Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 26.01.2023, Az. V R 20/22 (V R 40/19), V R 20/22, V R 40/19

5. Senat | REWIS RS 2023, 1149

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Gegenstand

Organschaft: Erneute EuGH-Vorlage


Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Führt die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dazu, dass entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen nicht dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer nach Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie unterliegen?

2. Unterliegen entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen jedenfalls dann dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da ansonsten die Gefahr von Steuerverlusten besteht?

Tenor

I. Dem [X.] werden folgende Fragen zur [X.]/[X.] des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/[X.]) zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Führt die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/[X.] dazu, dass entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen nicht dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer nach Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie unterliegen?

2. Unterliegen entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen jedenfalls dann dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da ansonsten die Gefahr von [X.] besteht?

[X.] Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ausgesetzt.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Stiftung öffentlichen Rechts. Sie ist [X.]rägerin einer [X.], die auch einen Bereich [X.]smedizin unterhält. Die Klägerin erbringt als Steuerpflichtige im Sinne (i.S.) von Art. 4 Abs. 1 der [X.]/[X.] des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ([X.]/[X.]) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen [X.]ätigkeit Dienstleistungen gegen Entgelt [X.]. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie. Soweit die entgeltlichen Dienstleistungen auf den Krankenhausbetrieb entfallen, sind sie entsprechend Art. 13 [X.]eil A Buchst. b der [X.]/[X.] steuerfrei. Zugleich nimmt die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechts (Einrichtung des öffentlichen Rechts) hoheitliche Aufgaben wahr, für die sie gemäß Art. 4 Abs. 5 der [X.]/[X.] nicht als Steuerpflichtige gilt.

2

Die Klägerin ist entsprechend einer verbindlichen Auskunft, die der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) gemäß § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) erteilt hat, nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) Organträgerin der [X.].

3

Die [X.] erbrachte im Rahmen ihrer wirtschaftlichen [X.]ätigkeit [X.]. 4 Abs. 1 der [X.]/[X.] für die Klägerin gegen Entgelt Reinigungs-, Hygiene- und Wäschereileistungen sowie [X.]. Die Reinigungsleistungen erbrachte die [X.] in den Räumen der Klägerin. Sie umfassten den gesamten Gebäudekomplex des Bereichs [X.]smedizin, zu dem neben Patientenzimmern, Fluren, Operationssälen auch Hörsäle und Labore gehören. Während der eigentliche Krankenhausbereich der Versorgung der Patienten diente und damit dem wirtschaftlichen [X.]ätigkeitsbereich der Klägerin zuzuordnen war, in dem sie als Steuerpflichtige handelt, wurden die Hörsäle, Labore und andere Räume für die Ausbildung der Studierenden und damit für den hoheitlichen Bereich der Klägerin genutzt, für den sie nicht als Steuerpflichtige gilt. Der Anteil des hoheitlichen Bereichs der zu reinigenden Fläche betrug 7,6 % der Gesamtfläche. Die [X.] erhielt für ihre Dienstleistungen von der [X.] (Streitjahr) eine Vergütung von insgesamt … €.

4

Im [X.] an eine Außenprüfung ging das [X.] in einem geänderten Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 03.11.2015 davon aus, dass es sich bei den Betrieben der Klägerin um ein einheitliches Unternehmen handelt, für das nur eine Umsatzsteuererklärung abzugeben und dementsprechend nur ein Umsatzsteuerbescheid zu erteilen sei. Das [X.] sah dabei die von der [X.] für die Klägerin erbrachten Reinigungsleistungen als Umsätze an, die innerhalb der zwischen der Klägerin und der [X.] bestehenden Organschaft erbracht und damit nichtsteuerbar waren. Soweit jedoch die Reinigungsleistungen für den Hoheitsbereich der Klägerin erfolgten, dienten sie einer unternehmensfremden [X.]ätigkeit und lösten eine unentgeltliche [X.] gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG (Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der [X.]/[X.]) bei der Klägerin aus. Demgemäß ging das [X.] unter Berücksichtigung des auf den Hoheitsbereich entfallenden Flächenanteils von 7,6 % davon aus, dass von der Gesamtvergütung für die von der [X.] an die Klägerin erbrachten Reinigungsleistungen ein [X.]eilbetrag in Höhe von … € auf die Reinigung der hoheitlich genutzten Flächen entfiel. Abzüglich eines [X.], den das [X.] mit … € bezifferte, errechnete es eine Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche [X.] in Höhe von … € und damit eine um … € höhere Umsatzsteuer. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

