Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.02.2019, Az. VIII B 103/18

8. Senat | REWIS RS 2019, 10611

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Gegenstand

Rüge eines Verstoßes gegen die Grundordnung des Verfahrens im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren


Leitsatz

NV: Verfahrensmängel, die --wie die Verletzung der Grundordnung des Verfahrens bei Missachtung der Vorgreiflichkeit eines Feststellungsverfahrens-- im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen wären, müssen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unter genauer Angabe der den Mangel ergebenden Tatsachen gerügt werden .

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2017 11 K 1430/14 E,[X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet und im Ergebnis als unbegründet zurückzuweisen.

2

1. Die Beschwerde ist nicht wegen eines Verstoßes des Finanzgerichts ([X.]) gegen die Grundordnung des Verfahrens und damit wegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) begründet, da die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) einen solchen Fehler hätten rügen müssen.

3

Das [X.] hat im Rahmen der Klage gegen die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre (2007 und 2008) über die Zuordnung von Einkünften aus Provisionen zu einem gewerblichen Einzelunternehmen oder zu den Sonderbetriebseinnahmen des [X.] bei verschiedenen Personengesellschaften entschieden.

4

Inwieweit über die Steuerpflicht dieser Einnahmen und über deren Zuordnung im Streitfall vorgreiflich in einem gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid für die Einkünfte bei den in Betracht kommenden Personengesellschaften zu entscheiden und das Klageverfahren vom [X.] gemäß § 74 [X.]O auszusetzen gewesen wäre, kann jedoch im Streitfall offenbleiben. Zwar hat das [X.] grundsätzlich ein Verfahren betreffend einen Folgebescheid (hier: die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre) gemäß § 74 [X.]O auszusetzen, wenn in ihm Einwendungen erhoben werden, über die in einem Grundlagenbescheid (hier: gesonderte und einheitliche Feststellung) zu entscheiden ist. Dabei spielt es grundsätzlich auch keine Rolle, ob der Grundlagenbescheid --wie im Streitfall vom [X.] für die verschiedenen Gesellschaften festgestellt-- bereits ergangen und gegebenenfalls auch angefochten ist oder ob ein solcher erst noch ergehen muss (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des [X.] --[X.]-- Urteil vom 15. März 2017 I R 41/16, [X.], 246, Rz 14). Verfahrensmängel, die --wie die hier im Raum stehende Verletzung der Grundordnung des Verfahrens-- im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen wären, müssen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde aber unter genauer Angabe der den Mangel ergebenden Tatsachen geltend gemacht werden ([X.] vom 1. August 2008 VIII B 154/07, juris, unter [X.]; s.a. [X.] vom 13. Oktober 2009 X B 67/09, juris). Die Kläger haben in der Beschwerde einen solchen Verfahrensfehler aber weder ausdrücklich noch konkludent gerügt.

5

2. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen der geltend gemachten Abweichungen des [X.]-Urteils von den von den Klägern benannten vermeintlichen Divergenzentscheidungen gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O zuzulassen.

6

a) Die behauptete Abweichung der Vorentscheidung zum [X.]-Urteil vom 8. Juni 2000 IV R 39/99, [X.], 494, [X.], 670 liegt schon mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht vor. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenz gehört neben der Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits des Weiteren auch eine Begründung, dass es sich im Streitfall und in der Divergenzentscheidung um vergleichbare Sachverhalte und eine jeweils identische Rechtsfrage handelt; durch den vom [X.] aufgestellten Rechtssatz muss der Sachverhalt des [X.] als mitentschieden gelten ([X.] vom 12. Juni 2008 XI B 201/07, juris, unter b).

