Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2000, Az. V ZR 146/98

V. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 3250

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:4. Februar 2000K a n i k ,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]:[X.] § 138 [X.] Rechtsprechung des Senats zum sog. wucherähnlichen Rechtsgeschäft (§ 138Abs. 1 [X.]) ist grundsätzlich auch auf Kaufverträge über Grundstücke in der [X.], die unmittelbar nach Aufhebung der Preisvorschriften (hier 9. Juli 1990)geschlossen worden sind. Ob ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen [X.] und Gegenleistung den Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung des Begün-stigten zuläßt, bedarf kritischer tatrichterlicher Würdigung.[X.], Urt. v. 4. Februar 2000 - [X.] - [X.] [X.]LG Mühlhausen- 2 -Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] [X.], [X.], Tropf,[X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 8. Zivilsenats [X.] in [X.] vom 31. März 1998 aufge-hoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Kläger waren je zur Hälfte Eigentümer eines Grundstücks inE. . Der Beklagte erwarb von ihnen mit einem am 9. Juli 1990 in [X.] beurkundeten Vertrag einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem [X.] zum Preis von 15.000 DM und wurde als Miteigentümer in das Grund-buch eingetragen.Die Kläger behaupten, der Miteigentumsanteil sei bei [X.] DM wert gewesen und meinen, der Kaufvertrag sei deshalb wegen Sit-- 3 -tenwidrigkeit nichtig. Sie erstreben Berichtigung des Grundbuchs, hilfsweiseAufhebung des Vertrages, und weiter hilfsweise die Feststellung der [X.]. Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben.Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, die ihren Hauptantrag nebstHilfsanträgen weiterverfolgen.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht verneint eine Nichtigkeit des Kaufvertrages vom9. Juli 1990 nach § 138 Abs. 2 [X.]. Es läßt die zwischen den Parteien streiti-ge Behauptung der Kläger zum Wert des Miteigentumsanteils bei [X.] offen, weil es jedenfalls an der subjektiven Tatbestandsseite fehle.II.Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings ohne weiteres davonaus, daß der vor einem westdeutschen Notar beurkundete Vertrag nicht (mehr)formunwirksam ist (vgl. § 297 Abs. 1 Satz 2, § 67 Abs. 1 Satz 3 ZGB; § 1Abs. [X.]). Dieser Mangel ist nach Art. 231 § 7 Abs. 1 EG[X.] geheilt.2. Soweit die Kläger, erstmals in der mündlichen Verhandlung vor demSenat, den Vertrag deshalb für unwirksam halten, weil die notarielle "Voll-machtsbestätigung" erst am 30. Oktober 1990 und damit nicht innerhalb derFrist des § 59 Abs. 1 Satz 2 ZGB abgegeben worden sei, haben sie damit kei-- 4 -nen Erfolg. Die Kläg[X.] zu 1 hat bei Vertragsabschluß nicht etwa als voll-machtlose Vertret[X.] ihres Ehemanns gehandelt, sondern nur die notarielleBestätigung ihrer (schon vorhandenen) Vollmacht nachzureichen [X.] beurteilt das Berufungsgericht die Wirksamkeit [X.] allein am Maßstab von § 138 Abs. 2 [X.].Die Parteien haben das Recht der [X.] verein-bart (§ 13 Abs. 3 des Vertrages), "soweit nicht zwingendes Recht entgegen-steht". Dies war aber der Fall, weil das Grundstück in der [X.] lag und diesenach § 9 und § 12 Abs. 3 [X.] (das auch nach dem 1. Juli 1990 weiter-galt) zwingend die ausschließliche Geltung von [X.]