Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2014, Az. II ZB 17/13

II. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4226

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II
[X.]
17/13

vom

8. Juli 2014

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der II.
Zivilsenat des [X.] hat am 8. Juli 2014
durch den
Vorsitzenden [X.] Prof.
Dr. Bergmann
und
die
[X.]in
Caliebe,
die [X.] Dr.
Drescher, Born und
Sunder
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 23. Zivilsenats des [X.] vom 24.
Juni
2013 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen
Beschwerdewert: 1.000.000

Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Wiedereinsetzung in die [X.]. Das erstinstanzliche Urteil wurde der Klägerin am 26.
Februar 2013 zugestellt. Am 26.
März 2013 legte die Klägerin Berufung ein. Am 21.
Mai 2013 wurde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass [X.] keine Berufungsbegründung eingegangen sei. Am 28.
Mai 2013 begründete die Klägerin die Berufung und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen: Das angefochtene Urteil sei ihrem Prozessbevollmächtigten am 26.
Februar 2013 von seiner Mitarbeite-rin B.

vorgelegt worden. Ihr Prozessbevollmächtigter habe das [X.] am selben Tag unterzeichnet und seine Büromitarbeiterin B.

gebeten, dieses zurückzuschicken. Auf dem [X.] sei verse-1
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3
-

hentlich das Datum 26.
Mai 2013 angegeben gewesen. Dieses Versehen sei, so die Büromitarbeiterin B.

in
ihrer eidesstattlichen Versicherung, für sie offensichtlich gewesen, so dass sie zutreffend die Berufungsfrist auf den 26.
März 2013 berechnet und in den elektronischen [X.] eingetra-gen habe. Sie habe aber vergessen, die Berufungsbegründungsfrist zu berech-nen und einzutragen. Am Tag des Ablaufs der Berufungsfrist habe der Pro-zessbevollmächtigte der Klägerin per Telefax Berufung eingelegt. Da die Beru-fungsbegründungsfrist nicht notiert gewesen sei, sei die Akte dem [X.] nicht rechtzeitig vorgelegt worden.
Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in die [X.] versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zuläs-sig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die [X.] als unzulässig verworfen.
1.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Ein der Klägerin zurechenbares [X.] Verschulden ihres [X.] sei jedenfalls darin zu sehen, dass dieser im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift die ordnungsgemäße Eintragung der Beru-3
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fungsbegründungsfrist nicht kontrolliert habe. Hätte er dies getan, hätte ihm auf-fallen müssen, dass, wie die Klägerin geltend mache, seine Mitarbeiterin ver-gessen gehabt habe, die Berufungsbegründungsfrist zu berechnen und einzu-tragen, so dass die Versäumung der Frist vermieden worden wäre.
2.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die
beantragte Wiedereinsetzung zu Recht versagt, weil bereits nach dem [X.] ein der Klägerin nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis nicht auszuschließen ist.
a)
Die Klägerin hat die Frist zur Begründung der Berufung versäumt. Die Berufungsbegründungsfrist begann gemäß §
520 Abs.
2 Satz
1 ZPO mit der Zustellung des Urteils des Landgerichts am 26.
Februar 2013. Sie ist daher gemäß §
222 Abs. 1 ZPO, §
188 Abs.
2 BGB am 26.
April 2013 abgelaufen. Innerhalb dieser Frist ist keine Berufungsbegründung eingereicht worden.
b)
Zu Recht hat das Berufungsgericht ein für die Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist [X.] und der Klägerin nach §
85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten angenommen.
Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristge-bundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfris-ten einschließlich deren Eintragung in den [X.] eigenverantwortlich zu prüfen (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Januar 2014
-
XII [X.], [X.], 430 Rn.
10; Beschluss vom 15.
Januar 2014
-
XII [X.] 431/13, WM
2014, 431 Rn.
8). In diesem Fall obliegt es dem Prozess-bevollmächtigten, sich der Akte mit besonderer Sorgfalt anzunehmen und sich 6
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5
-