5

Demgegenüber gab das Finanzgericht ([X.]) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 881 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Nach seinem Urteil liegt eine Organschaft vor, die zur Zusammenfassung von Klägerin als Organträgerin und [X.] als Organgesellschaft zu einem Unternehmen führt. Diese Organschaft erstrecke sich auch auf den Hoheitsbereich der Klägerin. Die Voraussetzungen einer unentgeltlichen [X.] nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG lägen aber nicht vor. Hiergegen wendet sich das [X.] mit seiner Revision.

6

Der Senat hat im Revisionsverfahren das Verfahren ausgesetzt und mit Beschluss vom 07.05.2020 - V R 40/19 (Sammlung der Entscheidungen des [X.] --BFHE-- 270, 166; im Folgenden: erstes Vorabentscheidungsersuchen) zwei Fragen dem [X.] ([X.]) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Hierauf hat der [X.] mit seinem Urteil Finanzamt [X.] vom 01.12.2022 - [X.]/20 ([X.]:C:2022:944) wie folgt geantwortet:

"1. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [[X.]/[X.]] ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, zum einzigen Steuerpflichtigen einer Gruppe von Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, den Organträger dieser Gruppe zu bestimmen, wenn dieser in der Lage ist, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen, und unter der Voraussetzung, dass diese Bestimmung nicht zur Gefahr von [X.] führt.

2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass im Fall einer Einheit, die die einzige Steuerpflichtige einer Gruppe von Personen ist, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, und die zum einen wirtschaftliche [X.]ätigkeiten ausübt, für die sie der Steuer unterliegt, und zum anderen [X.]ätigkeiten im Rahmen der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, für die sie gemäß Art. 4 Abs. 5 der [[X.]/[X.]] nicht als mehrwertsteuerpflichtig gilt, die Erbringung einer Dienstleistung im Zusammenhang mit dieser hoheitlichen [X.]ätigkeit durch ein Mitglied dieser Gruppe nicht gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie besteuert werden darf."

7

Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin sieht sich durch das [X.]-Urteil Finanzamt [X.] ([X.]:C:2022:944) in ihrer Rechtsauffassung bestätigt. Sie weist zudem darauf hin, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts in der Weise, dass Leistungen der Organgesellschaft an den Organträger steuerbar seien, ausgeschlossen sei. Das [X.] wendet sich gegen die Ausführungen des [X.] zur Entnahmebesteuerung.

Entscheidungsgründe

II.

8

Der Senat legt dem [X.] die in dem [X.]enor bezeichneten Fragen zur Auslegung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung durch den [X.] aus.

9

1. Rechtlicher Rahmen

a) Unionsrecht

Art. 2 der [X.]/[X.] bestimmte:

"Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt; ..."

Art. 4 der [X.]/[X.] sah vor:

"(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen [X.]ätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

...

(4) Der in Absatz 1 verwendete Begriff 'selbständig' schließt die Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.

Vorbehaltlich der Konsultation nach Artikel 29 steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. ..."

Art. 13 [X.]eil A Abs. 1 Buchst. b der [X.]/[X.] regelte:

"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

b) die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts ... durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden; ..."

Art. 17 Abs. 2 der [X.]/[X.] sah vor:

"Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, ..."

b) Nationales Recht

"Die gewerbliche oder berufliche [X.]ätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1. soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,

2. wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des [X.] eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf [X.] zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. ..."

§ 4 UStG regelte:

"Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

...

16. die mit dem Betrieb der Krankenhäuser ... eng verbundenen Umsätze, wenn

a) diese Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden ..."

"Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1. steuerfreie Umsätze; ..."

2. Erforderlichkeit eines zweiten Vorabentscheidungsersuchens

a) Erstes und zweites Vorabentscheidungsersuchen

Das zweite Vorabentscheidungsersuchen in diesem Rechtsstreit bezieht sich auf entgeltliche Leistungen zwischen den Personen, die [X.]. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] eng miteinander verbunden sind und damit auf Umsätze zwischen Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe (sogenannte [X.]). Zu entscheiden ist, ob derartige [X.] dem Anwendungsbereich der Steuer [X.]. 2 Nr. 1 der [X.]/[X.] unterliegen und sie daher steuerbar sind oder ob sie dem Anwendungsbereich nicht unterliegen und sie daher als nicht steuerbar anzusehen sind.

