Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2005, Az. IX ZR 115/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 2438

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04
Verkündet am: 21. Juli 2005 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: ja zu I[X.] [X.]R: ja

[X.] § 287 Abs. 2, § 294 Abs. 1 und 3; BGB § 394

a) Die Abtretung der Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis an einen vom Insolvenzgericht bestimmten Treuhänder erfaßt nicht den Anspruch auf [X.] und Einkommensteuerzahlungen.
b) In der Wohlverhaltensperiode besteht kein allgemeines [X.] für die Insolvenzgläubiger.
[X.], Urteil vom 21. Juli 2005 - [X.]/04 - [X.]

AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2005 durch [X.] [X.], [X.] Ganter, [X.], [X.] und die Richterin [X.]
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landge-richts [X.] vom 19. Dezember 2003 wird auf Kosten der Klä-gerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin befindet sich seit dem 26. Juli 2001 in der sogenannten Wohlverhaltensperiode nach vorangegangenem, im Jahre 2000 eröffnetem Verbraucherinsolvenzverfahren. Mit Einkommensteuerbescheiden vom 31. Juli 2002 setzte das dem beklagten Land angehörige Finanzamt Steuererstat-tungsansprüche für den Veranlagungszeitraum 2000 in Höhe von 426,13 • und für das [X.] über 596,50 • fest, zahlte diese jedoch nicht an die Klägerin aus, sondern rechnete mit rückständigen, noch vor Insolvenzeröffnung begrün-deten Steuerforderungen auf. Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung der Steuererstattungsforderung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und dies damit begrün-- 3 - det, § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.] stehe der von dem Beklagten erklärten Aufrechnung nicht entgegen.

Mit ihrer zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, nach ihren Schlußanträgen aus der Berufungsinstanz zu erkennen.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.

[X.]
Das Berufungsurteil ist nicht schon deshalb von Amts wegen aufzuhe-ben, weil es den Berufungsantrag der Klägerin nicht ausdrücklich wiedergibt.

Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO reicht für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes die Bezugnahme auf die tatsächli-chen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil anstelle des Tatbestandes aus. Eine solche Verweisung kann sich allerdings nicht auf den in zweiter In-stanz gestellten Berufungsantrag der Klägerin erstrecken. Denn eine Aufnahme der [X.] in das Berufungsurteil ist auch nach neuem Recht, das eine weitgehende Entlastung der Berufungsgerichte bei der [X.] bezweckt (Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 540 Rn. 1), nicht entbehrlich ([X.] 154, 99, 100 f; 156, 216, 217 f; [X.], Urt. v. 22. Dezember 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 494; v. 13. Januar 2004 - [X.], NJW-RR 2004, - 4 - 573; v. 11. Februar 2004 - [X.], NJW 2004, 1390, 1391). Der Antrag des Berufungsklägers braucht aber nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden; aus dem Zusammenhang muß lediglich sinngemäß deutlich werden, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. So kann bei der Berufung des [X.] mit unverändertem Weiterverfolgen des erstinstanzlichen Sachantrags gegen ein klageabweisendes Urteil die Erwähnung dieser [X.] genügen.

Hier hat das [X.] - wenn auch im Rahmen der Gründe - auf die Berufungsschrift Bezug genommen. Dort hat die Klägerin ihren Berufungsan-trag gegen das klageabweisende Urteil angekündigt. Hieraus ergibt sich, daß dieser Sachantrag unverändert in der mündlichen Verhandlung gestellt worden ist, obwohl der erstinstanzliche, in der Berufungsschrift wiederholte Antrag den Zinsrahmen des § 288 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 291 Satz 2 BGB nicht ausgeschöpft hat. Der Berufungsantrag des beklagten [X.] ist ebenfalls ge-stellt.

I[X.]
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Die von der Klägerin geltend gemachte Forderung ist gemäß § 226 Abs. 1 [X.], § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen. Ein [X.] steht dem nicht entge-gen.

1. a) In dem Zeitraum nach Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 Abs. 1 [X.]) und Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 289 Abs. 2 - 5 - Satz 2, § 200 Abs. 1 [X.]), der sogenannten Wohlverhaltensperiode, schließt das Gesetz in § 294 Abs. 3 [X.] die Aufrechnung durch Insolvenzgläubiger gegen Forderungen aus, die gemäß § 287 Abs. 2 [X.] von der Abtretung an den Treuhänder erfaßt sind und gegen die bei [X.] gemäß § 114 Abs. 2 [X.] außerhalb des in § 114 Abs. 1 [X.] bezeichne-ten Zeitraums die Aufrechnung ebenfalls ausgeschlossen wäre.

b) Um solche an den Treuhänder abgetretene Forderungen des [X.] auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende lau-fende Bezüge handelt es sich bei den [X.] im [X.] nicht. Die Klägerin ist deshalb zwar Forderungsinhaberin, die Aufrechnung jedoch ist nicht nach § 294 Abs. 3 [X.] ausgeschlossen.

