Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.08.2023, Az. III R 31/21

3. Senat | REWIS RS 2023, 6929

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Gegenstand

Kindergeld - Bestimmung des vorrangig Kindergeldberechtigten


Leitsatz

1. NV: Die Bestimmung des vorrangig Kindergeldberechtigten gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann nur einvernehmlich erfolgen und setzt deshalb eine Einigung der Eltern voraus.

2. NV: Bei der Berechtigtenbestimmung, ihrer Änderung und ihrem Widerruf handelt es sich jeweils um empfangsbedürftige Willenserklärungen, die nach Zugang bei den zuständigen Familienkassen rechtsgestaltend den Kindergeldanspruch einer bestimmten natürlichen Person begründen oder beenden (Bestätigung des Senatsurteils vom 19.04.2012 - III R 42/10, BFHE 238, 24, BStBl II 2013, 21).

3. NV: Auch für solche gegenüber einer Behörde abzugebende Willenserklärungen gelten die Vorschriften des § 130 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- (§ 130 Abs. 3 BGB).

4. NV: Ein Widerruf der Bestimmung des nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG vorrangig Kindergeldberechtigten für die Zukunft wird erst wirksam, wenn der Widerruf allen Beteiligten, also insbesondere auch der für den bisher vorrangig Kindergeldberechtigten zuständigen Familienkasse, bekannt geworden ist.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom [X.] - 5 K 5114/20 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides über die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung von Kindergeld für den Zeitraum [X.]ai 2004 bis einschließlich [X.]ebruar 2019.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater unter anderem des im [X.]ai 2004 geborenen Kindes [X.] Er beantragte am 30.07.2004 bei der [X.]amilienkasse des Bundeseisenbahnvermögens (ursprünglich Beklagte --[X.]--) Kindergeld für [X.] [X.] ([X.]), mit der der Kläger inzwischen verheiratet ist, hatte zu dem Antrag erklärt, sie sei einverstanden, dass dem Kläger das Kindergeld für [X.] gewährt wird. Daraufhin setzte das [X.] zugunsten des Klägers ab [X.]ai 2004 Kindergeld für [X.] fest.

3

Bereits am 01.07.2004 hatte [X.] bei der für sie zuständigen [X.]amilienkasse Berlin-Brandenburg (Revisionsklägerin --[X.]amilienkasse--) Kindergeld für [X.] beantragt. Zu diesem Antrag hatte der Kläger erklärt, er sei mit der Gewährung von Kindergeld an [X.] einverstanden. Dementsprechend hatte die [X.]amilienkasse antragsgemäß der [X.] ab [X.]ai 2004 Kindergeld für [X.] gewährt.

4

Im Jahr 2019 stellten die [X.]amilienkasse und das [X.] fest, dass sowohl der Kläger als auch [X.] ab [X.]ai 2004 Kindergeld für [X.] bezogen hatten. Daraufhin hob das [X.] mit Bescheid vom 21.11.2019 die zugunsten des Klägers erfolgte Kindergeldfestsetzung auf und forderte das gesamte im Zeitraum [X.]ai 2004 bis [X.]ebruar 2019 an den Kläger ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 31.414 € zurück.

5

Das [X.]inanzgericht ([X.]G) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt und hob mit Urteil vom [X.] den Bescheid vom 21.11.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.08.2020 auf. Zur Begründung führte es aus, der beim [X.] gestellte Kindergeldantrag des Klägers habe ab August 2004 zu einer Änderung des [X.] geführt, eine Anzeige bei der [X.]amilienkasse sei nicht nötig gewesen. Die [X.]amilienkasse, gegenüber der die Änderung erklärt werde, sei verpflichtet, mit der bisher Kindergeld gewährenden Stelle Kontakt aufzunehmen, um [X.] auszuschließen. [X.]ür die [X.]onate [X.]ai bis Juli 2004 sei selbst bei Annahme einer Steuerhinterziehung mit Ablauf des Jahres 2014 [X.]estsetzungsverjährung eingetreten, da der Kläger die letzte unberechtigte Zahlung im Juli 2004 erhalten habe. Die fünfjährige Verjährungsfrist für die strafrechtliche Verfolgung sei bereits im Jahr 2009 abgelaufen.

6

Das [X.] hat mit Wirkung zum 30.09.2021 auf seine Zuständigkeit für die [X.]estsetzung und Auszahlung des Kindergeldes verzichtet; die Zuständigkeit ist auf die [X.]amilienkasse übergegangen.

7

[X.]it der vom [X.]G zugelassenen Revision rügt die [X.]amilienkasse die Verletzung materiellen Rechts.

