Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2006, Az. IX ZR 109/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 1393

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 109/05 Verkündet am: 12. Oktober 2006 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 114; ZPO § 829 Abs. 1 Satz 2; [X.] §§ 136, 135 Die Abtretung einer Forderung auf künftige Bezüge aus einem Dienstverhältnis ist auch dann in der [X.] vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Monats wirksam, wenn die Forde-rung vor der Abtretung von einem anderen Gläubiger gepfändet worden war. [X.], Urteil vom 12. Oktober 2006 - [X.][X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2006 durch [X.] Ganter, [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 20. Zivilkammer des [X.] vom 26. April 2005 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 7. Januar 2005 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelverfahren. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Beklagte ist Treuhänder in dem am 8. Dezember 2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des S. (fortan: Schuldner). Der Schuldner hatte der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 13. Mai 2002 den der Pfändung unterworfenen Teil seiner gegenwärtigen und künftigen [X.] auf Arbeitsentgelt jeder Art zur Sicherheit für einen Kredit abgetreten. [X.] zuvor, am 1. September 2000, hatte die W.

AG einen [X.] und Überweisungsbeschluss über die pfändbaren Bezüge des [X.] erwirkt. 1 - 3 - Die Klägerin verlangt die [X.] der pfändbaren Beträge des [X.] für die Monate Januar bis April 2004 sowie teilweise für Mai 2004 in Höhe von insgesamt 2.345 Euro nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt; das [X.] hat die Klage [X.]. Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsan-trag weiter. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Pfändung von Dienstbezügen werde gemäß § 114 Abs. 3 [X.] spätestens mit Ablauf des auf die Eröffnung folgenden Kalendermonats unwirksam. Die Abtretung von Dienstbezügen ver-liere demgegenüber gemäß § 114 Abs. 1 [X.] erst nach Ablauf von zwei Jah-ren von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an ihre Wirkung. Da das Insol-venzverfahren am 8. Dezember 2003 eröffnet worden sei, sei die Abtretung bei wortgetreuer Anwendung des Gesetzes im [X.]raum von Januar bis Mai 2004 wirksam. Dieses Ergebnis widerspreche jedoch dem Sinn und Zweck der Rege-lungen des § 114 [X.] ebenso wie der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die Insolvenzmasse zu erweitern und der Restschuldbefreiung die Grundlage zu erhalten. Zwar sollten [X.] und Verpfändungsgläubiger besser gestellt werden als [X.]. Von der Entwertung einer vorhandenen 4 - 4 - Sicherheit könne jedoch nicht gesprochen werden, wenn eine Abtretung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen einer vorrangigen Pfändung wertlos gewesen sei. Das nicht erwünschte Ergebnis sei im Wege der teleologischen Reduktion der Vorschrift des § 114 Abs. 1 [X.] zu korrigieren. I[X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klägerin hat Anspruch auf [X.] des pfändbaren Teils der Dienstbe-züge des Schuldners für die Monate Januar bis Mai 2004. 5 1. Die Abtretung der Ansprüche auf den pfändbaren Teil des Arbeitsent-gelts an die Klägerin am 13. Mai 2002 verstieß wegen der vorrangigen Pfän-dung gegen das Verfügungsverbot des § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO und war [X.] gemäß §§ 136, 135 [X.] dem durch dieses Verbot geschützten Pfän-dungspfandgläubiger gegenüber unwirksam. Eine gegen ein nur relativ wirken-des Verfügungsverbot verstoßende Verfügung wird jedoch in vollem Umfang wirksam, wenn das Verbot aufgehoben wird, der von ihm Geschützte die Verfü-gung genehmigt ([X.], Urt. v. 20. Februar 1997 - [X.], NJW 1997, 1581, 1582) oder das durch das Verbot geschützte Recht entfällt ([X.]/[X.], [X.] (Bearb. 2003) § 135 Rn. 64). Das Pfändungspfandrecht ist gemäß § 114 Abs. 3 Satz 1 [X.] mit Ablauf des Monats Dezember 2003 un-wirksam geworden. Damit entfiel auch das mit ihm verbundene [X.]. Die Abtretung behält demgegenüber gemäß § 114 Abs. 1 [X.] im dort ge-nannten [X.]raum ihre Wirksamkeit. Der pfändbare Teil der Dienstbezüge des Schuldners gebührt für die [X.] vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des 6 - 5 - zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Kalendermonats der Klägerin. 7 2. Die Vorschrift des § 91 Abs. 1 [X.], nach der Rechte an Gegenstän-den der Insolvenzmasse von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an nicht wirksam erworben werden können, steht nicht entgegen. Die durch die Pfän-dung der Forderung eingetretene Verfügungsbeschränkung wirkt gemäß §§ 136, 135 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur zugunsten des Pfändungsgläubigers ([X.] 58, 25, 26 f; 100, 35, 45). Nur gegenüber der W.

