Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2012, Az. IX ZR 142/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1097

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX ZR 142/11

Verkündet am:

22. November 2012

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 133 Abs. 1, § 129 Abs. 1
Hat der Gläubiger außerhalb des [X.] ein Pfandrecht an ei-nem Kontoguthaben des Schuldners erwirkt, liegt in der Überweisung des [X.] von dem Schuldner an den Gläubiger wegen des insoweit bestehenden Absonderungsrechts keine Gläubigerbenachteiligung. Die Pfändung des [X.] selbst unterliegt als Rechtshandlung des Gläubigers nicht der [X.].

[X.], Urteil vom 22. November 2012 -
IX ZR 142/11 -
OLG [X.]/Main

LG [X.]/Main

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2012 durch [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 3.
Zivilsenats des [X.]s [X.] am Main vom 31.
August 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 104.623,53

nebst Zinsen verurteilt wurde.

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.]s [X.] am Main vom 11. Juni 2010 dahin [X.], dass die Klage auf Zahlung in Höhe von weiteren 36.857,89

Im Übrigen wird die Sache, auch zur Entscheidung über die Kos-ten der
Rechtsmittel, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Verwalterin in dem am 19.
Oktober 2005 über das Ver-mögen der C.

GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) eröff-neten Insolvenzverfahren.

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Die Schuldnerin befand sich seit dem Jahre 2003 in finanziellen Schwie-rigkeiten. Wegen Steuerrückständen in erheblicher Höhe erließ
das Finanzamt

nachfolgend: Finanzamt) am 4.
August 2004 eine Pfän-dungs-
und Einziehungsverfügung über ein von der Schuldnerin bei der

[X.]

AG (nachfolgend: [X.]

) unterhaltenes Konto. Von diesem Konto wurde am 6.
August 2004 ein Betrag von 20.000

August 2004 ein Betrag von 9.857,89

i-ben vom 12.
August 2004 schränkte das Finanzamt die Pfändungs-
und Einzie-hungsverfügung dahin ein, dass die [X.]

ermächtigt war, von dem Konto Zahlungen unmittelbar an die Schuldnerin zu leisten. Im Zeitraum bis zum 14.
Dezember 2004 kam es zu weiteren Banküberweisungen der Schuldnerin ifferten Ge-samtbetrag ergeben.

Das [X.] hat die auf Erstattung dieser Gelder gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung hat das [X.] den [X.], der die empfangenen
Gelder teilweise zurückgewährt
hatte, zur Zahlung von weite-ren 146.671,22

e-vision erstrebt der Beklagte, die Klage in Höhe eines Betrages von 42.047,69

abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat im Umfang ihrer Zulassung Erfolg. Sie führt überwie-gend zur Abweisung der Klage und im Übrigen zur Zurückverweisung der Sa-che an das Berufungsgericht.
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I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, im Blick auf die Zahlungen vom
6. und 10.
August 2004
über insgesamt 29.857,89

hr veranlassten Überweisungen
jeweils eine Rechtshandlung der Schuldnerin vor. Da es sich um Überweisungen
aus einem Guthaben handele, sei eine Gläubi-gerbenachteiligung gegeben. Rückgewähransprüche der Klägerin für Zahlun-gen am 6.
und 8.
Oktober 2004 bestünden nicht, weil der Beklagte die [X.] dieser Beträge in substantiierter Form vorgetragen habe.

II.

Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Prüfung nicht Stand.

1. Die auf §
133 Abs.
1 [X.] gestützte Anfechtung der von der Schuldne-rin am 6.
und 10.
August 2004 bewirkten Überweisungen in Höhe von 29.857,89

t-haben ein [X.] (§
50 Abs.
1 [X.]) erlangt hatte.

a) Die Überweisungen stellen Rechtshandlungen der Schuldnerin dar.