7

Dies ist nicht der Fall. Gegenstand des [X.]-Urteils in [X.], 494, [X.], 670 war die Frage, ob Schuldzinsen des dortigen [X.] nach dessen Ausscheiden aus einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft im Zusammenhang mit einer betrieblichen Verbindlichkeit des [X.] standen und betrieblich veranlasst waren. Der Kläger jenes Streitfalls hatte Honorare veruntreut, die der Gesellschaft zustanden, dies jedoch später offengelegt und eine kreditfinanzierte Ausgleichszahlung an seine früheren Mitgesellschafter geleistet. Zu entscheiden war, ob die Ausgleichszahlung auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhte und damit betrieblich oder als Schadensersatzverpflichtung privat veranlasst war. Im Streitfall geht es jedoch darum, ob Provisionszahlungen, die der Kläger erhalten hat, weil er Mandanten der Steuerberatungssozietät, an der er beteiligt war, Beteiligungen an einer [X.] Kommanditgesellschaft zur Kapitalanlage vermittelte, als Sonderbetriebseinnahmen bei der Sozietät zu erfassen sind. Nach welchen abstrakten Abgrenzungskriterien zu entscheiden ist, ob eine Ausgleichszahlung des "untreuen Gesellschafters" betrieblich oder privat veranlasst ist, stellt aber eine andere Rechtsfrage dar als die im Streitfall erhebliche Frage, nach welchen abstrakten Kriterien abzugrenzen ist, ob Einnahmen als Sonderbetriebseinnahmen eines Mitunternehmers bei einer Mitunternehmerschaft oder in einem von diesem betriebenen Einzelunternehmen erzielt werden.

8

b) Soweit die Kläger eine Abweichung des [X.]-Urteils vom [X.]-Urteil vom 22. Juni 2006 IV R 56/04, [X.]E 214, 226, [X.], 838 rügen, legen sie keine Divergenz dar. Sie arbeiten zwar einen abstrakten Rechtssatz dieses [X.]-Urteils zum Umfang der Sonderbetriebseinnahmen eines Mitunternehmers heraus. Jedoch übersehen die Kläger, dass es sich bei dem bezeichneten abweichenden Rechtssatz in der vermeintlichen Divergenzentscheidung um einen Rechtssatz handeln muss, der entscheidungserheblich ist und diese Entscheidung trägt (vgl. [X.] vom 12. Juni 2008 XI B 201/07, juris, unter a). Daran fehlt es. Der [X.] hob die Vorentscheidung in der vermeintlichen Divergenzentscheidung in [X.]E 214, 226, [X.], 838 ausschließlich wegen eines Verfahrensfehlers auf. Der von den Klägern angeführte Rechtssatz unter [X.] des [X.]-Urteils in [X.]E 214, 226, [X.], 838 war nicht tragend dafür, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben. Der [X.] gab in der bezeichneten Passage dieser Entscheidung lediglich Hinweise, wie das [X.] im zweiten Rechtsgang zu entscheiden habe, wenn es einen bestimmten Sachverhalt feststellen würde.

9

c) Auch die Rüge, das [X.] sei unbewusst von einem Rechtssatz in der Entscheidung des [X.] Berlin-Brandenburg vom 6. September 2016  6 K 6064/14 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2016, 1862) abgewichen, ist nicht begründet.

Eine Abweichung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O ist zwar --wie die Kläger vortragen-- nicht nur anzunehmen, wenn das [X.] einen Rechtssatz ausdrücklich abweichend von einem Rechtssatz des [X.] formuliert, sondern es genügt, wenn das [X.] eine Rechtsfrage in fallbezogenen Rechtsausführungen abweichend entscheidet und sich dies aus den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich ergibt (vgl. z.B. [X.] vom 19. Juni 2013 III B 79/12, [X.]/NV 2013, 1422, Rz 13). Auch in diesem Fall verlangt eine Divergenz aber, dass das [X.] in rechtsgrundsätzlicher Weise von dem Rechtssatz in der behaupteten Divergenzentscheidung abweicht.