Durch das erste Vorabentscheidungsersuchen war zu klären, ob die nationale Regelung zur Organschaft überhaupt unionsrechtskonform ist und ob es zu einer Entnahmebesteuerung kommt. Dabei hatte der Senat zugrunde gelegt, dass [X.] nicht dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen und daher nicht steuerbar sind. Dies entsprach seiner ständigen Rechtsprechung (vergleiche --vgl.-- zum Beispiel --z.[X.] Urteil des [X.] --[X.]-- vom 17.07.1952 - V 17/52 S, [X.], 604, Bundessteuerblatt --BStBl-- III 1952, 234), an der er bis zuletzt festgehalten hat (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 15.12.2016 - V R 14/16, [X.], 562, [X.], 600, Randziffer --Rz-- 17).

Auf dieser Grundlage war durch das erste Vorabentscheidungsersuchen zu klären, ob die nationale Regelung zur Organschaft überhaupt unionsrechtskonform ist und ob es zu einer Entnahmebesteuerung kommt. Nachdem der [X.] diese Fragen in seinem Urteil Finanzamt [X.] ([X.]:C:2022:944) geklärt hat und der Senat im Hinblick auf dieses Urteil davon ausgeht, dass die nationale Regelung zur Organschaft dem Grunde nach unionsrechtskonform ist und es im Streitfall zu keiner Entnahmebesteuerung kommt, stellen sich aber aufgrund der [X.]-Urteile [X.] vom 01.12.2022 - [X.]/20 ([X.]:C:2022:943) und Finanzamt [X.] ([X.]:C:2022:944) nunmehr die jetzigen Vorlagefragen, mit denen für den Streitfall zu klären ist, ob [X.] entgegen der ständigen [X.]-Rechtsprechung dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen und damit steuerbar sind.

Danach bezieht sich das zweite Vorabentscheidungsersuchen auf andere Fragen als das erste Vorabentscheidungsersuchen (vgl. zu den Voraussetzungen eines erneuten Vorabentscheidungsersuchens in derselben Rechtssache [X.]-Urteil [X.] vom 06.10.2021 - [X.]/19, [X.]:C:2021:799, Antwort, Rz 33, 38 und 41).

b) Zur ersten Vorlagefrage

Zweifel daran, ob die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] dazu führt, dass entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen nicht dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer nach Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie unterliegen, ergeben sich aus dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:C:2022:943).

Ausgehend von der Feststellung, dass [X.]. 2 Nr. 1 der [X.]/[X.] "eine Leistung nur dann steuerbar [ist], wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht" ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2022:943, Rz 77), ist zur "Klärung der Frage, ob ein solches Rechtsverhältnis zwischen einem Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe und den anderen Mitgliedern dieser Gruppe einschließlich ihres [X.] besteht, so dass die von diesem Mitglied erbrachten Leistungen der Mehrwertsteuer unterliegen, ... zu untersuchen, ob dieses Mitglied einer selbständigen Wirtschaftstätigkeit nachgeht" ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2022:943, Rz 78). Ist daher für den konkreten Streitfall zu bejahen, dass das Mitglied einer selbständigen Wirtschaftstätigkeit nachgeht ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2022:943, Rz 79), ergibt sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] nicht, dass ein Mitglied, das nicht der Organträger ist, aufgrund seiner bloßen Zugehörigkeit zu der Gruppe keine selbständigen wirtschaftlichen [X.]ätigkeiten ausübt ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2022:943, Rz 80). Dem entspricht es, dass der [X.] für den Streitfall von einer gegen Entgelt erbrachten Leistung der [X.] ausgegangen ist ([X.]-Urteil Finanzamt [X.], [X.]:C:2022:944, Rz 60 f.).

