Bundespatentgericht, Urteil vom 20.10.2021, Az. 6 Ni 42/20 (EP)

6. Senat | REWIS RS 2021, 1734

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren - "Fenster oder Tür" – teilweise Nichtigkeit – Zur Frage der Patentfähigkeit


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2021 durch die Richterin [X.] A. als Vorsitzende und die Richter [X.], [X.], [X.] sowie Dipl.-Phys. Univ. Dr. Haupt

für Recht erkannt:

[X.] Das europäische Patent 2 573 306 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung hinausgeht:

1. Fenster oder Tür, mit einem Flügelrahmen (2) und einem Blendrahmen (1), an dem der Flügelrahmen (2) bewegbar gelagert ist, und einem Antrieb (3), mittels dem der Flügelrahmen (2) geöffnet und geschlossen werden kann, wobei der Flügelrahmen (2) entriegelbar ist und dann manuell von einer geschlossenen Position in eine Öffnungsposition bewegbar ist, wobei der Antrieb (3) einen Motor (10) und ein Getriebe (12) umfasst und zur Entriegelung des Flügelrahmens (2) mindestens ein [X.] (14) des Getriebes (12) außer Eingriff bringbar ist, wobei der Antrieb (3) in der geschlossenen Position des Flügelrahmens (2) verdeckt liegend und von außen nicht sichtbar in einem Falzraum zwischen dem Blendrahmen (1) und dem Flügelrahmen (2) angeordnet ist, und in einer Schließposition des Flügelrahmens (2) sich der Antrieb (3) an einer Position befindet, die benachbart zu einem Spalt (6) zwischen einem vorstehenden Ausleger (8) eines Profils des Flügelrahmens (2) und dem Blendrahmen (1) ausgebildet ist, wobei in dem Spalt (6) eine Dichtung (7) angeordnet ist,

wobei der Flügelrahmen (2) und der Blendrahmen (1) über mindestens ein Antriebsmittel (20) miteinander verbunden sind und das Getriebe (12) zwischen dem Motor (10) und dem Antriebsmittel (20) wirkt, und dass der Antrieb (3) ein Gehäuse (30, 31) umfasst, innerhalb dessen der Motor (10) und das Getriebe (12) angeordnet sind, und an dem Gehäuse (30, 31) eine Aussparung (32) zum Eingriff eines in den Spalt (6) durch Eindrücken der Dichtung (7) einführbaren Werkzeuges zum Außereingriffbringen des [X.] (14) vorgesehen ist,

wobei das Getriebe (12) mindestens ein drehbares [X.] (14) umfasst, das für eine Entriegelung verschiebbar gelagert ist, um den Kraftfluss zwischen dem Motor (10) und einem Antriebsmittel (20) zu unterbrechen,

dadurch gekennzeichnet, dass das drehbare [X.] (14) über [X.] (21) in der verriegelten Position gehalten ist.

2. Fenster oder Tür nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das [X.] (21) das [X.] (14) auch in einer entriegelten Position verrastet.

3. Fenster oder Tür nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass an dem Gehäuse (30, 31) eine zweite Aussparung (33) für ein Werkzeug vorgesehen ist, mittels dem das [X.] (14) in einer Position in Eingriff mit benachbarten [X.]en (15) bewegbar ist.

4. Fenster oder Tür nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das drehbare [X.]e (14) als Zahnrad ausgebildet ist, das verschiebbar auf einer Achse (20) gelagert.

5. Fenster oder Tür nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das [X.] (21) als Federelement ausgebildet ist, das an mindestens einer Nut (24, 25) der Achse (20) zur Lagerung des verschiebbaren [X.] (14) verrastbar ist.

6. Fenster oder Tür nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass als Antriebsmittel (20) eine Kette vorgesehen ist, die über ein drehbares [X.] (19) bewegbar ist, wobei das [X.] (19) über das Getriebe (12) mit dem Motor (10) gekoppelt ist.

I[X.] Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II[X.] Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 20 % und die Beklagte 80 %.

[X.] Das Urteil ist jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilten [X.] Patents 2 573 306 (Streitpatent), das am 18. September 2012 angemeldet und dessen Erteilung am 8. August 2018 veröffentlicht worden ist. Es nimmt eine Priorität vom 20. September 2011 aus [X.] 10 2011 053 767 in Anspruch.

2

Das in der [X.] gefasste Streitpatent ist in [X.] und wird beim [X.] unter dem Aktenzeichen 50 2012 013 189.8 geführt. Es trägt die Bezeichnung:

3

„Fenster oder Tür”

4

Es umfasst in der erteilten Fassung neun Patentansprüche, die mit der mit Schriftsatz vom 14. September 2020 eingereichten Nichtigkeitsklage in vollem Umfang angegriffen sind.

