Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.06.2022, Az. XII ZB 153/21

12. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 3504

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Gegenstand

Eintragung eines russischen Vatersnamen in deutsches Geburtenregister


Leitsatz

Zur Erstreckung der Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB auf den Vatersnamen russischen Rechts (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 8. Dezember 2021 - XII ZB 60/18, FamRZ 2022, 421).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 5. März 2021 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Standesamt angewiesen wird, im Wege der Folgebeurkundung im Geburtenregister Nr. G          den als „Vatersnamen“ bezeichneten weiteren Namen „[X.]“ einzutragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 5.000 €

Gründe

A.

1

Das Verfahren betrifft die Eintragung eines [X.] [X.]namens in das Geburtenregister.

2

Das betroffene Kind wurde im Oktober 2018 in [X.] geboren. Es ist aus der Ehe seiner Eltern [X.]. (Beteiligte zu 1; Kindesmutter) und [X.]. (Beteiligter zu 2; Kindesvater) hervorgegangen, die den gemeinsamen Ehenamen [X.]. führen. Die Kindesmutter besitzt die [X.] Staatsangehörigkeit, der Kindesvater ist [X.] Staatsangehöriger. Das betroffene Kind besitzt die [X.] und [X.] Staatsangehörigkeit. Das Standesamt (Beteiligter zu 4) trug es am 2. November 2018 mit dem Vornamen „[X.]“ und dem Geburtsnamen „[X.].“ in das Geburtenregister ein.

3

Im Dezember 2018 haben die Kindeseltern bei dem Amtsgericht ein personenstandrechtliches Verfahren eingeleitet, mit dem sie zunächst eine Berichtigung des [X.] dahingehend erreichen wollten, dass zwischen Vorname und Geburtsname als weiterer Name des Betroffenen ein [X.]name nach [X.]m Recht eingetragen wird. Auf Hinweis des Amtsgerichts haben die Kindeseltern im Dezember 2019 gegenüber dem Standesamt erklärt, für den Namen des Kindes gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB das [X.] Heimatrecht des Kindesvaters zu wählen. Das auf diese Rechtswahlerklärung gestützte Begehren, den vom Vornamen [X.] abgeleiteten weiteren Namen [X.] als [X.]namen des Betroffenen in das Geburtenregister einzutragen, hat das Standesamt abgelehnt. Dem Antrag der Kindeseltern, das Standesamt nunmehr zur Eintragung des [X.]namens anzuweisen, hat das Amtsgericht entsprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Standesamtsaufsicht hat das [X.], nachdem die fehlende öffentliche Beglaubigung der Rechtswahlerklärung im Laufe des Beschwerdeverfahrens nachgeholt worden war, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass nicht im Anweisungsverfahren, sondern im Berichtigungsverfahren zu entscheiden ist.

4

Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Standesamtsaufsicht. Sie ist der Auffassung, dass das betroffene Kind durch eine Rechtswahlerklärung seiner Eltern den [X.]namen [X.] nicht erhalten könne, weil es sich dabei nicht um einen Familiennamen im Sinne des Art. 10 Abs. 3 EGBGB handele.

B.

5

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie - für den Senat bindend - in der angefochtenen Entscheidung zugelassen hat (§ 70 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FamFG iVm § 51 Abs. 1 PStG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

I.

6

Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner in [X.], 1952 veröffentlichten Entscheidung das [X.]lgende ausgeführt:

