Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2010, Az. 9 AZR 686/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 436

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Abgeltung von Reisezeiten im Außendienst der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bei fester Arbeitszeit


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 2. April 2009 - 3 Sa 21/08 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten, Reisezeiten abzugelten.

2

Die Parteien verbindet seit 1973 ein Arbeitsverhältnis. Das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt des Klägers betrug zuletzt 2.472,35 Euro. Im Beschäftigungsbereich des Wasser- und Schifffahrtsamts [X.], dem der Kläger zugeordnet ist, besteht weder eine Dienstvereinbarung über Arbeitszeitkonten noch eine Vereinbarung über Gleitzeit.

3

Auf das Arbeitsverhältnis finden [X.] die Tarifvorschriften des öffentlichen Dienstes Anwendung. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 ([X.]) enthält [X.]. folgende Bestimmungen:

        

„§ 6   

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

…       

        
        

(2)     

Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein [X.]raum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. ...

        

(3)     

Soweit es die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse zulassen, wird die/der Beschäftigte am 24. Dezember und am 31. Dezember unter Fortzahlung des Entgelts ... von der Arbeit freigestellt. Kann die Freistellung nach Satz 1 aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht erfolgen, ist entsprechender Freizeitausgleich innerhalb von drei Monaten zu gewähren. …

        

…       

        
        

(6)     

Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor von bis zu 45 Stunden eingerichtet werden. Die innerhalb eines Arbeitszeitkorridors geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach Absatz 2 Satz 1 festgelegten [X.]raums ausgeglichen.

        

(7)     

Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann in der [X.] von 6 bis 20 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu zwölf Stunden eingeführt werden. Die innerhalb der täglichen Rahmenzeit geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach Absatz 2 Satz 1 festgelegten [X.]raums ausgeglichen.

        

…       

        
        

§ 8     

        

Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

        

(1)     

Der/Die Beschäftigte erhält neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung [X.]zuschläge. Die [X.]zuschläge betragen - auch bei Teilzeitbeschäftigten - je Stunde

                 

…       

        
                 

d)    

bei Feiertagsarbeit

                          

- ohne Freizeitausgleich

135 v. H.,

                          

- mit Freizeitausgleich

35 v. H.,

                 

…       

        
        

(2)     

Für Arbeitsstunden, die keine Überstunden sind und die aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht innerhalb des nach § 6 Abs. 2 Satz 1 oder 2 festgelegten [X.]raums mit Freizeit ausgeglichen werden, erhält die/der Beschäftigte je Stunde 100 v. H. des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der jeweiligen [X.] und Stufe.

                 

Protokollerklärung zu Absatz 2:

                 

Mit dem Begriff ‚Arbeitsstunden’ sind nicht die Stunden gemeint, die im Rahmen von Gleitzeitregelungen im Sinne der Protokollerklärung zu § 6 anfallen, es sei denn, sie sind angeordnet worden.

        

…“    

        

4

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst - Besonderer Teil Verwaltung ([X.]) - vom 13. September 2005 ([X.]-[X.]) regelt [X.]. Folgendes:

        

„§ 43 

        

Überstunden

        

(1)     

Überstunden sind grundsätzlich durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Sofern kein Arbeitszeitkonto ... eingerichtet ist, oder wenn ein solches besteht, die/der Beschäftigte jedoch keine Faktorisierung ... geltend macht, erhält die/der Beschäftigte für Überstunden ..., die nicht bis zum Ende des dritten Kalendermonats - möglichst aber schon bis zum Ende des nächsten Kalendermonats - nach deren Entstehen mit Freizeit ausgeglichen worden sind, je Stunde 100 v. H. des auf die Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der jeweiligen [X.] und Stufe, höchstens jedoch nach der Stufe 4. ...

        

…       

        
        

§ 44   

        

Reise- und Umzugskosten, Trennungsgeld

        

(1)     

Für die Erstattung von Reise- und Umzugskosten sowie Trennungsgeld finden die für die Beamtinnen und Beamten jeweils geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung.