Dies ist nicht erkennbar. Das [X.] hat sich unter [X.] der Vorentscheidung dem rechtlichen Maßstab des [X.] Berlin-Brandenburg im Urteil in E[X.] 2016, 1862 zum Umfang der Einnahmen eines Mitunternehmers und zum abstrakten Maßstab, nach dem Sonderbetriebseinnahmen eines Mitunternehmers anzunehmen sind, vollinhaltlich angeschlossen. Die von den Klägern geltend gemachte Abweichung betrifft ausschließlich die tatsächliche Würdigung des Streitfalls im Rahmen der Subsumtion unter diesen Maßstab. Das [X.] stellt dabei nicht --wie die Kläger meinen-- fallbezogen für die Annahme von Sonderbetriebseinnahmen die abstrakte Voraussetzung auf, dass für diese eine "irgendwie geartete Beziehung zum Gesamthandsgewinn oder zum Gesellschaftszweck" der Mitunternehmerschaft (hier: der Steuerberatungssozietät) vorliegen müsse, sondern hebt wie das [X.] Berlin-Brandenburg im Urteil in E[X.] 2016, 1862 auf eine wertende Zuordnung ab. Auf dieser Grundlage prüft es bezogen auf den Streitfall nacheinander, ob die Provisionseinnahmen des [X.] für die den Mandanten vermittelten Kommanditbeteiligungen dem Gesamthandsgewinn oder den Sonderbetriebseinnahmen des [X.] bei der Steuerberatungssozietät zuzuordnen sind und verneint dies jeweils.

d) Die behauptete Divergenz des [X.]-Urteils zum [X.]-Urteil vom 18. Oktober 2011 IX R 15/11, [X.]E 235, 428, [X.], 205 wird nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügend dargelegt.

Gegenstand der vermeintlichen Divergenzentscheidung ist u.a. der tragende Rechtssatz, dass bei Einbringung eines Grundstücks gegen Gewährung von [X.] in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft mit Vermietungseinkünften [X.] insoweit verwirklicht werden, als sich die nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]) zuzurechnenden Anteile der Gesellschafter an dem Grundstück gegenüber den bisherigen [X.] erhöhen. Es wird von den Klägern bereits nicht schlüssig erläutert, in welcher Weise das [X.] einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt haben könnte, der von diesem Rechtssatz im [X.]-Urteil in [X.]E 235, 428, [X.], 205 abgewichen ist.

Das [X.] hat für den Senat unter [X.] der Vorentscheidung bindend gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O festgestellt, dass der Kläger die Provisionen aufgrund seiner Rechtsbeziehung zur ...-AG erhalten hat. Eine Leistungs- und Rechtsbeziehung zu den aus Sicht des [X.] vermögensverwaltenden Personengesellschaften ...-GbR oder der [X.] Kommanditgesellschaft bestand demnach im Hinblick auf die gewährten Provisionen nicht. Das [X.] hat in der Vorentscheidung auch weder abstrakte Ausführungen zur Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 [X.] noch zur Anwendung der Bruchteilsbetrachtung bei [X.]n vermögensverwaltender Personengesellschaften gemacht; auch aus den fallbezogenen Ausführungen des [X.] ist die behauptete Abweichung nicht ersichtlich.

3. Schließlich ist die Zulassung der Revision auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O zur Rechtsfortbildung erforderlich.

a) Der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O setzt als Spezialfall des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O die Darlegung und das Vorliegen einer hinreichend bestimmten und im Allgemeininteresse liegenden klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage voraus. Zur Klärungsbedürftigkeit muss der Beschwerdeführer substantiiert ausführen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist. Vor allem sind, sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie gegebenenfalls einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung [X.] vom 22. Februar 2017 III B 113/16, [X.]/NV 2017, 919, Rz 2).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Zwar werfen die Kläger die Frage auf, ob es sich bei Einnahmen eines Mitunternehmers aus Handlungen, die selber nicht vom Gesellschaftsvertrag gedeckt sind, jedoch ihren Keim in der Tätigkeit der Mitunternehmerschaft haben, um Sonderbetriebseinnahmen handelt. Es ist schon zweifelhaft, ob sie hiermit überhaupt eine abstrakte Rechtsfrage darlegen und nicht lediglich spezifische Umstände eines Einzelfalls beschreiben. Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen Erläuterung der Klärungsbedürftigkeit dieser "Rechtsfrage". Die Kläger setzen sich weder mit der vorhandenen Rechtsprechung noch mit dem Fachschrifttum zu den bislang anerkannten Grundsätzen der Zuordnung von Einnahmen zu den Sonderbetriebseinnahmen eines Mitunternehmers grundlegend auseinander.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 103/18

06.02.2019

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 13. Dezember 2017, Az: 11 K 1430/14 E,G, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.02.2019, Az. VIII B 103/18 (REWIS RS 2019, 10611)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10611

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