7

Das Namensrecht des betroffenen Kindes unterliege nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB [X.]m Recht, weil es durch Geburt die [X.] Staatsangehörigkeit erworben habe, welche gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB der parallel bestehenden [X.] Staatsangehörigkeit vorgehe. Die Eltern hätten allerdings aufgrund ihrer Rechtswahl wirksam das [X.] Recht als für den Familiennamen maßgebliches Sachrecht gewählt. Anders als das [X.] Recht kenne das [X.] Namensrecht einen vom Vornamen des [X.] abgeleiteten [X.]namen als weiteren Namensbestandteil. Die Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB erstrecke sich auch auf den [X.]namen nach [X.]m Recht. Zwar ermögliche diese Vorschrift eine Rechtswahl nur in Bezug auf den Familiennamen. Der Begriff des Familiennamens in Art. 10 Abs. 3 EGBGB erfasse aber auch den [X.]namen nach [X.]m Recht. Dafür spreche schon der Wortlaut der Norm, denn der [X.]name bringe die familiäre Zugehörigkeit eines Kindes zu [X.] als seinem Vater zum Ausdruck, könne also als Name der Familie väterlicherseits und damit als Familienname verstanden werden. Im Übrigen habe der Gesetzgeber die Problematik von Zwischennamen nach ausländischem Recht im Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 3 EGBGB nicht gesehen und Überlegungen hierzu auch nicht zum Gegenstand seines Gesetzgebungswillens gemacht. Sinn und Zweck von Art. 10 Abs. 3 EGBGB sprächen dabei für eine Einbeziehung des [X.]namens in den Anwendungsbereich der Norm. Mit der Vorschrift werde dem schutzwürdigen Interesse der Kinder binationaler Eltern Rechnung getragen, ihre familiäre Verbundenheit namensrechtlich über die freie Wahl eines ihrer Heimatrechte zum Ausdruck zu bringen. Das Ergebnis der von Art. 10 Abs. 3 EGBGB ermöglichten Rechtswahl bliebe aber unvollständig, wenn der [X.]name nicht oder nur als zweiter Vorname eingetragen werden könne. Dies berühre auch schutzwürdige Belange des Kindes. Wenn dem Kind das Tragen des [X.]namens bei Wahl des [X.] Namensrechts verwehrt werde, würde es dies in seinem Heimatrechtskreis dem falschen Anschein aussetzen, dass seine Mutter im Zeitpunkt der Geburt nicht mit [X.] verheiratet noch in der Lage oder willens gewesen sei, [X.] als Vater zu benennen. Der [X.]name verstoße auch nicht im Sinne des Art. 6 EGBGB gegen den Grundsatz des ordre public, weil nicht anzunehmen sei, dass der [X.]name [X.] Rechts mit wesentlichen Grundsätzen des [X.]n Rechts unvereinbar wäre.

II.

8

Dies hält rechtlicher Überprüfung in der Sache stand.

9

1. Nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört. Danach richtet sich die Namensführung des Betroffenen im Ausgangspunkt nach [X.]m Sachrecht. Das betroffene Kind hat nach den Feststellungen des [X.] mit der Geburt die [X.] und die [X.] Staatsangehörigkeit erworben. Besitzt der Namensträger - wie hier - auch die [X.] Staatsangehörigkeit, ergibt sich die Anwendbarkeit des [X.]n Namensrechts bei [X.] jedenfalls aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, wonach der [X.]n Staatsangehörigkeit der prinzipielle Vorrang einzuräumen ist.

2. Nach Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB kann der Inhaber der elterlichen Sorge gegenüber dem Standesamt bestimmen, dass sein Kind den Familiennamen nach dem Recht eines Staates erhalten soll, dem ein Elternteil angehört. Dieses Wahlrecht wurde im vorliegenden Fall wirksam ausgeübt.

a) Die [X.] steht dem Inhaber der elterlichen Sorge zu. Wer Inhaber der elterlichen Sorge ist, wird - wenn keine [X.] oder in [X.] anzuerkennende ausländische Sorgerechtsentscheidung vorliegt - in selbständiger Anknüpfung gemäß Art. 16 Abs. 1 des Haager [X.] ([X.]) nach dem Sachrecht des Staates bestimmt, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das Aufenthaltsrecht entscheidet auch darüber, ob mehrere Sorgeberechtigte gemeinsam handeln müssen. Macht das Sorgerechtsstatut die Zuweisung der elterlichen Sorge von der Abstammung abhängig, ist diese - ebenfalls selbständig - nach Art. 19 EGBGB anzuknüpfen. Das Recht am Aufenthaltsort des Kindes kann daher wegen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB auch für die Eltern-Kind-Zuordnung relevant sein (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2021 - [X.]/18 - FamRZ 2022, 421 Rn. 18).

