Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.03.2021, Az. 4 BN 61/20, 4 BN 61/20 (4 BN 11/20)

4. Senat | REWIS RS 2021, 7782

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Gegenstand

Anhörungsrüge und Gegenvorstellung gegen die Streitwertfestsetzung für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und für die Vorinstanz


Tenor

Die Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde im Beschluss des Senats vom 13. Oktober 2020 (BVerwG 4 [X.] 11.20) wird verworfen.

Die Gegenvorstellung gegen die Streitwertfestsetzung in diesem Beschluss wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Rügeverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

1

1. Die Anhörungsrüge ist unzulässig und folglich zu verwerfen (§ 152a Abs. 4 Satz 1 VwGO).

2

Mit ihrer Anhörungsrüge wollen die Antragsteller erreichen, dass das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 152a Abs. 5 Satz 2 VwGO in den Zustand vor Erlass einer das [X.]eschwerdeverfahren abschließenden Entscheidung des Senats zurückversetzt wird. Sie machen allerdings nicht geltend, dass der beschließende Senat aufgrund einer nunmehr gebotenen Würdigung neuen rechtlichen oder tatsächlichen Vorbringens über die [X.]eschwerde anders als geschehen entscheiden müsste. Sie meinen vielmehr, dass ihnen damit die Gelegenheit eröffnet würde, angesichts der zu erwartenden Streitwertfestsetzung die [X.]eschwerde wegen des Kostenrisikos zurückzunehmen mit der Folge, dass anstatt wie bisher zwei Gerichtsgebühren nur eine anfiele ([X.], Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 [X.], Nr. 5500, 5501).

3

Der behauptete [X.] - die unterbliebene vorherige Anhörung - als Voraussetzung einer erfolgreichen Anhörungsrüge (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO) bezieht sich jedoch allein auf die Festsetzung bzw. Änderung des Streitwerts für die beiden Instanzen. Diese Entscheidung ergeht zwar zusammen mit der Sachentscheidung. Als bloße Nebenentscheidung richtet sie sich nach den verfahrensrechtlichen Sondervorschriften des Gerichtskostengesetzes (§ 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]). Die Garantie des rechtlichen Gehörs und die [X.]estimmungen zu dessen Gewährleistung sind auf das jeweilige Verfahren bezogen. Lediglich mittelbare Fernwirkungen, wie sie hier geltend gemacht werden, werden nicht erfasst.

4

2. Die Gegenvorstellung gibt keinen Anlass, die Streitwertfestsetzung zu ändern.

5

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs im Nebenverfahren der Streitwertfestsetzung kann grundsätzlich mit der Anhörungsrüge nach § 69a [X.] geltend gemacht werden. Sie ist nach § 69a Abs. 1 Nr. 1 [X.] subsidiär gegenüber Rechtsmitteln oder anderen Rechtsbehelfen. Eine solche Möglichkeit der [X.] gibt es hier nicht. Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 [X.] unanfechtbare [X.] kann allerdings nach § 63 Abs. 3 Satz 1 [X.] vom [X.] wegen abgeändert werden. Danach muss der Senat jedenfalls die eigene Entscheidung ändern, wenn sie rechtswidrig ist; mit dem Wort "kann" wird insoweit nur die Zuständigkeit geregelt, nicht aber ein Ermessen eingeräumt ([X.], [X.]eschluss vom 23. Juli 2019 - [X.] - juris Rn. 9; [X.], in[X.]/[X.], Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, § 63 [X.] Rn. 66; [X.], [X.]/Fam[X.], 17. Aufl. 2020, § 63 [X.] Rn. 37; abweichend zur Änderung der Streitwertfestsetzung der Vorinstanz [X.], [X.]eschluss vom 14. Oktober 1988 - 4 C 58.84 - [X.] 360 § 25 [X.] Nr. 3). Diese Überprüfung kann von den [X.]eteiligten im Wege einer Gegenvorstellung innerhalb der [X.] des § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.] angeregt werden (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 21. Februar 1992 - 1 C 39.88 - [X.] 360 § 13 [X.] Nr. 56, vom 18. Februar 2010 - 9 KSt 1.10 - juris Rn. 4 und vom 15. September 2015 - 9 KSt 2.15 - juris Rn. 1; [X.], [X.]eschlüsse vom 19. September 2012 - [X.]/12 - NJW 2013, 470 Rn. 2, vom 17. August 2017 - [X.] - NJW-RR 2017, 1471 Rn. 5 und vom 14. Juli 2020 - [X.]/17 - juris Rn. 4).