[X.]) Allerdings wird teilweise vertreten, daß auch der Anspruch auf [X.] von der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] erfaßt werde, weil der Begriff der Bezüge weit [X.] sei und es genüge, wenn es sich um eine einmalige Zahlung handele, die mit einer Arbeitstätigkeit des Schuldners im Zusammenhang stehe (AG [X.] Z[X.] 2001, 630; [X.]/Prütting/[X.], [X.] § 287 Rn. 9; [X.]/ [X.], [X.] 12. Aufl. § 287 Rn. 31).

[X.]) Diese Auffassung trifft jedoch nicht zu. Der Anspruch auf Erstattung überzahlter Lohnsteuer hat zwar seinen materiellen Ursprung insofern in dem Arbeitsverhältnis, als zum Arbeitslohn auch die Lohnsteuer gehört, die der Ar-beitgeber gemäß § 38 EStG einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen hat. Nach der Rechtsprechung des [X.] wandelt sich die Rechts-natur des als Lohnsteuer einbehaltenen Teils der Bezüge jedoch aufgrund des - 6 - entstehenden Lohnsteueranspruchs des St[X.]tes. Im Fall einer Rückerstattung wird aus dem Steueranspruch des St[X.]tes der Erstattungsanspruch des Steu-erpflichtigen (§ 37 Abs. 2 [X.]), ohne dabei seinen öffentlich-rechtlichen [X.] zu verlieren. Der an den Steuerpflichtigen zu erstattende Betrag erlangt, auch wenn er wirtschaftlich betrachtet das auf den Veranlagungszeitraum ent-fallende Einkommen erhöht, nicht wieder den Charakter eines Einkommens, das dem Berechtigten aufgrund einer Arbeits- oder Dienstleistung zusteht ([X.]NV 1996, 10, 12; 281, 282; 1999, 738, 739). [X.] unterfallen deshalb grundsätzlich nicht der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] (vgl. [X.] Z[X.] 2000, 507, 508; [X.] Z[X.] 2004, 558; [X.] Z[X.] 2004, 1368, 1369; [X.] 2005, 251 f; [X.] 2005, 331, 332; [X.] 2005, 333; MünchKomm-[X.]/[X.], § 287 Rn. 40; MünchKomm-[X.]/ Ehricke, § 294 Rn. 39; [X.] Z[X.] 2001, 452, 453).

2. Weitere die [X.] in der Wohlverhaltensperiode ausschließende Bestimmungen sind der Insolvenzord-nung nicht zu entnehmen.

a) Die Revision beruft sich auf den im [X.] des § 294 Abs. 1 [X.] zum Ausdruck kommenden übergeordneten Rechtsgedan-ken, daß die Insolvenzgläubiger während der Laufzeit der Abtretungserklärung gleichbehandelt werden sollen, und sieht in § 394 Satz 1 BGB einen auch für den Streitfall geltenden [X.]. Sie stützt sich dabei auf eine in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung, nach der entsprechend § 294 Abs. 1 [X.] Insolvenzgläubiger in der Wohlverhaltensphase nicht nur mit der Vollstreckung, sondern grundsätzlich auch mit der Aufrechnung ausge-- 7 - schlossen sein sollen. § 294 Abs. 3 [X.] sei als Ausnahmevorschrift anzuse-hen, die zugunsten einzelner Gläubiger wie der Arbeitgeber in bestimmten Fäl-len die an sich ausgeschlossene Aufrechnung gestatte (vgl. [X.], 334, 335; HK-[X.]/Landfermann, [X.] 3. Aufl. § 295 Rn. 9; [X.]/ [X.], [X.]O § 294 Rn. 34; [X.] Z[X.] 2001, 452, 453 ff).

b) Diese Auffassung ist jedoch mit der Systematik und Entstehungsge-schichte des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Ein allgemeines [X.] für Insolvenzgläubiger in der Wohlverhaltensperiode besteht nicht (e-benso: [X.] Z[X.] 2000, 507, 508; [X.] Z[X.] 2004, 558, 559; [X.] Z[X.] 2004, 1368, 1369; [X.] 2005, 331, 332; [X.] 2005, 333; [X.] in [X.]/Prütting, [X.]O § 294 Rn. 7; [X.]/[X.], [X.] § 294 Rn. 16; MünchKomm-[X.]/ Ehricke, § 294 Rn. 39; [X.], [X.] 2. Aufl. § 295 Rn. 10; FK-[X.]/[X.], [X.]O § 294 Rn. 35a; [X.], Insolvenzrecht 3. Aufl. [X.] Rn. 26.46). [X.] läßt sich - jedenfalls für den Bereich der [X.] - insbe-sondere nicht aus dem geltenden [X.] herleiten.