Maßgeblich ist hiernach das [X.] Recht. Die Beteiligte zu 1, die den Betroffenen geboren hat, und der Beteiligte zu 2, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet gewesen ist, sind gemäß §§ 1591, 1592 Nr. 1 BGB die rechtlichen Eltern des Kindes. Das Kind steht gemäß § 1626 BGB unter der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter, die im Umfang der ihnen zustehenden elterlichen Sorge gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB Gesamtvertreter des Kindes sind, so dass diese - wie geschehen - die Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB gemeinsam zu erklären hatten (vgl. [X.] 2013, 319, 320).

b) In formeller Hinsicht bedarf die Erklärung der Rechtswahl der öffentlichen Beglaubigung (§ 129 BGB). Diese Voraussetzung ist erfüllt, nachdem die gemäß Nr. 9.1. [X.] berufene Standesbeamtin am 10. Februar 2021 die Rechtswahlerklärung der Kindeseltern in einer Niederschrift aufgenommen und verlesen hat und diese Erklärung anschließend von der Standesbeamtin sowie den Kindeseltern unterzeichnet und mit einem Dienstsiegel versehen wurde. Die damit eingehaltene [X.]rm der öffentlichen Beurkundung ersetzt gemäß § 129 Abs. 2 BGB die öffentliche Beglaubigung.

3. [X.] hat zu einer Sachnormverweisung (vgl. Art. 4 Abs. 2 EGBGB) in das materielle [X.] Namensrecht geführt. Sie bewirkt, dass der Betroffene den [X.]namen nach [X.]m Recht trägt, weil sich die Rechtswahl auch auf diesen Namensbestandteil erstreckt.

a) Die Namensführung eines Kindes ist nach den Feststellungen des [X.] im [X.] Sachrecht im Wesentlichen in Art. 58 des [X.] vom 29. Dezember 1995 geregelt (abgedruckt bei [X.] in [X.]/[X.]/[X.] Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht Länderteil Russische Föderation [Stand: 10. März 2021] [X.] ff.; im [X.]lgenden: russFGB). Charakteristisch für das [X.] Namensrecht ist dabei das grundsätzliche Vorhandensein von drei Namensbestandteilen, denn nach Art. 58 Nr. 1 russFGB hat jedes Kind Anspruch auf einen Vornamen, [X.]namen und Familiennamen.

aa) Den Vornamen bestimmen die Eltern gemäß Art. 58 Nr. 2 Satz 1 russFGB einvernehmlich. Zum Familiennamen des Kindes wird der Familiennamen der Eltern; fehlt ein solcher, so können die Eltern einvernehmlich bestimmen, dass das Kind den Familiennamen des [X.], der Mutter oder einen Doppelnamen erhält, der sich aus den Familiennamen der Eltern zusammensetzt (Art. 58 Nr. 3 Satz 1 und 2 russFGB).

bb) Während hinsichtlich des Vornamens und des Familiennamens strukturelle Übereinstimmungen zwischen dem [X.]n und dem [X.] Namensrecht bestehen, sieht das [X.] Namensrecht mit dem [X.]namen ([X.]) einen dem [X.]n Recht unbekannten Namensbestandteil vor.

Der [X.]name wird gemäß Art. 58 Nr. 2 Satz 2 russFGB nach dem Vornamen des [X.] verliehen, sofern in den Gesetzen der Subjekte der [X.] nichts anderes vorgesehen ist oder sich nichts anderes aus nationaler Sitte ergibt. Hintergrund dieser einschränkenden Regelung ist, dass nicht alle in der [X.] Föderation lebenden Völker die bei der höflichen Anrede in [X.] allgemein gebräuchliche Tradition haben, eine Person nicht nur bei ihrem Vornamen, sondern auch bei ihrem [X.]namen anzusprechen, und in der [X.] vielen der [X.]name aufgedrängt worden war (vgl. [X.] Personennamen und Recht in [X.] Namenkundliche Informationen 105/106 [2015] [X.], 249).