8

Die [X.]amilienkasse beantragt,
das Urteil des [X.]G Berlin-Brandenburg vom [X.] - 5 K 5114/20 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die [X.]amilienkasse der [X.] ist aufgrund eines Organisationsaktes im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung des [X.] eingetreten (vgl. Senatsurteil vom 27.10.2021 - III R 19/19, [X.], 44, [X.] 2022, 469, Rz 11).

2. Die Revision der [X.]amilienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der [X.]inanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] ist auf Basis der von ihm getroffenen tatsächlichen [X.]eststellungen zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Berechtigtenbestimmung im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wirksam zugunsten des [X.] geändert wurde. [X.]angels hinreichender tatsächlicher [X.]eststellungen des [X.] kann der Senat nicht selbst über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und der Rückforderung des dem Kläger für die Zeit von [X.]ai 2004 bis einschließlich [X.]ebruar 2019 gewährten Kindergeldes entscheiden.

a) Kindergeld wird für jedes Kind nur an einen [X.] gezahlt (§ 64 Abs. 1 EStG). Lebt das Kind im gemeinsamen Haushalt der Eltern, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Dies geschieht üblicherweise durch den [X.] (§ 67 EStG; vgl. Senatsurteil vom 18.05.2017 - III R 11/15, [X.], 78, [X.] 2017, 1199, Rz 10).

[X.] gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG kann nur einvernehmlich erfolgen (vgl. Senatsurteil vom 19.04.2012 - III R 42/10, [X.], 24, [X.] 2013, 21, Rz 8), setzt also eine Einigung der Eltern voraus. Es handelt sich bei der Berechtigtenbestimmung, ihrer Änderung und ihrem Widerruf jeweils um empfangsbedürftige Willenserklärungen, die nach Zugang bei den zuständigen [X.]amilienkassen rechtsgestaltend den Kindergeldanspruch einer bestimmten natürlichen Person begründen oder beenden (Senatsurteil vom 19.04.2012 - III R 42/10, [X.], 24, [X.] 2013, 21, Rz 9).

Auch für solche gegenüber einer Behörde abzugebende Willenserklärungen gelten die Vorschriften des § 130 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- (§ 130 Abs. 3 BGB). Abgegeben ist die Erklärung, wenn der Erklärende seinen Willen erkennbar so geäußert hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist, wobei bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen grundsätzlich hinzukommen muss, dass sie mit Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht werden ([X.]/Ellenberger, [X.], 82. Aufl., § 130 Rz 4, m.w.N.). Hierzu muss bei schriftlichen Willenserklärungen unter Abwesenden in der Regel deren Absendung beziehungsweise Übergabe an den Erklärungsboten und bei schriftlichen Willenserklärungen unter Anwesenden deren Übergabe erfolgt sein ([X.]üKoBGB/[X.], 9. Aufl., § 130 Rz 13).

Wurde eine wirksame Berechtigtenbestimmung getroffen, dann gilt diese so lange, bis sie von den Eltern einvernehmlich geändert oder von einem Elternteil einseitig widerrufen wird (Senatsurteile vom [X.] - III R 91/03, [X.], 338, [X.] 2008, 752, unter II.2. und vom 19.04.2012 - III R 42/10, [X.], 24, [X.] 2013, 21, Rz 8). Im letztgenannten [X.]all muss das [X.]amiliengericht gemäß § 64 Abs. 2 Satz 3 EStG den Berechtigten bestimmen, wenn der andere Elternteil das Einvernehmen nicht durch seine Zustimmung zum Wechsel der Berechtigung wieder herstellt.

Die mit einem Berechtigtenwechsel verbundene Neugestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten --bisheriger und neuer Anspruchsberechtigter sowie die jeweils zuständigen [X.] ist grundsätzlich nur für die Zukunft möglich. Eine rückwirkende Gestaltung derartiger Rechtsverhältnisse ist nur dann möglich, wenn sie bislang ungeregelt waren (Senatsurteil vom 19.04.2012 - III R 42/10, [X.], 24, [X.] 2013, 21, Rz 8 und Urteil des [X.] --B[X.]H-- vom 23.05.2016 - V R 21/15, [X.], 1274, Rz 11). Im ungeregelten Zustand besteht Unklarheit über die Person des Anspruchsinhabers; für die [X.]amilienkasse besteht ein [X.]estsetzungshindernis (Senatsurteil vom 19.04.2012 - III R 42/10, [X.], 24, [X.] 2013, 21, Rz 10).

