Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.09.2021, Az. 8 W (pat) 1/21

8. Senat | REWIS RS 2021, 10484

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Gegenstand

Patentbeschwerdesache – „Kommissioniermodul“ – keine Patentfähigkeit


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2015 011 153.1

hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 17. September 2021 durch den Vorsitzenden [X.]. Dr. phil. nat. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Univ. Maierbacher

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2015 011 153.1 wurde am 17. August 2015 mit der Bezeichnung "Kommissioniermodul“ beim [X.] angemeldet.

2

Im Prüfungsverfahren wurden u. a. die Druckschriften

3

[X.]: Produktportfolio t…. t… GmbH, 2013. URL: http://www.t…-germany.com/files/t…%20portfolio%20deutsch%202015.pdf [abgerufen am 15.07.2016]

4

[X.]: EP 1 995 187 [X.]

5

genannt.

6

Die Prüfungsstelle für Klasse B65G hat die Anmeldung durch Beschluss vom 26. Oktober 2020 zurückgewiesen und dies damit begründet, dass der Gegenstand des am 18. Januar 2017 eingereichten Patentanspruchs 1 nicht neu sei.

7

Gegen den ihr am 29. Oktober 2020 zugestellten Beschluss hat die Anmelderin am 20. November 2020 Beschwerde eingelegt.

8

Sie ist der Auffassung, der [X.] unterscheide sich von dem aus der Druckschrift [X.] vorbekannten Gegenstand dadurch, dass es sich bei dem als Bestandteil des [X.] beanspruchten [X.] um ein von dem ortsfesten [X.] unabhängiges Bauteil handele, während bei der [X.] das [X.] und das [X.] eine Einheit bildeten. Dies ergebe sich jedenfalls aus dem Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 2, wonach das [X.] ortsfest angeordnet sei und das [X.] verschiebbar oder mittels Rollen verfahrbar sei, und werde auch durch die Figur 2 gezeigt.

9

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß:

- den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B65G des [X.]s vom 26. Oktober 2020 aufzuheben und das Patent 10 2015 011 153 mit den Ansprüchen 1 bis 6 eingereicht am 19. Januar 2017 als Anlage zum Schriftsatz vom 18. Januar 2017 zu erteilen,

- hilfsweise das Patent 10 2015 011 153 mit den Ansprüchen 1 bis 5 eingereicht am 17. Dezember 2020 als Anlage zur Beschwerdebegründung vom 16. Dezember 2020 zu erteilen.

Mit Schreiben des Vorsitzenden vom 20. April 2021 hat der [X.] darauf hingewiesen, dass er den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchssatz als Hilfsantrag versteht, die Beschwerde nach vorläufiger Auffassung des [X.]s aber weder im Hauptantrag noch im Hilfsantrag begründet sein dürfte, da der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 gegenüber den [X.] unzulässig erweitert und zudem gegenüber dem im Prüfungsverfahren ermittelten Stand der Technik nicht neu sein dürfte. Die Beschwerdeführerin hat dazu nicht Stellung genommen.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet (Gliederung durch den [X.]):

M1 Aus mindestens einem Fächerturm (1) und mindestens einem Fächerregal (2) bestehendes Kommissioniermodul für die Kommissionierung unterschiedlicher Artikel, die für mehrere unterschiedliche Empfänger in unterschiedlicher Stückzahl bestimmt sind,

[X.] wobei der Fächerturm (1) von oben gesehen rund ausgebildet und um seine senkrechte Mittelachse (M) drehbar angeordnet ist,

[X.] und wobei mehrere Fächer (4) des Fächerturms (1) jeweils radial um die Mittelachse (M) des Fächerturms (1) nebeneinander angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

[X.] das Fächerregal (2) in einem ortsfesten [X.] ([X.]) angeordnet ist.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von dem des [X.] durch das alternativ zum [X.] beanspruchte Merkmal im Kennzeichnungsteil

[X.]‘ dass jedes Fächerregal (2) des [X.] freibeweglich in einem ortsfesten [X.] ([X.]) angeordnet ist und dass an der Unterseite jedes Fächerregals (2) Rollen (9) angebracht sind, so dass das Fächerregal (2) verfahrbar ist.