In den Fällen nichtehelicher Geburt, in denen die [X.]chaft weder freiwillig anerkannt noch gerichtlich festgestellt wurde, wird der [X.]name gemäß Art. 58 Nr. 5 iVm Art. 51 Nr. 3 russFGB nach dem Vornamen des Mannes gebildet, dessen Vorname und [X.]name anhand der Angaben der Mutter im [X.] eingetragen worden ist. Die im [X.] registrierten Angaben der Mutter zum Vornamen und zum [X.]namen des [X.] des Kindes müssen aber nicht mit dem tatsächlichen Vornamen bzw. [X.]namen des mutmaßlichen biologischen [X.] übereinstimmen; vielmehr kann es sich auch um fiktive Eintragungen, d.h. um Phantasienamen oder die Vornamen und [X.]namen sonstiger Verwandter handeln (vgl. [X.] Personennamen und Recht in [X.] Namenkundliche Informationen 105/106 [2015] [X.], 251). Sind im [X.] keine - auch keine fiktiven - Angaben zum Vornamen eines [X.] enthalten, kann ein [X.]name für das Kind auf Anweisung der Mutter in das Personenstandsregister eingetragen werden (vgl. [X.]/[X.] 4. Aufl. Länderbericht [X.] Rn. 108).

Der [X.]name wird als Ableitung vom väterlichen Vornamen durch das Anhängen eines [X.] gebildet, der für das männliche (-ovič oder -evič, manchmal -ič) und das weibliche (-ovna oder -evna oder selten -ična oder -inična) Geschlecht des Kindes unterschiedlich ist (vgl. [X.] Personennamen und Recht in [X.] Namenkundliche Informationen 105/106 [2015] [X.], 249).

b) Die [X.] des Sorgeberechtigten erstreckt sich indessen nicht auf den gesamten Namen des Kindes, sondern nur auf den Familiennamen.

aa) Daraus folgt zunächst, dass nach Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB von vornherein nur solche Rechtsordnungen gewählt werden können, die eine den familiären Bezug erkennbar machende [X.] vorsehen. Rechtsordnungen, die ausschließlich Eigennamen kennen oder die eine Namensbestimmung für das minderjährige Kind in das freie Belieben der sorgeberechtigten Eltern stellen und dabei auch die Erteilung von sogenannten Phantasienamen zulassen, können nicht gewählt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Mai 2018 - [X.] 47/17 - FamRZ 2018, 1245 Rn. 10). Demgegenüber ist der erforderliche familiäre Bezug bei einem Zwischennamen, der - wie beispielsweise beim [X.]namen ([X.]) oder beim Muttersnamen ([X.]) - die Verbindung zum Eigennamen eines Elternteils erkennen lässt, durchaus gewährleistet (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Mai 2018 - [X.] 47/17 - FamRZ 2018, 1245 Rn. 10). Es sind deshalb auch solche Rechtsordnungen nach Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB wählbar, die keinen Familiennamen nach [X.]m Rechtsverständnis kennen und in denen ein derartiger Zwischenname der einzige Bestandteil des gesamten Namens ist, durch den ein familiärer Bezug hergestellt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2021 - [X.]/18 - FamRZ 2022, 421 Rn. 26).

bb) Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, dass die Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB einen [X.]namen auch dann ([X.], wenn das Kind - wie hier - nach dem gewählten Recht bereits einen Namen führt, der nach [X.]m Rechtsverständnis einem Familiennamen entspricht (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2021 - [X.]/18 - FamRZ 2022, 421 Rn. 30 ff.).

