Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2009, Az. IX ZR 63/09

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 1672

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 63/09 Verkündet am: 17. September 2009 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2009 durch [X.] Ganter und [X.], Prof. Dr. [X.], Prof. Dr. Gehrlein und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 3. Juni 2008 aufgehoben. Die Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 30. Oktober 2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge. Von Rechts wegen

Tatbestand: Über das Vermögen des

S. (künftig: Schuldner) wurde mit Beschluss vom 18. April 2006 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Treuhänder bestellt. Der Schuldner ist Genosse der [X.] und nutzt aufgrund eines [X.] eine ihrer Wohnungen. Mit Schreiben vom 25. Januar 2007 kündigte der Kläger die [X.] des Schuldners in der Genossenschaft. Die Beklagte wies die [X.] zurück. Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben mit dem Antrag festzu-stellen, dass die Mitgliedschaft des Schuldners in der [X.] durch die [X.] beendet ist. Die Klage hat beim Amtsgericht Erfolg gehabt, ist aber vom 1 - 3 - Berufungsgericht abgewiesen worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelas-senen Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. 2 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Treuhänder sei entsprechend § 66 [X.] befugt gewesen, die Mitgliedschaft des Schuldners bei der [X.] zu kündigen. Die Kündigung sei jedoch analog § 109 Abs. 1 Satz 2 [X.] unwirksam. Diese Vorschrift, nach der ein Insolvenzverwalter das Mietverhältnis des Schuldners über seine Wohnung nicht kündigen, sondern nur erklären kön-ne, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist fällig wer-den, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können, sei in ent-sprechender Anwendung auch für den Fall einschlägig, in dem der Schuldner eine genossenschaftliche Wohnung nutze. Eine Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners in der Genossenschaft müsse dazu führen, dass die Beklagte den Nutzungsvertrag an der Wohnung kündige, weil sie ihren auf einer Warte-liste stehenden Mitgliedern zur Bereitstellung einer Genossenschaftswohnung verpflichtet sei. Damit wäre das mit der Einführung des neuen Satzes 2 in [X.] 1 des § 109 [X.] durch das Gesetz vom 26. Oktober 2001 vom [X.] verfolgte Anliegen der Vermeidung von Obdachlosigkeit des Schuldners und der ihm von [X.] wegen gebotenen Eröffnung der Möglichkeit der Entschuldung obsolet. 3 - 4 - I[X.] 4 Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 5 1. Mit Recht hat das Berufungsgericht den Kläger im Grundsatz für [X.] gehalten, die Mitgliedschaft des Schuldners bei der [X.] zu kün-digen. Wie der Senat durch Urteil vom 19. März 2009 ([X.] ZR 58/08, [X.], 1820 Rn. 5, z.[X.]. in [X.], 185) entschieden hat, steht das Recht, in der Insolvenz des Mitglieds einer Genossenschaft die Mitgliedschaft mit dem Ziel zu kündigen, den zur Insolvenzmasse gehörigen Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens (§ 73 [X.]) zu realisieren, dem Insolvenzverwalter zu. Dies ergibt sich aus § 80 Abs. 1 [X.] und in ent-sprechender Anwendung von § 66 [X.]. 2. Richtig ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass § 109 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf den Fall einer Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft nicht unmittelbar anwendbar ist. Das [X.] gilt unmittelbar allenfalls für das Dauernutzungsver-hältnis an der Wohnung, welches regelmäßig mit der Mitgliedschaft verbunden ist. 6 3. Den Streit, ob § 109 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf die Kündigung der [X.] in einer Wohnungsgenossenschaft entsprechend angewendet wer-den kann, hat der Senat im Urteil vom 19. März 2009 (aaO S. 1821 Rn. 8 ff) dahin entschieden, dass eine Analogie nicht möglich ist. Ob eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, kann dahinstehen. Der zu beurteilende Sachverhalt ist jedenfalls mit dem gesetzlich geregelten Sachverhalt nicht hinreichend [X.]. Deshalb ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung eine ana-7 - 5 - loge Anwendung auch nicht unter dem Gesichtspunkt verfassungskonformer Auslegung im Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG geboten. 