Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.06.2020, Az. 11 W (pat) 35/19

11. Senat | REWIS RS 2020, 3178

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Gegenstand

(Patentbeschwerdeverfahren - "Antriebsinverter" – zur Bestellung eines Syndikuspatentanwalts von einem auswärtigen Dritten zum Inlandsvertreter - Dritter und der Dienstherr des Syndikuspatentanwalts sind im Verhältnis zueinander Konzernunternehmen im Sinne von § 18 AktG)


Leitsatz

Antriebsinverter

Ein Syndikuspatentanwalt kann von einem auswärtigen Dritten zum Inlandsvertreter bestellt werden, wenn der Dritte und der Dienstherr des Syndikuspatentanwalts im Verhältnis zueinander Konzernunternehmen im Sinne von § 18 AktG sind.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2017 005 137.2

hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 15. Juni 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]. Höchst sowie [X.], [X.]. [X.] und Dipl.-Ing. Gruber

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für die [X.] des [X.] vom 26. Juli 2019 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

- Patentansprüche 1 bis 18 gemäß Hauptantrag aus dem Schriftsatz vom 17. Dezember 2018;

- Beschreibungsseiten 1 bis 21 aus dem Schriftsatz vom 31. Juli 2018 (eingegangen am 4. August 2018);

- Zeichnungen: Figuren 1 bis 5 vom 16. Juli 2018, Figuren 6, 7a, 7b, 8a bis 8c vom 2. Juni 2018 und Figur 9 vom 16. Juli 2018.

Gründe

I.

1

Die Anmeldung ist am 30. Mai 2017 beim [X.] eingereicht worden und am 6. Dezember 2018 mit der Bezeichnung

2

„Stromleitungsgesteuerte elektrische Antriebsinverter“

3

offengelegt worden. Die Anmelderin ist eine auswärtige Aktiengesellschaft mit Sitz im [X.] V…

4

Mit Beschluss vom 26. Juli 2019 hat die Prüfungsstelle für [X.] des [X.]es ein Patent in der Fassung des [X.] erteilt, aber den Hauptantrag sowie den Hilfsantrag 1 mit der Begründung zurückgewiesen, die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 seien gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen unzulässig erweitert.

5

Von der Prüfungsstelle sind die folgenden Druckschriften berücksichtigt worden:

6

D1 [X.] 29 46 441 A1

7

[X.] [X.] 10 2007 038 119 A1

8

D3 EP 2 681 632 B1

9

[X.] [X.] 695 18 293 T2

[X.] [X.] 10 2004 018 370 B4.

Gegen den Beschluss über die Zurückweisung des [X.] und des [X.] wendet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 20. September 2019, wobei diese ihre Beschwerde von einem Syndikuspatentanwalt der [X.] mit Sitz in N…, einem Konzernunternehmen zu ihr im Sinne von § 18 [X.], hat einreichen lassen, wie sich aus der am 25. Mai 2020 im Original vorgelegten Inlandsvertretervollmacht ergibt.

Sie beantragt,

den Beschluss der Prüfungsstelle vom 26. Juli 2019 aufzuheben und ein Patent auf Basis des [X.] aus der Anhörung vom 26. Juli 2019 zu erteilen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat in gegliederter Fassung folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 sind durch Unterstreichen und Streichen kenntlich gemacht):

[X.]-1 Robotisches System, wobei eine oder mehrere Zentralsteuerungen mit mindestens einem Aktuatortreiber über einen Kommunikationskanal kommunizieren,

[X.]-2 wobei der Kommunikationskanal einer durch einen Aktuator verursachten Störung ausgesetzt ist und

[X.]-3 wobei mindestens eines von der die Kommunikation und/oder einem Betrieb der Aktuatoren in Erwartung der auftretenden Störung modifiziert wird bzw. werden, sodass eine zuverlässige Kommunikation gewährleistet werden kann,

[X.]-4 wobei die Kommunikation durch ein Ändern von Kommunikationsparametern modifiziert wird,

[X.]-5 wobei der Betrieb durch ein Ändern von Betriebsparametern der Aktuatoren modifiziert wird und

[X.]-6 wobei der Kommunikationskanal und eine Leistungsversorgung der Aktuatoren mindestens einen gemeinsamen Draht verwenden.