(1) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht einer weiten Auslegung von Art. 10 Abs. 3 EGBGB nicht der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Ebenso wie der Begriff des Namens in Art. 10 Abs. 1 EGBGB ist - wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat - auch der Begriff des Familiennamens in Art. 10 Abs. 3 EGBGB in einem kollisionsrechtlichen Sinne zu verstehen. Dem kollisionsrechtlichen Namensbegriff liegt notwendigerweise ein weiteres Verständnis zugrunde als dem Namensbegriff im materiellen [X.]n Recht, um die verschiedenen Erscheinungsformen des Namens in den unterschiedlichen Rechtsordnungen erfassen zu können. Er umfasst deshalb grundsätzlich jede sprachliche Kennzeichnung einer Person mit Unterscheidungsfunktion. Der kollisionsrechtliche Namensbegriff setzt insbesondere nicht voraus, dass sich die ausländische Kennzeichnung in die für das materielle [X.] Namensrecht prägende strukturelle Aufgliederung in Vornamen und Familienname einfügt. Für die Annahme, dass der Gesetzgeber dem in Art. 10 Abs. 3 EGBGB verwendeten Begriff des Familiennamens zwangsläufig das enge Begriffsverständnis des materiellen [X.]n Namensrechts zugrunde legen wollte, ergeben sich weder aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes noch aus den Gesetzesmaterialien hinreichende Anhaltspunkte. Bei der gebotenen kollisionsrechtlichen Betrachtungsweise zeigt sich Art. 10 Abs. 3 EGBGB vielmehr offen für eine Auslegung, die dem Begriff des Familiennamens alle - auch dem [X.]n Recht möglicherweise nicht bekannten - Bestandteile eines ausländischen Namens unterwirft, welchen die Funktion zukommt, die Abstammung einer Person und ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie zu kennzeichnen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2021 - [X.]/18 - FamRZ 2022, 421 Rn. 32).

(2) Diese Funktion erfüllt der [X.]name nach [X.]m Recht jedenfalls dann, wenn das Kind - wie hier - ehelich geboren wurde oder die nichteheliche [X.]chaft aufgrund eines Anerkenntnisses oder einer gerichtlichen Feststellung feststeht. Der [X.]name ist ein selbständiger Bestandteil des Namens, der dem Kind nach Art. 58 Nr. 1 russFGB grundsätzlich zu erteilen und deshalb nicht beliebig verzichtbar ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Gesetze einzelner Föderationssubjekte oder die nationalen Gebräuche einzelner Volksgruppen in [X.] bezüglich der Führung eines [X.]namens etwas anderes vorsehen können, zumal nicht ersichtlich ist, dass ein solcher Ausnahmefall hier eingreifen könnte. Die Ableitung des [X.]namens vom väterlichen Vornamen ist durch Art. 58 Nr. 2 Satz 2 russFGB gesetzlich vorgeschrieben. Selbst wenn den Eltern - wie die Rechtsbeschwerde meint - bei der Wahl des anzuhängenden [X.] ein gewisser Gestaltungsspielraum verbleiben sollte, macht dies den [X.]namen noch nicht zu einem Individualnamen. Im Falle einer nachträglichen Feststellung der [X.]chaft ändert sich auch der im [X.] einzutragende [X.]name eines minderjährigen Kindes. Im Übrigen erfolgt eine Änderung des [X.]namens nur bei einer staatlich registrierten Änderung des Vornamens des [X.] oder bei einer Adoption, bei der eine Namensänderung für das angenommene Kind beantragt worden war (vgl. [X.] Personennamen und Recht in [X.] Namenkundliche Informationen 105/106 [2015] [X.], 254 f.). Dies verdeutlicht, dass der [X.]name im [X.] Recht - ebenso wie im gesamten [X.] Rechtskreis - die Funktion erfüllen soll, einen generationsübergreifenden familiären Zusammenhang zu kennzeichnen (vgl. zu [X.]: Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 2021 - [X.]/18 - FamRZ 2022, 421 Rn. 33 und vom 19. Februar 2014 - [X.] 180/12 - FamRZ 2014, 741 Rn. 31).