-Recht in Anspruch nahm.Wäre die Rechtswahlvereinbarung nicht ohnehin eingeschränkt, wäre sie nachArt. 27 Abs. 3 EG[X.] unwirksam gewesen.Im Ansatz ist damit die Wirksamkeit des Vertrages nicht nach dem [X.],sondern nach dem ZGB zu beurteilen (Art. 232 § 1 EG[X.]). § 68 Abs. 1 Nr. 2ZGB stellt zwar auf die Vereinbarkeit mit den "Grundsätzen der sozialistischenMoral" ab. Für den hier maßgeblichen Zeitpunkt (9. Juli 1990) entsprach [X.] dem Begriff der guten Sitten im Sinne von § 138 Abs. 1 [X.]. Nach § 1Abs. 2 Satz 2 VerfGrdG vom 17. Juni 1990 waren Rechtsvorschriften aufgeho-ben, die den Einzelnen oder Organe der staatlichen Gewalt auf die sozialisti-sche Staats- und Rechtsordnung, auf das Prinzip des [X.] Sozia-lismus, auf die sozialistische Gesetzlichkeit oder das sozialistische Rechtsbe-wußtsein verpflichten. Die bestehenden Rechtsvorschriften waren [X.] einer freiheitlichen [X.] Grundordnung auszulegen (§ 1 Abs. 2Satz 1 und § 1 Abs. 1 VerfGrdG; [X.]Z 118, 34, 42). Entsprechendes folgt aus- 5 -Art. 2 und 4 des [X.] über die Herstellung einer Wirtschafts- [X.] vom 18. Mai 1990. Demgemäß wurde in das am 28. Juni 1990geänderte Gesetz über Wirtschaftsverträge § 12 Abs. 2 eingefügt, der be-stimmt, daß Erklärungen nichtig sind, die gegen die guten Sitten verstoßen.Auch nach einhelliger Auffassung in der Literatur ist § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB [X.] von § 138 [X.] auszulegen (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], EG[X.],Art. 232 § 1 Rdn. 14; [X.]/[X.], [X.], 59. Aufl., Art. 232 EG[X.], § 1Rdn. 5; Soergel/[X.], [X.], 12. Aufl., EG[X.], Art. 232 § 1 Rdn. 3; [X.]/[X.], [X.] [1996] EG[X.], Art. 232 § 1 Rdn. 83 und 84).Auf dieser Grundlage ist im Ansatz auch die Rechtsprechung des [X.], insbesondere des Senats, zu § 138 Abs. 1 [X.] einschlägig,die das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht in seine Überlegungen [X.] hat. Danach rechtfertigt ein besonders grobes Mißverhältnis zwischenLeistung und Gegenleistung den Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung [X.] mit der Folge, daß ein Vertrag schon nach § 138 Abs. 1 [X.] sit-tenwidrig sein kann. Von einem solchen Mißverhältnis kann bereits dann aus-gegangen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wieder Wert der Gegenleistung (vgl. z.B. Senatsurteile v. 18. Januar 1991,V [X.], NJW-RR 1991, 589; v. 8. November 1991, [X.], [X.], 899, 890; [X.], Urt. v. 16. Februar 1994, [X.], NJW 1994, 1475,1476). So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht unterstellt den [X.] unter Beweis gestellten Wert der [X.] am 9. Juli 1990 [X.] DM. Im übrigen wäre schon bei einem Wert von 30.000 DM nach [X.] des Senats ein besonders grobes Mißverhältnis anzunehmen.Das Berufungsgericht hätte somit den Wert der [X.] nicht of-fenlassen dürfen, sondern darüber Beweis erheben [X.] 6 -Der Vertrag enthält im übrigen auch sonstige, die Kläger belastende Re-gelungen, die bei der notwendigen Gesamtwürdigung (vgl. z.B. [X.]Z 107, 92,97 m.w.