        

(2)     

Bei Dienstreisen gilt nur die [X.] der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen Geschäftsort als Arbeitszeit. Für jeden Tag einschließlich der Reisetage wird jedoch mindestens die auf ihn entfallende regelmäßige, durchschnittliche oder dienstplanmäßige Arbeitszeit berücksichtigt, wenn diese bei Nichtberücksichtigung der Reisezeit nicht erreicht würde. Überschreiten nicht anrechenbare Reisezeiten insgesamt 15 Stunden im Monat, so werden auf Antrag 25 v. H. dieser überschrittenen [X.]en bei fester Arbeitszeit als Freizeitausgleich gewährt und bei gleitender Arbeitszeit im Rahmen der jeweils geltenden Vorschriften auf die Arbeitszeit angerechnet. Der besonderen Sit[X.]tion von Teilzeitbeschäftigten ist Rechnung zu tragen.

        

…       

        
                          
        

§ 47   

        

Sonderregelungen für die Beschäftigten des [X.]ministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung

        

Kapitel I Allgemeine Bestimmungen für Beschäftigte der [X.] [X.] und des [X.]amtes für Seeschifffahrt und Hydrographie

        

Zu Abschnitt I Allgemeine Vorschriften

        

Nr. 1 

        

Zu § 1 - Geltungsbereich -

        

(1)     

Diese Sonderregelungen gelten für die Beschäftigten der [X.] [X.], die beim Bau, der Unterhaltung und dem Betrieb von wasserbaulichen Einrichtungen und wasserwirtschaftlichen Anlagen eingesetzt sind einschließlich der Besatzungen von Schiffen und von schwimmenden Geräten, soweit die Schiffe und schwimmenden Geräte in den von der Verwaltung aufzustellenden [X.] aufgeführt sind. Zur Besatzung eines Schiffes oder schwimmenden Gerätes gehören nur diejenigen Beschäftigten, die mit Rücksicht auf Schifffahrt und Betrieb an Bord, gegebenenfalls in mehreren Schichten, tätig sein müssen und in der von der Verwaltung aufzustellenden [X.] aufgeführt sind. Beschäftigte, die an Bord Arbeiten verrichten, ohne selbst in der [X.] aufgeführt zu sein, werden für die Dauer dieser Tätigkeit wie Besatzungsmitglieder behandelt. Die Regelungen gelten auch für Beschäftigte der [X.] [X.], die auf nicht bundeseigenen Schiffen und schwimmenden Geräten eingesetzt sind.

        

…       

        
        

Kapitel II Besondere Bestimmungen für Beschäftigte der [X.] [X.]

        

Für die in Kapitel I Nr. 1 Abs. 1 aufgeführten Beschäftigten der [X.] [X.] finden ergänzend folgende besondere Bestimmungen Anwendung:

        

…       

        

Nr. 10

        

Zu § 44 - Reise- und Umzugskosten, Trennungsgeld -

        

(1)     

Für Dienstreisen im Außendienst werden die entstandenen notwendigen Fahrtkosten nach Maßgabe der §§ 4 und 5 [X.] erstattet, sofern sie die Fahrtkosten zu der Arbeitsstätte, der der/die Beschäftigte dauerhaft personell zugeordnet ist, übersteigen. …

        

…       

        
        

(5)     

Abweichend von § 44 Abs. 2 Satz 3 werden nicht anrechenbare Reisezeiten bei fester Arbeitszeit zu 50 v. H. als Freizeitausgleich gewährt und bei gleitender Arbeitszeit im Rahmen der jeweils geltenden Vorschriften als Arbeitszeit angerechnet.“

5

Die Beklagte setzt den Kläger bei festen Arbeitszeiten als Schiffs- und Geräteführer im Außendienst ein. Der Kläger reist arbeitstäglich zum Dienstantritt zu wechselnden Einsatzorten an. Nach Dienstende kehrt er - außerhalb der festen Arbeitszeit - von einem der [X.] zu seinem Wohnsitz zurück.