5

Der Patentanspruch 1 lautet nach der Streitpatentschrift:

6

1. Fenster oder Tür, mit einem Flügelrahmen (2) und einem Blendrahmen (1), an dem der Flügelrahmen (2) bewegbar gelagert ist, und einem Antrieb (3), mittels dem der Flügelrahmen (2) geöffnet und geschlossen werden kann, wobei der Flügelrahmen (2) entriegelbar ist und dann manuell von einer geschlossenen Position in eine Öffnungsposition bewegbar ist, wobei der Antrieb (3) einen Motor (10) und ein Getriebe (12) umfasst und zur Entriegelung des Flügelrahmens (2) mindestens ein Getriebeelement (14) des Getriebes (12) außer Eingriff bringbar ist, wobei der Antrieb (3) in der geschlossenen Position des Flügelrahmens (2) verdeckt liegend und von außen nicht sichtbar in einem Falzraum zwischen dem Blendrahmen (1) und dem Flügelrahmen (2) angeordnet ist, und in einer Schließposition des Flügelrahmens (2) sich der Antrieb (3) an einer Position befindet, die benachbart zu einem Spalt (6) zwischen einem vorstehenden Ausleger (8) eines Profils des Flügelrahmens (2) und dem Blendrahmen (1) ausgebildet ist, wobei in dem Spalt (6) eine Dichtung (7) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Flügelrahmen (2) und der Blendrahmen (1) über mindestens ein Antriebsmittel (20) miteinander verbunden sind und das Getriebe (12) zwischen dem Motor (10) und dem Antriebsmittel (20) wirkt, und dass der Antrieb (3) ein Gehäuse (30, 31) umfasst, innerhalb dessen der Motor (10) und das Getriebe (12) angeordnet sind, und an dem Gehäuse (30, 31) eine Aussparung (32) zum Eingriff eines in den Spalt (6) durch Eindrücken der Dichtung (7) einführbaren Werkzeuges zum Außereingriffbringen des [X.] (14) vorgesehen ist.

7

Die ebenfalls angegriffenen Patentansprüche 2 bis 9 sind auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Akte verwiesen.

8

Die Klägerin ist der Ansicht, das Streitpatent sei mangels Patentfähigkeit wegen fehlender Neuheit sowie zumindest mangelnder erfinderischer Tätigkeit für nichtig zu erklären. Dies stützt sie unter anderem auf folgende Druckschriften:

9

NK 5 [X.] 10 2006 013 332 A1

NK 7 [X.] 298 18 339 U1

NK 9 [X.] 298 04 227 U1

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 2 573 306 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Klage abzuweisen,

soweit sie sich auch gegen eine der Fassungen des Streitpatents nach den [X.] 1 und 2 aus dem Schriftsatz vom 10. September 2021 und Hilfsantrag 1A aus der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2021 richtet,

weiter hilfsweise,

entsprechend Hilfsantrag 3 aus dem Schriftsatz vom 10. September 2021 die Klage abzuweisen, soweit sie sich auf die Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang des erteilten Patentanspruchs 4 sowie der erteilten Patentansprüche 5 bis 9, soweit sie auf den Patentanspruch 4 rückbezogen sind, richtet,

wobei die Hilfsanträge in ihrer numerischen Reihenfolge 1, 1A, 2 und 3 geprüft werden sollen und alle Anträge als geschlossene Anspruchssätze gestellt sind.

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 aus dem Schriftsatz vom 10. September 2021 lautet ([X.]):

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Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1A aus der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2021 lautet ([X.]):

1. Fenster oder Tür, mit einem Flügelrahmen (2) und einem Blendrahmen (1), an dem der Flügelrahmen (2) bewegbar gelagert ist, und einem Antrieb (3), mittels dem der Flügelrahmen (2) geöffnet und geschlossen werden kann, wobei der Flügelrahmen (2) entriegelbar ist und dann manuell von einer geschlossenen Position in eine Öffnungsposition bewegbar ist, wobei der Antrieb (3) einen als Elektromotor ausgebildeten Motor (10) und ein Getriebe (12) umfasst und zur Entriegelung des Flügelrahmens (2) mindestens ein Getriebeelement (14) des Getriebes (12) außer Eingriff bringbar ist, wobei der Antrieb (3) in der geschlossenen Position des Flügelrahmens (2) verdeckt liegend und von außen nicht sichtbar in einem Falzraum zwischen dem Blendrahmen (1) und dem Flügelrahmen (2) angeordnet ist, und in einer Schließposition des Flügelrahmens (2) sich der Antrieb (3) an einer Position befindet, die benachbart zu einem Spalt (6) zwischen einem vorstehenden Ausleger (8) eines Profils des Flügelrahmens (2) und dem Blendrahmen (1) ausgebildet ist, wobei in dem Spalt (6) eine Dichtung (7) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Flügelrahmen (2) und der Blendrahmen (1) über mindestens ein Antriebsmittel (20) miteinander verbunden sind und das Getriebe (12) zwischen dem Motor (10) und dem Antriebsmittel (20) wirkt, und dass der Antrieb (3) ein Gehäuse (30, 31) umfasst, innerhalb dessen der Motor (10) und das Getriebe (12) angeordnet sind, und an dem Gehäuse (30, 31) eine Aussparung (32) zum Eingriff eines in den Spalt (6) durch Eindrücken der Dichtung (7) einführbaren Werkzeuges zum Außereingriffbringen des [X.] (14) vorgesehen ist, wobei das Getriebe (12) mindestens ein drehbares Getriebeelement (14) umfasst, das für eine Entriegelung verschiebbar gelagert ist, um den [X.]fluss zwischen dem Motor (10) und einem Antriebsmittel (20) zu unterbrechen und das drehbare [X.] (14) als Zahnrad ausgebildet ist, das verschiebbar auf einer Achse (20) gelagert ist, wobei das Getriebe (12) ein erstes Zahnrad (13) umfasst, das in Eingriff mit einem Schneckenrad (11) steht, wobei das Zahnrad (13) drehfest mit einem zweiten Zahnrad als drehbares Getriebeelement (14) mit kleinerem Durchmesser verbunden ist, das in Eingriff mit einem dritten Zahnrad (15) steht.