Die Vorschrift des § 133 Abs. 1 [X.] setzt als Rechtshandlung ein wil-lensgeleitetes, verantwortungsgesteuertes Handeln des Schuldners voraus. Der Schuldner muss darüber entscheiden können, ob er eine Leistung erbringt
oder verweigert. Eine von dem Schuldner bewirkte Überweisung bildet eine Rechts-handlung, auch wenn zuvor zugunsten des Zahlungsempfängers Ansprüche auf 5
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5
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Auszahlung gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurden ([X.], Urteil vom 9.
Juni 2011 -
IX
ZR 179/08, [X.], 1343 Rn.
10). So verhält es sich im Streitfall.

b) Im Hinblick auf die bereits am 4. August 2004 seitens des beklagten [X.] erwirkte Pfändung des [X.] fehlt es indessen an einer Gläubigerbenachteiligung. Diese Pfändung selbst
unterliegt als Rechtshandlung des [X.]s nicht der auf Rechtshandlungen des Schuldners be-schränkten Vorsatzanfechtung (§
133 Abs.
1 Satz
1 [X.]).

[X.]) Der Insolvenzanfechtung sind
gemäß §
129 Abs.
1 [X.] nur Rechts-handlungen
unterworfen, welche die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligen. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die [X.] vermehrt oder die [X.] verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten ([X.], Urteil vom 29.
September 2011 -
IX
ZR 74/09, [X.], 2293 Rn.
6).

[X.]) Eine solche Benachteiligung ist gegeben, wenn der Schuldner nach Aussetzung der Vollziehung einer Pfändungs-
und Einziehungsverfügung der Finanzverwaltung über das gepfändete Konto verfügt. Die Aussetzung der Voll-ziehung der Pfändungs-
und Einziehungsverfügung bewirkt, dass der materielle Regelungsgehalt der Pfändungsverfügung bis auf weiteres nicht mehr verwirk-licht werden kann und rechtliche und tatsächliche Folgerungen aus der Pfän-dungsverfügung nicht mehr gezogen werden dürfen. Für die Dauer der
Ausset-zung der Vollziehung der Pfändungsverfügung sind das [X.] für den 10
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Drittschuldner und das Verfügungsverbot für den Vollstreckungsschuldner un-beachtlich. Solange die Aussetzung der Vollziehung wirkt, kann der Schuldner wieder über das Kontoguthaben verfügen ([X.], Urteil vom 20.
November 2008
-
IX
ZR 130/07, [X.], 129 Rn.
10). Eine
Verfügung des Schuldners nach Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs-
und Einziehungsverfügung liegt im Streitfall nicht vor. Tatsächlich wurden die Zahlungen am 6. und 10. August 2004 vorgenommen, als die erst am 12. August 2004 aufgehobene Pfändungs-verfügung noch wirksam war.

[X.]) Angesichts der Zahlung aus dem gepfändeten Guthaben scheidet eine Gläubigerbenachteiligung aus, weil das beklagte Land zur abgesonderten Befriedigung berechtigt war. Das von der [X.] im Wege der [X.] erlangte Pfandrecht ist nicht nach § 133 Abs. 1 [X.] anfechtbar, weil sein Erwerb nicht auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruht.

(1) Die Anfechtung einer Befriedigung ist nicht erfolgversprechend, wenn die Pfändung und Überweisung wirksam und insolvenzbeständig sind. Denn in diesem Falle wird die Gläubigergesamtheit durch die Erlangung der [X.] nicht benachteiligt. Der [X.] erhält dadurch nur das, was ihm bereits aufgrund des [X.]s zusteht ([X.], Urteil vom 21. März 2000 -
IX
ZR 138/99, [X.], 1071, 1072).
An einer Gläubigerbe-nachteiligung fehlt es, wenn der [X.] aufgrund eines Pfän-dungspfandrechts zur abgesonderten Befriedigung (§ 50 Abs. 1 [X.]) aus dem überwiesenen Guthaben bei der Drittschuldnerin berechtigt war. Hat der Gläu-biger ein anfechtungsfestes Pfandrecht erworben, so braucht er davon [X.] Zahlungen nicht zurückzugewähren, weil sie die
Gläubiger nicht benachteili-gen ([X.], Urteil vom 25. Oktober 2007 -
IX
ZR 157/06, [X.], 168 Rn. 9).

