Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.08.2012, Az. 26 W (pat) 509/12

26. Senat | REWIS RS 2012, 4122

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "WELTENBUMMLERIN" – Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 018 038.5

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 1. August 2012 durch [X.] Fuchs-Wissemann, [X.] und [X.] am Landgericht Hermann

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 27 des [X.] vom 9. August 2011 aufgehoben, soweit die Anmeldung hinsichtlich der Waren "Leder und Lederimitationen; Häute und Felle; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material), sämtliche vorgenannten Waren nicht für Reise- und Campingzwecke" zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Angemeldet ist die Wortmarke

2

[X.]

3

als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren und Dienstleistungen der Klassen 18, 21, 25 und 27:

4

"Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke, Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kämme und Schwämme; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material)".

5

Die Markenstelle für Klasse 27 des [X.] hat die Anmeldung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Zeichen erschöpfe sich in einem werbeüblichen, produktanpreisenden Hinweis. Selbst bei Anlegung eines großzügigen Beurteilungsmaßstabs müsse der [X.] deshalb die notwendige Unterscheidungskraft [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] abgesprochen werden, zudem bestehe ein Freihaltebedürfnis.

6

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, zu deren Begründung sie ausführt, die Eignung der beanspruchten Waren zu besonderem Reisebedarf für weibliche Personen ergäbe sich nur aus einer Analyse des Zeichens. Ergänzend wird auf die Beschwerdebegründung vom 27. Juni 2012 Bezug genommen. Die Anmelderin hat im Beschwerdeverfahren das [X.] wie folgt beschränkt:

7

"Leder und Lederimitationen; Waren aus Leder und Lederimitationen, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke, Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kämme und Schwämme; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material), sämtliche vorgenannten Waren nicht für Resie- und Campingzwecke".

8

Sie beantragt,

9

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 27 des [X.] vom 9. August 2011 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die nach den §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 [X.] zulässige Beschwerde ist nur zum Teil begründet, da der angemeldeten Marke im Hinblick auf die über den im Tenor ersichtlichen Umfang hinaus beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

Unterscheidungskraft [X.] von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. [X.], 850, 854 - [X.]). Auch wenn eine Marke zusätzlich noch weitere Funktionen haben kann, wie etwa eine Werbefunktion, muss sie in jedem Fall (zumindest auch) diese Herkunftsfunktion ausüben können. Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. [X.] GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2). Die Beurteilung, ob das angemeldete Zeichen eine Herkunftsfunktion erfüllen kann, erfolgt im Hinblick auf die mutmaßliche Wahrnehmung derjenigen Verkehrskreise, in denen die angemeldete Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann - im vorliegenden Fall die allgemeinen Endverbraucherkreise (vgl. hierzu [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8, Rdn. 64 ff.). Trotz Anlegung des gebotenen, großzügigen [X.] geht die höchstrichterliche Rechtsprechung insoweit davon aus, dass beschreibenden Sachangaben und produktbezogenen Anpreisungen in der Regel die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt. Eine unmittelbar beschreibende Bedeutung eines Markenworts ist jedoch nicht der einzige mögliche Grund für das Fehlen von Unterscheidungskraft (vgl. [X.] GRUR 2004, 674 - Postkantoor; [X.], 891, Rdn. 13 f. - hey!). Vielmehr kann einer [X.] die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen abzusprechen sein, etwa wenn die angesprochenen Verbraucher sie nur als eine allgemein verständliche, positiv besetzte Werbeaussage auffassen werden (vgl. hierzu [X.], 778, Rdn. 16 - [X.]). Dies ist hier der Fall.

Bei dem angemeldeten Markenwort "[X.]" handelt es sich um einen allgemein verständlichen Begriff, der [X.] gebildet ist und umgangssprachlich geläufig auf eine häufig in der gesamten Welt herumreisende, weibliche Person hinweist. Im Hinblick auf die - über die im Tenor genannten Waren hinaus - weitergehend beanspruchten Waren wird der Verkehr entgegen der Ansicht der Anmelderin in diesem Wort ohne jede analytische Betrachtung einen werbeüblichen, schlagwortartigen Hinweis auf die Eignung und Bestimmung der beanspruchten Waren für weibliche Weltreisende sehen, der im Zusammenhang mit dem Erwerb der fraglichen Produkte positive Assoziationen wecken und zum Kauf der Waren animieren soll. Die [X.] reiht sich dabei nahtlos in die gängige Praxis ein, den angesprochenen Verbrauchern eine besondere Produktbeschaffenheit oder -qualität durch [X.] formulierte Schlagwörter nahe zu bringen, wobei nicht zuletzt Anknüpfungen an Weltläufigkeit werbesprachlich sehr beliebt sind. Auch wenn die angemeldete Bezeichnung mit ihrem Bedeutungsgehalt keinerlei konkrete Produktdetails benennt, ändert dies nichts daran, dass der Ausdruck "[X.]" vom Verkehr als Beschreibung der Eignung und Bestimmung der weitergehend beanspruchten Waren für weibliche Reisende aufgefasst werden wird. Bei den zurückgewiesenen Waren handelt es sich unzweifelhaft um Produkte, die speziell für Reisezwecke geeignet beschaffen sein können. Wie bereits dargelegt, ist es für eine Zurückweisung beschreibender Angaben auch keineswegs unabdingbar, dass ein Zeichen aus Begriffen besteht, mit denen die fraglichen Waren oder Dienstleistungen direkt bezeichnet bzw. konkrete Merkmale beschrieben werden, die ihnen unmittelbar anhaften (vgl. [X.] GRUR RR 2008, 47, Rdn. 32 - map&guide).