Die vorstehende Betrachtung spricht zwar für die Steuerbarkeit der Leistungen, die ein Gruppenmitglied an ein anderes Gruppenmitglied erbringt, beantwortet aber die erste Vorlagefrage gleichwohl nicht eindeutig, was eine Entscheidung des [X.] hierzu erforderlich macht.

c) Zur zweiten Vorlagefrage

Die Zweifel, ob entgeltliche Leistungen zwischen den nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] verbundenen Personen jedenfalls dann dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da ansonsten die Gefahr von [X.] besteht, ergeben sich daraus, dass der [X.] für die Bestimmung des [X.] zum einzigen Steuerpflichtigen der in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser Richtlinie genannten Gruppe voraussetzt, dass diese Bestimmung nicht zur Gefahr von [X.] führt ([X.]-Urteil Finanzamt [X.], [X.]:C:2022:944, erste Antwort). Dabei weist der [X.] darauf hin, dass sich die Erklärungspflicht des [X.] auf die Leistungen erstreckt, die von allen Mitgliedern und an alle Mitglieder der Mehrwertsteuergruppe erbracht werden ([X.]-Urteil Finanzamt [X.], [X.]:C:2022:944, Rz 51). Dies kann sich auch auf die Leistungen beziehen, die von einem Mitglied an ein anderes Mitglied der Mehrwertsteuergruppe erbracht werden. Damit stellt sich die Frage, ob die bisher vom [X.] angenommene Nichtsteuerbarkeit derartiger [X.] zu einer Gefahr von [X.] führt, zu denen es nach dem [X.]-Urteil Finanzamt [X.] ([X.]:C:2022:944) nicht kommen darf.

Für die Frage, ob eine Gefahr von [X.] gegeben ist, können zwei [X.] miteinander zu vergleichen sein, die sich auf die Rechtslage ohne und mit Organschaft entsprechend Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] beziehen. Dabei kann es zur Gefahr von [X.] führen, wenn das Gruppenmitglied, das Empfänger des [X.]es ist, nicht zum (vollen) Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Denn in dem ersten Fall der Vergleichsbetrachtung (keine Organschaft/keine Nichtsteuerbarkeit von [X.]n) entsteht ein Steueranspruch, der zu keinem Vorsteuerabzug führt. Demgegenüber unterbleibt im zweiten Fall der Vergleichsbetrachtung (Organschaft mit Nichtsteuerbarkeit der [X.]) von vornherein die Entstehung eines Steueranspruchs.

Die Gefahr von [X.] wird auch nicht durch die Haftung der Organgesellschaft nach § 73 AO für die Steuern des [X.] gebannt. Sind [X.] nicht steuerbar, scheidet eine Haftung bereits mangels Steuerentstehung aus.

3. Keine Klärung durch die bisherige Rechtsprechung

Die Vorlagefragen sind nicht als geklärt anzusehen.

a) Unterschiedliche Auffassungen der Generalanwälte

Mehrere Generalanwälte haben in ihren Schlussanträgen unterschiedliche Auffassungen zu der Frage vertreten, ob [X.] zwischen den Gruppenmitgliedern dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegen und damit steuerbar sind.

So sollen einerseits entgeltliche Umsätze, die zwischen den einzelnen Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe bewirkt werden, als Insichgeschäfte der Gruppe gelten und demzufolge mehrwertsteuerrechtlich nicht existent sein (Schlussanträge des Generalanwalts [X.] in den [X.] vom 27.11.2012 - [X.]/11, [X.]:C:2012:753, Rz 42, und [X.]/[X.] vom 27.11.2012 - [X.]/10, [X.]:[X.], Rz 40; Schlussanträge des Generalanwalts [X.] in den Rechtssachen [X.] und [X.] vom 26.03.2015 - C-108/14 und [X.]/14, [X.]:C:2015:212, Rz 49). Sie böten keinen Anlass für die Erhebung oder Verrechnung von Mehrwertsteuer (Schlussanträge des Generalanwalts [X.] in der Rechtssache [X.] vom 24.04.1991 - [X.]/90, [X.]:C:1991:171, Rz 9).

Andererseits sollen die [X.] zwischen den Gruppenmitgliedern dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegen und damit steuerbar sein (Schlussanträge der Generalanwältin [X.] in der Rechtssache Finanzamt [X.] vom 27.01.2022 - [X.]/20, [X.]:[X.], Rz 36 f., und in der Rechtssache [X.] vom 13.01.2022 - [X.]/20, [X.]:[X.], Rz 64 und 73 mit Berechnungsbeispiel).

