Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2012, Az. IX ZB 264/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4715

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Gegenstand

Insolvenzeröffnungsverfahren: Glaubhaftmachung der Forderungen und der Zahlungsunfähigkeit durch das Finanzamt


Tenor

Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden die Beschlüsse der 12. Zivilkammer des [X.] vom 23. August 2011 und des [X.] vom 26. Juli 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren - an das [X.] zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Das Finanzamt           (fortan: Gläubiger) hat wegen offenstehender Steuerforderungen einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des      [X.](fortan: Schuldner) gestellt. Das Insolvenzgericht hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde will der Gläubiger weiterhin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erreichen.

II.

2

Der angefochtene Beschluss ist nicht mit Gründen versehen; bereits dies nötigt zu seiner Aufhebung (§ 4 [X.], § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

3

Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen (§§ 6, 7, 34 Abs. 1 [X.], Art. 103f EG[X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben. Denn das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen, so ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des [X.], die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne. Dies hat das Rechtsbeschwerdegericht auch ohne Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen ([X.], Beschluss vom 26. April 2012 - [X.], Rn. 9; vom 21. Juli 2011 - [X.] 148/10, [X.], 714 Rn. 6; vom 15. Dezember 2011 - [X.] 217/10, Rn. 3).

4

Das [X.] hat seinen [X.] keinen Sachverhalt vorangestellt. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung ist nicht erfolgt und wäre auch unbehelflich, weil auch die Entscheidung des Insolvenzgerichts keine hinreichenden, aus sich heraus verständlichen Tatbestandsangaben enthält. Im Übrigen bezöge eine solche Verweisung sich nicht auf den Vortrag des Gläubigers im Beschwerdeverfahren. Insoweit gilt im Beschwerdeverfahren nichts anderes als gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO im Berufungsverfahren ([X.], Beschluss vom 9. März 2006 - [X.] 17/05, [X.], 481 Rn. 7). Auch aus den [X.] in der Beschwerdeentscheidung wie auch in der amtsgerichtlichen Entscheidung kann der maßgebliche Sachverhalt nicht hinreichend sicher erschlossen werden.

III.

5

Aufgrund des fehlenden Sachverhalts ist der Senat zu einer eigenen Sachentscheidung nicht in der Lage. Die Sache ist deswegen gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zurückzuverweisen, und zwar an das Insolvenzgericht. Das hält der Senat für sachgerecht, weil eine erschöpfende Prüfung der Zulässigkeit des [X.] sowie der Eröffnungsvoraussetzungen bislang noch nicht stattgefunden hat (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Juli 2004 - [X.] 161/03, [X.]Z 160,176, 185).

6

Für den weiteren Verfahrensgang weist der Senat auf Folgendes hin:

7

1. Grundsätzlich ist der Insolvenzantrag eines [X.] nur zulässig, wenn Steuerbescheide und gegebenenfalls etwaige [X.] des Schuldners (§§ 150, 167 AO, 18 UStG; vgl. [X.]/Dürrwächter/Stadie, UStG, 2011, § 18 Rn. 113) vorgelegt werden. Eine Liste der in der Vollstreckung befindlichen Rückstände reicht regelmäßig nicht aus. Eine Glaubhaftmachung der Forderungen durch das Finanzamt durch Vorlage der Bescheide oder der [X.] kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn das Finanzamt die ausstehenden Steuern genau beschreibt und der Schuldner diese Forderungen nicht bestreitet (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 2009 - [X.] 86/09, Z[X.] 2009, 1533 Rn. 3; vom 13. Juni 2006 - [X.] 214/05, Z[X.] 2006, 828 Rn. 8 ff).

8

2. Bei der Frage, ob der Steuerschuldner nach den beiden erfolgten Zahlungsaufforderungen Steuerschulden zurückgeführt hat, wird das Amtsgericht den hierzu wegen eines unterlassenen gerichtlichen Hinweises (Art. 103 Abs. 1 GG) erst im Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgten neuen Sachvortrag des Gläubigers berücksichtigen müssen, dass die Geltendmachung nur der Umsatzsteuerforderungen im Insolvenzantrag nicht auf einer Zahlung des Steuerschuldners, sondern darauf beruht, dass für die Eintreibung der rückständigen Einkommensteuer nunmehr ein anderes Finanzamt zuständig ist.

9

3. Die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes muss nicht notwendig durch Vorlage einer Bescheinigung über einen fruchtlosen [X.] oder durch die Erklärung des [X.], erfolglos gegen den Steuerschuldner vollstreckt zu haben, erfolgen. Der antragstellende Gläubiger kann den Eröffnungsgrund auch auf andere Weise glaubhaft machen ([X.], Beschluss vom 23. Oktober 2008 - [X.] 7/08, [X.], 144 Rn. 3). Die schlichte Nichtbegleichung einer unbestrittenen Forderung kann im Einzelfall eine weitere Glaubhaftmachung entbehrlich machen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. April 2008 - [X.], Z[X.] 2008, 1019 Rn. 5; FK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 14 Rn. 125; [X.], [X.], 13. Aufl., § 14 Rn. 81). Ein Indiz für die fehlende Zahlungsfähigkeit kann sein, wenn der Schuldner auf Zahlungsaufforderungen durch das Finanzamt nicht reagiert und dem angekündigten [X.] weder entgegentritt noch den Zugang zur Wohnung ermöglicht.

[X.]                                       Fischer

                       Grupp                                         [X.]

Meta

IX ZB 264/11

12.07.2012

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Potsdam, 23. August 2011, Az: 12 T 406/11

§ 14 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2012, Az. IX ZB 264/11 (REWIS RS 2012, 4715)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4715

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