Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2006, Az. 1 StR 46/06

1. Strafsenat | REWIS RS 2006, 3499

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 46/06 vom 16. Mai 2006 in der Strafsache gegen [X.]St: ja [X.]R: ja Veröffentlichung: ja ______________________ StGB § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Bei der Härteklausel des § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB (Entreicherung) kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das vorhandene Vermögen einen Bezug zu der rechtswidrigen Tat hat. 2. Zum Wert des [X.] bei Tatbeteiligten in einer Handelskette. [X.], Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06 - [X.]wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - 2 - - 3 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 16. Mai 2006, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.] und [X.] am [X.] Dr. Wahl, [X.], [X.], [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 4 - 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 23. September 2005 im [X.] über den Verfall von [X.], soweit von einer 12.500,-- • übersteigenden Verfallsanordnung abgesehen wur-de, aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]. Von Rechts wegen [X.] n d e: Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht ge-ringer Menge, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten 1 - 5 - verurteilt. Außerdem hat das [X.] den Verfall von [X.] in Höhe von 12.500,-- • angeordnet. Die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte und auf die Rüge der [X.] materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist [X.] auf den Strafausspruch im Fall 8, auf den Ausspruch über die [X.] sowie auf die Anordnung des Verfalls von [X.] in Höhe von - nur - 12.500,-- • (betreffend die Fälle 1 bis 7) beschränkt. Die Revision der [X.] hat hinsichtlich der Verfallsanordnung Erfolg. 2 [X.] Zur Strafzumessung im Fall 8: 3 In Erwartung eines hohen Gewinns stellte der Angeklagte am 19. Novem-ber 2004 - zumindest in positiver Kenntnis dessen, dass es um den Handel mit Betäubungsmitteln geht, wenn er das Geschäft nicht sogar selbst initiiert und organisiert hatte, - zwei Mittätern 46.250,-- • zum Erwerb von 25 kg Marihuana zur Verfügung. Den Einsatz des Angeklagten vereinnahmte der vorgebliche Lie-ferant - unter Drohung mit einer Schusswaffe - ohne Gegenleistung. Die [X.] verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, [X.] sie dem Angeklagten unter anderem zugute hielt, dass er "nur mit Eventual-vorsatz gehandelt hat". 4 Diese Erwägung in der Strafzumessung stellt einen Rechtsfehler zum Vor-teil des Angeklagten dar. Nach den von der [X.] getroffenen Feststel-lungen handelte der Angeklagte mit direktem Vorsatz. Der Ausspruch über die 5 - 6 - Einzelstrafe hat gleichwohl Bestand. Denn die vom [X.] erkannte Strafe ist - noch - angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO einer Norm, die auch bei einer Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Ange-klagten Anwendung findet (vgl. [X.], Urteil vom 16. März 2006 - 4 StR 536/05). Entscheidend ist, dass das Betäubungsmittelgeschäft scheiterte und der Ange-klagte seiner eingesetzten Mittel in Höhe von 46.250,-- • vollständig verlustig ging. Damit hat auch die rechtsfehlerfrei gebildete Gesamtstrafe Bestand. 6 I[X.] Zur Verfallsanordnung: 7 1. In der [X.] bis Dezember 2004 bezog der Angeklagte in sieben Fällen insgesamt 67 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 6,97 % THC (10 kg) beziehungsweise mindestens 8 % THC (57 kg) "auf [X.]". 