erforderlichenfalls durch Einsicht in die Akte selbst Gewissheit über den Ablauf der Frist zu verschaffen ([X.], Beschluss vom 18.
Februar 2014 -
XI
[X.]
12/13, WM
2014, 506 Rn.
7). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nicht [X.], dass er eine solche Überprüfung vorgenommen hat. Hätte er die Eintra-gung der Berufungsbegründungsfrist überprüft und den Fehler seiner Büroan-gestellten bemerkt, hätte die Berufungsbegründungsfrist ohne weiteres gewahrt werden können.
Zudem ist nicht dargelegt, dass die Büroorganisation des [X.] der Klägerin die erforderliche Gegenkontrolle überhaupt ermög-licht hätte. Zu den
zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen [X.] im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die [X.] in der Handakte notiert werden und die Handakte durch ent-sprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den [X.] eingetragen worden sind ([X.], Beschluss vom 26.
November 2013
-
II [X.] 13/12, [X.], 424 Rn.
9). Hierzu verhält sich das [X.] der Klägerin nicht.
3.
Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht im Hinblick auf die dem Gericht gegenüber den Prozessparteien während der Anhängigkeit einer Sache bei ihm obliegende und sich aus dem Gebot ei-nes fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 MRK, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) ergebende richterliche Fürsorgepflicht gerechtfertigt (vgl. [X.], Beschluss vom 25.
Juni 2009
-
III [X.] 99/08, juris Rn.
9).
a)
Die Rechtsbeschwerde stellt die Pflichtverletzung des [X.] der Klägerin nicht in Abrede. Sie ist aber der Auffassung, das [X.] habe seine Fürsorgepflicht verletzt. Es hätte die Klägerin darauf 10
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6
-

hinweisen müssen, dass ihr Prozessbevollmächtigter auf dem Empfangsbe-

weiter, bei einem solchen Hinweis eingehalten worden. Der Prozessbevoll-mächtigte der Klägerin hätte dann nach der Lebenserfahrung die korrekte Ein-tragung der Fristen im [X.]
überprüft und dabei festgestellt, dass die Berufungsbegründungsfrist noch nicht eingetragen gewesen sei.
b)
Mit diesem Vorbringen ist die Klägerin ausgeschlossen. Die eine [X.] begründenden Tatsachen müssen gemäß §
236 Abs.
2 Satz
1 ZPO grundsätzlich bereits im Wiedereinsetzungsantrag enthalten sein; [X.] sind sie innerhalb der für die Wiedereinsetzung geltenden Frist nach §
234 Abs. 1 ZPO vorzubringen. Zulässig ist nur die Ergänzung von fristgerecht ge-machten, aber erkennbar unklaren
oder unvollständigen Angaben, deren Auf-klärung nach §
139 ZPO geboten war ([X.], Beschluss vom 21.
Oktober 2010
-
IX [X.] 73/10, NJW
2011, 458 Rn.
16
f.; Beschluss vom 20.
Dezember 2012
-
III [X.] 47/12, juris Rn.
9).
Lediglich die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten B.

enthält die Angabe, ihr sei aufgefallen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin versehentlich das falsche Datum angegeben habe. Da für sie das [X.] offensichtlich gewesen sei, habe sie die Berufungsfrist zutreffend
auf den 26.
März 2013 berechnet und im [X.] notiert. Die Klägerin hat aber mit ihrem [X.] nicht geltend gemacht, dass ihr Pro-zessbevollmächtigter auf einen Hinweis des Gerichts auf das im [X.] angegebene Datum die Fristen im [X.] überprüft hätte. Dies legt auch die Lebenserfahrung nicht nahe. Nachdem der Büroangestellten der offensichtliche [X.] bereits aufgefallen war, ist es genauso mög-13
14
-
7
-