b) [X.]-Rechtsprechung

Aus der bisherigen Rechtsprechung des [X.] ergibt sich keine eindeutige Antwort zur Steuerbarkeit von [X.]n. Der [X.] hat zwar bisher unter Hinweis auf die Erwägungen der [X.] entschieden, dass der [X.] durch den Erlass von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] den Mitgliedstaaten ermöglichen wollte, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder zur Verhinderung bestimmter Missbräuche die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen ([X.]-Urteile [X.]/[X.] vom 25.04.2013 - [X.]/10, [X.]:[X.], Rz 37, und [X.] und [X.] vom 16.07.2015 - C-108/14 und [X.]/14, [X.]:[X.], Rz 40). Allerdings war er mit der Frage, ob Umsätze zwischen den Gruppenmitgliedern dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegen, noch nicht in entscheidungserheblicher Weise befasst (vgl. [X.]-Urteile Ampliscientifica und [X.] vom 22.05.2008 - [X.]/07, [X.]:C:2008:301; [X.]/[X.] vom 09.04.2013 - [X.]/11, [X.]:[X.]; [X.]/[X.], [X.]:[X.]; [X.] ([X.]), filial [X.], vom 17.09.2014 - [X.]/13, [X.]:C:2014:2225; [X.] und [X.], [X.]:[X.]; Kaplan International Colleges UK vom 18.11.2020 - [X.]7/19, [X.]:C:2020:934; [X.] vom 11.03.2021 - [X.]/19, [X.]:[X.]; Finanzamt für Körperschaften [X.] vom 15.04.2021 - [X.]/19, [X.]:C:2021:285).

4. Beurteilung durch das vorlegende Gericht

Bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift sind nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. Ferner folgt aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, in der Regel in der gesamten [X.] eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen ([X.]-Urteil Finanzamt [X.], [X.]:C:2022:944, Rz 35 f.). Auf dieser Grundlage spricht einiges dafür, dass [X.] --anders als bisher vom [X.] angenommen-- dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen und damit steuerbar sind.

a) Wortlaut

Nach dem Wortlaut von Art. 2 Nr. 1 der [X.]/[X.] ist für die Steuerbarkeit des Umsatzes nicht danach zu unterscheiden, ob das Mitglied einer Gruppe [X.]. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] eine entgeltliche Leistung an einen [X.], der nicht der Gruppe angehört (Außenumsätze), oder an ein anderes Gruppenmitglied ([X.]) erbringt. Dies spricht für eine Steuerbarkeit der [X.].

Die in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] angeordnete Rechtsfolge der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen lässt demgegenüber gleichermaßen die Annahme einer Steuerbarkeit wie auch die einer Nichtsteuerbarkeit zu.

b) Entstehungsgeschichte

aa) Frühere Regelungen des Unionsrechts

Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] beruht auf Anhang A Nr. 2 zu Art. 4 der [X.]/[X.] des Rates vom 11.04.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Dieser gestattete es den Mitgliedstaaten, "Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen untereinander verbunden sind, nicht getrennt als mehrere Steuerpflichtige, sondern zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln". Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] führte dies auf der Grundlage eines redaktionell geänderten Wortlauts fort ([X.]-Urteil [X.]/[X.], [X.]:[X.], Rz 39) und stellte es den Mitgliedstaaten frei, die durch die vorstehenden Beziehungen verbundenen Personen "zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln".

bb) Zweck der Ermächtigung

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] ermöglichte damit den Mitgliedstaaten, Regelungen wie die des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, der schon vor der Harmonisierung im nationalen Recht bestand, weiter beizubehalten. So ging die nationale Rechtsprechung auf dieser Grundlage --weiterhin-- davon aus, dass [X.] nicht steuerbar waren (z.B. [X.]-Urteile vom 18.12.1996 - XI R 25/94, [X.]E 182, 392, [X.] 1997, 441, unter [X.]; vom 03.04.2003 - V R 63/01, [X.]E 202, 79, [X.] 2004, 434, unter [X.]; in [X.], 562, [X.], 600, Rz 17, und vom 18.09.2019 - XI R 39/17, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des [X.] --[X.]/NV-- 2020, 246, Rz 26).

cc) Entfallen des Sachgrundes für die Nichtsteuerbarkeit

Allerdings war der ursprüngliche Zweck der nationalen Organschaftsregelung bereits durch die Einführung des neuen Systems mit Vorsteuerabzug im nationalen Recht seit 1968 entfallen und könnte damit auch im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift die Nichtsteuerbarkeit der [X.] nicht mehr rechtfertigen.