Die Vorschriften der [X.] schließen für die Dauer des In-solvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung für einzelne Insolvenzgläubiger sowohl in die Insolvenzmasse als auch in das sonstige Vermögen des [X.] generell aus (§ 89 Abs. 1 [X.]). Demgegenüber sind die Einschränkun-gen der [X.] gemäß den §§ 94 ff [X.] differenzierter ausges-taltet. Ähnliches gilt für den Zeitraum der Wohlverhaltensperiode: Dem in § 294 Abs. 1 [X.] geregelten generellen [X.] steht die nur für eine bestimmte Fallgestaltung vorgesehene Beschränkung der Aufrech-nungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern in § 294 Abs. 3 [X.] gegenüber. - 8 - Dieser Differenzierung würde es nicht gerecht werden, das umfassend gelten-de [X.] mit einem generell geltenden [X.] gleichzusetzen.

[X.]) § 294 Abs. 3 [X.] läßt sich nicht als eine die Aufrechnung in be-stimmten Fällen gestattende Ausnahmevorschrift zu einem ansonsten nach § 294 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 394 Satz 1 BGB geltenden Aufrech-nungsausschluß interpretieren. Der Wortlaut der Norm schränkt die - im übri-gen bestehende - [X.] lediglich ein. Allein dies war vom [X.]geber auch gewollt. In § 233 DiskE-[X.] war eine gesonderte Regelung zur Aufrechnung zunächst nicht vorgesehen (vgl. Diskussionsentwurf des [X.], Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, Entwurf einer [X.] und anderer Reformvorschriften mit Begründung und Anhang [1988]). Das hat Kritik erfahren, weil die dem Schuldner von Dienstbezügen eröffnete Möglichkeit ei-ner Aufrechnung über den in § 114 Abs. 1 und 2 [X.] eröffneten Zeitraum hin-aus die [X.] der Insolvenzgläubiger gefährde und mit dem Ziel der Restschuldbefreiung nicht zu vereinbaren sei ([X.] 1989, 1065, 1066). Erst daraufhin wurde die Einschränkung der Aufrechnungsbefug-nis in § 233 Abs. 3 RefE-[X.] und später dann in § 294 Abs. 3 [X.] aufge-nommen (vgl. FK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 294 Rn. 35; Döbereiner, [X.] nach der [X.] [1997], [X.] ff). Dieser Regelung lag mithin auch aus der Sicht des [X.] die ansonsten unbeschränk-te Aufrechnungsmöglichkeit der Insolvenzgläubiger zugrunde.

[X.]) Auch unter der Geltung der Konkursordnung war die Aufrechnung eines Konkursgläubigers gegen eine zum [X.] Vermögen des Ge-meinschuldners gehörende Forderung trotz des gemäß § 14 KO geltenden - 9 - [X.]es nach der Rechtsprechung des [X.] nicht unzulässig; denn die Aufrechnung hat zwar als [X.] im Wege der Selbsthilfe Ähnlichkeiten mit der Zwangsvollstreckung, un-terscheidet sich von ihr jedoch zum einen in der außergerichtlichen Durchset-zung und zum anderen darin, daß der Zugriff nur unter Aufopferung der eige-nen Forderung des Gläubigers möglich ist ([X.], Urt. v. 26. Juni 1971 - [X.], NJW 1971, 1563; [X.]/[X.], [X.]. § 387 Rn. 45). Diese Auffassung ist zwar teilweise kritisiert worden, weil die Aufrechnung ge-gen eine zum [X.] Vermögen des Gemeinschuldners gehörende For-derung in den §§ 53 ff KO nicht abschließend geregelt sei und deshalb § 394 BGB eingreife (vgl. [X.]/[X.], [X.]. § 14 Rn. 12; [X.], Probleme der Aufrechnung mit Konkurs- und Masseforderungen [1981], S. 81 ff). Der [X.] hat an seiner Rechtsprechung jedoch festgehalten und in einer weiteren Entscheidung ausgeführt, das Vollstreckungsverbot des § 14 Abs. 1 KO begründe auch kein Abtretungshindernis nach § 400 BGB. Diese Norm sei lediglich für solche Forderungen gedacht, deren Unpfändbarkeit aus Gründen des allgemeinen Wohls dem Ziel diene, dem [X.] den nötigen Lebensunterhalt zu sichern; die Schutzziele von § 14 KO, dem Gemeinschuldner einen Neuerwerb zu ermöglichen und die Gleichbehandlung der Konkursgläubiger zu gewährleisten, stimmten damit nicht überein ([X.] 125, 116, 121 ff). Diese Erwägungen gelten für § 394 Satz 1 BGB entspre-chend: Auch das [X.] soll im öffentlichen Interesse verhindern, daß dem Gläubiger der unpfändbaren Forderung der nötige Lebensunterhalt entzogen wird oder aber, sofern das nicht in Betracht kommt, jedenfalls dem allgemeinen Wohl und dem St[X.]tsinteresse dienen (vgl. [X.]/[X.], Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches, Recht der Schuldverhältnisse I §§ 241 bis 432 [1978], S. 714). Daß der Gesetzgeber mit der dem § 14 Abs. 1 - 10 - KO entsprechenden Regelung in § 89 Abs. 1 [X.] an dieser für die [X.] geltenden Rechtslage etwas Grundlegendes hat ändern wollen, ist nicht ersichtlich.

