Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.10.2023, Az. 6 StR 405/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 7119

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Gegenstand

Anordnung der Unterbringung in Entziehungsanstalt trotz prognoseungünstiger Faktoren


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2023 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung in zweifacher Hinsicht nicht stand.

3

Zum einen hat das [X.] bei der [X.] die „erhebliche Brutalität“ und bei der konkreten Strafzumessung die „Vielzahl der Verletzungshandlungen“ ohne Abstriche zum Nachteil des Angeklagten gewertet, obwohl diese Tatausführung wegen der festgestellten erheblichen Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit nach ständiger Rechtsprechung nur nach dem Maß der geminderten Schuld hätte berücksichtigt werden dürfen (vgl. [X.], Urteile vom 17. November 1961 – 4 StR 373/61, [X.]St 16, 360, 364; vom 7. Juli 1993 – 2 StR 17/93, NJW 1993, 3210, 3211; Beschlüsse vom 14. September 2021 – 5 [X.], NStZ-RR 2021, 336; vom 14. November 2022 – 6 [X.]/22).

4

Zum anderen hat das [X.] strafschärfend berücksichtigt, dass der Getötete dem Angeklagten „keinen nachvollziehbaren Grund geliefert hatte, diesen zu verletzen“. Diese Erwägung lässt besorgen, dass es ihm das Fehlen eines Milderungsgrundes strafschärfend angelastet hat (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2021 – 5 [X.]; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1162; [X.]/[X.]/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 57i mwN).

5

2. Auch die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB begegnet durchgreifenden Bedenken.

6

a) Der Senat hat gemäß § 2 Abs. 6 StGB über die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB in der am 1. Oktober 2023 in [X.] getretenen Fassung zu entscheiden. Nach § 64 Satz 2 StGB nF darf eine solche Anordnung nur ergehen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten ist, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

7

b) Das [X.] hat sich dem von ihm gehörten Sachverständigen angeschlossen, der im Wesentlichen ausgeführt hat, dass ein grundsätzliches Therapieversagen aus den bisherigen Behandlungsmaßnahmen und der komorbiden Persönlichkeitsstörung nicht abzuleiten sei, so dass abschließend „eine positive Behandlungsprognose attestiert werde“. Damit ist eine Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB nF nicht hinreichend belegt. Die Ausführungen lassen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte erkennen, die die Erwartung zu begründen vermögen, die Behandlung werde trotz der prognoseungünstigen Faktoren (Persönlichkeitsstörung, mehrere Therapieversuche) im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nF erfolgreich sein. Allein die vom Angeklagten geäußerte [X.] genügt insoweit nicht.

8

3. Die Sache bedarf daher hinsichtlich der Rechtsfolgen neuer Verhandlung und Entscheidung. Die dem Rechtsfolgenausspruch zugrundeliegenden Feststellungen sind von den [X.] nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

[X.]     

      

Feilcke     

      

Ri[X.] Fritsche ist
urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.

                                   

[X.]

      

von [X.]     

      

Arnoldi     

      

Meta

6 StR 405/23

04.10.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Magdeburg, 4. Mai 2023, Az: 21 Ks 1/23

§ 2 Abs 6 StGB, § 21 StGB, § 46 StGB, § 64 S 2 StGB, § 67d Abs 1 S 1 StGB, § 67d Abs 1 S 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.10.2023, Az. 6 StR 405/23 (REWIS RS 2023, 7119)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7119

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