Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2002, Az. V ZR 218/01

V. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 1391

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:27. September 2002K a n i k ,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaBGB § 138 D Abs. 1Gehen Verkäufer und Käufer übereinstimmend und zutreffend davon aus, daß dasverkaufte Grundstück derzeit und auf weiteres nicht bebaubar ist, und vereinbarensie im Hinblick darauf einen relativ geringen Kaufpreis (hier: 9.000 DM), so kann [X.] ein objektives Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung (hier: rd.30.000 DM) geknüpfte Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigtenerschüttert sein, wenn der absolute Wert der [X.] relativ gering und seine zu-treffende Einschätzung schwierig ist.[X.], [X.]. v. 27. September 2002 - [X.] - [X.] -Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 27. September 2002 durch den Vizepräsidenten des [X.]Dr. [X.] und [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das [X.]eil [X.] in [X.] des [X.] amMain vom 17. Mai 2001 aufgehoben und das [X.]eil des [X.] des [X.]s [X.] vom [X.] abgeändert.Die Klage wird abgewiesen.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.Von Rechts [X.]:Der Kläger erwarb 1984, zusammen mit seiner damaligen Ehefrau, zweiGrundstücke in [X.]-L. zum Preis von zusammen 37.325 DM inder Vorstellung, sie bebauen zu können. Ein Bauantrag wurde indes wegen derplanungsrechtlichen Besonderheiten der Grundstücke abgelehnt. Das eineGrundstück ist ein etwa 100 m langer, aber nur 12 m breiter Streifen. [X.] damals einzuhaltenden Bauwichs von jeweils 2,5 m wäre es wegen der- 4 -dann verbleibenden Breite von 7 m nur im Wege einer Grenzbebauung bebau-bar gewesen. Dies hätte aber die gleichzeitige Bebauung des Nachbargrund-stücks, ebenfalls bis auf die Grenze, vorausgesetzt. Dafür lag keine Bereit-schaft vor. Im hinteren Bereich grenzt an das langgestreckte Grundstück, [X.] über dieses erreichbar, zwar das zweite erworbene Grundstück. Doch lagdieser gesamte Bereich außerhalb der nach dem Planungsrecht [X.].Mit notariellem Vertrag vom 12. März 1993 veräußerte der Kläger dieseGrundstücke (mit Zustimmung seiner damaligen Frau) unter Hinweis auf denabgelehnten Bauantrag für 9.000 DM (knapp 6 DM/qm) an den Beklagten. [X.] 1996 starb der Eigentümer des Nachbargrundstücks. Seine Erben veräu-ßerten es an den Beklagten. Da es innerhalb des bebaubaren Bereichs an [X.] 12 m breite Grundstück angrenzt, besteht jetzt die Möglichkeit der [X.] Bebauung. Der Beklagte veräußerte herausvermessene Flächen [X.] DM/qm weiter.Der Kläger hält den Kaufvertrag mit dem Beklagten im Hinblick auf einbesonders grobes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung wegen [X.] gegen § 138 Abs. 1 BGB für nichtig und verlangt Grundbuchberichti-gung, hilfsweise Rückübereignung sowie [X.] der ausden [X.] erzielten Erlöse. Das [X.] hat dem [X.]. Das [X.] hat dem Hilfsantrag auf Rückübertragungund dem Antrag auf [X.] um Zug gegen Rückzahlung des [X.] entsprochen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen [X.] 5 -- 6 -Entscheidungsgründe:[X.] Erklärung des Prozeßbevollmächtigten des [X.] in der mündli-chen Verhandlung, der Kläger sei möglicherweise prozeßunfähig, gibt keineVeranlassung, der grundsätzlich auch in der Revisionsinstanz von [X.] prüfenden Frage der Prozeßfähigkeit (vgl. Senat, [X.]Z 31, 279, 281)nachzugehen. Der Kläger hat nämlich keine Tatsachen vorgetragen, aus denensich hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozeßunfähigkeit ergeben (vgl.[X.], [X.]. v. 4. Februar 1969, [X.], NJW 1969, 1574). Der Umstand,daß der Kläger wegen einer - nicht näher spezifizierten - Gehirnerkrankungvorzeitig in den Ruhestand getreten ist, gibt keinen konkreten Hinweis auf einedie Prozeßfähigkeit ausschließende Störung der Geistestätigkeit.[X.] Berufungsgericht hält den Grundstückskaufvertrag vom 12. März1993 wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB für nichtig. Es geht auf [X.] eines Sachverständigengutachtens davon aus, daß zwischen demWert der Grundstücke und der vereinbarten Gegenleistung ein besonders gro-bes Mißverhältnis bestehe, das den Schluß auf eine verwerfliche Gesinnungdes Beklagten zulasse.- 7 -II[X.]s hält den Angriffen der Revision nicht stand.Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß eineVerurteilung allein auf den Hilfsantrag und den Antrag auf Einwilligung in dieAuskehrung der auf [X.] fließenden Weiterverkaufserlöse in [X.] kommt. Voraussetzung für beide Anträge ist die Nichtigkeit des Kaufver-trages der Parteien vom 12. März 1993 nach § 138 Abs. 1 BGB. Diese Voraus-setzungen hat das Berufungsgericht indes fehlerhaft bejaht.1. Zu einem besonders groben Mißverhältnis zwischen Leistung [X.] kommt das Berufungsgericht deswegen, weil es den Wert derGrundstücke, gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen, [X.] bemißt. Der Sachverständige ist zu diesem Wert gelangt, indem ereinen Teil von 593 qm wegen genereller Unbebaubarkeit als Gartenland, dieübrige Fläche von 917 qm als Bauerwartungsland eingestuft hat. Für das [X.] hat er einen Quadratmeterpreis von 12,50 DM, für das [X.] einen solchen von 25 DM angesetzt. Die hierauf gegründeten Fest-stellungen des Berufungsgerichts greift die Revision mit Erfolg an.a) Die der Einschätzung des Sachverständigen folgende Annahme [X.], bei der Fläche von 917 qm handele es sich um [X.], ist rechtsfehlerhaft. Sie verkennt die Voraussetzungen des § 4Abs. 2 [X.]. Nach dieser Vorschrift, die eine materielle Definition des [X.] enthält ([X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], Band [X.] 4 [X.] Rdn. 37), werden unter diesem Begriff Grundstücksflächen verstan-- 8 -den, die nach ihrer Eigenschaft, ihrer sonstigen Beschaffenheit und ihrer Lageeine bauliche Nutzung in absehbarer Zeit tatsächlich erwarten lassen. [X.] nicht eine, wenn vielleicht auch auf Anhaltspunkte gestützte [X.] Bebaubarkeit. Vielmehr muß sich die Wahrscheinlichkeit, daß ein Grund-stück zu [X.] wird, bereits so verdichtet haben, daß dem der allgemeineGrundstücksverkehr Rechnung trägt. Hierbei kommt es auf die objektiven, [X.] konkret betreffenden Umstände an ([X.] aaO Rdn. 38). [X.] lagen im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses nach den ge-troffenen Feststellungen nicht vor.Angesichts seines Zuschnitts war das schmale Grundstück [X.] das Berufungsgericht ausgeht [X.] nur bebaubar, wenn wenigstens auf einerSeite auf die Grenze gebaut oder wenn das Nachbargrundstück [X.] konnte. Für die zweite Möglichkeit gab es keine Anhaltspunkte. Dieallgemeine Erfahrung, daß zu irgendeinem Zeitpunkt ein Grundstück zum [X.] angeboten wird, genügt nicht für die Einordnung als Bauerwartungsland.Die erste Möglichkeit, auf die das Berufungsgericht seine Bewertung stützt,erfüllt ebensowenig die Voraussetzungen. Der Sachverständige, dessen Aus-führungen das Berufungsgericht zugrunde legt, erkennt an sich, daß eine [X.] des Nachbareigentümers zu einer gemeinsamen Grenzbebauung"nicht unbedingt vorausgesetzt" werden kann. Gleichwohl nimmt das [X.] an, daß von einer solchen Bebauung durchaus [X.] könne, weil die [X.] ebenfalls auf eine solche Art [X.] angewiesen seien und nach der Lebenserfahrung nicht angenom-men werden könne, sie wollten den Wert ihrer Grundstücke nicht durch eineBebauung nutzen. Abgesehen davon, daß dem Senat ein solcher Lebenserfah-rungssatz nicht bekannt ist, rügt die Revision zu Recht, daß er jedenfalls in- 9 -dieser Allgemeinheit nicht zugrunde gelegt werden kann, da die [X.] Nachbarn,ebenfalls auf die Grenze zu bauen, von einer Vielzahl von Umständen abhängt,die generelle Aussagen nicht zuläßt. Entscheidend ist zudem allein die [X.] Situation, die immerhin dadurch gekennzeichnet war, daß auch schon [X.], als der Kläger die Grundstücke erwarb, und seitdem unverändertbis zur Weiterveräußerung an den Beklagten, eine Bereitschaft des [X.] nicht bestand. Feststellungen dazu, daß sich dies in [X.] mit einiger auf konkrete Umstände gestützter Wahrscheinlichkeitändern würde, hat das Berufungsgericht nicht getroffen und ist dem Sachvor-trag der Parteien auch nicht zu entnehmen.Damit fehlt der Bewertung dieses Grundstücksteils als Bauerwartungs-land die Grundlage. Ihm kommt [X.] dies kann der Senat mangels anderer [X.] selbst feststellen [X.] nur Gartenlandqualität zu.b) Soweit es um die Bewertung des Gartenlandes geht, rügt die Revisionzwar zu Recht, daß das Gutachten insoweit einen von dem [X.] aufgeklärten Widerspruch enthält, als der Sachverständige einerseits denfür das Bauerwartungsland zugrunde gelegten Quadratmeterpreis schlicht [X.] hat, was zu 12,50 DM führt, während er andererseits angegeben hat, [X.] in