Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.07.2012, Az. EnVR 93/10

Kartellsenat | REWIS RS 2012, 4393

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Gegenstand

Anreizregulierung für Stromnetzbetreiber: Berücksichtigung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors, der Eigenkapitalverzinsung und der kalkulatorischen Gewerbesteuer bei der Bestimmung der Erlösobergrenze


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur und auf die Anschlussrechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des 1. Kartellsenats des [X.] vom 19. August 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 12. Dezember 2008 in Bezug auf die Einrechnung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors nach § 9 [X.] Erfolg gehabt hat und hinsichtlich der Kürzungen bei der Eigenkapitalverzinsung und der kalkulatorischen Gewerbesteuer zurückgewiesen worden ist, und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 12. Dezember 2008 aufgehoben, mit Ausnahme der Ablehnung des Antrags auf Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.].

Die Bundesnetzagentur wird verpflichtet, die Betroffene unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten und Auslagen der Beschwerde- und der Rechtsbeschwerdeverfahren werden der Betroffenen zu 98% und der Bundesnetzagentur zu 2% auferlegt.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.477.218 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Betroffene betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz. Mit Bescheid vom 17. Januar 2007 erhielt sie eine auf den Daten des Geschäftsjahres 2004 beruhende und später bis zum 31. Dezember 2008 verlängerte Genehmigung der Entgelte für den Netzzugang gemäß § 23a [X.]. Für die Folgezeit wurde der Betroffenen die Teilnahme am vereinfachten Verfahren der Anreizregulierung gemäß § 24 [X.] genehmigt.

2

Mit Beschluss vom 12. Dezember 2008 legte die [X.] die einzelnen [X.] für die Jahre 2009 bis 2013 niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Sie begründete dies im Rahmen der Ermittlung des Ausgangsniveaus nach § 34 Abs. 3 [X.] unter anderem mit Kürzungen bei der Eigenkapitalverzinsung und der kalkulatorischen Gewerbesteuer sowie mit der Einrechnung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors nach § 9 [X.]. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Beschluss mit Ausnahme der Ablehnung des - im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht weiterverfolgten - Antrags auf Anpassung der [X.] nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] aufgehoben und die [X.] verpflichtet, die [X.] unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung neu zu bestimmen. Die weitergehende Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

3

Hiergegen richten sich die - vom Beschwerdegericht zugelassene - Rechtsbeschwerde der [X.] und die Anschlussrechtsbeschwerde der Betroffenen. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde der [X.] und die Anschlussrechtsbeschwerde der Betroffenen haben Erfolg.

5

1. Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor (§ 9 [X.])

6

a) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die [X.] habe bei der Ermittlung der [X.] zu Unrecht den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor nach § 9 [X.] berücksichtigt, obwohl es hierfür an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung fehle. Insbesondere sei § 9 [X.] nicht von § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 bzw. § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 [X.] gedeckt.

7

b) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand. Entgegen der Auffassung des [X.] hat die [X.] bei der Ermittlung der [X.] den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor nach § 9 [X.] im Ergebnis zu Recht berücksichtigt.

8

aa) Der Senat hat zwar mit Beschluss vom 28. Juni 2011 ([X.] 48/10, [X.], 308 Rn. 36 ff. - [X.]) entschieden, dass § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 [X.] a.F. nicht dazu ermächtigt hat, einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor - wie in § 9 Abs. 1 [X.] a.F. vorgegeben - unter Berücksichtigung der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt zu ermitteln. Diese Rechtsprechung ist aber - wie der Senat mit Beschluss vom 31. Januar 2012 ([X.] 16/10, [X.], 203 Rn. 17 ff. - Gemeindewerke [X.]) im Einzelnen begründet hat - durch das [X.] energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2011 ([X.] I S. 3034) gegenstandslos geworden, weil der Gesetzgeber darin mit § 21a Abs. 4 Satz 7, Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 [X.] n.F. mit Rückwirkung zum 1. Januar 2009 eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Einbeziehung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in die [X.] geschaffen und § 9 [X.] neu erlassen hat. Die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung insbesondere gegen die Rückwirkung angeführten Argumente hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet.