6

Die Beklagte erfasst die Reisezeiten des Klägers von seinem Wohnsitz bis zu den [X.]n. Unter hälftiger Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Reisezeiten rechnete die Beklagte für den [X.]raum von Oktober 2005 bis April 2006 69,82 Stunden und für den [X.]raum von Mai bis November 2006 53,95 Stunden Reisezeit ab.

7

Mit Schreiben vom 12. November 2006 und 23. Mai 2007 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos auf, insgesamt 123,77 Stunden Reisezeit abzugelten.

8

Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die über die durchschnittliche regelmäßige tarifliche Arbeitszeit hinaus geleistete Dienstreisezeit abzugelten. Die Befugnis der Beklagten, diese [X.]en durch die Gewährung von Freizeit auszugleichen, sei mit Ablauf des in § 6 Abs. 2 [X.] bestimmten Referenzzeitraums erloschen. Könne er eine Abgeltung der Reisezeiten nicht verlangen, sei er rechtlos gestellt.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.809,51 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, sie schulde mangels einer tarifvertraglichen Abgeltungsregelung lediglich einen Ausgleich der Reisezeiten durch die Gewährung von Freizeit.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger begehrt mit seiner vom Senat zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

A. Die Revision ist nicht begründet. Das [X.] hat das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Die [X.] ist nicht verpflichtet, an den Kläger einen Bruttobetrag iHv. 1.809,51 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

I. Das [X.] hat seine klageabweisende Entscheidung [X.]. darauf gestützt, Dienstreisezeiten seien keine [X.]en, für die der Arbeitnehmer Arbeitsvergütung beanspruchen könne. Beschäftigte könnten weder nach dem [X.] noch nach dem [X.]-[X.] die Abgeltung von Reisezeiten im Außendienst der [X.] des [X.] beanspruchen. Diese könnten gemäß § 47 Nr. 10 Abs. 5, § 44 Abs. 2 [X.]-[X.] lediglich Ausgleich durch Gewährung von Freizeit verlangen.

II. Diese rechtliche Würdigung des [X.]s hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden [X.] die Tarifvorschriften des öffentlichen Dienstes, insbesondere die Bestimmungen des [X.] und des [X.]-[X.] Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG).

2. Die vom Kläger für Oktober 2005 bis November 2006 geltend gemachten weiteren 123,77 Stunden Reisezeit sind nicht als [X.] zu vergüten.

Nach § 8 Abs. 2 [X.] erhält ein Beschäftigter für Arbeitsstunden, die keine Überstunden sind, je Stunde 100 vH des auf eine Stunde entfallenden Tabellenentgelts der jeweiligen [X.] und Stufe, wenn die Arbeitsstunden aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht innerhalb des in § 6 Abs. 2 [X.] bestimmten [X.]raums mit Freizeit ausgeglichen werden. Die vom Kläger geltend gemachten Reisezeiten sind keine vergütungspflichtigen Arbeitsstunden. Dies ergibt die Auslegung der Tarifvorschrift.

a) Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Grundsätzen. Auszugehen ist zunächst vom [X.]. Auf dieser Grundlage ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu ermitteln, soweit er sich in den tariflichen Regelungen niedergeschlagen hat. Der tarifliche Zusammenhang kann Aufschlüsse über den von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck geben. Auch auf die Entstehungsgeschichte und die Tarifpraxis kann zurückgegriffen werden. Praktikabilität und Sinn des Auslegungsergebnisses sind im Auge zu behalten. Im Zweifel ist die Auslegung vorzugswürdig, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt ([X.] 20. Jan[X.]r 2009 - 9 [X.] - Rn. 35, [X.] 129, 131) und mit dem Gesetzesrecht vereinbar ist (vgl. [X.] 21. September 2010 - 9 [X.] 510/09 - Rn. 23).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das [X.] zu Recht angenommen, dass Reisezeit nicht unter den Tarifbegriff „Arbeitsstunde“ fällt.

aa) Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 [X.] ist nicht eindeutig. [X.] können auch [X.]en, die auf Dienstreisen entfallen, dem Tarifbegriff „Arbeitsstunde“ unterfallen.

bb) Es sind tarifsystematische Gründe, die dagegen sprechen, berücksichtigungsfähige, nicht anrechenbare Reisezeiten iSv. § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] als Arbeitsstunden iSv. § 8 Abs. 2 [X.] zu werten.