Dem Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag schließen sich jeweils die untergeordneten, ursprünglichen Patentansprüche 2 bis 6 nach Hauptantrag bzw. 2 bis 5 nach Hilfsantrag an. Bezüglich des Wortlautes der abhängigen Patentansprüche, des Hinweises des [X.]s vom 20. April 2021 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

II.

1. Die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet und führt nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, da der Gegenstand der Patentanmeldung nach Haupt- und Hilfsantrag nicht patentfähig ist.

Der Gegenstand der Anmeldung betrifft gemäß Abschnitt [0001] der [X.] der Streitanmeldung ein aus mindestens einem [X.] und mindestens einem [X.] bestehendes Kommissioniermodul für die Kommissionierung unterschiedlicher Artikel, die für mehrere unterschiedliche Empfänger in unterschiedlicher Stückzahl bestimmt sind, wobei der [X.] von oben gesehen rund ausgebildet und um seine senkrechte Mittelachse drehbar angeordnet ist, und wobei mehrere Fächer des [X.]s jeweils radial um die Mittelachse des [X.]s nebeneinander angeordnet sind.

In der Streitanmeldung gemäß Absatz [0007] der [X.] ist als Aufgabe der Erfindung angegeben, das aus der EP 1 995 187 [X.] ([X.]) bekannte Kommissioniermodul zu verbessern.

Fachmann ist im vorliegenden Fall ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion und Entwicklung von halbautomatischen Kommissionieranlagen.

Ein Merkmal des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag bedarf einer Auslegung:

In dem Merkmal [X.]‘ wurde eingefügt, „dass jedes [X.] des [X.] „freibeweglich“ in einem ortsfesten [X.] angeordnet“ sein soll. Entsprechend der Abschnitte [0007] und [0008] ist eine „freibewegliche“ Anordnung des [X.]s dahingehend zu verstehen, dass dieses „verfahrbar“ ist, bzw. gemäß Absätzen [0009] und [0014] „weggeschoben“ werden kann, mithin „mobil ausgebildet ist“ (vergleiche Absatz [0022]) und jedenfalls nicht fest mit dem [X.] verbunden ist.

2. Es kann im Ergebnis dahingestellt sein, ob entgegen den im Verfahren geäußerten Bedenken des [X.]s alle Merkmale des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ursprünglich offenbart sind und dieser mithin zulässig ist, weil der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag gegenüber der [X.] nicht neu und schon deshalb nicht patentfähig ist.

Aus der selbstgenannten Druckschrift [X.] ist in der Terminologie des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag ein aus mindestens einem [X.] 1 und mindestens einem [X.] („[X.]“) 2 bestehendes Kommissioniermodul für die Kommissionierung unterschiedlicher Artikel bekannt, die für mehrere unterschiedliche Empfänger in unterschiedlicher Stückzahl bestimmt sind (hier Merkmal M1; vergleiche dort Absatz [0009]).

Die [X.] offenbart weiterhin, dass der [X.] 1 von oben gesehen „rund“ ausgebildet und um seine senkrechte Mittelachse M drehbar angeordnet ist, wobei mehrere Fächer des [X.]s 1 jeweils radial um die Mittelachse M des [X.]s nebeneinander angeordnet sind (hier Merkmale [X.] und [X.]; vergleiche dort Anspruch 1).

Aus der dortigen Figur ist auch ersichtlich, dass das [X.] (dort [X.]) 2 in einem ortsfesten [X.] angeordnet ist (hier Merkmal [X.], vergleiche dort einzige Figur).

Somit ist der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag aus der Druckschrift [X.] vorbekannt.

Entgegen der Auffassung der Anmelderin wurden auch in dem Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle die mit der Eingabe der Anmelderin vom 17. Januar 2017 vorgenommenen Änderungen im Patentanspruch 1 berücksichtigt. Dieser geltende Patentanspruch 1 setzte sich aus dem Oberbegriff des ursprünglichen Patentanspruchs 1 und dem kennzeichnenden Merkmal des ursprünglichen Unteranspruchs 2 zusammen. Die Prüfungsstelle hat zutreffend festgestellt, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 auch gegenüber der Druckschrift [X.] nicht neu ist.

3. Es kann dahingestellt sein, ob alle Merkmale des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ursprünglich offenbart sind, weil auch der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gegenüber der [X.] nicht neu ist.