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 aus dem Schriftsatz vom 10. September 2021 lautet ([X.]):

Abbildung

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Wegen des Wortlauts der Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 vom 10. September 2021 wird auf den Tenor des Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin entgegen und hält die Gegenstände des Streitpatents in der erteilten Fassung oder wenigstens in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen für schutzfähig.

Die Klägerin hält die Hilfsanträge für unzulässig, da sie unklar seien, jedenfalls für unzulässig erweitert und rügt Verspätung hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrags 1A.

Der Senat hat den Parteien einen Hinweis vom 19. August 2021 zugeleitet und hierin Fristen zur Stellungnahme auf den Hinweis und auf etwaiges Vorbringen der jeweiligen Gegenpartei gesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die zulässige Klage hat in der Sache nur teilweise Erfolg, und zwar hinsichtlich des Streitpatents in der erteilten Fassung und in der Fassung nach den [X.] 1 und 2. Denn diesen Fassungen steht jedenfalls der [X.] der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] m Art. 138 Abs. 1 lit. a, 52, 56 EPÜ entgegen. Hilfsantrag 1A war gemäß § 83, Abs. 4 [X.] als verspätet zurückzuweisen

In der Fassung nach Hilfsantrag 3 erweist sich der Gegenstand des Streitpatents hingegen als patentfähig, so dass die Klage, soweit sie sich auch gegen diese Fassung richtet, abzuweisen war.

I. Zum Gegenstand des Streitpatents

1. Das Streitpatent betrifft Fenster und Türen, die motorisch angetrieben werden. Hierfür müssen in dem feststehenden Rahmen und oder dem beweglichen Flügel Antriebsmittel vorgesehen sein. Aus ästhetischen Gründen sind die Antriebsmittel oft so angeordnet, dass sie in geschlossenem Zustand des Fensters bzw. der Tür nicht sichtbar, sondern in einem sogenannten Blendrahmen integriert sind.

Daraus kann sich bei einem Defekt des Antriebs oder bei Stromausfall das Problem ergeben, dass das Fenster bzw. die Tür manuell geöffnet werden muss. Dazu wird üblicherweise die mechanische Verbindung zwischen Flügel und Rahmen aufgehoben. Dies wird als Notentriegelung bezeichnet.

Die Montage der für die Notentriegelung erforderlichen Kopplungsteile, sowie die Betätigung der Notentriegelung an sich, sei bei aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen vergleichsweise aufwändig und benötige zusätzlichen Bauraum. Zudem würden die Kopplungsteile im Regelbetrieb mechanisch belastet, so dass es zu einer unbeabsichtigten Notentriegelung kommen könne (Absatz 0005 der Streitpatentschrift).

2. Davon ausgehend sei es Aufgabe der Erfindung, ein Fenster oder eine Tür zu schaffen, bei der ein Antrieb mit einem kompakten Aufbau auch eine Notentriegelung ermöglicht (Absatz 0006).

3. Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Maschinenbauingenieur (FH oder Bachelor) mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Antriebssystemen für Fenster und Türen.

4. Gelöst werde die Aufgabe gemäß erteiltem Patentanspruch 1 (Hauptantrag) durch ein Fenster oder eine Tür, das bzw. die folgende Merkmale aufweist:

0. Fenster oder Tür,

1. mit einem Flügelrahmen (2)

2. und einem Blendrahmen (1),

2.1 an dem der Flügelrahmen (2) bewegbar gelagert ist,

3. und einem Antrieb (3), mittels dem der Flügelrahmen (2) geöffnet und geschlossen werden kann,

4. wobei der Flügelrahmen (2) entriegelbar ist

5. und dann manuell von einer geschlossenen Position in eine Öffnungsposition bewegbar ist,

6. wobei der Antrieb (3) einen Motor (10) und ein Getriebe (12) umfasst

7. und zur Entriegelung des Flügelrahmens (2) mindestens ein [X.] (14) des Getriebes (12) außer Eingriff bringbar ist,

8. wobei der Antrieb (3) in der geschlossenen Position des Flügelrahmens (2) verdeckt liegend und von außen nicht sichtbar in einem Falzraum zwischen dem Blendrahmen (1) und dem Flügelrahmen (2) angeordnet ist, und

9. in einer Schließposition des Flügelrahmens (2) sich der Antrieb (3) an einer Position befindet, die benachbart zu einem Spalt (6) zwischen einem vorstehenden Ausleger (8) eines Profils des Flügelrahmens (2) und dem Blendrahmen (1) ausgebildet ist,

10. wobei in dem Spalt (6) eine Dichtung (7) angeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

11. der Flügelrahmen (2) und der Blendrahmen (3) über mindestens ein Antriebsmittel (20) miteinander verbunden sind

12. und das Getriebe (12) zwischen dem Motor (10) und dem Antriebsmittel (20) wirkt,

13. und dass der Antrieb (3) ein Gehäuse (30, 31) umfasst, innerhalb dessen der Motor (10) und das Getriebe (12) angeordnet sind,

14. und an dem Gehäuse (30, 31) eine Aussparung (32) zum Eingriff eines in den Spalt (6) durch Eindrücken der Dichtung (7) einführbaren Werkzeuges zum Außereingriffbringen des [X.]s (14) vorgesehen ist.

II.

Dem Bestand des Streitpatents erteilter Fassung steht der [X.] der fehlenden erfinderischen Tätigkeit entgegen, da sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 für den Fachmann zumindest in naheliegender Weise ausgehend von der Druckschrift [X.] mit einer der Druckschriften [X.] oder [X.] ergibt (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ).