AG war die Abtretung vom 13. Mai 2002 also wirkungslos. Im Verhältnis zum Schuldner war sie dagegen von Anfang an wirksam, nicht erst seit der Eröffnung des [X.] und dem Ablauf der Frist des § 114 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.]. 3. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 114 Abs. 1 [X.] erfordern nicht, dieses Ergebnis für den hier vorliegenden Fall eines vorrangigen Pfändungs-pfandrechts einzuschränken. 8 a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts dient § 114 Abs. 1 [X.] nicht dem Schutz und der Erweiterung der Insolvenzmasse. Nach der [X.] des [X.] zu § 132 [X.]-E, dem jetzigen § 114 [X.], soll-ten Vorausabtretungen, Verpfändungen und Pfändungen zwar eingeschränkt werden, um zu gewährleisten, dass die pfändbaren laufenden Bezüge eines Arbeitnehmers während eines längeren [X.]raums nach der Beendigung des Verfahrens für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehen (BT-Drucks. 12/2443, [X.] f). Bei dieser Begründung scheint jedoch nicht be-dacht worden zu sein, dass die Abtretung künftiger Forderungen nach § 91 Abs. 1 [X.] unwirksam ist, soweit der abgetretene Anspruch erst nach der [X.] - 6 - öffnung des Verfahrens entsteht ([X.] 162, 187, 190; [X.], Urt. v. 20. März 2003 - [X.] ZR 166/02, [X.], 808, 809; MünchKomm-[X.]/Ganter, vor §§ 49 bis 52 Rn. 23; zu § 15 KO ebenso [X.] 135, 140, 145; [X.], Urt. v. 5. Januar 1955 - [X.], NJW 1955, 544; [X.]/[X.], [X.]. § 15 Rn. 44). Der Gesetzgeber des Gesetzes zur Änderung der [X.] und ande-rer Gesetzes vom 26. Oktober 2001 ([X.]l. I S. 2710) hat dieses Versehen be-merkt und Sinn und Zweck des § 114 Abs. 1 [X.] abweichend von der [X.] des [X.] beschrieben. Danach soll § 114 Abs. 1 [X.] es auch demjenigen Personenkreis ermöglichen, sich einen Kredit zu beschaffen, der in der Regel nur die Abtretung von Bezügen aus abhängiger Tätigkeit als Sicherheit anbieten kann (BT-Drucks. 14/5680, [X.]). § 114 Abs. 1 [X.] stellt insoweit eine Ausnahmevorschrift zu § 91 Abs. 1 [X.] dar ([X.], Urt. v. 11. Mai 2006 - [X.] ZR 247/03, [X.], 1254, 1256, z.V. in [X.] bestimmt). b) Die Vorschrift des § 114 Abs. 1 [X.] soll also die Sicherheit privilegie-ren, die in der Abtretung von Arbeitseinkommen liegt. Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, sie dann nicht anzuwenden, wenn die Abtretung des Anspruchs auf Dienstbezüge aufgrund einer vorrangigen Pfändung zunächst gegenüber dem [X.] relativ unwirksam ist. 10 4. Der Fall einer vorrangigen Pfändung ist auch nicht deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 114 Abs. 1 [X.] auszunehmen, weil die Siche-rungsabtretung in einem solchen Fall nicht werthaltig wäre. Im [X.]punkt der Abtretung hat der [X.] zwar das bessere Recht. Auf die-sen [X.]punkt kommt es jedoch nicht an. Eine Sicherungsabtretung wird typi-scherweise erst dann offengelegt, wenn die gesicherte Forderung nicht mehr bedient wird. Erst wenn der Sicherungsfall eintritt, muss die Sicherheit sich be-währen. Die vorrangige Pfändung kann dann längst erledigt sein. Selbst wenn 11 - 7 - sie jedoch noch besteht, ist die in der Abtretung bestehende Sicherheit nicht wertlos. Ihr Wert liegt gerade darin, dass sie im Gegensatz zum Pfändungs-pfandrecht in einem [X.]raum von zwei Jahren nach Eröffnung des [X.] über das Vermögen des Sicherungsgebers insolvenzfest ist. Die Absicht des Gesetzgebers, Sicherungsabtretungen von Arbeitsentgelt in der Insolvenz des Sicherungsgebers zu privilegieren, kommt also auch im Fall einer vorrangigen Pfändung zum Tragen. 5. Die Interessen des [X.]s oder der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger verlangen schließlich ebenfalls keine einschränkende Auslegung des § 114 Abs. 1 [X.]. Die Rechte des [X.]s erlöschen gemäß § 114 Abs. 3 [X.] unabhängig davon, ob später eine Abtre-tung erfolgt ist oder nicht. Den Interessenkonflikt zwischen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger und dem Abtretungsempfänger hat der Gesetzgeber [X.] zugunsten des [X.] gelöst. Für einen [X.]raum von zwei Jahren gehen dessen Interessen denjenigen der Gesamtheit der [X.] vor. 12 II[X.] Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Geset-zes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache 13 - 8 - zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Amtsgerichts ist zurückzuweisen.

Ganter [X.] [X.]

[X.] [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 07.01.2005 - 12 C 1425/04 - [X.], Entscheidung vom 26.04.2005 - 20 S 21/05 -

Meta

IX ZR 109/05

12.10.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2006, Az. IX ZR 109/05 (REWIS RS 2006, 1393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1393

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Insolvenzverfahren: Wirksamkeit einer Abtretung einer aus Anlass eines beendeten Arbeitsvertrages gezahlten Abfindung


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