62.244 kg veräußerte der Angeklagte an verschiedene Abnehmer. Von diesen erhielt er 161.000,-- •, die er insgesamt - ohne Abzug seines nach der getroffe-nen Vereinbarung ihm hieraus zustehenden Gewinnanteils in Höhe von 200,-- • je Kilogramm - an seinen Lieferanten weitergab. Die [X.] beschränkte die Anordnung des Verfalls von [X.] (§ 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB) auf den Gewinnanteil (12.500,-- •). Nur diesen habe der Angeklagte, da es sich um ein [X.]sgeschäft gehandelt habe, - jedenfalls zeitweise - erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. "In dem Bewusstsein, dass die [von der [X.]] vertretene Rechtsansicht möglicherweise nicht der bis-herigen obergerichtlichen Rechtsprechung entspricht", hat das [X.] das 8 - 7 - Absehen von einer weiterreichenden Verfallsanordnung ergänzend auf § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB gestützt. Der Wert des [X.] (161.000,-- •) sei [X.] nicht mehr Vermögensbestandteil, denn die vorhandenen Vermögenswerte (netto über 800.000,-- •) des Angeklagten seien ohne jeden denkbaren Zu-sammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben worden und der Zugriff auf das "unbefleckte" Vermögen würde insbesondere die Familie treffen, deren langfristiger Absicherung das vorhandene Vermögen des Angeklagten diene. 2. Die Erwägungen, aufgrund derer die [X.] davon abgesehen hat, einen 12.500,-- • übersteigenden Betrag für verfallen zu erklären, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. 9 a) Bei der Prüfung, was der Angeklagte aus der Tat (Fälle 1 bis 7) gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat, hat die [X.] die Reichweite des [X.]s verkannt. 10 "[X.]" bedeutet, dass nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätz-lich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erhalten hat, für verfallen zu erklären ist ([X.] NStZ 1995, 491). Bei der Berechnung des bei einem verbote-nen "Verkauf" [X.] ist deshalb vom gesamten Erlös ohne Abzug des [X.] und sonstiger Aufwendungen auszugehen ([X.]St 47, 369 [370]; [X.] NStZ 1994, 123; [X.], 480; NStZ-RR 2000, 57; wistra 2001, 388, 389; [X.], Beschluss vom 13. Dezember 2000 - 1 StR 547/00; [X.], Urteil vom 20. März 2001 - 1 StR 12/01). Insbesondere bei Betäubungsmitteldelikten "[X.] kein rechtlich schützenswertes Vertrauen, aus dem verbotenen Geschäft erlangte [X.] behalten zu dürfen, die der Erlös strafbarer Geschäfte sind ([X.]St 47, 369 [372]; [X.] NStZ 2001, 312). 11 - 8 - Das [X.] sollte die Anordnung des Verfalls nicht nur im Hinblick auf seine Berechnung praktikabler machen. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus [X.] verfolgt vielmehr primär einen Präventionszweck. Die dadurch angestrebte Folge, dass auch die Aufwendungen nutzlos sind, soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten - und insbesondere diese wollte der Gesetzgeber erfassen - beitragen. Müsste der Betroffene für den Fall der Entdeckung lediglich die Abschöpfung des [X.] befürchten, so wäre die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos. Diesen Präventionszweck - der Verfallsbetroffene soll das Risiko strafbaren Handelns tragen - hatte der Gesetzgeber im Auge, als er sich auf den Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB bezog und darauf abhob, dass das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein soll ([X.]St 47, 369 [373 f.]). 12 An dieser - verfassungungskonformen (vgl. [X.] NJW 2004, 2073 [2074 ff.]) - Rechtsprechung hält der [X.] uneingeschränkt fest. Der Entschei-dung des [X.], wonach dann, wenn für einen dem Verfall unter-liegenden Vermögensvorteil die Steuer bereits bestandskräftig festgesetzt [X.] ist, dies bei der zeitlich nachfolgenden Anordnung des Verfalls mindernd zu berücksichtigen ist ([X.]St 47, 260) liegen Besonderheiten des Steuerrechts zugrunde. Da für verfallen erklärte Vermögenswerte mangels Strafcharakters einer Verfallsanordnung grundsätzlich steuermindernd geltend gemacht werden dürfen, könnte die Verfallsanordnung je nach dem Zeitpunkt der Verfallsanord-nung - vor oder nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung - zu dem [X.] widersprechenden unterschiedlichen Gesamtbelastungen füh-ren (vgl. [X.]St 47, 260 [265 ff.]). Dies - sowie eine daraus folgende mögliche Doppelbelastung desselben Betroffenen - zu vermeiden, dient die Berücksichti-gung steuerlicher Konsequenzen bei der Feststellung dessen, was im Sinne 13 - 9 - von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt wurde. Das gesetzlich verankerte Brutto-prinzip wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Bei [X.] dürfte eine entsprechende - steuerlich relevante - Situation ohnehin nie [X.]