1. Aus der Druckschrift [X.] ([X.]) ist, in Worten des Streitpatents ausgedrückt, folgendes bekannt (vgl. insbesondere die [X.]ur 1 [X.] m der Bezugszeichenliste):

0. Fenster oder Tür (Bezeichnung),

1. mit einem Flügelrahmen 2

2. und einem Blendrahmen 1,

2.1 an dem der Flügelrahmen 2 bewegbar gelagert ist (Patentanspruch 1, lit b.),

3. und einem Antrieb 3, mit dem der Flügelrahmen 2 geöffnet und geschlossen werden kann (Patentanspruch 1, lit c.: „mit einem automatischen Antrieb (3) zumindest zum Öffnen und ggf. zum Schließen des Fensters“),

4. wobei der Flügelrahmen 2 entriegelbar ist (Patentanspruch 1, lit c.: „lösbaren Kopplungseinrichtung“)

5. und dann manuell von einer geschlossenen Position in eine Öffnungsposition bewegbar ist (Absätze 0004 und 0032),

6. wobei der Antrieb 3 einen Motor (Absatz 0044) und ein Getriebe (Absatz 0053: Um mit einem üblichen Elektromotor über ein Ritzel eine Kette antreiben zu können, muss fachüblich ein Getriebe zur Drehzahlreduzierung vorhanden sein) umfasst,

8. wobei der Antrieb 3 in der geschlossenen Position des Flügelrahmens 2 verdeckt liegend und von außen nicht sichtbar in einem Falzraum zwischen dem Blendrahmen 1 und dem Flügelrahmen 2 angeordnet ist ([X.]ur 1 und Patentanspruch 1, lit d.), und

9. in einer Schließposition des Flügelrahmens 2 sich der Antrieb 3 an einer Position befindet, die benachbart zu einem Spalt 6 zwischen einem vorstehenden Ausleger eines Profils des Flügelrahmens 2 und dem Blendrahmen 1 ausgebildet ist ([X.]ur 1),

10. wobei in dem Spalt 6 eine Dichtung 7 angeordnet ist (Absatz 0049),

wobei

11. der Flügelrahmen 2 und der Blendrahmen 1 über mindestens ein Antriebsmittel (Kette 8) miteinander verbunden sind (Absatz 0047)

12. und das Getriebe zwischen dem Motor und dem Antriebsmittel wirkt (Absatz 0053 und Erläuterungen zum Merkmal 6)

13. und wobei der Antrieb 3 ein Gehäuse 25 umfasst, innerhalb dessen der Motor und das Getriebe angeordnet sind (Absätze 0045 und 0053).

2. Das Merkmal 7 ist zwar im Oberbegriff des Anspruchs 1 genannt, der Druckschrift [X.] ist jedoch nicht zweifelsfrei zu entnehmen, dass

7. zur Entriegelung des Flügelrahmens mindestens ein [X.] des Getriebes außer Eingriff bringbar ist.

Ebenso ist zur Überzeugung des Senats das kennzeichnende Merkmal 14 des Anspruchs 1 der Druckschrift [X.] nicht entnehmbar, wonach

14. an dem Gehäuse eine Aussparung zum Eingriff eines in den Spalt durch Eindrücken der Dichtung einführbaren Werkzeuges zum Außereingriffbringen des [X.]s vorgesehen ist.

In Absatz 0050 der [X.] ist zwar von einem manuellen Zugang zum Antrieb 3 durch den Spalt 6 die Rede – nach den Absätzen 0068 und 0069 kann ein Sicherungsbolzen durch den Spalt 6 heraustreten und zur Notentriegelung von außen betätigt werden. Ein Außereingriffbringen eines [X.]s über einen gezielten Zugang mit einer Aussparung im Gehäuse des Getriebes, die entsprechend Merkmal 14 in einer räumlichen Beziehung mit dem Spalt zwischen Flügel und Blendrahmen steht, zeigt die [X.] jedoch nicht.

3. In der Druckschrift [X.] sind zwar mehrere Entkopplungseinrichtungen, also Entriegelungseinrichtungen im Sinne des Streitpatents, genannt:

Patentanspruch 2: „… die Kopplungseinrichtung derart ausgelegt ist, dass sie im geschlossenen Zustand durch einen Spalt (6) zwischen dem Blend- und dem Flügelrahmen entkoppelbar ist“.

Patentanspruch 3: „… die Kopplungseinrichtung derart ausgelegt ist, dass sie mit Hilfe einer mechanischen Einrichtung, die im geschlossenen Zustand des Flügels in den Spalt zwischen Blendrahmen und Flügelrahmen einführbar ist, manuell entkoppelbar ist.“

Patentanspruch 9: „… die Kopplungseinrichtung ein bewegliches Bauteil aufweist, welches manuell – ggf. unter Zuhilfenahme des Werkzeugs – aus einer Kopplungsstellung lösbar ist.“

Der Druckschrift [X.] ist jedoch weder zu entnehmen, dass zum [X.] bzw. Entriegeln ein [X.] des Getriebes außer Eingriff bringbar ist (Merkmal 7), noch, dass das Gehäuse dafür ausgebildet ist (Merkmal 14).

4. Diese Entkopplungsart ist dem Fachmann für Fenster- und Türantriebe allerdings bereits aus der Druckschrift [X.] ([X.]) bekannt, siehe Seite 13, Zeilen 21-25, 30-32; Seite 14, Zeilen 1-8; Patentanspruch 18.