Der unabhängige Patentanspruch 9 gemäß Hauptantrag hat in gegliederter Fassung folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 11 sind kenntlich gemacht):

M9-1 Treiber, der zur Verwendung in einem System ausgelegt ist, wobei eine oder mehrere Zentralsteuerungen mit mindestens einem Aktuatortreiber über einen Kommunikationskanal kommunizieren,

M9-2 wobei der Kommunikationskanal einer durch einen Aktuator verursachten Störung ausgesetzt ist und

M9-3 wobei mindestens eines von der die Kommunikation und/oder einem Betrieb der Aktuatoren in Erwartung der auftretenden Störung modifiziert wird bzw. werden, sodass eine zuverlässige Kommunikation gewährleistet werden kann,

M9-4 wobei die Kommunikation durch ein Ändern von Kommunikationsparametern modifiziert wird,

M9-5 wobei der Betrieb durch ein Ändern von Betriebsparametern der Aktuatoren modifiziert wird und

M9-6 wobei der Kommunikationskanal und eine Leistungsversorgung der Aktuatoren mindestens einen gemeinsamen Draht verwenden.

Der unabhängige Patentanspruch 10 gemäß Hauptantrag hat in gegliederter Fassung folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 12 sind kenntlich gemacht):

[X.]-1 Zentralsteuerung, die zur Verwendung in einem System ausgelegt ist, wobei eine oder mehrere Zentralsteuerungen mit mindestens einem Aktuatortreiber über einen Kommunikationskanal kommunizieren,

[X.]-2 wobei der Kommunikationskanal einer durch einen Aktuator verursachten Störung ausgesetzt ist und

[X.]-3 wobei mindestens eines von der die Kommunikation und/oder einem Betrieb der Aktuatoren in Erwartung der auftretenden Störung modifiziert wird bzw. werden, sodass eine zuverlässige Kommunikation gewährleistet werden kann,

[X.]-4 wobei die Kommunikation durch ein Ändern von Kommunikationsparametern modifiziert wird,

[X.]-5 wobei der Betrieb durch ein Ändern von Betriebsparametern der Aktuatoren modifiziert wird und

[X.]-6 wobei der Kommunikationskanal und eine Leistungsversorgung der Aktuatoren mindestens einen gemeinsamen Draht verwenden.

Der unabhängige Patentanspruch 14 gemäß Hauptantrag hat in gegliederter Fassung folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 16 sind kenntlich gemacht):

[X.]4-1 Verfahren zum Kommunizieren in einem robotischen System,

[X.]4-2 das einer Störung auf dem Kommunikationskanal oder den [X.], die durch mindestens einen Aktuator verursacht wird ausgesetzt ist,

[X.]4-3 wobei mindestens eines von der die Kommunikation und/oder einem Betrieb der Aktuatoren in Erwartung der auftretenden Störung modifiziert wird bzw. werden, sodass eine zuverlässige Kommunikation gewährleistet werden kann,

[X.]4-4 wobei die Kommunikation durch ein Ändern von Kommunikationsparametern modifiziert wird,

[X.]4-5 wobei der Betrieb durch ein Ändern von Betriebsparametern der Aktuatoren modifiziert wird und

[X.]4-6 wobei der Kommunikationskanal und eine Leistungsversorgung der Aktuatoren mindestens einen gemeinsamen Draht verwenden.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der abhängigen Patentansprüche sowie zur Fassung der Patentansprüche nach Hilfsantrag 2 wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

A.