Die Annahme der Nichtsteuerbarkeit der [X.] beruhte auf der Bedeutung, die der Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor der Einführung des Vorsteuerabzugs durch die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern zukam. Damals war Kernstück der im nationalen Recht geregelten Organschaft die Nichtsteuerbarkeit der [X.] zwischen dem Organträger und den Organgesellschaften und zwischen den Organgesellschaften, um eine Steuerkumulation zu vermeiden (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 604, [X.]I 1952, 234). Ohne Organschaft führte das bis 31.12.1967 geltende nationale [X.] zu einer solchen Steuerkumulation, da grundsätzlich jeder Umsatz in jeder Wirtschaftsstufe von der Steuer erfasst wurde, ohne dass ein Recht auf Vorsteuerabzug gegeben war ([X.] ohne Recht auf Vorsteuerabzug).

c) Kontext

Nach dem Kontext der Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Abs. 1 und Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] erbringen Mitglieder ihre [X.] im Rahmen einer selbständigen wirtschaftlichen [X.]ätigkeit (siehe [X.]), so dass die Steuerbarkeit zu bejahen ist. Zudem ist Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] in Verbindung mit --i.[X.] deren Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht gestattet, Einheiten im Wege der [X.]ypisierung als nicht selbständig anzusehen, wenn sie finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in den Organträger einer Mehrwertsteuergruppe eingegliedert sind ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2022:943, Rz 81).

d) Regelungsziele

Eine Nichtsteuerbarkeit der [X.] dürften die mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] verfolgten Ziele nicht erfordern. Diese Ziele sieht der [X.] darin, "die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der 'rein rechtlichen Selbständigkeit' zu knüpfen, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder zur Verhinderung bestimmter Missbräuche, wie z.B. der Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" ([X.]-Urteil Finanzamt [X.], [X.]:C:2022:944, Rz 43).

aa) Verwaltungsvereinfachung

(1) Verfahrensrechtliche Vereinfachung

Bei der Verwaltung, die durch Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] vereinfacht werden soll, geht es aus der Sicht des Senats um die Verwaltung des sich nach der Richtlinie ergebenden Steueranspruchs. Verwaltungsvereinfachung zielt daher in erster Linie auf das Besteuerungsverfahren ab. Dieses vereinfacht sich dadurch, dass aufgrund der Gruppenbildung nicht mehr mehrere Steuererklärungen abzugeben sind, da diese zu einer Steuererklärung zusammengefasst werden. Eine in diesem Sinne verfahrensrechtliche Verwaltungsvereinfachung hat keinen Einfluss auf den sich nach dem materiellen Recht ergebenden Steueranspruch. Sie führt daher dazu, dass [X.] zwischen den nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] miteinander verbundenen Personen weiterhin dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegen. Sie sind dann, wie die Generalanwältin [X.] in ihren Schlussanträgen in den Rechtssachen Finanzamt [X.] ([X.]:[X.]) und [X.] ([X.]:[X.]) ausführlich dargelegt hat (s. oben [X.]), erklärungspflichtig und führen zu einer Steuerschuld, falls für die Leistung keine Steuerbefreiung besteht.

(2) [X.] Vereinfachung?

Verwaltungsvereinfachung kann sich aber auch auf das materielle Recht beziehen, indem [X.] zwischen den Gruppenmitgliedern als nicht mehr dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegend angesehen werden und auf dieser Grundlage die Erklärungspflicht entfällt. Dies kann dann als nachvollziehbar erscheinen, wenn das den [X.] empfangende Gruppenmitglied zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und sich Steuerschuld und Vorsteuerabzugsrecht im Ergebnis saldieren.

Demgegenüber führt eine allgemeine Nichtsteuerbarkeit von [X.]n, die auch dann eingreift, wenn das den [X.] empfangende Gruppenmitglied nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, zu den bereits beschriebenen [X.] (s. oben [X.]) und im Ergebnis nicht zu einer Verwaltungsvereinfachung, sondern zu einer Nichtbesteuerung.

