Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2005, Az. IX ZB 308/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 387

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[X.][X.] 308/04 vom 8. Dezember 2005 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] §§ 59, 5 Abs. 1 a) Die Entlassung des Insolvenzverwalters wegen ihm vorgeworfener Pflichtverlet-zungen setzt grundsätzlich voraus, dass die Tatsachen, die den [X.] bilden, zur vollen Überzeugung des [X.] nachgewiesen sind. b) Ausnahmsweise kann bereits das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für die Verletzung von wichtigen Verwalterpflichten für eine Entlassung genügen, wenn der Verdacht im Rahmen zumutbarer Amtsermittlung nicht ausgeräumt und nur durch die Entlassung die Gefahr größerer Schäden für die Masse noch abgewen-det werden kann. [X.], Beschluss vom 8. Dezember 2005 - [X.] 308/04 - [X.]

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], [X.] und [X.] am 8. Dezember 2005 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 12. Zivilkammer des [X.] vom 26. November 2004 aufgehoben. Die Sache wird - auch zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 3.000 • festgesetzt.

Gründe: [X.] In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde der Rechtsbeschwerdeführer (i.F.: Beschwerdeführer) mit Beschluss des Amts-gerichts - [X.] - vom 12. Mai 1999 zum Insolvenzverwalter bestellt. Unter dem 23. Mai 2002 setzte das Insolvenzgericht gegen ihn ein Zwangsgeld von 1.000 • fest, um ihn zur Abgabe einer mehrfach angemahnten Ein- und Ausgabenrechnung anzuhalten. Dieser Beschluss wurde aufgehoben, weil der 1 - 3 - Beschwerdeführer die Rechnung innerhalb der Beschwerdefrist einreichte. Nachdem ihm das Insolvenzgericht unter dem 26. Juni 2002 angedroht hatte, ihn wegen "unangemessen verzögerter Erfüllung der Berichtspflicht" gemäß § 59 [X.] aus dem Amt zu entlassen, erstattete er am 15. August 2002 seinen Schlussbericht. Das Insolvenzgericht bat ihn mit Schreiben vom 19. August 2002 um Beseitigung verschiedener, einem ordnungsgemäßen Abschluss des Verfahrens entgegenstehender Hindernisse. Unter anderem bemerkte es, auf das Stammkapital der Schuldnerin von 50.000 DM seien 2.000 DM nicht er-bracht worden; der Beschwerdeführer möge mitteilen, inwieweit er sich um die Beitreibung bemüht habe. Die sich anschließende Korrespondenz verlief nicht zur Zufriedenheit des [X.]. Mit Beschluss vom 6. Januar 2003 be-stellte es gemäß § 56 [X.] Rechtsanwalt [X.]zum [X.] mit dem Auftrag, insbesondere festzustellen, ob sämtliche [X.] der Schuldnerin verwertet worden seien. Unter dem 29. Juli 2003 erstat-tete der Sonderinsolvenzverwalter seinen Bericht. Er kam zu dem Ergebnis, auf das Stammkapital der Schuldnerin seien mindestens 2.000 DM nicht einbezahlt worden. Darauf gerichtete Ansprüche wie auch anderweitig in Betracht kom-mende Anfechtungsansprüche seien nicht geltend gemacht worden und inzwi-schen teilweise verjährt. Der Beschwerdeführer wurde hierzu angehört. Mit Beschluss vom 19. August 2004 hat das Insolvenzgericht den [X.] gemäß § 59 [X.] aus seinem Amt entlassen und zugleich den Sonderinsolvenzverwalter zum neuen Insolvenzverwalter bestellt. Die sofortige Beschwerde des entlassenen Insolvenzverwalters hat das Landgericht mit [X.] vom 26. November 2004 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde.

2 - 4 - I[X.] Das statthafte (§ 7 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässige (§ 574 Abs. 2 ZPO) Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um einen wichtigen Grund für die Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Amt des [X.] anzunehmen.
1. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann das Insolvenzgericht den [X.] aus wichtigem Grund aus seinem Amt entlassen.