Die auswärtige Beschwerdeführerin hat im Sinne von §§ 25 Abs. 1, 97 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 155 Abs. 1 Nr. 1 [X.] wirksam einen Inlandsvertreter bestellt und kann das vorliegende Beschwerdeverfahren betreiben.

1. Der hier bestellte Inlandsvertreter verfügt über eine ausreichende Bevollmächtigung im Sinne von § 25 Abs. 1 [X.], wie sich aus der am 25. Mai 2020 vorgelegten Vollmachtsurkunde ergibt.

2. Seine Bestellung zum Inlandsvertreter scheitert vorliegend auch nicht daran, dass es sich bei ihm um einen Syndikuspatentanwalt im Sinne von § 41a [X.] handelt, der nicht unmittelbar bei der Beschwerdeführerin, sondern bei einem anderen Dienstherrn, nämlich der [X.], einem Unternehmen desselben Konzerns mit inländischem Sitz in N…, angestellt ist. Ein Syndikuspatentan- walt kann von einem auswärtigen Dritten zum Inlandsvertreter bestellt werden, wenn der Dritte und der Dienstherr des [X.] im Verhältnis zueinander Konzernunternehmen im Sinne von § 18 [X.] sind. So liegt der Fall hier.

a) Die rechtlichen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Syndikuspatentanwalt zum Inlandsvertreter eines Dritten bestellt werden kann, sind in § 155 [X.] gesondert geregelt. Nach § 155 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 2 [X.] kommt die Bestellung eines [X.] zum Inlandsvertreter eines Dritten definitiv dann nicht in Frage, wenn sich der Dienstherr des [X.] gegenüber dem auswärtigen Dritten auf vertraglicher Grundlage zur Wahrnehmung von dessen Interessen verpflichtet hat. Hintergrund dieser Regelung ist die Überlegung, dass jeder Mandant einen Anspruch auf einen unabhängigen, verschwiegenen und nur seinen Interessen verpflichteten Patentanwalt habe, was der Syndikuspatentanwalt, der ggf. auch kollidierende Interessen seines Arbeitgebers zu beachten habe, nicht leisten könne (vgl. [X.]. 18/5201, [X.]). Diese Sichtweise mag ein Grund dafür sein, dass der [X.] des § 155 Abs. 3 i. V. m Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 2 [X.] von nicht wenigen Stimmen als allgemeingültig und vorrangig gegenüber der Regelung des § 155 Abs. 1 Nr. 1 [X.] angesehen wird und die Bestellung eines Syndikuspatentanwalt zum Inlandsvertreter eines auswärtigen Dritten unter keinen Umständen möglich sein soll (vgl. [X.]/Rudloff-Schäffer, [X.] mit EPÜ, 10. Aufl., § 25 Rn. 24; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 25 Rn. 9; [X.] in: [X.], [X.]/[X.], 10. Aufl., § 155 [X.] Rn. 8).

b) Die vorstehend wiedergegebene Meinung vermag bereits insoweit nicht zu überzeugen, als sie die in § 155 Abs. 1 [X.] festgeschriebenen Tatbestände als eine widerspruchsfreie und nicht auslegungsbedürftige Regelung ansieht. Dies steht - nebenbei bemerkt - im Widerspruch zur Auffassung des [X.], wonach der Wortlaut des § 155 Abs. 1 Nr. 1 [X.] die Bestellung eines Patentassessors zum Inlandsvertreter eines auswärtigen Konzernunternehmens nicht zwingend ausschließe. Der [X.] meint, da die Regelung des § 155 Abs. 1 Nr. 1 [X.] keine ausdrückliche Einschränkung auf inländische Konzernunternehmen enthalte, sei es durchaus vertretbar, die Bestellung eines Patentassessors zum Inlandsvertreter eines auswärtigen Konzernunternehmens als zulässig anzusehen (vgl. [X.] GRUR 1979, 659, 660).