9

bb) Die konkrete Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in § 9 Abs. 2 [X.] und dessen konkrete Berechnung durch die [X.] für die einzelnen Jahre der [X.] sind - wie der Senat ebenfalls mit Beschluss vom 31. Januar 2012 ([X.] 16/10, [X.], 203 Rn. 26 ff. - Gemeindewerke [X.]) im Einzelnen begründet hat - ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch insoweit bringt die Rechtsbeschwerdeerwiderung keine Argumente vor, die dem Senat Anlass für eine Änderung seiner Rechtsprechung geben könnten.

2. Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen (§ 34 Abs. 3 [X.])

Die Anschlussrechtsbeschwerde der Betroffenen hat ebenfalls Erfolg.

a) Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die [X.] für die Bestimmung des Ausgangsniveaus der [X.] für die erste [X.] das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten - bestandskräftigen - Entgeltgenehmigung zugrunde legen durfte. Dies ergebe sich aus § 34 Abs. 3 und § 6 Abs. 2 [X.], wonach als Ausgangsniveau das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Genehmigung der Netzentgelte nach § 23a [X.] vor Beginn der Anreizregulierung heranzuziehen sei. Sinn und Zweck dieser Übergangsregelung sei es, eine erneute Kostenprüfung und den damit verbundenen Aufwand nach dem Inkrafttreten der [X.] angesichts des engen zeitlichen Rahmens zu vermeiden. Aufgrund dessen sei für die von der Betroffenen begehrte Anpassung des Ergebnisses der in der letzten Entgeltgenehmigung vorgenommenen Kostenprüfung kein Raum. Dies gelte insbesondere auch für solche Kostenpositionen, die nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des [X.] an sich korrekturbedürftig seien. Dementsprechend seien weder ein Risikozuschlag bei den [X.] vorzunehmen noch die kalkulatorische Gewerbesteuer anzupassen.

b) Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Wie der Senat mit Beschluss vom 18. Oktober 2011 ([X.] 13/10, N&R 2012, 94 Rn. 7 f. - [X.]) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist - entgegen der Auffassung des [X.] - bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus zur Bestimmung der [X.] nach § 34 Abs. 3 [X.] die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung und Anwendung der Stromnetzentgeltverordnung zu berücksichtigen. Die unveränderte Übernahme des Ergebnisses der Kostenprüfung der letzten - bestandskräftigen - Entgeltgenehmigung ist rechtsfehlerhaft, soweit diese zu jener Rechtsprechung in Widerspruch steht.

aa) Aufgrund dessen hätte die [X.] bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus zur Bestimmung der [X.] gemäß § 34 Abs. 3 [X.] in Bezug auf die Verzinsung des die zugelassene Eigenkapitalquote übersteigenden Anteils des Eigenkapitals (sog. [X.]) bei den dafür maßgeblichen [X.] einen Risikozuschlag (siehe hierzu [X.], Beschluss vom 14. August 2008 - [X.] 42/07, [X.]/[X.] 2395 Rn. 54 ff. - [X.]) berücksichtigen müssen. Dies wird sie nachzuholen haben.

bb) Ebenso hätte die [X.] die kalkulatorische Gewerbesteuer anpassen müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juni 2011 - [X.] 48/10, [X.], 308 Rn. 14 - [X.]).

III.

Der Senat verweist die Sache nicht an das Beschwerdegericht zurück. Die noch offenen Fragen des angefochtenen Bescheids vom 12. Dezember 2008 können durch die Regulierungsbehörde in dem neu eröffneten Verwaltungsverfahren entschieden werden. Für die Neubescheidung ist der rechtliche Rahmen durch die Entscheidung des Senats vorgegeben.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 [X.].

Tolksdorf                               Raum                             Strohn

                     Grüneberg                          [X.]

Meta

EnVR 93/10

23.07.2012

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Celle, 19. August 2010, Az: 13 VA 23/09

§ 9 ARegV, § 21a Abs 4 S 7 ARegV, § 21a Abs 6 S 2 Nr 5 ARegV, § 34 Abs 3 ARegV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.07.2012, Az. EnVR 93/10 (REWIS RS 2012, 4393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4393

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