Auch in der Druckschrift [X.] ([X.]) ist bereits diese Lösung vorgeschlagen, siehe Seite 2a, Zeilen 17-24; Seite 4, Zeilen 1-28; Patentanspruch 2.

Es lag im Rahmen des üblichen Handelns des Fachmanns, die Anwendbarkeit der aus den Druckschriften [X.] oder [X.] bekannten alternativen Entriegelungsvorrichtung auch bei dem Fenster oder der Tür gemäß Druckschrift [X.] zu untersuchen, also zur Entriegelung des Flügelrahmens mindestens ein [X.] des Getriebes außer Eingriff zu bringen, wie in Merkmal 7 angegeben.

Dabei war der Fachmann gehalten, die Notentriegelung, wie bereits gemäß Druckschrift [X.] vorgesehen, unverändert über den ohnehin vorhandenen Spalt 6 zu ermöglichen (Absätze 0068 und 0069). Dies hat weiter eine damit korrespondierende Gestaltung des [X.] entsprechend Merkmal 14 zur Folge.

Damit ist der Fachmann in naheliegender Weise zu einem Gegenstand mit den im erteilten Patentanspruch 1 genannten Merkmalen gelangt, ohne dass er dazu erfinderisch tätig werden musste.

5. Einer Zusammenschau der Druckschrift [X.] mit einer der Druckschriften [X.] oder [X.] steht kein tatsächliches oder vermeintliches Vorurteil des Fachmanns entgegen.

Zum einen mögen die in den Druckschriften [X.] und [X.] dargestellten Antriebe zwar bedeutend größer sein, als der gemäß Druckschrift [X.]. Das vermeintliche Hindernis eines zu großen Antriebs hat der Fachmann aber offensichtlich bereits mit der technischen Lehre gemäß Druckschrift [X.] überwunden, so dass er nicht den gesamten Antrieb, sondern nur die zum Außereingriffbringen des [X.]s betreffenden Merkmale aus einer der Druckschriften [X.] oder [X.] zu übernehmen hatte.

Zum anderen mögen die in Rede stehenden Getriebeanordnungen gemäß den Druckschriften [X.] sowie [X.] nicht als Notentriegelung beschrieben sein, sondern als Montagehilfe. Für den Fachmann ist jedoch selbstverständlich, eine Vorrichtung nach Möglichkeit reversierend zur Montage zu demontieren. Bei der Notentriegelung handelt es sich ersichtlich um den ersten Arbeitsschritt, der auch bei einer Demontage durchzuführen wäre.

Im Übrigen handelt es sich bei dem vom Senat für zuständig erachteten Fachmann nicht um einen Hausmeister oder eine andere nur eingewiesene Hilfskraft, der die Notentriegelung lediglich benutzt, sondern um einen fachkundigen und erfahrenen Konstrukteur von Antriebssystemen für Fenster und Türen.

III.

Der Hilfsantrag 1 gemäß Schriftsatz vom 10. September 2021 erweist sich als unzulässig, da dessen Gegenstand über den Inhalt der Patentanmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG [X.] Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ). Außerdem ist kein Merkmal aufgenommen, das als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend zu werten wäre.

1. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist gegenüber der erteilten Fassung dahingehend geändert, dass das Merkmal 6 durch die folgende Fassung ersetzt ist (Ergänzung unterstrichen):

6‘. wobei der Antrieb (3) einen als Elektromotor ausgebildeten Motor (10) und ein Getriebe (12) umfasst,

sowie dadurch, dass am Ende des Anspruchs 1 erteilter Fassung folgende Merkmale angefügt sind:

15. wobei das Getriebe (12) mindestens ein drehbares [X.] (14) umfasst, das für eine Entriegelung verschiebbar gelagert ist, um den Kraftfluss zwischen dem Motor (10) und einem Antriebsmittel (20) zu unterbrechen

16. und das drehbare [X.] (14) als Zahnrad ausgebildet ist, das verschiebbar auf einer Achse (20) gelagert ist,

17. wobei der Motor (10) auf einer Abtriebswelle ein Schneckenrad (11) aufweist, das in Eingriff mit dem Zahnrad (13) steht, das durch die Aussparung (32) zugänglich ist und eine Einheit mit dem als verschiebbares [X.] (14) ausgebildeten Zahnrad sowohl in Drehrichtung als auch in axiale Richtung bildet.

2. Die geänderte Fassung des Merkmals 6 sowie die Merkmale 15 und 16 mögen in zulässiger Weise auf die ursprünglich eingereichten Unterlagen zurückgehen.

Das Merkmal 17 ist dagegen aus dem Zusammenhang herausgelöst, in dem es ursprünglich offenbart war. Es stellt daher eine unzulässige Erweiterung dar.

Während gemäß der mit den ursprünglich beim [X.] eingereichten Unterlagen übereinstimmenden [X.] EP 2 573 306 [X.] [[X.]] die im Wortlaut des Merkmals 17 genannten Einzelheiten in einen zwingenden funktionellen Zusammenhang mit einem Federelement 21 gestellt waren (Absatz 0021), fehlt dieser Zusammenhang in der Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1.