c) Bezogen auf den vorliegenden Fall, bei dem es um die Bestellung eines [X.] zum Inlandsvertreter geht, erweist sich die vom [X.] nur als vertretbar angesehene Sichtweise als zwingend. Zunächst fällt hierbei ins Gewicht, dass die Regelung des § 155 Abs. 1 Nr. 1 [X.] vor dem Hintergrund des § 41a [X.] betrachtet und ausgelegt werden muss (vgl. [X.]. 431/16, [X.]). In § 41a Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 [X.] ist insbesondere bestimmt, dass zu den Rechtsangelegenheiten, die ein Syndikuspatentanwalt für seinen Arbeitgeber (Dienstherrn) wahrzunehmen befugt ist, auch die Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen im Sinne des § 15 [X.] - also auch die von Konzernunternehmen nach § 18 [X.] - zählen. Die Vertretungsbefugnisse eines [X.] sind im Vergleich zu denen eines Patentassessors vom Gesetzgeber, soweit es die Vertretung verbundener Unternehmen betrifft, bewusst umfangreicher gestaltet worden (vgl. [X.] in: [X.], [X.]/[X.], 10. Aufl., § 155 [X.] Rn. 10 a. E.). Die Regelung des § 41a Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 [X.] ist überaus bemerkenswert, weil sie die funktionale Zuordnung eines [X.] zu seinem Dienstherrn auflöst und ihn in gewisser Weise zum Patentanwalt aller im Konzern verbundenen Unternehmen erklärt; dass hier nur inländische Unternehmen gemeint sein könnten, liegt offensichtlich fern. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 155 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auf inländische Konzernunternehmen und das damit verbundene Verbot einer Inlandsvertreterbestellung, würde somit die vom Gesetzgeber beabsichtigte, breite Einsatzfähigkeit eines [X.] beseitigen. Der Syndikuspatentanwalt wäre hierdurch für Konzern und Dienstherrn in einem nicht mehr vertretbaren Maße entwertet. Demgegenüber verfängt das oben genannte Argument nicht, wonach der Syndikuspatentanwalt, sollte er auch für auswärtige Konzernunternehmen tätig werden können, hinsichtlich seiner anderen Mandanten nicht die gleiche Gewähr eines unabhängigen, verschwiegenen und nur deren Interessen verpflichteten Patentanwalts böte. Vielmehr ist zu unterstellen, dass der Syndikuspatentanwalt - so wie jeder andere Patentanwalt auch - Kollisionsfälle innerhalb seiner Mandantschaft pflichtgemäß vermeiden und lösen wird.

B.

1. In der Patentanmeldung ist beschrieben, dass Verbesserungen für Motorsteuersysteme bereitgestellt würden, die wie etwa für Industrieroboter Verwendung fänden. Insbesondere ermöglichten die vorgeschlagenen Lösungen, dass ein Netzwerk von durch Treiber gesteuerten Motoren, wie etwa Antriebe mit variabler Frequenz, effizient erstellt und betrieben würden (vgl. [X.] 0001).

In der Beschreibung ist angegeben, elektrisch betriebene Roboter fänden in der Industrie weitläufig Anwendung. Antriebstechniken mit variabler Frequenz oder variabler Drehzahl ermöglichten, dass Roboter mit Elektromotoren gebaut würden, die viele Freiheitsgrade anböten und leicht durch ein computergestütztes System gesteuert werden könnten. Jeder derartige Motor erfordere gegenwärtig eine Elektrizitätsquelle und eine Verbindung mit einer Steuerung, die die Antriebselektronik betreiben könne. Die elektrische Versorgung erfordere häufig dicke Kabel zum Führen des notwendigen Stroms für den Betrieb während die Steuerungsverbindung ein separates Kabel oder separate Kabel erfordere (vgl. [X.] 0002).

Wenn der Elektromotor, der mit der Versorgung und den [X.] verbunden sei, bewegt werden könne, dann müssten die Kabel mit dem Motor bewegt werden. Im Fall eines Roboterarms könnten mehrere Motoren jeweils angeschlossen sein und alle Kabel müssten mit dem Arm bewegt werden (vgl. [X.] 0003).

