.] tritt dann eine erneute Insolvenzbeschlag-nahme ein (MünchKomm-[X.]/[X.], § 203 Rn. 21; HK-[X.]/[X.], aaO § 203 Rn. 6). Bei seiner Entscheidung wird das Insolvenzgericht davon auszugehen haben, dass der streitige Betrag nach dem Schlusstermin als Gegenstand der Masse ermittelt worden ist, § 203 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. 12 Nach § 35 [X.] erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Gegenstände, die nicht gepfändet werden können, gehören gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht zur Insolvenzmasse (vgl. [X.] 92, 339, 340 f). Ansprüche auf Erstattung von Einkommensteuer sind jedoch gemäß § 46 Abs. 1 [X.] pfändbar ([X.] 157, 195; [X.], 1, 3; [X.], 277, 278; [X.], [X.] 12. Aufl. § 35 Rn. 68). 13 Der Anspruch auf Steuererstattung entsteht, wie die Einkommensteuer-schuld, gemäß § 38 [X.] i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des [X.]. Vor diesem [X.]punkt steht nicht fest, ob für das Kalenderjahr eine Einkommensteuer entstanden ist, die niedriger ist als die Vorauszahlun-gen, die der Steuerpflichtige geleistet hat ([X.], 146, 147; 179, 547, 550 f). Die Steuerfestsetzung hat auf den Entstehungszeitpunkt keinen Einfluss; denn sie hat für das Steuerschuldverhältnis nur deklaratorischen Charakter ([X.], 300, 301; [X.]/[X.], [X.] § 35 Rn. 109). 14 - 7 - Die Frage, welchem Vermögen [X.] zuzuordnen sind, bestimmt sich für die Zwecke des Insolvenzverfahrens nicht nach Steuer-recht, sondern nach Insolvenzrecht. Maßgebend ist danach nicht der [X.]punkt der Vollentstehung des Rechts, sondern der [X.]punkt, in dem nach insolvenz-rechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden ist ([X.], 146, 147; 172, 308, 310; 179, 547, 551). Der Anspruch hängt in diesem Fall nur noch vom [X.]ablauf ab (vgl. [X.] 92, 339, 341). 15 Dieser Rechtsgrund ist hier bereits mit der Abführung der Lohnsteuer entstanden, die auf die Einkommensteuer anzurechnen ist, § 36 Abs. 2 EStG. Durch Steuerabzug erhoben im Sinne dieser Vorschrift ist auch die gemäß § 38 EStG einbehaltene und an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer ([X.]/[X.], EStG 24. Aufl. § 36 Rn. 5, § 38 Rn. 1). 16 Der Erstattungsanspruch stand lediglich unter der aufschiebenden Be-dingung, dass am Jahresende die geschuldete Einkommensteuer geringer sein würde als die Summe der Anrechnungsbeträge, so dass sich gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 37 Abs. 2 [X.] ein Erstattungsbetrag ergab (vgl. [X.] 1979, 639, 640; [X.], 547, 551; Tipke/[X.], [X.] Stand Septem-ber 2005 § 251 Rn. 102; [X.]/[X.], [X.] § 35 Rn. 109). Die [X.] ist bereits dann etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt verwirklicht worden ist ([X.], [X.] 8. Aufl. § 251 Rn. 25; MünchKomm-[X.]/[X.], § 95 Rn. 26). 17 Der Insolvenzschuldner hat mit der Vorauszahlung eine Anwartschaft auf den am Ende des Veranlagungszeitraums entstehenden Erstattungsanspruch, so dass dieser in die Masse fällt, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens 18 - 8 - oder während dessen Dauer der ihn begründende Sachverhalt verwirklicht ist. Derartige Steuererstattungsanspüche werden daher zu Recht allgemein als zur Insolvenzmasse gehörig angesehen ([X.], 300, 301; 179, 547, 551 und ständig; [X.] NZI 2001, 270, 271; AG Dortmund Z[X.] 2002, 685; [X.]/[X.], [X.] § 35 Rn. 109; [X.], [X.] § 35 Rn. 68; [X.]/ [X.], [X.] § 1 KO Anm. 2 [X.]; [X.]/[X.], § 35 Rn. 84; MünchKomm-[X.]/[X.], § 35 Rn. 422; Tipke/[X.] aaO § 251 Rn. 102; [X.]/[X.], [X.] § 251 Rn. 104; [X.], [X.] 2. Aufl. § 35 f Rn. 250; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 35 Rn. 24; [X.]/[X.]/[X.], § 35 Rn. 59; [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 35 Rn. 70; Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz 5. Aufl. S. 52). - 9 - 4. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zu-rückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO; vgl. [X.] 160, 176, 185 f). 19 [X.] [X.]

[X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 19.08.2004 - [X.]LG [X.], Entscheidung vom 29.09.2004 - 4 T 169/04 -

Meta

IX ZB 239/04

12.01.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2006, Az. IX ZB 239/04 (REWIS RS 2006, 5701)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5701

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VIII R 21/16

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