Der Abschnitt II des [X.] beinhaltet allgemeine Bestimmungen über die [X.], ohne Reisezeiten iSv. § 44 Abs. 2 bzw. § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] zu nennen. § 8 [X.] regelt ausweislich seiner Überschrift den Ausgleich von Sonderformen der Arbeit. § 7 [X.] zählt die tariflichen Sonderformen der Arbeit abschließend auf. Der [X.] kennt neben der Wechselschichtarbeit (Abs. 1), der Schichtarbeit (Abs. 2), dem Bereitschaftsdienst (Abs. 3) und der Rufbereitschaft (Abs. 4) die Nachtarbeit (Abs. 5), die Mehrarbeit (Abs. 6) und Überstunden (Abs. 7 und 8). Nicht anrechenbare Reisezeiten iSv. § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] sind nicht Teil dieses Katalogs.

Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 [X.]-[X.] gilt die auf die [X.] der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen [X.] entfallende Dienstreisezeit als [X.]. Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 [X.]-[X.] findet für jeden Arbeitstag, an dem der Beschäftigte eine Dienstreise unternimmt, die auf den Arbeitstag entfallende regelmäßige oder dienstplangemäße [X.] Berücksichtigung, wenn ohne Einbeziehung der Reisezeit die regelmäßige oder dienstplangemäße [X.] für den Tag nicht erreicht würde. Beider Regelungen bedürfte es nicht, wenn Reisezeit [X.] wäre (so zu Recht [X.]/[X.]/Kiefer/Lang/Langenbrinck [X.] Stand November 2010 § 6 [X.]-V Rn. 13; vgl. [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Stand November 2010 § 44 [X.] Rn. 51; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand Oktober 2010 § 44 [X.]-[X.] Rn. 4; Kom[X.]/Adam Stand November 2010 § 44 [X.]-[X.]erwaltung Rn. 5; siehe ferner [X.] [X.] 2007, 464, 465).

cc) Die Tarifgeschichte bestätigt das von dem [X.] gefundene Auslegungsergebnis. Die Tarifvertragsparteien haben mit § 44 [X.]-[X.] und den ergänzend geschaffenen Sonderregelungen die vormals [X.]. in § 17 Abs. 2 und §§ 42 - 44 [X.] enthaltenen Regeln zu Dienstreisen, Umzügen und zum Trennungsgeld zusammengefasst (vgl. [X.]/[X.] Stand Dezember 2010 E § 6 Rn. 34; [X.] [X.] 2007, 464, 467). Nach damaligem Rechtsstand galt bei Dienstreisen nur die [X.] der dienstlichen Beanspruchung am auswärtigen [X.] als [X.]. Die Reisezeit wurde nur insoweit berücksichtigt, als sie in die regelmäßige [X.] fiel (vgl. [X.] 17. Oktober 1990 -  7 [X.] 612/89  - zu II 2 b der Gründe, [X.] 1991, 344). Hätten die Tarifvertragsparteien an diesem Befund etwas ändern wollen, hätten sie den Tarifvertragstext des [X.] entsprechend geändert.