. Wirtschaftlich erlangt ist ein Gegenstand oder Wert im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sobald dieser unmittelbar aus der Tat in die eigene Verfügungs-gewalt des [X.] übergegangen ist (vgl. [X.], Aktuelle Rechtsprechung des [X.] zum Verfall, Goltdammer™s Archiv für Strafrecht, 2003, 879 [880] m.w.N.). Beim [X.] im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. Auch der einem Kurier ausgehändigte [X.] unterliegt bei diesem in voller Höhe dem Verfall, unabhängig von den zivil-rechtlichen Besitz- und Eigentumsverhältnissen zwischen den Tatbeteiligten ([X.] [X.], 440; vgl. aber [X.] NStZ 2003, 247 [250]). Auf die Beson-derheiten des [X.]sgeschäfts kann es beim [X.] schon deshalb nicht ankommen, da sämtliche schuldrechtlichen Vereinbarun-gen in diesem Zusammenhang nichtig sind (§ 134 BGB). 14 b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Angeklagte - entgegen der Bewertung durch die [X.] - nicht nur seinen Gewinnanteil, sondern den Gesamterlös in Höhe von 161.000,-- • gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Mit der Übertragung der Beträge von seinen Abnehmern an ihn wurden die ent-sprechenden Geldmittel Teil seines Vermögens, und zwar unabhängig davon, ob sie bar oder unbar übergingen, ob sie mit anderen Geldern vermischt oder gesondert verwahrt wurden. [X.] ist auch, aus welchem Guthaben anschließend der Lieferant bedient wurde. Selbst wenn ein Zwischenhändler dieselben Geldscheine, die er von seinen [X.] erhalten hat, unmittelbar im [X.] daran an seinen Lieferanten weitergibt, werden diese 15 - 10 - Beträge zunächst Teil seines Vermögens. Spätere [X.] können dann allenfalls noch im Rahmen der Prüfung der Härtevorschrift des § 73c StGB von Bedeutung sein. Grundsätzlich unterliegen somit die vom Angeklagten von seinen [X.] als Gegenwert für das veräußerte Marihuana erhaltenen 161.000,-- • bei ihm insgesamt dem Verfall gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bzw. es ist gegen ihn in dieser Höhe der Verfall von [X.] anzuordnen (§ 73a Satz 1 StGB). 16 c) Das im Einzelfall unter Umständen notwendige Korrektiv zum Brutto-prinzip des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bietet die Härtevorschrift des § 73c StGB. 17 Deren Voraussetzungen hat die [X.] in ihren Hilfserwägungen al-lerdings ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. 18 aa) Das gilt zunächst für die Härteklausel des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB, die die Anordnung des Verfalls zwingend ausschließt, soweit er für den Betrof-fenen eine unbillige Härte wäre. Als unbillige Härte - als Verstoß gegen das Ü-bermaßverbot (vgl. [X.]R StGB § 73c Härte 11) - stellt sich eine Anordnung des Verfalls von [X.] in Höhe der insgesamt vereinnahmten 161.000,-- • nach den bisherigen Feststellungen nicht dar. Dies hat zwar die [X.] im Ergebnis ebenfalls so gesehen. Soweit das [X.] allerdings in ande-rem Zusammenhang auf die existenzbedrohenden Konsequenzen einer [X.] Verfallsanordnung für die Familie des Angeklagten - dies betrifft ihn selbst, nicht nur Außenstehende - hinweist, überzeugt dies nicht. Die Anord-nung des Verfalls in Höhe von 161.000,-- • würde bei weitem nicht deren [X.] vernichten. Bei diesem Betrag handelt es sich um nur 19,06 % des Nettovermögens am 31. Dezember 2004. Außerdem scheint der Angeklag-19 - 11 - te neben seinem Erwerbseinkommen (1.800,-- • netto) bis Frühjahr 2004 über weitere laufende Einnahmen zu verfügen, etwa aus seinem mit Hilfe der [X.] gegründeten Brennstoffhandel oder aus Überschüssen aus Ver-mietung und Verpachtung seiner Immobilien. Denn der Angeklagte hat sein Nettovermögen im Jahre 2004 um immerhin 30.882,-- • gesteigert. Hinzu kommt der - in der Höhe unbekannte - Aufwand zur Deckung des [X.]