Die [X.] „Portfolio [X.]“ zeigt und beschreibt auf den Seiten 10 bis 13 das Produkt der [X.] Automatischer Einzelplatzroboter. Ihr Inhalt gehört zum Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 1 PatG. Denn die Beschreibung war der Öffentlichkeit bereits vor dem 17. August 2015, dem maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung, zugänglich. Nach den überzeugenden Ermittlungen der Prüfungsstelle, deren Richtigkeit die Beschwerdeführerin nach Hinweis auf ihre Mitwirkungspflicht im Schriftsatz vom 19. Januar 2017 inzident eingeräumt hat, vertreibt die Beschwerdeführerin das Produkt und die entsprechende Beschreibung schon seit mindestens 2013 unter anderem über ihre Website. Seit diesem Zeitpunkt ist die Kenntnisnahme ihres Inhalts mithin einem unbestimmten Personenkreis möglich, so dass sie damit zum Stand der Technik geworden ist.

Aus der Druckschrift [X.] ist in der Terminologie des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag eine Kommissionieranlage „A…“ (Seiten 10 – 13) bekannt. Die [X.] (Seite 10 Foto; Text Spalten 2 und 3) zeigt und beschreibt ein aus mindestens einem [X.] („[X.]“) und mindestens einem [X.] („Titelwagen“) bestehendes Kommissioniermodul für die Kommissionierung unterschiedlicher Artikel („Titel“), die für mehrere unterschiedliche Empfänger („Kunden“) in unterschiedlicher Stückzahl (in Form von „Kundenpaketen“) bestimmt sind (Merkmal M1).

Die [X.] (Seite 10 Foto; Bildunterschrift; Text Spalten 2 und 3) offenbart weiterhin, dass der [X.] von oben gesehen „rund“ ausgebildet und um seine senkrechte Mittelachse drehbar angeordnet ist, wobei mehrere „Fächer“ des [X.]s jeweils radial um die Mittelachse des [X.]s nebeneinander angeordnet sind (Merkmale [X.] und [X.]).

Darüber hinaus ist auch das Merkmal [X.]‘ aus dem Dokument [X.] bekannt. Es ist auf dem linken Bild auf Blatt 10 des Dokuments ersichtlich, dass das aus holzartigen Fächern bestehende [X.] in einem, erkennbar an dem Fußgestell, ortsfesten Metallrahmen angeordnet ist, ohne mit diesem fest verbunden zu sein, und folglich freibeweglich ist. Denn die senkrechten blauen Verbindungsstützen reichen nicht bis zu der Metalloberfläche des ortsfesten [X.]s, sondern enden an der Unterseite der obersten holzartigen [X.]. Auch fehlt erkennbar eine Verbindung zwischen den holzartigen [X.]n und dem ortsfesten Metallrahmen. Zwar sind die Rollen des [X.]s auf den Fotografien nicht sichtbar, die Verfahrbarkeit ergibt sich für den Fachmann jedoch aus der Verwendung des Begriffs „Titelwagen“ für das [X.] in der unter den Bildern angeordneten Beschreibung der Anlage. Unter einem Wagen versteht der Fachmann ein verfahrbares Transportmittel. Hier wird zudem darauf hingewiesen, dass „ein im Wareneingang neu vorbereiteter Titelwagen hinter die Displays geschoben werden kann“. Auch daraus ergibt sich für den Fachmann unmittelbar, dass das [X.] im Gegensatz zu dem ortsfesten Gestell, an dem die Displays angebracht sind, verfahrbar und mithin freibeweglich ist. Die Verfahrbarkeit des Fächergestells setzt die Anbringung von Rollen an der Unterseite des [X.]s voraus. Damit ergibt sich für den Fachmann auch das Merkmal „dass an der Unterseite jedes [X.]s (2) Rollen (9) angebracht sind“ unmittelbar aus der Beschreibung des [X.] in der [X.].

Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag nicht neu.

4. Mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hauptantrag und dem Hilfsantrag fallen aufgrund der Antragsbindung auch die jeweils rückbezogenen Ansprüche nach Haupt- und Hilfsantrag.

Bei dieser Sachlage war die Patentanmeldung zurückzuweisen.

Meta

8 W (pat) 1/21

17.09.2021

Bundespatentgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 3 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.09.2021, Az. 8 W (pat) 1/21 (REWIS RS 2021, 10484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 10484

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