3. Entgegen der Revision verpflichtet § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] auch nicht die [X.], dem Kläger, der in fester [X.] beschäftigt war, die angefallenen Reisezeiten abzugelten. Davon ist auch das [X.] ausgegangen.

a) Für den Kläger als Außendienstmitarbeiter iSv. § 47 Nr. 10 Abs. 1 [X.]-[X.] gelten die Sonderreglungen für Beschäftigte in der [X.] des [X.].

b) Nach § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] wird Arbeitnehmern, die mit fester [X.] in der [X.] des [X.] beschäftigt sind, abweichend von § 44 Abs. 2 Satz 3 [X.]-[X.] für nicht anrechenbare Reisezeiten Freizeitausgleich im Umfang von [X.] gewährt. Der Kläger arbeitete im hier zu beurteilenden [X.]raum mit fester [X.]. Ihm steht somit Freizeitausgleich zu.

c) Auf die Abgeltung des Freizeitausgleichs besteht bei fester [X.] kein Anspruch. Die Abgeltungsbestimmung des § 8 Abs. 2 [X.] findet auf den Freizeitausgleich nach § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] keine Anwendung.

aa) § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] enthält eine in sich geschlossene vergütungsrechtliche Regelung. Die Bestimmung des § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] ist eine Sonderregelung zu § 8 [X.], die einen Rückgriff auf die dem [X.] des [X.] zugehörige Bestimmung des § 8 Abs. 2 [X.] nicht zuläs[X.]

bb) Die im Besonderen Teil Verwaltung aufgeführten Tarifbestimmungen verdrängen die Vorschriften des [X.]s im Wege der Spezialität, soweit beide [X.] gleiche Lebenssachverhalte regeln. Die Tarifvertragsparteien haben mit den „Sonderregelungen für die Beschäftigten des [X.]ministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung“ Normen geschaffen, mit denen sie den tatsächlichen wie rechtlichen Besonderheiten in diesem Tarifbereich Rechnung tragen. Griffe man ungeachtet einer bestehenden tariflichen Sonderregelung auf die für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes geltenden Regelungen des [X.] zurück, unterliefe dies in unzulässiger Weise dem erklärten Regelungswillen der Tarifvertragsparteien.

cc) Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen für den Ausgleich von Freizeit unterschiedliche Rechtsfolgen vor. Dies zeigen die einschlägigen Regelungen des [X.] und des [X.]-[X.]. Während § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] für die Arbeit an Vorfesttagen einen Freizeitausgleich binnen drei Monaten ohne Abgeltungsfolge vorsieht, regelt § 8 Abs. 1 Satz 2 Buch[X.] d [X.] bei Feiertagsarbeit einen besonders zu kennzeichnenden Freizeitausgleich, den der Arbeitgeber abzugelten hat, wenn er nicht gewährt wird. Leistet der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich des [X.]-[X.] fällt, Überstunden, hat der Arbeitgeber binnen dreier Monate Ausgleich durch Gewährung von Freizeit zu leisten, § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.]-[X.]. Nur unter den in § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.]-[X.] genannten Voraussetzungen ist der von dem Beschäftigten erworbene Freizeitanspruch abzugelten. Dieses differenzierte Regelungsgefüge käme nicht zum Tragen, wenn man - der Revision folgend - jeden Freizeitanspruch den Rechtsfolgen des § 8 Abs. 2 [X.] unterwürfe.

dd) Das von dem [X.] gefundene Auslegungsergebnis sichert darüber hinaus den Gleichlauf von tarifvertraglichen und beamtenrechtlichen Regelungen zum Reiserecht. Das mit dem [X.] geschaffene Tarifrecht orientiert sich an der für [X.]beamte geltenden Rechtslage. § 44 Abs. 2 Satz 3 [X.]-[X.] erweitert gegenüber dem vormaligen Tarifrecht die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Reisezeiten für Viel- oder Weitreisende im Wege des Freizeitausgleichs (vgl. § 17 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.]; [X.]/[X.] E § 6 Rn. 34). Das Beamtenrecht gewährt einen dem [X.] spiegelbildlichen Ausgleich im Wege der Dienstbefreiung, aber keinen Anspruch auf Abgeltung in Form einer zusätzlichen Vergütung (vgl. zu § 11 Abs. 3 der Verordnung über die [X.] der Beamtinnen und Beamten des [X.]: [X.] 4. Dezember 2009 - OVG 6 N 2.08 - juris Rn. 7 f.).