(3) Soweit gegen die Erstreckung der Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB auf den [X.]namen eingewendet worden ist, dass dieser Namensbestandteil zwar die Zuordnung zu einer ([X.] kennzeichnet, aber nicht an die Nachkommen weitergegeben werden könne, ist dem entgegenzuhalten, dass die Weitergabe von Generation zu Generation nach [X.]m Verständnis nicht mehr als eine zwingende Funktion des Familiennamens angesehen werden kann. Unter der Geltung eines Namensrechts, welches - wie das [X.] Recht - die Entschließung der Eltern über den Familiennamen für ihr Kind in den Mittelpunkt stellt (vgl. § 1616 iVm §§ 1355, 1617 Abs. 1, 1617 a Abs. 1 und 2 BGB), erscheint die Weitergabe eines bestimmten Familiennamens an die nächsten Generationen nicht mehr als Verwirklichung einer dem Namensrecht innewohnenden Idee, sondern vielmehr als Ausdruck einer sich in derartigen Traditionen ausdrückenden Selbstbestimmung (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2021 - [X.]/18 - FamRZ 2022, 421 Rn. 34).

(4) Auch der Normzweck von Art. 10 Abs. 3 EGBGB spricht für die Einbeziehung des [X.]namens in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2021 - [X.]/18 - FamRZ 2022, 421 Rn. 35 ff. mwN).

(a) Die Rechtswahl dient insbesondere dazu, eine unerwünschte gespaltene Namensführung zu vermeiden. Es besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber, dass das betroffene Kind unter den hier obwaltenden Umständen in [X.] („[X.] [X.] [X.].“) und in [X.] („[X.] [X.].“) unterschiedliche Namen führen müsste, wenn sich die Wahl des [X.] Rechts auf den Familiennamen „[X.].“ beschränken würde. Die Kindeseltern haben insoweit auch geltend gemacht, dass eine gespaltene Namensführung zu Schwierigkeiten beim Verkehr mit [X.] Behörden führen kann.

(b) Im Übrigen ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des derzeit geltenden Art. 10 Abs. 3 EGBGB, dass er den Eltern auch die Möglichkeit geben wollte, die Namensführung des Kindes an das [X.] Umfeld oder an die konkret gelebte Familiensituation anzupassen. Dass dieser Gesetzeszweck eine Erstreckung der [X.] auf einen [X.]namen nahelegt, verdeutlicht in besonderem Maße der dem vorliegenden Sachverhalt spiegelbildlich gelagerte Fall, in dem die Eltern eines ausländischen Kindes, das seit der Geburt aufgrund seines nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB berufenen Heimatrechts aus dem [X.] Rechtskreis einen [X.]namen trägt, für die Führung des Familiennamens nach Art. 10 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB das Recht des [X.]n Aufenthaltsstaats wählt. Die Wahl des [X.]n Namensstatuts eröffnet den Anwendungsbereich des Art. 47 EGBGB, soweit die Verweisung des Art. 10 Abs. 3 EGBGB reicht, und verschafft dem Namensträger dadurch die Möglichkeit, sich weiter in die namensrechtliche Umwelt des [X.]n Aufenthaltsstaats zu integrieren. Erstreckt sich die Wahl des [X.]n Rechts auch auf den [X.]namen, kann dieser dem [X.]n Recht unbekannte Namensbestandteil nach Art. 47 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB abgelegt werden; es besteht daneben die Möglichkeit, den [X.]namen gemäß Art. 47 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zum zweiten Vornamen zu bestimmen und ihn in diesem Zusammenhang gemäß Art. 47 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB auf die - gegebenenfalls geschlechtsspezifisch angepasste - Grundform des ursprünglichen Eigennamens zurückzuführen. Zwar hätte dies eine gespaltene Namensführung zwischen dem ausländischen Heimatstaat und dem [X.]n Aufenthaltsstaat zur [X.]lge, was den weiteren Normzweck des Art. 10 Abs. 3 EGBGB vordergründig zu konterkarieren scheint. Diese gespaltene Namensführung beruht dann aber auf einer im Rahmen seiner Privatautonomie getroffenen Entscheidung des Namensträgers; ein allgemeiner „Zwang zur Einnamigkeit“ besteht nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2021 - [X.]/18 - FamRZ 2022, 421 Rn. 38 mwN).