[X.]) Das gemäß § 201 Abs. 3, § 294 Abs. 1 [X.] in der Wohlverhaltens-periode zum Tragen kommende [X.] dient ähnlichen Zwecken wie der Ausschluß der Zwangsvollstreckung in konkurs- bzw. insol-venzfreies Vermögen gemäß § 14 Abs. 1 KO, § 89 Abs. 1 [X.]. Die Norm will erreichen, daß sich in der Wohlverhaltensphase die [X.] der Insolvenzgläubiger untereinander nicht verschieben. Ferner soll der [X.] des Schuldners, der nicht gemäß § 287 Abs. 2 [X.] an den Treuhänder abgetreten oder an diesen gemäß § 295 [X.] herauszugeben ist, dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen sein (vgl. Begründung zu § 243 RegE-[X.], BT-Drucks. 12/2443, [X.]). Diese Zielrichtungen stimmen - ebenso wie bei § 14 Abs. 1 KO (vgl. [X.] 125, 116, 123) - nicht mit denjenigen überein, die den in § 394 Satz 1 BGB gemeinten Pfändungsverboten zugrunde liegen. Ein allgemeines [X.] gilt deshalb auch insoweit nicht.

[X.]) Dem steht nicht entgegen, daß der Senat für den [X.] die Aufrechnung gegen Forderungen des Schuldners, die nach Eingang eines Antrages auf Eröffnung der [X.] begründet werden, entsprechend § 394 Satz 1 BGB für unzuläs-sig angesehen hat, soweit gemäß § 2 Abs. 4 [X.] die Zwangsvollstreckung vorläufig eingestellt worden ist und das Verfahren später eröffnet wird ([X.] 130, 76; 137, 267, 287; [X.], Urt. v. 18. April 1996 - [X.] ZR 206/95, [X.], 1063 f; v. 24. Oktober 1996 - [X.] ZR 284/95, [X.], 2250, 2251). Diese - im Schrifttum umstrittene (vgl. [X.] ZIP 1995, 1146, 1152 f; [X.] EWiR - 11 - 1995, 1195, 1196; No[X.]e, [X.], 117 ff) - Rechtsprechung be-ruht auf der besonderen Vorschrift des § 2 Abs. 4 [X.], wonach gegen den Schuldner eingeleitete, bei Antragstellung noch nicht abgeschlossene [X.] gerichtlich sofort einzustellen sind (vgl. [X.], Urt. v. 21. März 1996 - [X.] ZR 195/95, [X.], 845, 846). Diese Regelung hat weder in der Konkursordnung noch in der [X.] eine Parallele. Entgegen einer von den Instanzgerichten teilweise vertretenen Meinung ([X.], 221; [X.] Z[X.] 2002, 1092, 1093) läßt sich die Rechtsprechung zur Un-wirksamkeit von Aufrechnungen nach § 394 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 4 [X.] daher nicht auf die [X.] übertragen. Diese enthält zudem mit § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] eine Sonderregelung für anfechtbar begründete [X.], die den Rückgriff auf in anderen Gesetzen enthaltene Rege-lungen ausschließt ([X.], Urt. v. 29. Juni 2004 - [X.] ZR 195/03, [X.], 1693, 1694, z.[X.]. in [X.]).