a) In Rechtsprechung und Schrifttum herrscht Uneinigkeit, wann ein sol-cher wichtiger Grund vorliegt. Teilweise wird die - auch vom Beschwerdegericht geteilte - Auffassung vertreten, hierfür genüge es, dass die begründete [X.] der Parteilichkeit oder der Pflichtwidrigkeit bestehe ([X.], [X.] 12. Aufl. § 59 Rn. 12; [X.], [X.] 2. Aufl. § 59 Rn. 4 f). Nach anderer Ansicht darf eine Entlassung nur ausgesprochen werden, wenn das Insolvenzgericht die volle Überzeugung vom Vorliegen der Umstände gewonnen habe, die einen wichtigen Grund darstellen könnten; es reiche nicht aus, dass der Insolvenz-verwalter lediglich den bösen Schein gesetzt habe ([X.] ZIP 1993, 1739; [X.] ZIP 1996, 2116, 2117 f; [X.] in [X.], [X.] § 59 Rn. 5; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 59 Rn. 10; Nerlich/[X.]/[X.], [X.] § 59 Rn. 7; [X.]/Wutzke/[X.], Handbuch zur [X.]. [X.]. 5 Rn. 65; [X.] EWiR 1993, 1203, 1204). Nach einer vermittelnden Auffassung genügen konkrete Verdachtsgründe für Verfehlungen schwerster Art, so wenn die Gefahr bestehe, dass der Insolvenzverwalter größere Ausfälle der Gläubiger zu vertreten habe, oder bei dem Verdacht von gegen die Masse gerichteten oder anlässlich der Verwaltung begangener Straftaten ([X.] 5 - 5 - Komm-[X.]/[X.], § 59 Rn. 14 ff; [X.] in Breutigam/[X.]/ Goetsch, [X.] § 59 Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 59 Rn. 12; Kind in FK-[X.], 3. Aufl. § 59 Rn. 10; [X.]. in [X.], [X.] 2. Aufl. § 59 Rn. 8).

Umstritten ist auch, ob ein wichtiger Grund gegeben ist, wenn das [X.] zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht in einem Maße ge-stört ist, dass an ein gedeihliches Zusammenarbeiten künftig nicht mehr zu denken ist (bejahend [X.], 373 f; [X.], [X.]. Rn. 6.33; MünchKomm-[X.]/[X.], § 59 Rn. 19; [X.] in [X.], [X.] § 59 Rn. 4; Nerlich/[X.]/[X.], aaO; HK-[X.]/[X.], aaO Rn. 3; [X.], § 59 Rn. 4; verneinend [X.]/Wutzke/[X.], aaO [X.]. 5 Rn. 64).

b) Im Grundsatz ist für die Entlassung des Insolvenzverwalters zu [X.], dass die Tatsachen, die den [X.] bilden, zur vollen Über-zeugung des [X.] nachgewiesen sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Insolvenzverwalter Pflichtverletzungen vorgeworfen werden. Ein Insolvenzverwalter ist zu entlassen, wenn sein Verbleiben im Amt unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des Verwalters die [X.] und die Rechtmäßigkeit der [X.] objektiv nachhaltig beeinträchtigen würde (vgl. [X.]/Wutzke/ [X.], aaO [X.]. 5 Rn. 56). Diese Beeinträchtigung muss feststehen. Die Aus-übung des [X.] ist durch Art. 12 GG geschützt. Eingriffe sind nur zulässig, soweit sie durch höherwertige Interessen des gemeinen Wohls gerechtfertigt sind, nicht weiter gehen, als es erforderlich ist, und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Außerdem ist die in Art. 6 Abs. 2 6 7 8 - 6 - [X.] niedergelegte Unschuldsvermutung auch von den Zivilgerichten zu be-achten. Die Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht reicht niemals für die Entlassung des ersteren aus, wenn sie lediglich auf persönlichem Zwist beruht. Hat die Störung ihren Grund in dem Verwalter vorgeworfenen Pflichtverletzungen, müssen diese grundsätzlich fest-stehen. Andernfalls würde ein bloßer Verdacht schon deshalb zur Entlassung ausreichen, weil das Insolvenzgericht ihn teilt. Dies wäre mit dem verfassungs-rechtlich gewährleisteten Schutz der Berufstätigkeit des Insolvenzverwalters nicht zu vereinbaren.

Liegt eine Pflichtverletzung vor, die einen wichtigen Grund zur [X.] des Insolvenzverwalters darstellt, darf das Insolvenzgericht von dieser zwar nicht lediglich deshalb absehen, weil die Gläubiger wegen der [X.] den Verwalter nach §§ 60, 61 [X.] auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können (MünchKomm-[X.]/[X.], § 59 Rn. 24). Umgekehrt ist [X.] nicht jede Pflichtverletzung, die einen Schadensersatzanspruch auslöst, zugleich ein wichtiger Grund zur Entlassung (MünchKomm-[X.]/[X.], § 59 Rn. 23). Diese setzt grundsätzlich voraus, dass es in Anbetracht der Erheblich-keit der Pflichtverletzung, insbesondere ihrer Auswirkungen auf den Verfah-rensablauf und die berechtigten Belange der Beteiligten, sachlich nicht mehr vertretbar erscheint, den Verwalter im Amt zu belassen. Diese Beurteilung, die auf einer Abwägung aller jeweils bedeutsamen Umstände beruht, obliegt dem Tatrichter.