Bei der elektrischen Versorgung in diesen robotischen Systemen könne eine Störung auftreten, die durch den Betrieb der Elektromotoren und ihrer betreffenden Inverter bewirkt würde. Für die Hochstrom-Hochleistungsmotoren, die häufig bei der Robotik verwendet würden, könne es ein erhebliches „Rauschen“ oder eine Störung bei den Versorgungsverbindungen geben (vgl. [X.] 0004).

Es gebe einen Bedarf für ein zuverlässigeres, agileres und flexibleres System (vgl. [X.] 0005).

Als Fachmann ist ein Diplomingenieur der Mechatronik mit Hochschulabschluss oder entsprechendem akademischen Grad mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Programmierung von Steuerungssystemen für drehzahlgeregelte Aktuatoren anzusehen, insbesondere zur Verwendung in robotischen Systemen.

Der Patentanspruch 1 stellt auf ein robotisches System ab, bei dem zumindest eine Zentralsteuerung mit mindestens einem Aktuatortreiber über einen Kommunikationskanal kommuniziert (Merkmal [X.]-1). Unter einem Aktuatortreiber ist dabei eine Hardwarekomponente wie bspw. ein Frequenzumrichter eines als Elektromotor ausgebildeten Aktuators (vgl. [X.]) zu verstehen.

Der Kommunikationskanal und die Leistungsversorgung der Aktuatoren sollen einen gemeinsamen Draht verwenden (Merkmal [X.]-6) und die Aktuatortreiber demnach über die Stromleitung angesteuert werden (vgl. [X.], [X.] – PLC).

Der Kommunikationskanal ist anspruchsgemäß einer durch einen Aktuator verursachten Störung ausgesetzt (Merkmal [X.]-2), wobei die Kommunikation der zumindest einen Zentralsteuerung mit dem zumindest einen Aktuatortreiber über den Kommunikationskanal und/oder der Betrieb der Aktuatoren in Erwartung der auftretenden Störung modifiziert wird (Merkmal [X.]-3). Wird eine Störung von der Zentralsteuerung erwartet bzw. prognostiziert, so werden entweder Kommunikationsparameter (Merkmal [X.]-4) oder Betriebsparameter der Aktuatoren verändert (Merkmale [X.]-5). Initial für die Kommunikation bzw. den [X.] gewählte Parameter werden demnach im Hinblick auf die zu erwartende Störung dynamisch angepasst (vgl. [X.] 0025 bis 0027). Ein kontinuierlicher Betrieb mit Parametern, also ein Betrieb ohne Modifikation der Parameter, stellt demnach nicht eine anspruchsgemäße Änderung der Kommunikations- und/oder der Betriebsparameter dar, selbst wenn diese Parameter einen störungsminimierten Betrieb erwarten ließen.

Dieses Verständnis des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 ist bei der Auslegung der auf einen Treiber, eine Zentralsteuerung und ein Verfahren zum Kommunizieren in einem robotischen System gerichteten Patentansprüche 9, 10 und 14 zu übertragen.

C.

1. Das geltende Patentbegehren gemäß Hauptantrag ist zulässig.

Die Merkmale [X.]-1, [X.]-2 und [X.]-3 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 gehen auf den ursprünglichen Patentanspruch 1 zurück. Im Absatz 0027 der [X.] und im ursprünglichen Patentanspruch 6 ist das Merkmal [X.]-5 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 offenbart. Das Merkmal [X.]-6 des Anmeldungsgegenstandes fußt auf dem ursprünglichen Patentanspruch 9.