d) Das Recht, Abgeltung zu erlangen, ergibt sich nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip. Entgegen der Revision stellt die Auslegung des [X.]s den Kläger nicht rechtlos. [X.] sich der öffentliche Arbeitgeber, den infolge von Dienstreisen erworbenen Freizeitanspruch zu erfüllen, kann der Arbeitnehmer sein Recht im Wege der Leistungsklage vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend machen (vgl. [X.] 13. Juni 1990 - 7 [X.] 206/89 - zu 1 der Gründe). Alternativ kann er - da das Freizeitguthaben werthaft ist - bei dauerhaft schuldhafter Nichtgewährung spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schadensersatz in Geld verlangen (vgl. für den Ausgleich von Freizeit [X.] 4. Mai 1994 - 4 [X.] 445/93 - zu II 3 der Gründe, [X.] § 1 Tarifverträge: [X.] Nr. 1 = EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 5).

e) Die von dem Kläger verlangte Abgeltung ist auch nicht deshalb geboten, weil die tarifvertragliche Beschränkung auf den Freizeitausgleich gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt und der Kläger mit anderen Beschäftigten, die eine Abgeltung von Reisezeiten erhalten, gleichgestellt werden muss.

aa) Der [X.] braucht nicht darüber zu entscheiden, ob Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind oder sie dessen Grundsätze nur mittelbar beachten müssen (für eine lediglich mittelbare Grundrechtsbindung durch die [X.] der Grundrechte zB [X.] 22. April 2010 - 6 [X.] 966/08 - Rn. 26, [X.] Art. 3 Nr. 322). Für den Prüfungsmaßstab ist die dogmatische Herleitung bedeutungslos (vgl. [X.] 4. Mai 2010 -  9 [X.] 184/09  - Rn. 43, AP [X.]-O § 23a Nr. 4).

bb) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normgebung tatsächliche [X.] oder Ungleichheiten außer Acht lassen, die so wesentlich sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung hätten berücksichtigt werden müssen ([X.] Rspr., vgl. [X.] 16. August 2005 - 9 [X.] 378/04 - zu [X.] 3 a der Gründe, [X.] § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können ([X.] 4. Mai 2010 -  9 [X.] 181/09  - Rn. 24, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 46 = EzA GG Art. 3 Nr. 110).

(1) Die gerichtliche Kontrolle wird durch die von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie begrenzt. Den Tarifvertragsparteien kommt eine [X.] zu, soweit der tatsächliche Regelungsbedarf und insbesondere die betroffenen Interessen und die Rechtsfolgen zu beurteilen sind. Sie haben bei der inhaltlichen Gestaltung der Regelung einen Beurteilungsspielraum (vgl. [X.] 16. August 2005 - 9 [X.] 378/04 - zu [X.] 3 a der Gründe, [X.] § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben (vgl. für die [X.] Rspr. [X.] 4. Mai 2010 - 9 [X.] 184/09 - Rn. 44, AP [X.]-O § 23a Nr. 4). Es genügt regelmäßig, wenn ein sachlich vertretbarer Grund für die getroffene Regelung besteht (vgl. [X.] 16. August 2005 -  9 [X.] 378/04  - zu [X.] 3 a der Gründe, aaO).

(2) Der [X.] hat zu § 17 Abs. 2 [X.] entschieden, dass es keine gleichheitswidrige Behandlung von Angestellten auf Dienstreisen gegenüber Angestellten innerhalb von [X.] darstellt, die Wegezeiten der reisenden Angestellten zum auswärtigen [X.] nicht vollumfänglich zur [X.] zu zählen ([X.] 11. Juli 2006 - 9 [X.] 519/05 - Rn. 19 ff., [X.] 119, 41). Er hat dies im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Tarifvertragsparteien über eine [X.] verfügen, die es erlaubt, beim [X.] maßgeblich auf den Umstand abzustellen, dass und in welchem Ausmaß [X.] auszugleichen sind ([X.] 11. Juli 2006 - 9 [X.] 519/05 - Rn. 27, aaO). Diese Erwägungen gelten für die Nachfolgeregelungen des § 44 Abs. 2 und § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] entsprechend.

