Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.02.2023, Az. 6 StR 35/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 1097

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Gegenstand

Gefährliche Köperverletzung: Strafschärfende Berücksichtigung der Art der Tatausführung durch einen extrem alkoholisierten Täter


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Oktober 2022 im Strafausspruch aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen haben Bestand.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine auf die Sachbeschwerde gestützte Revision hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Während der Schuldspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen lässt, hält der Strafausspruch der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.

3

1. Nach den Urteilsfeststellungen trat der Angeklagte mit „seinem beschuhten rechten Fuß viermal mit voller Wucht gegen den Kopf bzw. Oberkörper“ des am Boden liegenden Geschädigten ein. Nachdem er kurzzeitig von diesem abgelassen hatte und der Geschädigte gerade dabei war sich aufzurichten, trat er erneut gegen dessen „Kopf bzw. Oberkörper“. Der Geschädigte sackte zusammen und blieb „für einige Sekunden reglos bäuchlings“ liegen. Der Angeklagte – von einer Zeugin abgelenkt – entfernte sich kurz, begab sich sodann abermals zu dem noch am Boden liegenden Geschädigten und „trat [X.] kraftvoll mit seinem rechten Fuß“ gegen dessen Kopf. Die [X.] ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund seiner Alkoholisierung (Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von maximal 3,50 Promille) in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war (§ 21 StGB). Bei der Prüfung eines minder schweren Falles (§ 224 Abs.1 StGB) wie bei der konkreten Strafbemessung hat sie zu seinen Lasten gewertet, dass die „Brutalität des Vorgehens“ bezogen auf „Anzahl, Intensität und Zielrichtung der Tritte überdurchschnittlich hoch gewesen sei“.

4

2. Diese Strafzumessungserwägung begegnet unter den hier festgestellten Umständen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung darf die Art der Tatausführung einem Angeklagten nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so dass für eine strafschärfende Berücksichtigung durchaus Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 17. November 1961 – 4 StR 373/61, [X.]St 16, 360, 364; vom 7. Juli 1993 – 2 StR 17/93, NJW 1993, 3210, 3211; Beschlüsse vom 14. September 2021 – 5 [X.], NStZ-RR 2021, 336; vom 14. November 2022 – 6 StR 412/22). In einem solchen Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass sich das Tatgericht dieses Umstandes bewusst war und ihm Rechnung getragen hat (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 1993 – 2 StR 17/93, NJW 1993, 3210, 3211; Beschluss vom 29. September 2022 – 2 [X.]/22).

6

b) Dies ergeben die Gründe des angefochtenen Urteils weder ausdrücklich noch in ihrer Gesamtschau (vgl. [X.], Urteile vom 20. Juni 1997 – 2 [X.], [X.]R StGB § 21 Strafzumessung 18; vom 14. August 2013 – 2 StR 574/12, [X.], 81, 82). Hierauf beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Der [X.] vermag nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass die [X.] der konkreten Ausgestaltung der Tat zum Nachteil des Angeklagten ein zu großes Gewicht beigemessen hat.

7

3. Das Urteil hat daher im Strafausspruch keinen Bestand. Angesichts des bloßen Wertungsfehlers bedarf es keiner Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

Sander     

  

Feilcke     

  

Wenske

  

Fritsche     

  

von [X.]     

  

Meta

6 StR 35/23

22.02.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 12. Oktober 2022, Az: 16 KLs 206 Js 9788/22

§ 21 StGB, § 46 StGB, § 224 Abs 1 Nr 5 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.02.2023, Az. 6 StR 35/23 (REWIS RS 2023, 1097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1097

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