Die Prüfungsstelle hat im angefochtenen Beschluss die Zurückweisung des [X.] damit begründet, dass das Merkmal [X.]-4, wonach die Kommunikation durch ein Ändern von Kommunikationsparametern modifiziert werden soll, so nicht ursprungsoffenbart sei. Sie führt hierzu im Detail aus, dass in der [X.] in den Absätzen 0025, und 0039 bis 0047 eine Änderung der Kommunikation nur in Form eines Beendens oder Unterbrechens der Kommunikation oder einer Änderung der Charakteristik des [X.] offenbart sei. Die Prüfungsstelle vertritt offensichtlich die Auffassung, dass das Merkmal [X.]-4 neben diesen beiden Kommunikationsparametern auch vielfältige andere Parameter umschließen würde, dies aber so nicht explizit den ursprünglichen Anmeldeunterlagen zu entnehmen sei.

Diese Meinung teilt der Senat nicht.

Im Merkmal [X.]-3 ist zunächst fakultativ und ganz allgemein angegeben, dass die Kommunikation in Erwartung der auftretenden Störung modifiziert werden kann. Dabei versteht der Fachmann unter einer Modifikation der Kommunikation eine Änderung der Art der Kommunikation und/oder der die Kommunikation bestimmenden Größen bzw. Parameter. Dieses fachmännische Verständnis ist auch durch den Absatz 0025 der [X.] belegt, in dem eine Stromleitungskommunikation und eine drahtlose Kommunikation als mögliche Arten der Kommunikation, aus denen gewählt werden könne, angegeben sind. Konkrete, modifizierbare Kommunikationsparameter, wie auch die von der Prüfungsstelle in Betracht gezogenen Kommunikationszeiten in Form von Unterbrechungen oder einem Beenden der Kommunikation sowie die Charakteristik des [X.], werden dort ebenfalls benannt. In den Absätzen 0039 bis 0045 sind noch weitere Beispiele von Kommunikationsparametern, deren Modifikation ebenfalls eine zuverlässige Kommunikation im Sinne der Anmeldung gewährleisten kann, angegeben.

Eine Modifikation der Kommunikation über eine Änderung deren Art und/oder deren Parametern in Erwartung einer auftretenden Störung zur Gewährleistung einer zuverlässigen Kommunikation ist demnach dem Fachmann ohne jedwede Einschränkung bereits in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen (vgl. Patentanspruch 1 i. V. m. Abs. 0025) offenbart. Wenn die Anmelderin nun über das Merkmal [X.]-4 definieren möchte, dass die Modifikation der Kommunikation zwingend über eine Änderung der Kommunikationsparameter erfolgen soll, so bedarf es zur Stütze der [X.] dieses Merkmals nicht der Aufnahme einzelner explizit in der Beschreibung genannter Kommunikationsparameter. Vielmehr ist von der im ursprünglichen Patentanspruch 1 ganz allgemein offenbarten Modifikation der Kommunikation die Modifikation jeglicher Kommunikationsparameter, deren Änderung aus fachmännischer Sicht dem Ziel der Gewährleistung einer zuverlässigen Kommunikation dienen könnte, umfasst. Das Merkmal [X.]-4 ist demnach in der beanspruchten Breite ursprungsoffenbart und stellt auch keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar, da es hingegen das Merkmal [X.]-3 in zulässiger Art und Weise enger fasst.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des [X.] ist somit den Anmeldeunterlagen zu entnehmen.

Entsprechend sind auch die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 9, 10 und 14, bei denen zu den Merkmalen der Gegenstände der ursprünglichen Patentansprüche 11, 12 und 16 noch die zu den Merkmalen [X.]-4, [X.]-5 und [X.]-6 inhaltsgleichen jeweiligen Merkmale [X.], [X.] und [X.] hinzugekommen sind, ursprungsoffenbart.

Die abhängigen Patentansprüche 2 bis 8, 11 bis 13 sowie 15 bis 18 basieren auf den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 5, 7, 8, 10, 13 bis 15 sowie 17 bis 20, wobei rein redaktionelle Anpassungen vorgenommen und Rückbezüge korrigiert wurden.