. bb) Die bisherigen Feststellungen tragen allerdings auch nicht das fakulta-tive Absehen von einer Anordnung des Verfalls von [X.] in Höhe der ge-samten 161.000,-- • aufgrund des § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB. 20 Schon die Bewertung der [X.], der Wert des [X.] (161.000,-- •) sei im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden im [X.] von § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB vermag nicht zu überzeugen. 21 Der Wert des [X.] ist dann noch vorhanden, wenn das (Netto-) Vermögen des Betroffenen den Wert des [X.] zumindest erreicht. Deshalb scheidet nach der Rechtsprechung des [X.] eine Ermessens-entscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von vorneherein aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem "verfallbaren" Betrag zurück bleibt ([X.]St 48, 40 [42]; [X.]R StGB § 73c Wert 2). Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das vorhandene Vermö-gen einen konkreten oder unmittelbaren Bezug zu der rechtswidrigen Tat hat; ebenso wenig hängt die Anordnung des Verfalls davon ab, ob der Angeklagte die vorhandenen Vermögenswerte unmittelbar mit Drogengeldern erworben hat oder ob er mit Drogengeldern andere Aufwendungen bestritten und erst mit den so eingesparten Mitteln das noch vorhandene Vermögen gebildet hat ([X.]R 22 - 12 - StGB § 73c Wert 2). Hieran hält der [X.] fest. Nachforschungen über die Ver-wendung der erlangten Beträge, über die Quellen des vorhandenen Vermö-gens, über [X.], über ersparte Aufwendungen usw. sind deshalb grundsätzlich nicht erforderlich. Der [X.] teilt nicht die Auffassung, wonach vorhandenes Vermögen nur nahe lege, dass der Wert des [X.] beim [X.] [X.] ist, wobei dies nicht mehr sei als eine widerlegbare Vermutung, die nicht greife, wenn zweifelsfrei feststehe, dass der fragliche Vermögenswert ohne [X.] denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Taten, etwa mehrere Jahre vor deren Begehung im Wege der Erbfolge, erworben wurde (vgl. [X.]St 48, 40 [42 f.]). Ob eine derartig differenzierte Betrachtung einer über Jahre an-gesammelten Vermögensmasse im Hinblick darauf, ob der "Wert" eines be-stimmten [X.] darin noch enthalten ist, überhaupt möglich ist, er-scheint fraglich. Unter Umständen könnten umfangreiche Finanzermittlungen notwendig werden. Jedenfalls ist diese einengende Auslegung aus Sicht des [X.]s vom Wortlaut des § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB nicht geboten, be-schränkt aber die Praktikabilität und Effektivität der Vorschriften über den Verfall - von [X.] - und insbesondere deren Präventivwirkung. In besonders ge-lagerten Einzelfällen bietet § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB genügend Schutz. Wäre die Anordnung des Verfalls des [X.] im Einzelfall - ganz oder zum Teil - eine unbillige Härte, wäre die Maßnahme ungerecht oder verstieße gegen das [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2003 - 1 [X.], insoweit in [X.], 457, nicht abgedruckt); dann hat die Anordnung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB zu unterbleiben. Um eine unbillige Härte festzustellen, [X.] es im Rahmen der hierzu erforderlichen Gesamtbewertung dann aber [X.] exakten Untersuchung über den Ursprung des vorhandenen Vermögens oder des wirtschaftlichen Verbleibs des [X.]. 