(3) Die unterschiedliche Behandlung von Beschäftigten mit fester [X.] und Beschäftigten, die ihre Arbeitsleistung gemäß einer Gleitzeitvereinbarung erbringen, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

(a) Während nicht anrechenbare Reisezeiten bei fester [X.] zu [X.] als Freizeitausgleich gewährt werden, werden diese [X.]en bei gleitender [X.] im Rahmen der jeweils geltenden Vorschriften als [X.] angerechnet, § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.]. [X.] räumt Beschäftigten mit gleitender [X.] ebenfalls keinen Anspruch auf Abgeltung ein. Reisezeiten werden vielmehr in das [X.]konto eingestellt, § 10 Abs. 3 [X.]. Ein [X.] besteht erst unter der weiteren Voraussetzung, dass - entgegen dem Regelfall - das [X.]konto ein Guthaben aufweist, das jenseits der durch Dienst- respektive Betriebsvereinbarung zu bestimmenden Grenzen liegt. § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] gibt Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse einer Gleitzeitvereinbarung unterfallen, lediglich die Chance auf eine Abgeltung von Reisezeiten, die sich erst bei Hinzutreten weiterer Umstände realisiert. [X.] man Arbeitnehmern mit fester [X.] einen [X.] ein, der von keinen weiteren Voraussetzungen abhinge, mündete dies in eine Besserstellung gegenüber den Arbeitnehmern mit gleitender [X.].

(b) Im Übrigen haben die Tarifvertragsparteien mit der Setzung des § 47 Nr. 10 Abs. 5 [X.]-[X.] die [X.], die ihnen gemäß Art. 9 Abs. 3 GG zukommt, nicht überschritten. [X.] bewirken lediglich eine einheitliche Abbildung unterschiedlich begründeter Wertguthaben in Gestalt von abstrakten, vergütungsrelevanten Recheneinheiten (vgl. [X.] 17. März 2010 - 5 [X.] 196/09 - Rn. 15, [X.] 2010, 1130). Eine wertmäßige Verbesserung oder Verschlechterung verbindet sich damit grundsätzlich nicht. Zudem ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Tarifvertragsparteien mit der unterschiedlichen Ausgestaltung der [X.] einen Anreiz schaffen, [X.]en durch [X.] zu flexibilisieren.

B. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Benrath    

        

    Neumann    

                 

Meta

9 AZR 686/09

14.12.2010

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 9. April 2008, Az: 22 Ca 8836/07, Urteil

§ 6 Abs 2 TVöD, § 8 Abs 2 TVöD, § 7 TVöD, Art 3 Abs 1 GG, § 44 Abs 2 TVöD BT-V, § 47 Nr 10 Abs 5 TVöD BT-V

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2010, Az. 9 AZR 686/09 (REWIS RS 2010, 436)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 436

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 AZR 17/18 (Bundesarbeitsgericht)

Bereitschaftsdienst in einer Betreuungseinrichtung


6 AZR 465/15 (Bundesarbeitsgericht)

Feiertagszuschlag - Ausweisung des Freizeitausgleichs im Dienstplan


6 AZR 294/17 (Bundesarbeitsgericht)

Reisezeiten für Fortbildungsveranstaltungen - Dienstreisezeiten iSv. § 12 Abs. 8 MDK-T


6 AZR 621/12 (Bundesarbeitsgericht)

Auswirkungen der Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit für einen gesetzlichen Wochenfeiertag gemäß § 6 Abs. 3 …


6 AZR 286/12 (Bundesarbeitsgericht)

Auswirkungen der "Vorfeiertagsregelung" des § 6 Abs. 3 Satz 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen …


Referenzen
Wird zitiert von

7 Sa 1207/14

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.