Bei dem in Rede stehenden Federelement 21 handelt es sich keineswegs um ein Bauteil, das für die Notentriegelungsvorrichtung unbeachtlich wäre. Vielmehr ist für den Fachmann ersichtlich, dass das [X.], durch das der kompakte Aufbau des Antriebs (vgl. die in Absatz 0006 genannten Aufgabe der Erfindung) erst möglich ist, [X.] auf die Einheit aus dem ersten Zahnrad 13 und dem zweiten Zahnrad (= verschiebbares [X.]) 14 ausübt. Ohne das Federelement 21 würde daher das Zahnrad 14 bei einer regulären Betätigung des Antriebs verschoben und das Getriebe somit ungewollt außer Eingriff gelangen.

Den ursprünglichen Unterlagen war nicht zu entnehmen, dass die bei Verwendung des [X.] auf das verschiebbare [X.] 14 wirkende Axialkraft auch anders als durch das Federelement 21 kompensiert werden könnte.

Somit handelt es sich beim Wortlaut des Merkmals 17 um eine Verallgemeinerung, die den ursprünglichen Unterlagen nicht zu entnehmen war und die daher unzulässig ist.

3. Die anderen über die erteilte Fassung hinaus im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 genannten Merkmale sind aus dem Stand der Technik bekannt:

In Druckschrift [X.] sind elektromotorische Antriebe genannt (Ansätze 0006, 0032, 0044, 0045 sowie Patentanspruch 15). Auch in der Druckschrift [X.] ist in Übereinstimmung mit Merkmal 6‘ ausdrücklich ein Elektromotor erwähnt (Seite 6, Zeilen 10-13).

Weiter sind auch die Einzelheiten gemäß der Merkmale 15 und 16 durch die Druckschrift [X.] vorweggenommen:

Das dortige Getriebe 3, 4 umfasst ein drehbares [X.], das für eine Entriegelung verschiebbar gelagert ist, um den Kraftfluss zwischen dem Motor 2 und einem Antriebsmittel 36 zu unterbrechen, wobei das drehbare [X.] als Zahnrad ausgebildet ist, das verschiebbar auf einer Achse 34 gelagert ist (Seite 13, Zeilen 21-32, [X.] [X.]ur 13).

IV.

Der in der mündlichen Verhandlung am 20. Oktober 2021 eingereichte Hilfsantrag 1A war als verspätet zurückzuweisen (§ 83 Abs. 4 [X.]) und bleibt deshalb unberücksichtigt.

1. § 83 [X.] mit den in das [X.] eingeführten Präklusionsregeln sieht grundsätzlich die Möglichkeit vor, verspätetes Vorbringen zurückzuweisen und bei der Entscheidung unberücksichtigt zulassen. Voraussetzung hierfür ist nach § 83 Abs. 4 [X.], dass das Vorbringen unter Versäumung der nach § 83 Abs. 2 [X.] gesetzten Frist erfolgt, die betroffene [X.] die Verspätung nicht genügend entschuldigt und die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung erfordert hätte.

2. Diese Voraussetzungen für eine Zurückweisung sind vorliegend gegeben.

Der erstmals in der mündlichen Verhandlung am 20. Oktober 2021 eingereichte geänderte Hilfsantrag 1A ist erst nach Ablauf der mit dem Hinweis des Senats vom 19. August 2021 (versandt am 20. August 2021) gesetzten letzten Frist (bis zum 1. Oktober 2021), über deren Versäumnisfolgen die [X.]en belehrt worden waren (§ 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.]) seitens der Beklagten eingereicht worden.

Die Zulassung des [X.] hätte eine Möglichkeit der Stellungnahme für die Klägerin und damit eine Vertagung der mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht (§ 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.]). Denn bei der gegenüber dem Hilfsantrag 1 vorgenommenen Änderung handelt es sich um keine durch den Verlauf der Verhandlung bedingte Ergänzung des [X.], sondern um einen in wesentlichen Teilen neuen, bis dato nicht gestellten Antrag.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1A ist gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 1 dadurch geändert, dass das Merkmal 17 gestrichen ist und sich stattdessen an das Merkmal 16 folgender Wortlaut anschließt:

18. wobei das Getriebe (12) ein erstes Zahnrad (13) umfasst, das in Eingriff mit einem Schneckenrad (11) steht, wobei das Zahnrad (13) [X.] mit einem zweiten Zahnrad als drehbares [X.] (14) mit kleinerem Durchmesser verbunden ist, das in Eingriff mit einem dritten Zahnrad (15) steht.

Statt des unvollständig aus dem Absatz 0021 der [X.] ([X.]) als Merkmal 17 übernommenen Wortlauts hat die Beklagten mit dem Merkmal 18 nun auf den Absatz 0019 und somit auf etwas Anderes als beim Hilfsantrag 1 zurückgegriffen. Mit Merkmal 17 lag der Fokus noch darauf, dass der Motor (10) auf einer Abtriebswelle ein Schneckenrad (11) aufweist, das in Eingriff mit dem Zahnrad (13) steht, das durch die Aussparung (32) zugänglich ist und eine Einheit mit dem als verschiebbares [X.] (14) ausgebildeten Zahnrad sowohl in Drehrichtung als auch in axiale Richtung bildet. Nunmehr soll das Zahnrad (13) nicht nur darüber hinaus [X.] mit einem zweiten Zahnrad als drehbares [X.] (14) verbunden sein, das in Eingriff mit einem nun erstmals genannten dritten Zahnrad (15) steht, dieses zweite Zahnrad soll auch noch einen kleineren Durchmesser haben.