lich, dass nach einem Hinweis des Gerichts nicht überprüft worden wäre, ob die Berufungsbegründungsfrist im [X.] -
richtig
-
eingetragen war.
Da somit die Möglichkeit offen geblieben ist, dass die Einhaltung der Frist durch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin versäumt worden ist, hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht zurückgewiesen (vgl.
[X.], Beschluss vom 3.
November 2010
-
XII [X.] 177/10, NJW
2011, 385 Rn.
13).
c)
Selbst
wenn man unterstellt, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte nach einem Hinweis des Gerichts auf das falsche Datum im [X.] die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im [X.] kon-trolliert, wäre der Klägerin keine Wiedereinsetzung zu gewähren gewesen.
Die Berücksichtigung der aus dem Gebot des fairen Verfahrens [X.] Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber den [X.]en kann zwar bei wer-tender Betrachtung dazu führen, dass die Fristsäumnis der [X.] im Ergebnis nicht angelastet werden kann ([X.], Beschluss
vom 11.
Februar 1998 -
VIII
[X.]
50/97, NJW 1998, 2291, 2292). Das Berufungsgericht war entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde aber nicht zu einem Hinweis verpflichtet.
aa)
Aus der von der Rechtsbeschwerde herangezogenen [X.] lässt sich eine Hinweispflicht nicht herleiten. Im Interesse der Funktions-fähigkeit der Justiz sind der Fürsorgepflicht des Gerichts enge Grenzen gesetzt, so dass ein Gericht nur unter besonderen Umständen gehalten sein kann, eine drohende Fristversäumung zu verhindern ([X.], Beschluss vom 25.
Juni 2009
-
III [X.] 99/08, juris Rn. 9). Es besteht deshalb keine generelle Verpflichtung des Gerichts, bei Eingang eines Schriftsatzes eine sofortige Prüfung der Formalien 15
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vorzunehmen und etwa mittels Telefonat oder Telefax die Prozesspartei auf bestehende Mängel hinzuweisen und ihr Gelegenheit zur Abhilfe zu geben. Dies enthöbe die Verfahrensbeteiligten und ihre Prozessbevollmächtigten ihrer eigenen Verantwortung für die Einhaltung der Formalien und überspannte die Anforderungen an die richterliche Fürsorgepflicht und die Grund-sätze eines fairen Verfahrens ([X.], Beschluss vom 25.
Juni 2009
-
III
[X.]
99/08, juris Rn. 9; Beschluss vom 20. Juni 2012
-
IV [X.] 18/11, NJW-RR
2012, 1269 Rn.
14). Im Hinblick auf den übrigen Geschäftsanfall ist es nicht zu beanstanden, wenn der [X.] erst bei Bearbeitung des Falles und damit nach Ablauf der Fristen die Zulässigkeit der Berufung und dabei auch die Einhaltung der Form überprüft. Allerdings gebietet es die gerichtliche Fürsorgepflicht, die [X.] auf einen leicht erkennbaren Formmangel hinzuweisen und ihr gegebenenfalls Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben ([X.], Beschluss
vom 11. Februar 1998 -
VIII [X.] 50/97, NJW 1998, 2291, 2292; Beschluss vom 20. Juni 2012
-
IV [X.] 18/11, NJW-RR
2012, 1269 Rn.
14).
bb)
Ein solcher leicht erkennbarer Formmangel lag hier indes nicht vor. Vielmehr war gar kein Formmangel gegeben. Das Berufungsgericht musste auch nicht annehmen, dass aufgrund des falschen Datums im [X.] die Fristen im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin falsch berechnet und eingetragen sein könnten. Nach den Umständen durfte das [X.]sgericht vielmehr davon ausgehen, dass das offensichtliche Schreibver-sehen in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits bemerkt worden war und insbesondere auf die Fristberechnung keinen Einfluss gehabt hatte. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte rechtzeitig Berufung eingelegt und die Berufungsschrift

e-

Februar 2013,

19
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9
-

Bergmann
Caliebe
Drescher

Born
Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.02.2013 -
35 O 375/11 -

KG, Entscheidung vom 24.06.2013 -
23 [X.] -

Meta

II ZB 17/13

08.07.2014

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2014, Az. II ZB 17/13 (REWIS RS 2014, 4226)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4226

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II ZB 13/12

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III ZB 47/12

XII ZB 177/10

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