Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2014, Az. IX ZR 276/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2777

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX ZR 276/13

Verkündet am:

18. September 2014

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 109 Abs. 1 Satz 2, § 80 Abs. 1; [X.] §§ 66, 67c nF
Die gesetzliche Neuregelung in § 67c [X.] rechtfertigt es nicht, auf eine vor ihrem Inkrafttreten vom Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners
in einer Wohnungsgenossenschaft entgegen der bisherigen Recht-sprechung das insolvenzrechtliche Kündigungsverbot für gemieteten Wohnraum ent-sprechend anzuwenden (Bestätigung von [X.], 185).

[X.], Urteil vom 18. September 2014 -
IX ZR 276/13 -
LG [X.]

AG Pankow/[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
18. September 2014
durch [X.] [X.],
die Richterin [X.], [X.] Pape, [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel
der Klägerin
werden
das Urteil der [X.] des [X.] vom 14. November 2013 aufgeho-ben und das Urteil des [X.][X.] vom 8.
Mai 2013 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an [X.] hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem [X.] seit dem 1. Juli 2013 zu zahlen. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der [X.] auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Treuhänderin in dem am 10. Mai 2011 eröffneten [X.] über das Vermögen des

K.

(fortan: Schuldner). Der Schuldner ist
Mitglied
der beklagten
Wohnungsgenossenschaft 1
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und nutzt mit seiner Ehefrau aufgrund eines gesonderten [X.] ihrer Wohnungen. Er hält
Geschäftsanteile
der Genossenschaft
im Gesamt-betrag
von 1.44in Höhe von

abgetreten hat. Geschäftsanteile
in diesem Umfang mussten
nach der Satzung der [X.] übernommen werden, um den Nutzungsvertrag abschließen zu können. Eine
von der Klägerin mit dem Schuldner nach der Eröffnung des [X.] vereinbarte Auslösung der Geschäftsanteile scheiterte, weil der Schuldner die ihm nachgelassene Ratenzahlung nicht einhielt. Hierauf [X.] die Klägerin
am 14. Juni 2012
die Mitgliedschaft des Schuldners bei der [X.]
und forderte diese zur Auszahlung der Genossenschaftsanteile auf. Die
Beklagte
widersprach der Kündigung.

nebst Zinsen gerichtete Klage hat in den Vo-rinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur
antragsgemäßen Verurteilung der [X.]. Lediglich wegen eines Teils der Zinsforderung bleibt die Klage abge-wiesen.

1. [X.] hat ausgeführt: Die Klägerin könne nicht die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens verlangen, weil die Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners bei der [X.]
analog § 109 Abs. 1 Satz
2 [X.] unwirksam sei. Nach dem Wortlaut dieser Norm sei
dem
Insolvenzverwal-ter die Kündigung des Mietvertrags über die Wohnung des Schuldners, nicht 2
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aber die Kündigung seines Geschäftsanteils an einer [X.] untersagt. Dabei handle es sich aber um eine unbeabsichtigte [X.], wie die gesetzliche Neuregelung in dem am 19. Juli 2013 in [X.] getretenen, auf den Streitfall noch nicht anwendbaren § 67c
[X.] zeige. [X.] der vom [X.] in seinem Urteil vom 19. März 2009 (IX
ZR 58/08, [X.], 185) vertretenen Ansicht
sei das Kündigungsverbot des §
109 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf den Fall der Kündigung der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft entsprechend anzuwenden, weil die Sachverhalte wegen der gleichen Interessenlage vergleichbar seien, soweit die Mitgliedschaft in der Genossenschaft Voraussetzung für die Nutzung der Wohnung sei und bei einer Kündigung der Mitgliedschaft der Verlust der Wohnung drohe.

2. Diese Beurteilung teilt der [X.] nicht. Er hat im Urteil vom 19. März 2009 (aaO) eine entsprechende Anwendung des § 109 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf die Kündigung der Mitgliedschaft
des Schuldners
in einer [X.] mit eingehender Begründung abgelehnt und damit die bis dahin beste-hende Streitfrage entschieden. Die wesentlichen vom Berufungsgericht ange-führten Gesichtspunkte hat er schon damals in seine Würdigung einbezogen. Im Urteil vom 17. September 2009 ([X.], Z[X.] 2009, 2104
Rn. 5 ff) und im Beschluss vom 2. Dezember 2010 ([X.], [X.], 134 Rn. 6) hat er an seiner Auffassung festgehalten. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, nunmehr anders zu entscheiden.

a) Eine andere rechtliche Beurteilung ist insbesondere nicht wegen des Umstands geboten, dass der Gesetzgeber inzwischen durch Art. 8 des Geset-zes
zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 ([X.]) in das [X.] eine neue Norm eingefügt hat (§ 67c), nach der die Kündigung der Mit-5
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gliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft durch den Gläubiger oder den Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen ist. Diese Norm ist auf den hier zu entscheidenden Fall nicht unmittelbar anwend-bar, weil sie gemäß Art. 9 des Gesetzes erst am 19. Juli 2013, mithin mehr als ein Jahr nach der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung, in [X.] getre-ten ist.

b) Die Änderung des [X.] rechtfertigt es aber auch nicht, die bisherige Rechtsprechung zur Frage einer analogen Anwendung des §
109 Abs. 1 Satz 2 [X.] aufzugeben.

