Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.11.2010, Az. XI R 15/09

11. Senat | REWIS RS 2010, 1526

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Gegenstand

Umsatzsteuerrechtliche Leistungserbringung durch Strohmann


Leitsatz

1. NV: Tritt jemand im Rechtsverkehr - als sog. "Strohmann" - im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet .

2. NV: Die gegenteiligen Rechtsgrundsätze in dem BFH-Urteil vom 15. September 1994 XI R 56/93 BFHE 176, 285, BStBl II 1995, 275, dass die von einem (weisungsabhängigen) Strohmann bewirkten Leistungen trotz selbständigen Auftretens im Außenverhältnis dem Hintermann als Leistenden zuzurechnen seien, sind zwischenzeitlich aufgegeben worden (Rechtsprechung) .

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ im [X.] an eine von 1996 --mit [X.] bis 2000 durchgeführte Zoll- und Steuerfahndungsprüfung unter dem 13. Dezember 2001 die hier streitigen Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1994 gegenüber dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) als Einzelunternehmer. Den Bescheiden liegt nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) folgender Sachverhalt zu Grunde:

2

Im Rahmen der vorgenannten Zoll- und Steuerfahndungsprüfung war der Prüfer zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger bzw. seine … 1970 geborene Tochter, die Beigeladene, in den Streitjahren in erheblichem Umfang mit Branntweinen und Maische bzw. Obsterzeugnissen gehandelt hatten, ohne dies gewerberechtlich und steuerrechtlich angemeldet zu haben. Es wurden Rechnungen aus den Jahren 1992 bis 1994 an die Firma [X.] (L-GmbH) und aus den Jahren 1992/93 an die Firma … ([X.]) sowie eine Reihe von geringfügigeren Rechnungen aus den Jahren 1990 bis 1994 sichergestellt. Alle Rechnungen wiesen Umsatzsteuer aus.

3

Rechnungsausstellerin war die Beigeladene. Die Verkaufserlöse wurden überwiegend auf das Konto "[X.]" bei der [X.] eingezahlt, über das auch der Kläger verfügen konnte.

4

Nach Eingang des [X.] vom 4. Januar 2001 erließ das [X.] am 1. März 2001 Bescheide über Umsatzsteuer 1992 bis 1994 gegenüber der "…" ([X.]), weil der Kläger die betreffenden Umsätze zusammen mit der Beigeladenen im Rahmen einer GbR getätigt habe.

5

Während des [X.] gab der Kläger am 17. September 2001 gegenüber dem damals zuständigen Sachgebietsleiter des [X.] folgende schriftlich aufgenommene Erklärung ab:

6

"Der auf die Tochter … angemeldete Gewerbebetrieb ist in 1988 abgemeldet worden. Die Konzession, die noch auf die Tochter läuft, ruht seitdem. Die nach 1988 getätigten Geschäfte wurden von [X.] als [X.] veranlasst und unter meiner Ägide ausgeführt. Was die Geldverwaltung angeht, so hat diese die Tochter in meinem Auftrag erledigt. In praxi wurde meine Tochter quasi als 'Strohmann' eingesetzt."

7

Daraufhin hob das [X.] die gegenüber der [X.] erlassenen Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1994 auf und erließ die hier streitigen Umsatzsteuerbescheide. Der Einspruch blieb erfolglos.

8

Mit der Klage machte der Kläger geltend, seine Erklärung sei falsch; er habe seine Tochter damit schützen wollen. Außer einigen Gefälligkeitsfahrten habe er mit den [X.] nichts zu tun gehabt.

9

Das [X.] wies die Klage ab. Bei der Umsatzsteuer gelte zwar das Offenkundigkeitsprinzip. Eine Ausnahme könne aber trotz selbstständigen Auftretens im Außenverhältnis eingreifen, wenn im Innenverhältnis --wie hier-- der Fall eines weisungsabhängigen [X.] vorliege. Danach sei nicht die Beigeladene, sondern der Kläger Unternehmer und Steuerschuldner der auf den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Als Unternehmer sei nur derjenige anzusehen, der bei einem Leistungsaustausch nach außen hin aufgetreten sei. Das [X.] habe dagegen ausgeführt, dass demjenigen, der in eigenem Namen auftrete, Umsätze dann nicht zugerechnet werden könnten, wenn er sich in abhängiger Stellung befinde. Dies entspreche zwar dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 15. September 1994 [X.] ([X.]E 176, 285, [X.] 1995, 275), stehe aber im Widerspruch zu der jüngeren Rechtsprechung des [X.] [X.], die ausschließlich auf das Außenverhältnis zwischen dem Strohmann und dem Leistungsempfänger abstelle.