b) Nach diesen [X.]aßstäben hält das Urteil des [X.] einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das [X.] hat nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger und [X.] im zeitlichen Zusammenhang mit ihren [X.]n vom Juli 2014 wechselseitig erklärt hatten, ohne zeitliche Einschränkungen mit der Gewährung des Kindergeldes für [X.] an den jeweils anderen Elternteil einverstanden zu sein. [X.]it diesen Erklärungen haben sie eine Einigung darüber, wem von beiden das Kindergeld zustehen sollte, gerade nicht herbeigeführt. Das [X.] hat auch nicht festgestellt, dass sich der Kläger und [X.] nach der Niederschrift dieser Erklärungen bis zum 31.07.2004 darauf verständigt haben, dass nur der Kläger der Kindergeldberechtigte für [X.] sein und den entsprechenden Antrag stellen solle. Denn es hat sich nicht mit der Behauptung des [X.] auseinandergesetzt, er habe sich mit [X.] darauf geeinigt, dass nur er den [X.] für [X.] einreicht. Das [X.] hat sich des Weiteren auch nicht mit dem Vorbringen des [X.] beschäftigt, der Antrag der [X.] mit seiner Zustimmungserklärung sei ohne sein Wissen und Wollen bei der [X.]amilienkasse eingereicht worden. Solange jedoch nicht feststeht, welche Abrede der Kläger und [X.] bezüglich der beiden [X.] letztlich getroffen haben, ist zugleich offen, welche der von ihnen jeweils wechselseitig schriftlich niedergelegten Erklärungen zur Berechtigtenbestimmung nach ihrem übereinstimmenden Willen in den Rechtsverkehr gelangen und damit wirksam werden sollte(n).

Damit beruht die Annahme des [X.], der beim [X.] gestellte [X.] des [X.] sei als einvernehmliche Änderung der Berechtigtenbestimmung anzusehen, nicht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Einen solchen Rechtsanwendungsfehler hat der B[X.]H auch ohne besondere Rüge zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 02.12.2004 - III R 49/03, B[X.]HE 208, 531, [X.] 2005, 483, unter II.1.d).

c) Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung [X.]) gestützten [X.] vom 21.11.2019 die [X.]estsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war (aa). Der Entreicherungseinwand des [X.] greift nicht durch (bb).

aa) Die Vorschriften über die [X.]estsetzungsverjährung nach §§ 169 folgende [X.] gelten auch im Verfahren über die Aufhebung von Bescheiden über die [X.]estsetzung von Kindergeld, da dieses nach § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung gezahlt wird.

(1) Auf die [X.]estsetzung einer Steuervergütung sind gemäß § 155 Abs. [X.] die Vorschriften über die Steuerfestsetzung --also auch die Bestimmungen über die [X.]estsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171 [X.])-- sinngemäß anzuwenden (vgl. B[X.]H-Urteil vom 09.09.2015 - XI R 9/14, [X.], 166, Rz 22, m.w.N.).

Im Regelfall beträgt die [X.]estsetzungsfrist vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]); im [X.]alle der Steuerhinterziehung zehn Jahre und im [X.]alle der leichtfertigen Steuerverkürzung fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

Die [X.]rist beginnt gemäß § 170 Abs. 1 [X.] mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist. Sie endet in den [X.]ällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist (§ 171 Abs. 7 [X.]). Die [X.]rage, ob Steuerbeträge hinterzogen oder leichtfertig verkürzt wurden, ist bei der Prüfung der [X.]estsetzungsverjährung von den [X.]inanzbehörden und [X.]inanzgerichten in eigener Zuständigkeit zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 06.04.2017 - III R 33/15, B[X.]HE 258, 295, [X.] 2017, 997, Rz 23, m.w.N.).

Die [X.]rist für die Verfolgungsverjährung bei einer Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 1 [X.] oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung im Sinne des § 378 [X.] beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs --StGB--, § [X.]; vgl. § 376 Abs. 1 [X.] zur verlängerten Verjährungsfrist in den [X.]ällen besonders schwerer Steuerhinterziehungen). Sie beginnt entweder mit der Beendigung der Tat beziehungsweise Handlung oder, wenn ein zum Tatbestand gehörender Erfolg später eintritt, mit dem Erfolgseintritt (§ 78a StGB, § 31 Abs. 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten --OWiG--) und kann nach § 78c StGB, § 376 Abs. 2 [X.] bzw. § 33 OWiG unterbrochen werden. Aus dem das Kindergeldrecht beherrschenden [X.]onatsprinzip (§ 66 Abs. 2 EStG) ist nicht abzuleiten, dass jede monatliche Auszahlung eine beendete Straftat beziehungsweise Ordnungswidrigkeit darstellt, was zur [X.]olge hätte, dass mit jeder Auszahlung für den jeweiligen [X.]onat auch die Verfolgungsverjährung begänne. Vielmehr beginnt die Verfolgungsverjährung erst mit der letztmals zu Unrecht erlangten Kindergeldzahlung (Senatsurteil vom 06.04.2017 - III R 33/15, B[X.]HE 258, 295, [X.] 2017, 997, Rz 24, m.w.N.).