Damit stellt sich die vom [X.] zu beantwortende Frage, ob eine Verwaltungsvereinfachung zu [X.] führen darf. Derartigen [X.] kann durchaus erhebliches Gewicht zukommen, da die Organschaft im Hinblick auf die Nichtsteuerbarkeit von [X.]n gerade für Steuerpflichtige, denen aufgrund einer Steuerfreiheit nach Art. 13 der [X.]/[X.] kein Recht auf Vorsteuerabzug zusteht (Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Versicherungsgesellschaften oder Banken), als Gestaltungsmittel angesehen wird, um das Entstehen einer nichtabziehbaren Vorsteuer zu vermeiden ([X.]/[X.], [X.] 2012, 541; Heintzen, [X.], 1799).

Dabei ist auch fraglich, ob für die Nichtsteuerbarkeit von [X.]n danach zu unterscheiden ist, ob für den Empfänger des [X.]es das Recht auf Vorsteuerabzug besteht. Eine derartige Differenzierung könnte dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung widersprechen. Denn zur Verwaltungsvereinfachung müsste dann geprüft werden, ob aufgrund eines dem Empfänger zustehenden Rechts auf Vorsteuerabzug von einer Nichtsteuerbarkeit des [X.]es auszugehen ist. Es stellt sich jedenfalls aus der Sicht des Senats nicht als Vereinfachung dar, zur Bestimmung der Nichtsteuerbarkeit eines [X.]es über die vielfältigen und häufig nur schwierig zu beantwortenden Fragen zum Abzugsrecht nach Art. 17 der [X.]/[X.] entscheiden zu müssen. Der Senat verweist hierzu, ohne einzelne Entscheidungen herauszugreifen, auf die umfangreiche Rechtsprechung des [X.] zu dieser Bestimmung.

Schließlich kann eine Nichtsteuerbarkeit von [X.]n aufgrund der bloßen Ermächtigung in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] zu einer unterschiedlichen Anwendung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten führen, da nur einzelne Mitgliedstaaten diese Ermächtigung ausgeübt haben. Dies kann in einzelnen Branchen, wie z.B. dem Bank- oder Finanzbereich, zu steuerrechtlich verursachten Wettbewerbsverzerrungen führen.

bb) Verhinderung einer künstlichen Aufspaltung

Das Ziel der Verhinderung bestimmter Missbräuche, wie z.B. der Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen, rechtfertigt keine Nichtsteuerbarkeit von [X.]n. Sieht man in der Aufspaltung eines Unternehmens, um z.B. die Sonderregelung für Kleinunternehmen nach Art. 24 der [X.]/[X.] mehrfach in Anspruch zu nehmen, einen Missbrauch, wird damit einer Nichtbesteuerung von Umsätzen entgegengewirkt. Damit kommt es gerade zu einer Besteuerung von Umsätzen. Derartige Überlegungen können demgemäß eine Nichtbesteuerung von [X.]n nicht begründen.

Im Gegenteil könnte der allgemeine Missbrauchsbegriff (vgl. z.B. [X.]-Urteile Halifax und andere --u.a.-- vom 21.02.2006 - [X.]/02, [X.]:C:2006:121, Rz 74 ff.; [X.] u.a. vom 22.11.2017 - [X.]/16, [X.]:C:2017:881, Rz 53 und 70; siehe auch [X.]-Urteil [X.] Danmark und [X.] vom 26.02.2019 - [X.]/16 und [X.]/16, [X.]:[X.], Rz 97) sogar dafür angeführt werden, dass eine Steuerbarkeit von [X.]n jedenfalls dann vorliegt, wenn entgeltliche Leistungen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Gruppenmitglieder ausgeführt werden sollen. Es geht dann um die Erlangung eines "[X.]" in dem Sinne, dass die Entstehung einer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Steuer vermieden wird. Ein derartiger "Steuervorteil" läuft Art. 17 Abs. 2 der [X.]/[X.] zuwider, da diese Regelung den Vorsteuerabzug an besteuerte [X.] knüpft, woran es bei der Anwendung von Art. 13 der [X.]/[X.] jedoch gerade fehlt.

5. Entscheidungserheblichkeit

a) Steuerbarkeit von Innenumsätzen

aa) Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

Sind [X.] steuerbar, ist das nationale Recht entgegen der Auffassung der Klägerin richtlinienkonform auslegbar. Da die Nichtsteuerbarkeit der [X.] nach nationalem Recht aus dem bisherigen Verständnis des Begriffs "nicht selbständig" folgte, der für beide Nummern des § 2 Abs. 2 UStG übereinstimmend ausgelegt wurde, wäre der Begriff in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG normspezifisch und damit eigenständig gegenüber § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG im Sinne des Unionsrechts auszulegen. Die Unselbständigkeit i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG würde dann dazu führen, dass der Organträger alle Umsätze der Organgesellschaften zu erklären und zu versteuern hat, wobei sich dies entsprechend der Sichtweise der Generalanwältin [X.] in den Rechtssachen Finanzamt [X.] ([X.]:[X.], Rz 36 f.) und [X.] ([X.]:[X.], Rz 64 und 73) auch auf die [X.] erstrecken würde.