Der Kläger beantragt,

die Vorentscheidung sowie die Umsatzsteuerbescheide für die [X.], 1993 und 1994, jeweils vom 13. Dezember 2001, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2003 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es macht geltend, der Kläger sei selbst als Unternehmer aufgetreten bzw. den Kunden und Lieferanten sei bekannt gewesen, dass die Beigeladene nur vorgeschoben gewesen sei und nicht beabsichtigt habe, eigene Leistungen zu besteuern. Der Kläger sei somit auch nach der Rechtsprechung des [X.] als Unternehmer anzusehen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] rechtfertigen nicht seine Entscheidung, hinsichtlich der streitbefangenen Branntweingeschäfte sei nicht die Beigeladene, sondern der Kläger Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG gewesen.

1. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG).

a) Wer bei einem Umsatz als [X.] anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. [X.] ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 12. August 2009 [X.], [X.], 259, [X.] --[X.]-- 2010, 388 unter Verweis auf BFH-Urteile vom 7. Juli 2005 [X.]/03, [X.], 139, und vom 26. Juni 2003 [X.], [X.], 233, sowie [X.] vom 31. Januar 2002 [X.], [X.], 208, [X.], 622, jeweils m.w.N.).

[X.] kann dabei auch ein "[X.]" sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (als sog. "[X.]"; hier evtl. die Beigeladene) im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der [X.] welchen Gründen auch [X.] nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "[X.]"; hier evtl. der Kläger), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "[X.]" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "[X.]" auch solche Leistungen zuzurechnen, die der "[X.]" berechtigterweise im Namen des [X.]es tatsächlich ausgeführt hat (vgl. [X.] in [X.], 208, [X.], 622, unter [X.]). Entsprechende Grundsätze gelten für den "[X.]" als Leistungsempfänger (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 [X.], [X.], 198, [X.], 876, unter [X.]).

b) Die gegenteilige Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 13. Juli 1994 [X.], [X.] 1995, 168) hat der --seinerzeit für die Umsatzsteuer ausschließlich zuständige-- V. Senat ausdrücklich aufgegeben ([X.] in [X.], 208, [X.], 622, unter [X.]). Diese Rechtsprechungsänderung betrifft auch das vom [X.] angeführte Urteil in [X.], 285, [X.] 1995, 275 (vgl. BFH-Urteil in [X.], 198, [X.], 876, unter [X.]). Der nunmehr erneut ebenfalls für die Umsatzsteuer zuständige erkennende Senat folgt der Rechtsprechung des [X.] (vgl. Senatsurteil in [X.], 259, [X.] 2010, 388).

[X.] ist das "vorgeschobene" [X.]geschäft (vgl. auch § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung) nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn die Vertragsparteien --der "[X.]" und der Leistungsempfänger (hier u.a. die L-GmbH und [X.] oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "[X.]" eintreten sollen (vgl. [X.] in [X.], 208, [X.], 622, unter [X.]; vom 17. Oktober 2003 [X.], [X.], 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der [X.] keine eigene --ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende-- Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. [X.] in [X.], 208, [X.], 622).

2. Die Vorentscheidung, die von den überholten Rechtsgrundsätzen in dem BFH-Urteil in [X.], 285, [X.] 1995, 275 ausgegangen ist, wonach demjenigen, der in eigenem Namen auftritt, Umsätze dann nicht zugerechnet werden können, wenn er sich in abhängiger Stellung befindet, war aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das [X.] zu verweisen.

Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob bzw. inwieweit nach der oben unter [X.] dargestellten Rechtsprechung die Beigeladene oder der Kläger hinsichtlich der streitbefangenen Branntweingeschäfte Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG gewesen sind. Zwar hat das [X.] ausgeführt, dass [X.] die Beigeladene gewesen sei und dass nach außen hin förmlich in ihrem Namen gehandelt worden sei. Das schließt aber nicht aus, dass den jeweiligen Geschäftspartnern erkennbar war, dass nicht die Beigeladene, sondern der Kläger aus den [X.] berechtigt und verpflichtet sein sollte. Zu den vom [X.] im Revisionsverfahren dafür angeführten Umständen enthält das [X.]-Urteil keine Feststellungen.

Auch aus der Erklärung des [X.] vom 17. September 2001 ergibt sich hierfür nichts.

Meta

XI R 15/09

10.11.2010

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 26. Juni 2008, Az: 1 K 2075/03, Urteil

§ 41 Abs 2 AO, § 2 Abs 1 UStG 1991, § 2 Abs 1 UStG 1993

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.11.2010, Az. XI R 15/09 (REWIS RS 2010, 1526)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1526

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 422/13

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