(2) Bei der Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf die zugunsten des [X.] erfolgte Kindergeldfestsetzung war beim Erlass des [X.] im November 2019 jedenfalls die reguläre [X.]estsetzungsfrist für die streitigen [X.]onate ab Januar 2015 noch nicht abgelaufen. Ob auch eine Änderung der Kindergeldfestsetzung für die übrigen [X.]onate erfolgen kann, hängt angesichts der bis [X.]ebruar 2019 erfolgten Auszahlung des Kindergeldes an den Kläger davon ab, ob diesem eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung anzulasten ist. Dazu hat das [X.] --ausgehend von seinem abweichenden [X.] keine [X.]eststellungen getroffen.

bb) [X.] sich die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung als rechtmäßig, würde der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergeldes an den Kläger entfallen und es bestünde ein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 [X.]. Gegen diesen Anspruch könnte sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Einrede der Entreicherung berufen. Die Abgabenordnung enthält keine § 48 Abs. 2 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und § 45 Abs. 2 Satz 2 des [X.] entsprechende Regelung, nach der das Vertrauen in eine gewährte Leistung in der Regel schutzwürdig ist, wenn der Begünstigte sie verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. § 818 Abs. 3 BGB (Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene Bereicherung) ist im Rahmen des § 37 Abs. 2 [X.] ebenfalls nicht anwendbar (Senatsbeschluss vom 30.06.2005 - III B 9/05, B[X.]H/NV 2005, 2007, m.w.N.).

d) Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] hat keine ausreichenden [X.]eststellungen dazu getroffen, welche einvernehmliche Vereinbarung der Kläger und [X.] bezüglich des [X.] und der Einreichung des [X.]s getroffen hatten und ob dem Kläger eine Steuerordnungswidrigkeit oder eine Steuerstraftat anzulasten ist. Die Sache ist zur Nachholung dieser [X.]eststellungen an das [X.] zurückzuverweisen.

e) [X.]ür den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf [X.]olgendes hin:

Sollte sich herausstellen, dass zuerst eine wirksame Berechtigtenbestimmung zugunsten der [X.] vorlag, kommt es auf die [X.]rage an, ob der später bei einer anderen [X.]amilienkasse gestellte [X.] mit einem Wechsel des Berechtigten eine wirksame Änderung des [X.] für die Zukunft auslösen kann.

Der erkennende Senat hat diese [X.]rage zwar in seiner Entscheidung vom 19.04.2012 - III R 42/10 ([X.], 24, [X.] 2013, 21) noch offengelassen (Rz 15). Er entscheidet sie nun aber dahingehend, dass er insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folgt, nach der ein Widerruf der Berechtigtenbestimmung für die Zukunft erst dann wirksam wird, wenn der Widerruf allen Beteiligten bekannt geworden ist (vgl. [X.] vom 28.02.1980 - 8 b [X.] 5/79, Sozialrecht 5870 § 3 Nr. 2). Denn solange dem leistungspflichtigen Träger ein Wechsel der Berechtigtenbestimmung nicht bekannt ist, ist er verpflichtet, entsprechend der gesetzlichen Regelung das Kindergeld zu gewähren.

3. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 31/21

17.08.2023

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 24. September 2021, Az: 5 K 5114/20, Urteil

§ 64 Abs 1 EStG 2009, § 64 Abs 2 S 2 EStG 2009, § 66 Abs 2 EStG 2009, § 37 Abs 2 AO, § 169 Abs 2 AO, § 170 Abs 1 AO, § 171 Abs 7 AO, § 384 AO, § 78 Abs 3 Nr 4 StGB, § 78a StGB, § 78c StGB, § 31 Abs 3 OWiG, § 33 OWiG, § 818 Abs 3 BGB, § 130 Abs 1 BGB, § 130 Abs 2 BGB, § 130 Abs 3 BGB, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008, EStG VZ 2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016, EStG VZ 2017, EStG VZ 2018, EStG VZ 2019, § 48 Abs 2 S 2 VwVfG, § 45 Abs 2 S 2 SGB 10, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.08.2023, Az. III R 31/21 (REWIS RS 2023, 6929)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6929

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