Dem stehen § 2 Abs. 2 Nr. 2 Sätze 2 und 3 UStG nicht entgegen. Zwar sind danach die Wirkungen der Organschaft auf [X.] zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt und sind diese Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln. Diese Regelungen dienen jedoch nur dazu, den Anwendungsbereich der Organschaft auf das Inland zu beschränken (B[X.]Drucks 10/4513, Seite 29). Sie führen nicht dazu, die Nichtsteuerbarkeit von [X.]n eigenständig zu begründen, was sich schon daraus ergibt, dass von der Nichtsteuerbarkeit bereits vor der Schaffung dieser Regelungen ausgegangen wurde (s. oben II.4.b).

bb) Folgen für die Entscheidung im Streitfall

Sind [X.] steuerbar, hätte die Revision des [X.] Erfolg. Zwar hätte die Klägerin aufgrund der durch das [X.]-Urteil Finanzamt [X.] ([X.]:C:2022:944) gewonnenen Erkenntnisse keine Entnahmebesteuerung vorzunehmen.

Der Senat ist aber nach dem Grundsatz der sogenannten Vollrevision (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 12.05.2022 - V R 19/20, [X.]E 277, 496, [X.]/NV 2023, 101, Rz 11) nach nationalem Recht verpflichtet, die Entscheidung der Vorinstanz materiell-rechtlich in vollem Umfang und damit ohne Einschränkung auf die von den Beteiligten vorgebrachten Streitpunkte zu überprüfen. Daher ist aufgrund der nunmehr entstandenen Zweifel auch zu prüfen, ob [X.] steuerbar oder nichtsteuerbar sind.

Die Frage ist im Streitfall entscheidungserheblich. Denn die [X.] ist im Streitfall einer selbständigen Wirtschaftstätigkeit nachgegangen (vgl. auch [X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2022:943, Rz 79), so dass die Voraussetzungen für eine Steuerbarkeit vorliegen. Ist diese Steuerbarkeit auch unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] zu bejahen, was durch die beiden Vorlagefragen geklärt werden soll, hätte die Klägerin, die von der [X.] an sie gegen Entgelt erbrachten Leistungen als einzige Steuerpflichtige der Gruppe zu versteuern, ohne dass ihr ein Recht auf Vorsteuerabzug aus diesem Leistungsbezug zusteht. Die Klage wäre daher abzuweisen. Im Hinblick auf das sogenannte Verböserungsverbot hat sie dabei allerdings die Leistungen der [X.] nur im Umfang des streitigen Steuerbetrags zu versteuern, wie er sich aus der vom [X.] ursprünglich angenommenen Entnahmebesteuerung ergibt. Eine weitergehende Besteuerung zu Lasten der Klägerin kommt im gerichtlichen Verfahren danach nicht in Betracht.

b) Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen

Sind [X.] demgegenüber entsprechend der bisherigen Beurteilung im nationalen Recht nicht steuerbar, hätte das [X.] der Klage zu Recht stattgegeben. Die Revision des [X.] wäre als unbegründet zurückzuweisen.

6. Zum Rechtsgrund der Vorlage

Die Vorlage beruht auf Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der [X.].

7. Zur Verfahrensaussetzung

Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.

Meta

V R 20/22 (V R 40/19), V R 20/22, V R 40/19

26.01.2023

Bundesfinanzhof 5. Senat

EuGH-Vorlage

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. Oktober 2019, Az: 5 K 309/17, Urteil

§ 2 Abs 2 Nr 2 UStG 2005, Art 2 Nr 1 EWGRL 388/77, Art 4 Abs 4 UAbs 2 EWGRL 388/77, § 1 UStG 2005, Art 267 AEUV, UStG VZ 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 26.01.2023, Az. V R 20/22 (V R 40/19), V R 20/22, V R 40/19 (REWIS RS 2023, 1149)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1149

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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