ee) Ein Ausschluß jedweder Aufrechnung durch Insolvenzgläubiger ge-mäß § 294 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 394 Satz 1 BGB wäre auch deshalb verfehlt, weil dies den Wertungen widerspräche, die das Gesetz hinsichtlich der [X.] für den Zeitraum des [X.] in den §§ 94 ff [X.] getroffen hat. Ein solcher Wertungswider-spruch ergibt sich dann, wenn Gläubigern im laufenden Insolvenzverfahren die Aufrechnung gestattet ist. Der Schutz der Gläubigergesamtheit rechtfertigt es nicht, solche Gläubiger in dem anschließenden [X.] aufgrund eines umfassenden [X.]s schlechter zu stellen. Für den hier geltend gemachten [X.] folgt daraus:
- 12 - Soweit der Anspruch auf Steuererstattung auf zuviel einbehaltener Lohnsteuer im Zeitraum vor Insolvenzeröffnung beruht - was für einen Teil des Veranlagungszeitraums 2000 zutrifft -, kann das Finanzamt in der Insolvenz mit anderen Steuerforderungen gegen diesen Erstattungsanspruch aufrechnen (§ 95 Abs. 1 [X.]). Leistet der Steuerpflichtige Vorauszahlungen etwa auf die Einkommensteuer, erlangt er bereits mit Vornahme der Zahlungen einen [X.], daß die nach Ablauf des Veranlagungszeitraums geschuldete Steuer geringer ist als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen (vgl. [X.], 146, 148; 170, 300, 302; Münch-Komm-[X.]/[X.], § 95 Rn. 25; a.A. [X.] in: [X.] zur Insol-venzordnung, 2. Aufl. [X.] Rn. 24). Das gilt auch in dem hier gegebenen Fall bei Abzügen vom Lohn. Wegen des Vorrangs von § 95 Abs. 1 [X.] gegenüber § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist in solchen Fällen die Aufrechnung nicht ausge-schlossen (MünchKomm-[X.]/[X.], § 95 Rn. 25, § 96 Rn. 18). Für den Zeitraum der Wohlverhaltensperiode, in dem nach Aufhebung des [X.] die zuvor bestehenden Aufrechnungsbeschränkungen des § 96 [X.] nicht mehr eingreifen (MünchKomm-[X.]/[X.], § 96 Rn. 3; Uhlen-bruck, [X.]O § 96 Rn. 33), kann konsequenterweise im Ergebnis nichts anderes gelten.

ff) Soweit wie im Streitfall nicht gegen Forderungen aufgerechnet wird, deren Erlös der Schuldner nach § 295 Abs. 1 [X.] an den Treuhänder auszu-kehren hat, werden die [X.] der Insolvenzgläubiger infolge der Aufrechnung auch nicht geschmälert. Die Gleichbehandlung der Insolvenz-gläubiger ist lediglich insofern beeinträchtigt, als dem aufrechnenden Gläubiger eine bessere Befriedigungsmöglichkeit gewährt wird. Diese sich aus dem [X.] ergebende Privilegierung der Aufrechnungslage mag kritikwürdig sein (vgl. Döbereiner, [X.]O S. 271), ist jedoch hinzunehmen, weil der Gesetzgeber über - 13 - die Regelung des § 294 Abs. 3 [X.] hinaus keine Norm geschaffen hat, die die Aufrechnung während der Wohlverhaltensperiode einschränkt. [X.] gilt, soweit gegen die Aufrechnungsmöglichkeit eingewandt wird, daß sie wegen der entstehenden Vermögenseinbußen dem Ziel des Gesetzes zuwider-laufe, dem Schuldner mit Erteilung der Restschuldbefreiung einen wirtschaftli-chen Neuanfang zu ermöglichen (vgl. hierzu [X.] 2003, 428, 429; [X.] Z[X.] 2003, 547, 548). Auch dieser Gesichtspunkt rechtfertigt nicht ohne weiteres ein umfassendes [X.]. Das verdeutlicht der vor- - 14 - liegende Fall, in dem die Steuererstattungsforderung der Klägerin sich zum Teil auf in die [X.] fallende Veranlagungszeiträume [X.], so daß dieser Anspruch jedenfalls nicht im vollen Umfang als beschlag-nahmefreier Neuerwerb zu werten ist.

[X.]
Ganter [X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 115/04

21.07.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2005, Az. IX ZR 115/04 (REWIS RS 2005, 2438)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2438

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