4. Die Erstreckung der Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB auf einen [X.]namen nach [X.]m Recht verstößt schließlich auch nicht gegen den [X.] (Art. 6 EGBGB). Die Ableitung eines [X.]s vom Namen des [X.] ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde keine geschlechterdiskriminierende Bevorzugung des Mannes bei der Bildung des Kindesnamens im sachlichen Recht, sondern sie ist notwendige [X.]lge der manchen Rechtsordnungen innewohnenden namensrechtlichen Idee, die Zugehörigkeit des Kindes zum Familienverband zusätzlich durch einen Zwischennamen zum Ausdruck zu bringen, welcher die väterliche Abstammung kenntlich macht. Im Übrigen beruht die Rechtswahl zugunsten einer Rechtsordnung, die das [X.] kennt, im vorliegenden Fall auf einer gemeinsamen Entscheidung von Mutter und Vater.

III.

Entgegen der Ansicht des [X.] hat die Eintragung des [X.]namens im Geburtenregister allerdings nicht im Wege der Berichtigung, sondern im Wege der [X.]lgebeurkundung (§ 27 PStG) zu erfolgen, so dass der Senat in einer Maßgabenanordnung eine entsprechende Anweisung an das Standesamt nach § 49 Abs. 1 PStG auszusprechen hat. Der Geburtseintrag vom 2. November 2018 ist nicht unrichtig im Sinne von § 48 PStG. Die Berichtigung eines abgeschlossenen Eintrags in ein Personenstandsregister setzt eine von Anfang an bestehende Unrichtigkeit voraus. Unrichtig in diesem Sinne ist jeder Eintrag, dessen Inhalt auf der Verletzung materiell- oder verfahrensrechtlicher Vorschriften beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Juni 2021 - [X.] 405/20 - [X.], 1543 Rn. 11).

So liegt der Fall hier nicht. Eine für den Namenserwerb des Kindes relevante Rechtswahlerklärung nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB hat der Standesbeamte bereits im Geburtseintrag zu berücksichtigen, wenn diese zeitlich mit der Beurkundung der Geburt verklammert ist, das heißt auch dann, wenn die Rechtswahl zwar erst nach der Geburt, aber noch vor der Eintragung in das Geburtenregister wirksam wurde. In diesen Fällen ist der auf die Geburt zurückbezogene Namenserwerb in den Geburtseintrag aufzunehmen, obwohl sich ein für den Namenserwerb maßgeblicher Umstand, nämlich die Rechtswahl, erst nach der Geburt ereignet hat (vgl. [X.]/[X.] und Personenstand 3. Aufl. Rn. [X.]). Ist dies nicht geschehen, ist der [X.] unrichtig im Sinne von § 48 PStG. Wurde demgegenüber die Rechtswahlerklärung - wie hier - erst zu einem Zeitpunkt wirksam, als sie nicht mehr im Geburtseintrag berücksichtigt werden konnte, führt dies verfahrensrechtlich zu einer nachträglichen „Änderung“ des Personenstands, die gemäß § 27 PStG im Wege einer [X.]lgebeurkundung beigeschrieben werden muss. Dass eine solche „Änderung“ des Personenstands in materiell-rechtlicher Hinsicht - wie im vorliegenden Fall der Erwerb des [X.]namens nach [X.]m Recht - auf den Zeitpunkt der Geburt zurückwirkt, ändert nichts daran, dass der nach einem abgeschlossenen [X.] wirksam gewordenen Rechtswahl in verfahrensrechtlicher Hinsicht im Wege der [X.]lgebeurkundung Rechnung zu tragen ist (vgl. [X.]/[X.] und Personenstand 3. Aufl. Rn. [X.] f.).

Dose     

      

Günter     

      

Nedden-Boeger

      

Botur     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZB 153/21

29.06.2022

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 5. März 2021, Az: 2 W 50/20

Art 4 Abs 2 BGBEG, Art 10 Abs 3 BGBEG, Art 10 Abs 1 BGBEG, Art 58 Nr 1 FamGB RUS, Art 58 Nr 2 S 2 FamGB RUS, Art 58 Nr 3 FamGB RUS, Art 58 Nr 5 FamGB RUS

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.06.2022, Az. XII ZB 153/21 (REWIS RS 2022, 3504)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3504 MDR 2022, 1162-1164 REWIS RS 2022, 3504

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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