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(2) Im Streitfall ist das von der [X.] im Wege der Forderungspfän-dung erwirkte [X.] nicht selbständig anfechtbar. Die Anträge, die zu der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt haben,
sind nach dem eigenen Vortrag der Klägerin erst ab April 2005 gestellt worden. Da die [X.] bereits am 4. August 2004 erfolgte, war die Frist der §§ 130, 131 [X.] bis zur Antragstellung längst abgelaufen. Die zeitlich alleine noch in Betracht kommende Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 [X.] scheitert am Erfordernis einer Rechtshandlung des Schuldners. [X.] sind ohne eine vorsätzliche Rechtshandlung oder eine ihr gleichstehende Unterlassung des Schuldners -
woran es vorliegend ersicht-lich fehlt
-
nicht nach § 133 Abs. 1 [X.] anfechtbar ([X.], Urteil vom 10. Fe-bruar 2005 -
IX
ZR 211/02, [X.]Z 162, 143, 147 ff, 154; vom 23. März 2006
-
IX
ZR 116/03,
[X.]Z 167, 11 Rn. 7).

2. Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerhaft (§
286 ZPO) auf die Klageforderung bewirkte Zahlungen der [X.] in Höhe von insgesamt

Zwar hat das Berufungsgericht zutreffend -
wie auch die Klägerin ein-räumt
-
eine
Erstattung der von der Schuldnerin am 6. und 8.
Oktober 2004 in Höhe von 2.000

den Entscheidungsgründen erwähnt, es jedoch versäumt, in der Urteilsformel eine entsprechende Reduzierung der Klageforderung vorzunehmen. Die gebo-tene Kürzung ist auf die auch insoweit begründete Revision durchzuführen.

3. Ferner kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht entgegen § 286 ZPO weiteren erheblichen Sachvortrag des [X.] außer [X.] gelassen hat.
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Das beklagte Land hat sich darauf berufen, auch die Zahlung der .
Dieses Vorbringen hat es in der [X.] wiederholt.
Da das Berufungsge-richt darauf nicht eingeht, besteht die nicht ausschließbare Möglichkeit, dass die

Schließlich hat der Beklagte im Blick auf den außerdem angefochtenen Betrag in Höhe von 355,40

ehr als 165,60

.

b-lich, weil es Sache der Klägerin als Insolvenzverwalterin ist, den Eingang der angefochtenen Zahlungen bei dem
[X.] nachzuweisen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Januar 2008 -
IX
ZR 33/07, [X.], 413 Rn. 16; vom 18. Dezember 2008 -
IX
ZR 79/07, [X.], 615 Rn. 8). Auch insoweit besteht die Möglich-keit einer Reduzierung der Klageforderung.

III.

Die Revision führt im Rahmen ihrer Zulassung zur Aufhebung der [X.] Entscheidung (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO). Die Klage ist bezüglich eines Betrages in Höhe von 36.857,89

i-sen, weil die Sache insoweit keiner weiteren Feststellungen bedarf und zur En-dentscheidung reif ist (§
563 Abs.
3 ZPO). Im Blick auf die von dem [X.] behauptete weitere Zahlung von 5.000

von 165,40

a-che an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es insoweit
wegen des 19
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gegensätzlichen Sachvortrags der Parteien einer weiteren tatsächlichen Klä-rung bedarf.

Kayser
Raebel
Gehrlein

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
LG [X.]/Main, Entscheidung vom 11.06.2010 -
2-4 O 221/09 -

OLG [X.]/Main, Entscheidung vom 31.08.2011 -
3 U 166/10 -

Meta

IX ZR 142/11

22.11.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2012, Az. IX ZR 142/11 (REWIS RS 2012, 1097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1097

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 142/11

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