8 a) Verliert der Insolvenzschuldner seine Wohnung, kann dies das Ziel des [X.] gefährden, dem Schuldner durch Gewäh-rung der Restschuldbefreiung einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermögli-chen. Dieser Gefahr ist der Gesetzgeber für Mietwohnungen mit der [X.] in § 109 Abs. 1 Satz 2 [X.] im Jahr 2001 entgegen getreten (vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 27 zu [X.]). Anders als eine Wohnungskündigung führt die Kündigung der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft jedoch nicht notwendig zu einer Beendigung des Nutzungsverhältnisses. Eine solche Folge liegt zwar nicht fern. Denn der Zweck einer Wohnungsgenossenschaft ist es, ihren Mitgliedern Wohnraum zur Verfügung zu stellen. [X.] ein Mitglied aus der Genossenschaft aus und haben andere Genossen einen Bedarf an der Wohnung des ausgeschiedenen Genossen, kann die Genossenschaft aufgrund ihres Statuts gehalten sein, das Nutzungsverhältnis mit dem ausgeschiedenen Genossen aufzulösen und die Wohnung einem Mitglied zu überlassen. Zwin-gend ist die Annahme eines Rechts der Genossenschaft zur [X.] im Falle der Beendigung der Mitgliedschaft durch den Treuhänder aber nicht. Der für das Wohnraummietrecht zuständige VII[X.] Zivilsenat des Bundes-gerichtshofs hat bisher offen gelassen, ob die Genossenschaft im Falle der Kündigung der Mitgliedschaft durch den Gläubiger eines Genossen nach § 66 [X.] zur Kündigung des Nutzungsverhältnisses berechtigt ist ([X.], Urt. v. 10. September 2003 - [X.] ZR 22/03, NJW-RR 2004, 12, 13 unter 2.). Selbst wenn die Genossenschaft zur Kündigung des Nutzungsverhältnisses berechtigt sein sollte, ist es nicht zwangsläufig, dass sie von diesem Recht Gebrauch macht. Es kann im Einzelfall Gründe geben, von einer Kündigung abzusehen, etwa wenn die Wohnung nicht für andere Genossen benötigt wird oder wenn - 6 - absehbar ist, dass der betroffene Genosse nach Beendigung des [X.] wieder die erforderlichen Genossenschaftsanteile erwirbt. 9 b) Im Übrigen besteht zwischen der Situation, in der sich ein Mitglied [X.] in einer Zahlungskrise befindet, und der ent-sprechenden Situation eines "gewöhnlichen" Wohnungsmieters ein entschei-dender Unterschied. Gegenüber beiden können Gläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Pfändung und Überweisung des künftigen Anspruchs auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens bzw. der Mietkaution nach §§ 829, 835 ZPO erwirken. Während dem Gläubiger eines Genossenschafts-mitglieds aber die Möglichkeit offen steht, nach § 66 [X.] unter den dort ge-nannten Voraussetzungen das Kündigungsrecht des Mitglieds an dessen Stelle auszuüben und so die Voraussetzung für eine Auszahlung des gepfändeten Anspruchs auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens herbeizufüh-ren, hat der Gläubiger eines Mieters diese Möglichkeit nicht. Zugriff auf die Mietkaution hat er erst, wenn das Mietverhältnis ohne sein Zutun endet. Die Vorschrift des § 109 Abs. 1 Satz 2 [X.] gewährleistet diesen Schutz des [X.] auch im Insolvenzverfahren, indem er eine Kündigung des [X.] durch den Insolvenzverwalter ausschließt. Würde man dem Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft im Insolvenzverfahren einen entsprechenden Schutz gewähren, führte dies zu einer Gleichstellung mit dem Mieter, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bestand ([X.], Urt. v. 19. März 2009 aaO S. 1821 Rn. 12). Daran ändert auch der Hinweis der Revisionserwiderung nichts, dass ein Schuldner, dessen Gläubiger nach § 66 [X.] vorgehen könne, regelmäßig zahlungsunfähig und darauf zu verweisen sei, selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens herbeiführen. - 7 - c) Hinzu kommt, dass Wohnungsgenossenschaften ihren Mitgliedern das Recht einräumen können, mehr Geschäftsanteile zu erwerben, als nötig ist, um eine genossenschaftliche Wohnung nutzen zu dürfen (§ 7a [X.]). Wäre eine Kündigung der Mitgliedschaft durch den Insolvenzverwalter auch in einem sol-chen Fall in entsprechender Anwendung des § 109 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausge-schlossen, wären den Gläubigern auch Vermögenswerte des Schuldners ent-zogen, die für den Erhalt seiner Wohnung nicht erforderlich sind. Dies wäre vom Schutzzweck dieser Norm nicht mehr gedeckt. 10 4. Grundrechte der [X.] werden durch diese Entscheidung nicht verletzt. Die Beklagte hat nicht dargelegt, inwiefern die Berechtigung des Treu-händers, die Mitgliedschaft des insolventen Genossen zu kündigen, sie in eige-nen Grundrechten konkret gefährden könnte. 11 II[X.] Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist [X.] (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsver-letzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis er-
12 - 8 - folgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

[X.] Gehrlein [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 30.10.2007 - 10 C 105/07 - [X.] (Oder), Entscheidung vom 03.06.2008 - 6a [X.]/07 -

Meta

IX ZR 63/09

17.09.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2009, Az. IX ZR 63/09 (REWIS RS 2009, 1672)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 1672

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