In der geltenden Beschreibung wurde gegenüber der Beschreibung vom Anmeldetag der im Prüfungsverfahren ermittelte Stand der Technik aus den [X.] bis [X.] angegeben und gewürdigt.

2. Die zweifellos gewerblich anwendbaren Gegenstände gemäß den geltenden Patentansprüchen 1, 9, 10 und 14 in der Fassung des [X.] sind patentfähig.

Gegen die Patentfähigkeit (§§ 1 bis 5 [X.]) des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 in der Fassung des [X.] bestanden seitens der Prüfungsstelle offensichtlich auch keine Bedenken (vgl. hierzu die Ausführungen im Bescheid vom 10. August 2018 sowie im angefochtenen Beschluss auf Seite 4 oben).

Der Senat schließt sich diesem Ergebnis an. Insbesondere nehmen die von der Prüfungsstelle berücksichtigten Veröffentlichungen keinen der Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche vorweg oder legen diese nahe.

a) Die Gegenstände nach den Patentansprüchen 1, 9, 10 und 14 nach Hauptantrag sind neu (§§ 1, 3 [X.]).

Keines der aus den [X.] bis D3 bekannten robotischen Systemen weist die Merkmale [X.]-3, [X.]-4 und [X.]-5 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 auf.

Die Druckschrift [X.] (vgl. Abs. 0015, 0020, 0021, 0026, Figur 3, 4) betrifft ein robotisches System (vgl. Abs. 0028, Robotersystem) mit einer Zentralsteuerung (Steuerung 1, [X.]), die über einen Kommunikationskanal (Busse 4, 5 sowie [X.] 8, 34) mit Aktuatortreibern in Form von Frequenzumrichtern 6 von [X.] kommuniziert (Merkmal [X.]-1). Dass der auch der Leistungsversorgung der Aktuatoren dienende Kommunikationskanal 8, 34 (vgl. Abs. 0026, Merkmal [X.]-6) einer durch einen Aktuator 7 verursachten Störung ausgesetzt sein kann, ist im Abs. 0020 zumindest implizit offenbart („gestörte Kanäle“, Merkmal [X.]-2).

Im Rahmen einer Kanalkodierung der Daten (vgl. Abs. 0020) werden Kommunikationsparameter so gewählt, um eine zuverlässige Kommunikation gewährleisten zu können. Diese Kommunikationsparameter sind aber dann im Betrieb unveränderlich und werden nicht, wie anspruchsgemäß gefordert, in Erwartung einer auftretenden Störung im Sinne der Anmeldung dynamisch geändert. Auch zu einer Modifikation von Betriebsparametern der Aktuatoren ist dort nichts angegeben. Demnach fehlen in der Druckschrift [X.] die Merkmale [X.]-3, [X.]-4 und [X.]-5 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1.

Aus der Druckschrift D3 (vgl. [X.], [X.] 10 bis 15, [X.], [X.], [X.], [X.], Abs. 0022, Figur 4) ist ein robotisches System (verfahrbarer Roboter) mit einer Zentralsteuerung (Master M), einem Kommunikationskanal ([X.]) sowie Aktuatoren mit Treibern (Slaves 1a, 1b, 1c) mit den Merkmalen [X.]-1 und [X.]-2 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 bekannt. Der Kommunikationskanal dient dabei auch zur Spannungsversorgung (Merkmal [X.]-6). Hinweise auf die Merkmale [X.]-3, [X.]-4 und [X.]-5 finden sich dort nicht.

Die Druckschrift D1 (vgl. [X.] unten bis [X.]. Figur 1) offenbart ein robotisches System (Roboter 17) mit einer Zentralsteuerung (zentrale [X.]), einem Kommunikationskanal (Steuerungsbus 11) und Aktuatortreibern (Positioniereinheiten 12) mit den Merkmalen [X.]-1 und [X.]-2. Zu den übrigen Merkmalen des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 ist dort nichts beschrieben.