Bei der [X.] handelt es sich im Zusammenhang mit Reise- und [X.] auch um eine ohne Weiteres verständliche Bestimmungsangabe, deren beschreibender und werbend anpreisender Charakter im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren so dominierend im Vordergrund steht, dass ihr die Verbraucher neben dieser Wirkung keinen betrieblichen Herkunftshinweis zuordnen werden, so dass die [X.] insoweit für die weitergehend beanspruchten Waren aus den vorgenannten Gründen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen.

Demgegenüber handelt es sich bei der Bezeichnung "[X.]" nicht um eine Angabe, die vordergründig zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Eigenschaften der aus dem Tenor ersichtlichen Waren dienen kann i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]; ein Freihaltebedürfnis besteht insoweit nicht. Diesen Waren fehlen spezielle Erfordernisse oder besondere Eigenschaften, die sie in einem ausreichend nahen Zusammenhang mit Reise- oder Campingbedarfsartikeln erscheinen lassen. Zwar können diese Waren in irgendeinem entfernten Zusammenhang damit stehen, es ist aber nicht ersichtlich, inwieweit "[X.]" einen Hinweis auf konkrete Eigenschaften oder Zweckbestimmungen dieser Waren enthalten könnte, sodass eine solche Benennung vom Verkehr nicht zwangsläufig als inhaltsbeschreibende Sachangaben ohne Unterscheidungskraft aufgefasst werden muss, sondern sehr wohl unterscheidungskräftig sein kann (vgl. [X.], 949 - [X.]). Der angesprochene durchschnittliche Verbraucher wird die insoweit i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] unterscheidungskräftige [X.] weder als Beschaffenheits- oder Bestimmungsangabe, noch als reine Sachangabe verstehen. Da auch andere Schutzhindernisse nicht ersichtlich sind, war der Beschwerde der Anmelderin insoweit teilweise stattzugeben.

Der teilweisen Zurückweisung der Anmeldung vermag auch der Hinweis der Anmelderin auf Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil "Weltenbummler" bzw. "Globetrotter" nicht entgegenzustehen. Voreintragungen identischer Marken sind für die Beurteilung späterer Markenanmeldungen nicht maßgeblich. Ihnen kommt keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu, so dass auch keine Veranlassung besteht, sich bei der Prüfung einer Markenanmeldung im Einzelnen mit solchen Voreintragungen auseinanderzusetzen ([X.] GRUR 2009, 667, Nr. 15-18 - Bild.[X.] u. [X.]; [X.] 2010, 230 - [X.]). Die Prüfung einer angemeldeten Marke ist ausschließlich auf diese Marke selbst zu beziehen ([X.] GRUR Int. 2011, 400 - Zahl 1000). Auch Feststellungen zu anderen Markeneintragungen sind rechtlich nicht geboten ([X.], 1175, 1179 f. - [X.]). Eine auf Voreintragungen beruhende anspruchsbegründende Selbstbindung scheidet auch aus allgemeinen verfahrensrechtlichen Erwägungen aus, weil weder das Amt noch das Gericht bei der Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit einer angemeldeten Marke einen Ermessensspielraum haben, sondern es sich bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke um eine der freien Ermessensausübung unzugängliche Rechtsfrage  handelt (st. Rspr.; vgl. z. B. [X.] GRUR 2006, 229 - BioID).

Daher war auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorliegend entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht geboten, weil die Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 [X.] nicht gegeben sind. Denn die angesprochenen Rechtsfragen sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung umfassend geklärt (vgl. [X.] GRUR 2004, 146 - [X.]; [X.] GRUR 1999, 723 - [X.]; [X.] GRUR 2004, 680 - [X.]; [X.] 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt; [X.] 2012, 272 - Rheinpark-Center).

Die Beschwerde der Anmelderin konnte daher nur zum Teil Erfolg haben.

Meta

26 W (pat) 509/12

01.08.2012

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.08.2012, Az. 26 W (pat) 509/12 (REWIS RS 2012, 4122)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4122

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