23 - 13 - Im vorliegenden Fall kann dies jedoch dahinstehen. Denn soweit die [X.] auf die "unbefleckten" Vermögensteile des Angeklagten, also auf die vor dem Jahr 2004 erworbenen Grundstücke abgestellt hat, hat sie nicht be-dacht, dass diese Immobilien weitgehend (1,4 von 2 Millionen •) kreditfinanziert sind. Zu Einzahlungen auf zur späteren Tilgung abgeschlossene [X.] und Lebensversicherungsverträge wurden vom Angeklagten im Jahre 2004 - dem Tatzeitraum - etwa 67.000,-- • aufgebracht; deren Bestand erhöhte sich nach den Feststellungen im Jahr 2004 nämlich von 207.764,-- • auf 275.000,-- •. Dies diente mittelbar der Entschuldung der Grundstücke und legt nahe, dass ein den Wert des [X.] entsprechendes Vermögen des Ange-klagten noch vorhanden ist, das nicht ohne jeden denkbaren Bezug zu den Straftaten des Angeklagten ist (vgl. [X.]St 38, 23 [25]; [X.]St 48, 40 [42 f.]). Feststellungen zum Umfang (Wert) des durch Schenkung im Wege der [X.] Erbfolge von den Eltern erworbenen (unbelasteten?) Grund-vermögens hat die [X.] bislang nicht getroffen. 24 Im Übrigen schlösse auch nach der oben zitierten - vom [X.] nicht geteil-ten - Rechtsprechung selbst ein völlig fehlender Bezug des vorhandenen [X.] zu den Straftaten des Angeklagten die Abschöpfung über die [X.] nicht aus. Denn vorhandenes Vermögen behält, auch dann, wenn es in keiner denkbaren Beziehung zum - nicht mehr vorhandenen - "Wert des [X.]" steht und deshalb die Anwendbarkeit des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht hindert, seine Bedeutung im Rahmen der nach billigem Ermessen zu [X.] Entscheidung (vgl. [X.]St 48, 40 [43]). 25 cc) Die [X.] hat ihre grundsätzlichen Vorbehalte gegen das Brut-toprinzip argumentativ auch auf den kumulierenden Effekt mehrerer [X.] - 14 - ordnungen gegen verschiedene Personen bei Handelsketten beziehungsweise bei Mittätern gestützt und in diesem Zusammenhang auch auf vermeintliche Probleme bei der Vollstreckung in derartigen Konstellationen hingewiesen. Denn dann ist - so bisherige Meinung - grundsätzlich von [X.] auszugehen (vgl. [X.] NStZ 2003, 198 [199]). Dies überzeugt nach [X.] des [X.]s allerdings nicht für Fallgestaltungen der vorliegenden Art. Vielmehr ist jeder Täter, jeder Teilnehmer einer Handelskette, in der ein und dieselbe Menge an Betäubungsmitteln mehrfach umgesetzt und der entspre-chende Kaufpreis jeweils bezahlt und vom Verkäufer im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt wird, für sich zu betrachten und allein daran zu messen, was er konkret erhalten hat. Anderes gilt nur dann, wenn - dabei - mehrere [X.] etwas gemeinsam erlangten, ohne dass festgestellt werden kann, wem dies zufloss. Ziel der aus [X.] gemäß §§ 73, 73a StGB resultierenden Zahlungsansprüche ist nicht die einmalige Abschöpfung des - regelmäßig beim Endabnehmer schließlich erreichten - höchsten Handelsprei-ses. Vielmehr soll bei jedem Einzelnen, der aus einer rechtswidrigen Tat etwas erlangt hat, dieses weggenommen werden und zwar, da es sich um eine prä-ventive Maßnahme eigener Art handelt, nach dem [X.]. Bei einer [X.] kann deshalb die Summe der Beträge, hinsichtlich derer gegen die verschiedenen Händler der Verfall angeordnet wurde, den maximalen Handels-preis des umgesetzten Betäubungsmittels um ein mehrfaches übersteigen. Dies dann über das [X.] zu begrenzen und auszugleichen, widerspräche dem Zweck des Verfalls gemäß §§ 73, 73a StGB. Die Weitergabe des [X.] kann in besonderen Ausnahmefällen beim [X.] Einzelfall im Rahmen des Härtausgleichs gemäß § 73c StGB Berücksich-tigung finden, wenn kein - ausreichendes - Vermögen mehr vorhanden oder eine Verfallsanordnung eine unbillige Härte wäre. - 15 - Auch dies kann hier jedoch dahinstehen, da die Stellung als Gesamt-schuldner die Anordnung des Verfalls beziehungsweise des Verfalls von [X.] gegen den Angeklagten in voller Höhe zunächst gerade nicht berührt. 27 3. Die Entscheidung über die Anordnung des Verfalls bedarf nach allem neuer Verhandlung und Entscheidung. Die bisher getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Diesen nicht widersprechende, ergänzende Feststel-lungen sind möglich. 28 [X.] Wahl [X.] Kolz [X.]

Meta

1 StR 46/06

16.05.2006

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2006, Az. 1 StR 46/06 (REWIS RS 2006, 3499)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3499

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