aa) Ob eine Norm analog angewandt werden kann, hängt zwar vom mutmaßlichen Regelungswillen des Gesetzgebers ab. Denn eine Analogie ist dann zulässig, wenn der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, so ähnlich ist, dass ange-nommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungs-ergebnis gekommen ([X.], Urteil vom 19. März 2009, aaO Rn. 8 mwN). Die spätere Änderung eines Gesetzes erlaubt aber im Allgemeinen
nicht ohne [X.] den Schluss, der Gesetzgeber habe schon zu einem früheren Zeitpunkt einen entsprechenden Regelungswillen gehabt.

bb) Auch im vorliegenden Zusammenhang ist ein solcher Rückschluss aus der Gesetzesänderung nicht zu ziehen. Die Begründung des [X.] zur neuen Vorschrift §
67c [X.] stellt fest, dass nach bisheriger Rechtslage der Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Schuldners dessen Mit-gliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft kündigen könne.
Der Bundesge-7
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richtshof habe
"klargestellt", dass das Kündigungsverbot des § 109 Abs. 1 Satz
2 [X.] in diesen Fällen nicht greife und auch eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht in Betracht komme.
Diese Rechtslage sei unbefriedigend. [X.] einem früheren Vorschlag des Bundesrates solle aber nicht das Kündi-gungsverbot des § 109 Abs. 1 Satz
2 [X.] auf die Mitgliedschaft in einer [X.] erstreckt werden, weil dies die Interessen der Gläubiger nicht hinreichend berücksichtige (BT-Drucks. 17/11268, S. 18 f). Die weitere Begründung
des Gesetzesentwurfs
stellt den Unterschied zwischen der Situati-on eines Wohnraummieters und derjenigen des Nutzers einer Genossen-schaftswohnung heraus und
betont, dass wegen der Besonderheiten der Mit-gliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft anders als im Falle einer [X.] kein generelles Kündigungsverbot gerechtfertigt sei
(BT-Drucks. 17/11268, S. 38 f). Die in das Genossenschaftsgesetz eingefügte gesetzliche Neuregelung knüpft deshalb das Verbot, die Mitgliedschaft in einer Wohnungs-genossenschaft zu kündigen,
an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Zudem erweitert sie den Ausschluss der Kündigung
auf Gläubiger, die ansons-ten in der [X.] gegen den Schuldner unter den Voraus-setzungen des § 66 [X.] das Kündigungsrecht des Mitglieds an dessen Stelle ausüben können. Damit hat der Gesetzgeber einen wesentlichen Unterschied zwischen der Rechtslage des Mitglieds einer Wohnungsgenossenschaft und derjenigen eines Wohnungsmieters, der maßgeblich einer analogen Anwen-dung des § 109 Abs. 1 Satz 2 [X.] entgegenstand
(vgl. [X.], Urteil vom 19.
März 2009,
aaO Rn. 12), mit Wirkung für die Zukunft beseitigt.
In Anbetracht dieser Umstände kann aus der gesetzlichen Neuregelung nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber schon bei Einfügung des § 109 Abs. 2 Satz 1 in die [X.] zum 1. Dezember 2001 den Fall der Kündigung der Mit-gliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft in diese Rege-lung einbezogen und dem
Wohnungsgenossen
dadurch
den gleichen Schutz -
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wie dem
Mieter
einer Wohnung gewährt hätte, wenn er
die
Situation des Woh-nungsgenossen bedacht hätte.

3. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der [X.] selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO)
und der Klage unter Abänderung auch
des erstinstanzlichen Ur-teils bis auf einen Teil der Zinsforderung
stattgeben.
Die Klägerin hat die Mit-gliedschaft des Schuldners bei der [X.] wirksam zum Ende des laufenden Geschäftsjahrs gekündigt

80
Abs.
1
[X.], § 65
Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, §
66 analog [X.]). Da das Geschäftsjahr, wenn nichts Abweichendes
be-stimmt ist, das Kalenderjahr ist (vgl. §
8 Abs. 1 Nr. 3 [X.]), endete die Mit-gliedschaft des Schuldners am 31. Dezember 2012. Die Beklagte ist nunmehr
gemäß § 73 Abs. 2 [X.] verpflichtet, an die Klägerin als Treuhänderin über das Vermögen des Schuldners dessen Auseinandersetzungsguthaben auszu-

Der Anspruch auf Auszahlung
des Gutha-bens
wurde gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 [X.] sechs Monate nach Beendigung der Mitgliedschaft fällig. Für einen früheren Fälligkeitszeitpunkt hat die Klägerin

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nichts vorgetragen. Es besteht daher ein Anspruch auf Prozesszinsen in [X.] Höhe entgegen dem Antrag der Klägerin nicht bereits
ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit am 9. Januar 2013, sondern erst ab dem 1. Juli 2013

291 Satz 1, 2. Halbsatz BGB).

Kayser [X.] Pape

[X.] Möhring

Vorinstanzen:
[X.][X.], Entscheidung vom 08.05.2013 -
7 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 14.11.2013 -
51 [X.]/13 -

Meta

IX ZR 276/13

18.09.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2014, Az. IX ZR 276/13 (REWIS RS 2014, 2777)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2777

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 276/13

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