Die Druckschrift [X.] (vgl. Patentanspruch 1, [X.], [X.] 15 bis 28, Figur 1) betrifft eine [X.] mit einem Transportband, wobei ein Rechner das Bewegungsgesetz eines Transportbandes derart steuert, dass dieser vom Band kommenden Daten in Abhängigkeit von einer Auslastungsrate von Robotern der [X.] empfängt und auf Antriebsmotoren des Bandes einwirkt.

In der Druckschrift [X.] (vgl. Patentanspruch 1, Abs. 0016, 0024, Figur 1A) ist ein Robotersystem mit einem drahtlosen Kommunikationskanal zur Übertragung von Telemetriedaten beschrieben.

Die Druckschriften [X.] und [X.] liegen demnach weiter vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 ab und können keine weiteren Erkenntnisse im Hinblick auf dessen Neuheit liefern.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des [X.] ist demnach neu gegenüber dem Stand der Technik der [X.] bis [X.].

Auch die einen Treiber, eine Zentralsteuerung sowie ein Verfahren zum Kommunizieren in einem robotischen System betreffenden Patentansprüche 9, 10 und 14 in der Fassung des [X.] sind somit neu gegenüber diesen Druckschriften. Denn dort finden sich keine Hinweise auf die zu den Merkmalen [X.]-3, [X.]-4 und [X.]-5 inhaltsgleichen jeweiligen Merkmale [X.], [X.] und [X.] der Gegenstände dieser Patentansprüche.

b) Die Gegenstände nach den Patentansprüchen 1, 9, 10 und 14 in der Fassung des [X.] beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§§ 1, 4 [X.]).

Aus keiner der [X.] bis D3 ergeben sich Hinweise mit Bezug auf die jeweiligen Merkmale [X.], [X.] und [X.] der Gegenstände nach den Patentansprüchen 1, 9, 10 und 14.

Demnach kann der Fachmann auch nicht nach einer etwaigen Zusammenschau des ermittelten Standes der Technik dazu veranlasst gewesen sein, ein robotisches System, einen Treiber, eine Zentralsteuerung oder ein Verfahren zum Kommunizieren in einem robotischen System mit sämtlichen Merkmalen der Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche vorzuschlagen.

Im Übrigen sind auch keine Gründe erkennbar, weshalb der Fachmann hätte veranlasst sein können, das aus dem - nach Auffassung des Senats den nächstliegenden Stand der Technik darstellenden - Dokument [X.] bekannt gewordene robotische System, bzw. den Treiber, die Zentralsteuerung oder das Verfahren zum Kommunizieren in einem robotischen System allein gestützt auf sein Fachwissen im Sinne der jeweiligen Merkmale [X.], [X.] oder [X.] der über die Patentansprüche 1, 9, 10 und 14 schutzbeanspruchten Gegenstände weiterzuentwickeln.

Der von der Prüfungsstelle berücksichtigte Stand der Technik legt somit die mit den unabhängigen Patentansprüchen vorgeschlagenen Lösungen der Anmelderin nicht nahe.

Auf den Hilfsantrag 2 kommt es demnach nicht mehr an.

3. Die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 8, 11 bis 13 sowie 15 bis 18 betreffen zweckmäßige und nicht selbstverständliche Weiterbildungen der Gegenstände nach den Patentansprüchen 1, 9, 10 und 14. Sie sind mit diesen ebenfalls gewährbar.

Meta

11 W (pat) 35/19

15.06.2020

Bundespatentgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 25 Abs 1 PatG, § 97 Abs 2 PatG, § 41a Abs 5 S 2 Nr 1 PatAnwO, § 155 Abs 1 Nr 1 PatAnwO, § 155 Abs 2 PatAnwO, § 155 Abs 3 PatAnwO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.06.2020, Az. 11 W (pat) 35/19 (REWIS RS 2020, 3178)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3178

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