Diese Neuformulierung verändert den Gegenstand des Anspruchs wesentlich und ergibt sich nicht aus den bis dahin ins Verfahren eingeführten [X.]. Es handelt sich insoweit auch nicht um eine geringfügige Änderung eines verteidigten Patentanspruchs. Der erstmals in der mündlichen Verhandlung formulierte und gestellte Hilfsantrag 1A stellt vielmehr eine neue Verteidigungslinie dar und konfrontiert die Klägerin mit neuen Tatsachen. Dabei spielt die zunächst formulierte Verschiebung in axialer Richtung keine Rolle mehr. Stattdessen wurden nun ein drittes Zahnrad und dessen Zusammenwirken mit den beiden anderen Zahnrädern als Merkmal aufgenommen.

Der Klägerin war nicht zuzumuten, sich hiermit kurzfristig ohne sachgemäße und erschöpfende Klärung aller Tatsachen auseinanderzusetzen und ohne nach einschlägigem Stand der Technik bezüglich der geänderten Antragstellung zu recherchieren. Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und eines insoweit prozessordnungsgemäßen Verfahrens hätte die mündliche Verhandlung vertagt werden müssen, was zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt hätte (§ 83 Abs. 4 Nr. 1 [X.]).

Bei der mit dem geänderten Hilfsantrag 1A angestrebten Anspruchsfassung handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel der Beklagten [X.] § 83 Abs. 4 Satz 1 [X.]. Die damit nunmehr beanspruchte Merkmalskombination – nun erstmals gerichtet auf das Zusammenwirken von drei Zahnrädern – war zuvor in dieser Formulierung zu keinem Zeitpunkt streitgegenständlich. Daher musste sich die Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung dementsprechend die Verspätung dieses [X.] gerügt hat, auf diesen und den damit nunmehr verlangten Patentschutz mit einer solchen Merkmalskombination nicht einstellen. Da es gerade das Bestreben der Beklagten ist, sich mit dem Hilfsantrag von dem bereits im Verfahren befindlichen Stand der Technik abzusetzen, kann auch nicht erwartet werden, dass die Klägerin allein anhand des verfahrensgegenständlichen Standes der Technik eine abschließende Bewertung der Schutzfähigkeit der neuen Anspruchsfassung vornimmt. Vielmehr wäre der Klägerin insbesondere dazu Gelegenheit zu geben gewesen, hinsichtlich der Frage der Patentfähigkeit der neuen Anspruchsfassung eine ergänzende Recherche durchführen zu können, zu der sie bislang wie bereits ausgeführt mangels Streitgegenständlichkeit dieser neuen Anspruchsfassung keine Veranlassung hatte. Mit einem bloßen Schriftsatznachlass (§ 99 Abs. 1 [X.] [X.] § 283 ZPO) konnte diesem berechtigten Begehren der Klägerin nicht Rechnung getragen werden, denn zu einem (zu unterstellenden) neuen Vorbringen der Klägerin in einem nachgelassenen Schriftsatz hätte dann wiederum der Beklagten rechtliches Gehör gewährt werden müssen, was nur mittels einer neu anzusetzenden mündlichen Verhandlung möglich wäre. Die Zulassung des neuen [X.] hätte daher eine Vertagung der mündlichen Verhandlung unumgänglich gemacht, was das Gesetz mit der Regelung nach § 83 Abs. 4 [X.] gerade ausdrücklich ausschließt.

Die Beklagte hat die Verspätung zudem nicht – genügend – entschuldigt (§ 83 Abs. 4 Nr. 2 [X.]). Einen Grund, weshalb sie einen Antrag mit diesem Inhalt nicht bereits in ihrem Schriftsatz vom 10. September 2021 zusammen mit den drei anderen [X.] gestellt hat, hat die Beklagte nicht genannt.

Nachdem der Hilfsantrag 1A wegen Verspätung zurückzuweisen war, war nicht zu entscheiden, ob nicht auch dessen Gegenstand zu einer unzulässigen Verallgemeinerung führen würde, da gegenüber dem in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten Zusammenhang, das Schneckenrad gemäß Merkmal 18 nicht zwingend auf der Abtriebswelle des [X.] angeordnet sein müsste (Absatz 0018), sondern sich auch an beliebig anderer Stelle des Getriebes befinden könnte.

V.

Der Hilfsantrag 2 gemäß Schriftsatz vom 10. September 2021 erweist sich als unzulässig, da dessen Gegenstand über den Inhalt der Patentanmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG [X.] Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ). Zudem ist kein weiteres Merkmal aufgenommen, das eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte.

1. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 1 dadurch geändert, dass die Merkmale 13 und 14 durch folgende Fassungen ersetzt sind (Ergänzungen unterstrichen):

13‘‘ und dass der Antrieb (3) ein Gehäuse (30, 31) mit einem Unterteil (30) und einem Deckel (31) umfasst, innerhalb dessen der Motor und das Getriebe angeordnet sind,

14‘‘ und an dem Gehäuse (30, 31) in dem Deckel (31) eine Aussparung (32) zum Eingriff eines in den Spalt (6) durch Eindrücken der Dichtung (7) einführbaren Werkzeuges zum Außereingriffbringen des [X.]s vorgesehen ist,

2. Da im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ebenfalls das Merkmal 17 genannt ist, das zu einer unzulässigen Erweiterung gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen führen würde, ist auch der Hilfsantrag 2 aus den zum Hilfsantrag 1 genannten Gründen unzulässig.

3. Der Druckschrift [X.] sind zwar keine Einzelheiten zum dortigen Antriebsgehäuse 25 zu entnehmen. Es ist jedoch offensichtlich, dass das Antriebsgehäuse 25 in seinem Querschnitt so gestaltet ist, dass der zur Verfügung stehende Bauraum im Flügelrahmen 2 optimal ausgenutzt wird und zugleich eine zuverlässige Montage möglich ist.