vergleichbaren Orten würden bis zu 12 DM/qm veranschlagt.Dieser Widerspruch wird auch nicht dadurch ausgeräumt, daß der Sachver-ständige bei seiner mündlichen Anhörung gesagt hat, daß Gartenland "in die-sem Bereich" noch nicht unter 12 DM/qm verkauft worden sei. Das bezieht sichfreilich auf Gartenland im Anschluß an ein zu bebauendes Grundstück [X.] ersichtlich von der [X.] rechtlich nicht haltbaren (s.o.) [X.] Annahme aus, der- 10 -übrige Grundstücksteil habe in absehbarer Zeit bebaut werden können (Bau-erwartungsland).Hierauf kommt es indes nicht entscheidend an, da das [X.] einen Quadratmeterpreis von 10 DM zugrunde gelegt hat. Ausgehend da-von, und zwar entsprechend richtiger Bewertung auf die gesamten [X.] bezogen, kommt man damit zu einem Wert der verkauftenGrundstücke von 15.100 DM. Danach fehlt es an einem besonders grobenMißverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Die Grundlage für eine [X.], daß der Beklagte auf die Entschließung des [X.] in verwerflicherWeise eingewirkt hätte, entfällt.2. Selbst wenn man aber der Beurteilung die vom Berufungsgericht an-genommenen Werte zugrunde legt, so daß von einem groben Mißverhältniszwischen Leistung und Gegenleistung auszugehen ist, ist die Annahme einerSittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB rechtsfehlerhaft. Das [X.] nämlich, daß nach der Rechtsprechung des Senats die an das [X.] Mißverhältnis geknüpfte Vermutung auf die verwerfliche Gesinnung [X.] durch besondere Umstände erschüttert sein kann. Der Schlußallein von dem Vorliegen einer besonders groben Äquivalenzstörung auf einesubjektiv unlautere Ausnutzung eines den Benachteiligten in seiner [X.] hemmenden Umstands ist dann nicht zulässig (s. [X.]Z 146,298, 305; [X.]. v. 21. März 1997, [X.] 355/95, [X.], 1155, 1156; [X.]. v.19. Juli 2002, [X.] 240/01, [X.]. [X.], zur [X.]. vorgesehen).So liegt der Fall hier. Ohnehin ist bei einem relativ geringen Wert der[X.] Zurückhaltung bei der Anwendung der Vermutungsregel geboten- 11 -(vgl. [X.], [X.]. v. 26. November 1997, [X.], [X.], 932, 934),weil die Unter- bzw. Überschreitung des Kaufpreises um die Hälfte bzw. umdas Doppelte umso weniger aussagekräftig ist, je geringer der absolute Wertder Sache ist. Im konkreten Fall weist die Revision zudem zu Recht darauf hin,daß beide Parteien die Grundstücke als seinerzeit nicht bebaubar eingestufthaben. Beide hatten insoweit den gleichen Wissensstand. Der Kläger hatteeinen Bauantrag gestellt, der abgelehnt worden war. Hierauf wies der notarielleKaufvertrag besonders hin. Angesichts dieser Situation war es für beide Par-teien schwierig, den wahren Wert der Grundstücke richtig einzuschätzen.Wenn sie in dieser Situation das Risiko der, auch künftigen, [X.] hoch veranschlagt haben, daß sie einen nur relativ geringen Kaufpreis von9.000 DM vereinbarten, so kommt darin eine von beiden Parteien als ange-messen angesehene Bewertung des Preis-Leistungsverhältnisses zum Aus-druck, die den Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung des später von [X.] Begünstigten nicht erlaubt (vgl. auch Senat, [X.]. v. 19. Juli 2002,[X.] 240/01, aaO).IV.Ohne Eingreifen der an eine Äquivalenzstörung anknüpfende Vermutungentfällt die Grundlage des angefochtenen [X.]eils. Es unterliegt daher der [X.] (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die getroffenen Feststellungen tragen auchnicht aus anderen Gründen die Bewertung des Kaufvertrages als sittenwidrigim Sinne des § 138 Abs. 1 BGB. Der Kläger verweist auch nicht auf Sachvor-trag in den Tatsacheninstanzen, der eine solche Würdigung erlaubte. Das giltinsbesondere für die angebliche Vorstellung beider Vertragsparteien, den- 12 -Kaufpreis gering zu bemessen, um etwaige Ansprüche der damaligen Ehefraudes [X.] im Scheidungsverfahren zu begrenzen. Da nichts dafür ersichtlichist, daß Feststellungen, die die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB rechtferti-gen, nachgeholt werden können, ist die Klage unter Abänderung des landge-richtlichen [X.]eils abzuweisen (§ 565 Abs. 3 ZPO a.[X.] Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.[X.] Tropf [X.]GaierSchmidt-Räntsch

Meta

V ZR 218/01

27.09.2002

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2002, Az. V ZR 218/01 (REWIS RS 2002, 1391)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1391

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