c) Ausnahmsweise kann bereits das Vorliegen von konkreten [X.] für die Verletzung von wichtigen Verwalterpflichten für eine Entlassung 9 10 11 - 7 - genügen, wenn der Verdacht im Rahmen zumutbarer Amtsermittlung (§ 5 Abs. 1 [X.]) nicht ausgeräumt und nur durch die Entlassung die Gefahr größe-rer Schäden für die Masse noch abgewendet werden kann. Gegebenenfalls müssen hier der Schutz der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) und die Un-schuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 [X.]) zurücktreten, weil der Insolvenzverwal-ter auch im öffentlichen Interesse tätig wird und Grundrechte der Gläubiger (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) gefährdet sind. Im Konfliktfall geht das Interesse der Gläubiger an der gleichmäßigen und bestmöglichen Befriedigung ihrer Forde-rungen dem Interesse des Insolvenzverwalters an der Beibehaltung seines [X.] vor (vgl. [X.] ZIP 2005, 537, 538). 2. Die bisher getroffenen Feststellungen erfüllen die Voraussetzungen eines derartigen Ausnahmefalles nicht. Es ist bereits zweifelhaft, ob das Insol-venzgericht zwischen dem 29. Juli 2003 (Erstattung des Berichts des [X.]) und dem 19. August 2004 (Entlassung des Beschwerdefüh-rers) nicht hinreichend [X.] gehabt hat, um sich darüber schlüssig zu werden, ob die Pflichtverletzungen, von denen der Sonderinsolvenzverwalter berichtet hat, tatsächlich vorliegen oder nicht. Im Übrigen hat das Beschwerdegericht die Entlassung - abgesehen von einer untauglichen pauschalen Bezugnahme auf die "darüber hinausgehenden Feststellungen des [X.] im Rahmen seines Gutachtens" - lediglich mit dem "erhärteten" Verdacht begrün-det, dass der Beschwerdeführer die Wirksamkeit der Einzahlungen von 2.000 DM und 22.000 DM auf die Stammeinlage bei der Schuldnerin nicht ge-prüft habe. Insoweit hatte der Sonderinsolvenzverwalter die Auffassung vertre-ten, dass die 2.000 DM nicht wirksam und die 22.000 DM nicht nachweisbar einbezahlt worden seien. Hinsichtlich des zuletzt genannten Betrages bedürfe es weiterer Aufklärung. Weshalb diese, die von Amts wegen geboten war (§ 5 Abs. 1 [X.]), unterblieben ist, lässt sich dem angefochtenen Beschluss nicht 12 - 8 - entnehmen. Auf die unterlassene Beitreibung dieses Betrages darf die [X.] deshalb nicht gestützt werden. Wegen des verbleibenden Betrages von 2.000 DM ist sie nicht gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer hat hierzu geltend gemacht, aus seiner Sicht sei es wirtschaftlich nicht sinnvoll, wegen eines der-artigen [X.] eine unsichere Forderung prozessual geltend zu ma-chen, zumal ihm in anderen Prozessen Prozesskostenhilfe versagt worden sei. Zwar mag bei einer letztendlich realisierten Masse von etwa 5.500 • ein Betrag von 2.000 DM nicht ganz unerheblich sein. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Betrag bei zur Tabelle festgestellten Forderungen von 411.870,89 • nicht ins Gewicht fällt. Damit zeugt das Verhalten des Beschwerdeführers hin-sichtlich der Verfolgung des [X.]italeinzahlungsanspruchs für sich genommen nicht von einer derartigen Pflichtvergessenheit, dass seine Ablösung und die Fortsetzung des im Übrigen möglicherweise abschlussreifen Insolvenzverfah-rens mit einem anderen Insolvenzverwalter geboten war. 3. Ob eine weitere Ausnahme für den Fall anzuerkennen ist, dass der Insolvenzverwalter den bösen Schein einer Befangenheit oder [X.] gesetzt hat oder der Verdacht von gegen die Masse gerichteten Straftaten besteht, kann offen bleiben. Ein solcher Fall kommt hier nicht in Betracht. 13 - 9 - II[X.] Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit die weiteren Entlassungsgründe geprüft werden, zu denen das Beschwerdegericht keine konkreten Ausführungen gemacht hat.

[X.] Ganter [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 19.08.2004 - 92 IN 449/99 - [X.], Entscheidung vom 26.11.2004 - 12 T 5422/04 - 14

Meta

IX ZB 308/04

08.12.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2005, Az. IX ZB 308/04 (REWIS RS 2005, 387)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 387

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