[X.]) zusätzlich eine Rolle spielen können. Die Kläger waren vorlei-stungspflichtig. Erst einen Monat nach Eintragung des Beklagten im Grundbuchwar der Kaufpreis fällig, die Kläger hatten nur einen schuldrechtlichen An-spruch auf Absicherung durch eine Bürgschaft (§ 2 des Vertrages). Der [X.] hat sich ein Vorkaufsrecht einräumen lassen (§ 11 des Vertrages) [X.] wurde wechselseitig ein Ankaufsrecht vereinbart (§ 12 des Vertrages), dasschon in [X.] tritt, wenn die hälftigen Kosten für die Renovierung, den Abbruchoder Teilabbruch des bestehenden Gebäudes (insoweit bestand eine Ver-pflichtung) nicht aufgebracht werden. Bei den Einkommens- und Vermögens-verhältnissen der Verkäufer traf diese ein besonders hohes Risiko, daß [X.] ein Ankaufsrecht ausüben würde. Im Rahmen einer Gesamtbetrach-tung kann auch der bestrittene Vortrag der Kläg[X.] Bedeutung gewinnen, siesei am 9. Juli 1990 vom Beklagten nach [X.] eingeladen und dort ohneVorinformation mit der notariellen Beurkundung konfrontiert worden ([X.] 5. Januar 1998). In diesem Zusammenhang ist entgegen der [X.] nicht von Bedeutung, daß die Kläg[X.] auch im [X.] Ehemanns handelte "mit dem Versprechen, notarielle Vollmachtsbestäti-gung nachzureichen und hierfür haftend". Auch wenn diese Vollmachtsbestäti-gung erst am 30. Oktober 1990 erteilt wurde, ändert dies nichts an der be-haupteten Überrumpelung der Kläg[X.].Wäre der [X.] nichtig, dann beträfe dies- entsprechend dem fehlenden Abstraktionsprinzip nach dem Recht der [X.] -auch die Übereignung; damit wäre schon der Hauptantrag der Klage auf [X.] 7 -ligung der Grundbuchberichtigung (Art. 233 § 2 Abs. 1 EG[X.] i.V. mit § 894[X.]) begründet.Soweit sich die Revisionserwiderung auf die Entscheidung des Senats in[X.]Z 131, 209 (= NJW 1996, 990, 991) bezieht, ist diese nicht einschlägig,denn sie betrifft die Vereinbarung eines Stopppreises und dessen preisrechtli-che Genehmigung. Im vorliegenden Fall wurde aber der [X.] abgeschlossen. Richtig ist allerdings der Hinweisder Revisionserwiderung, daß es schwierig ist, für einen Zeitpunkt neun [X.] Einführung der [X.] unter Aufhebung der Preisvorschriften [X.] auf dem Grundstücksmarkt zu beurteilen und von einem etwafestgestellten groben Mißverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung des [X.] zu schließen. Dies schließt im Ansatz jedoch die Anwendung derangeführten Senatsrechtsprechung nicht aus. Das Berufungsgericht wird [X.] das einzuholende Wertgutachten (Bewertungszeitpunkt 9. Juli 1990) kri-tisch prüfen und sich nach dem Ergebnis dieses Gutachtens auch die Fragestellen müssen, ob es unter den besonderen Umständen der [X.] nach [X.] einen Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung [X.] zuläßt. Vieles spricht allerdings dafür, daß der unstreitig ge-schäftserfahrene Beklagte davon ausgehen konnte, es werde nach [X.] zu ganz erheblichen Preissteigerungen auf dem [X.]smarkt kommen, zumal es hier um ein zentral gelegenes Grundstück inE. geht (vgl. auch Senatsurt. v. 3. November 1995, [X.], [X.], 262, 264). Dem steht möglicherweise eine Unerfahrenheit der in der[X.] wohnenden Kläger auf dem Immobilienmarkt gegenüber, die sich aus derjahrzehntelangen Strangulierung des Marktes durch die staatliche Preislenkung- 8 -ergab (vgl. auch [X.], Urt. v. 16. Februar 1994, [X.], NJW 1994, 1475,1476 re. [X.]. unten).[X.]Frau [X.]Tropfkann nicht unterschreiben,weil sie in einem Kurauf-enthalt ist. 9.2.2000[X.] [X.]Herr Dr. [X.] nicht unter-schreiben, weil [X.] Urlaub ist. 9.2.2000 [X.]

Meta

V ZR 146/98

04.02.2000

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2000, Az. V ZR 146/98 (REWIS RS 2000, 3250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3250

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