Die darüberhinausgehende Gestaltung des Gehäuses, unter anderem auch die Ausführung als Unterteil und Deckel, liegt im Rahmen des routinemäßigen Handelns des Fachmanns, zu der er nicht erfinderisch tätig werden muss.

Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass es auch [X.] für Fenster oder Türen geben mag, die als einteiliges Rohr ausgeführt sind.

VI.

In der Fassung nach Hilfsantrag 3 gemäß Schriftsatz vom 10. September 2021 kann die Beklagte das Streitpatent erfolgreich verteidigen, weil es sich in dieser beschränkten Fassung als patentfähig erweist.

1. Der Hilfsantrag 3 geht auf den Patentanspruch 4 erteilter Fassung sowie die erteilten Patentansprüche 5 bis 9, soweit diese auf den Patentanspruch 4 rückbezogen sind, zurück.

Diese Patentansprüche waren bereits in den ursprünglichen Unterlagen als Patentansprüche 5, 6 sowie 8 bis 11 genannt.

2. Das über die erteilte Fassung im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 hinaus genannte Merkmal, dass

das drehbare [X.] (14) über [X.] (21) in der verriegelten Position gehalten ist,

ist aus dem verfahrensgegenständlichen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt.

Gemäß dem Ausführungsbeispiel, das in den [X.]uren 4 sowie 6 in

Abbildung

Kolorierte [X.]ur 4 gemäß Streitpatentschrift

unterschiedlichen Ansichten dargestellt ist, kommt die Rastung durch die das Getriebe in der verriegelten Position gehalten wird, durch das Federelement 21 sowie durch eine radial umlaufenden Nut 25 in der Achse 20, auf der das [X.] 14 verschiebbar gelagert ist, zustande.

3. Diese konkrete Ausführung stimmt mit dem allgemeinen Verständnis des Fachmanns überein, das er mit dem Begriff [X.] verbindet. Demnach gelangen bei einer Rastung grundsätzlich mindestens zwei Fügepartner miteinander in Eingriff.

4. Eine Rastung in diesem Sinne ist der Druckschrift [X.] nicht zu entnehmen. In der dortigen [X.]ur 13 ist zwar eine wendelförmige Druckfeder 33 dargestellt (Seite 13, Zeilen 21 bis 25), die das Zahnrad 32 gegen ein Widerlager drückt und so das Getriebe in der verriegelten Position hält.

Ausgehend von dieser Konstruktion hat der Fachmann jedoch keinen Anlass, die [X.] mit einem anderen Bauteil rastend in Eingriff zu bringen. Im Gegenteil würde die [X.] der [X.] aufgehoben, käme sie in irgendeiner Weise rastend mit der Achse 34 in Eingriff. In diesem Fall würde im Gegensatz zur Lehre des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 das Zahnrad 32 nicht in der verriegelten Position gehalten, sondern könnte sich zumindest in einem gewissen Maß auf der Achse 34 frei bewegen.

5. Die weiteren verfahrensgegenständlichen Druckschriften kommen hinsichtlich einer Verrastung eines ausrückbaren [X.]s dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 nicht näher als die Druckschrift [X.].

Gemäß Druckschrift [X.] ist die gleiche Konstruktion vorgesehen, die in Druckschrift [X.] gezeigt ist (vgl. [X.]. 2 [X.] Seite 4, Zeilen 21-28).

In den weiteren entgegengehaltenen Druckschriften ist schon keine ausrückbare Getriebestufe gezeigt oder erwähnt, sodass es auch keine Rastung in einer verriegelten Position geben kann.

B.

Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] [X.] § 92 Abs. 1 ZPO.

Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der als schutzfähig verbleibende Patentgegenstand gegenüber demjenigen der erteilten Fassung wesentlich eingeschränkt ist. Das Streitpatent erfährt in der Fassung nach Hilfsantrag 3 durch die Aufnahme des weiteren Merkmals, dass das drehbare [X.] (14) über [X.] (21) in der verriegelten Position gehalten ist, eine Einschränkung. Diese Einschränkung macht nach der Schätzung des Senats 80 % der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Streitpatents aus, da bereits aus dem im Verfahren berücksichtigten Stand der Technik ersichtlich ist, dass es zu dem als erfindungswesentlich anzusehenden Merkmal alternative Lösungen gibt, die die gleiche Wirkung haben.

Danach hat die Beklagte aufgrund des stark beschränkten Fortbestandes des Streitpatents in diesem Umfang die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Die Klägerin hat im Umfang ihres daraus folgenden teilweisen Unterliegens 20 % der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen. Im Übrigen haben die [X.]en ihre Kosten selbst zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.] [X.] § 709 ZPO.

Meta

6 Ni 42/20 (EP)

20.10.2021

Bundespatentgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

nachgehend BGH, 7. November 2023, Az: X ZR 123/21, Urteil

Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜbkG, Art 52 EuPatÜbk, Art 56 EuPatÜbk, Art 138 Abs 1 Buchst a EuPatÜbk

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 20.10.2021, Az. 6 Ni 42/20 (EP) (REWIS RS 2021, 1734)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1734


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 6 Ni 42/20 (EP)

Bundespatentgericht, 6 Ni 42/20 (EP), 20.10.2021.


Az. X ZR 123/21

Bundesgerichtshof, X ZR 123/21, 07.11.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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