6

Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung stehen hier - anders als bei unanfechtbaren Entscheidungen, die vom Gericht nicht von Amts wegen geändert werden können - nebeneinander (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 28. August 2019 - 1 [X.] - Rn. 6; [X.], [X.]eschluss vom 13. Dezember 2011 - [X.] - [X.] 2012, 159). Dabei erweist sich die Gegenvorstellung als rechtsschutzfreundlicher. Sie führt mit gegebenenfalls geringem [X.] auf eine umfassende Prüfung der Streitwertfestsetzung. Auf den durch die Anhörungsrüge eröffneten und insoweit beschränkten Rechtsschutz kommt es dann nicht mehr an.

7

Die [X.]efugnis zur Abänderung der Streitwertfestsetzung für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.], für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]. Danach kann die Festsetzung von dem Rechtsmittelgericht u.a. dann geändert werden, "wenn das Verfahren wegen der Hauptsache (...) in der Rechtsmittelinstanz schwebt". Dies erlaubt dem Senat den Zugriff auf den Streitwert der Vorinstanz bereits im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 VwGO, sobald die Nichtabhilfeentscheidung ergangen ist (stRspr des [X.] auch schon zu § 25 Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. und § 25 Abs. 2 Satz 2 [X.] a.F., siehe etwa [X.]eschlüsse vom 9. November 1988 - 4 [X.] 185.88 - [X.] 360 § 14 [X.] Nr. 3 , vom 24. Januar 2000 - 1 C 28.99, 1 [X.] 81.99 - [X.] 360 § 13 [X.] Nr. 108 , vom 14. Juni 2004 - 4 [X.] 18.04 - juris, vom 20. Mai 2014 - 4 [X.] 21.14 - juris Rn. 14 und vom 27. November 2020 - 8 [X.] 18.20 - juris Rn. 11, sowie [X.]eschlüsse vom 7. September 2005 - 4 [X.] 49.05 - [X.]E 124, 201 zum [X.] als Gericht der Hauptsache im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO schon während des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde - so bereits [X.]eschluss vom 11. Dezember 1953 - 2 [X.] 18.53 - [X.]E 1, 45 <47> - und vom 17. Dezember 1993 - 3 [X.] 134.92 - [X.] 310 § 161 VwGO Nr. 103 ; so auch zu § 116 FGO [X.]FH, [X.]eschlüsse vom 29. März 2016 - I [X.] 99/14 - juris Rn. 25, vom 13. Dezember 2000 - IV [X.] 33/00 - juris Rn. 1 sowie vom 23. Februar 1989 - [X.] - [X.]FHE 155, 501 zum [X.]FH als Gericht der Hauptsache im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO; zu § 160a SGG [X.]SG, [X.]eschluss vom 7. März 2017 - [X.] 2 U 140/16 [X.] - juris Rn. 14; a.A. zu § 544 ZPO [X.], [X.]eschlüsse vom 28. März 2006 - [X.] - NJW-RR 2006, 1508, vom 10. Juli 2018 - [X.] - Rn. 7 und vom 12. März 2020 - [X.]/19 - NJW-RR 2020, 640 Rn. 5; dem folgend etwa [X.], in[X.]/[X.], Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, § 63 [X.] Rn. 77 und [X.], in: [X.]eckOK Kostenrecht, Stand 1. September 2020, § 63 [X.] Rn. 25; abweichend [X.], [X.]eschluss vom 24. September 2020 - [X.] - juris Rn. 3).

8

Die Rechtsnatur der Nichtzulassungsbeschwerde steht dem nicht entgegen. Diese zielt zwar zunächst auf die Aufhebung der gesetzlichen Revisionssperre im Einzelfall. Der Devolutiveffekt der Nichtzulassungsbeschwerde erstreckt sich gleichwohl nicht nur auf die (Neben-)Entscheidung der Vorinstanz über die Nichtzulassung der Revision (so aber etwa Czybulka/[X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 133 Rn. 1, 3; [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 26. Aufl. 2020, § 133 Rn. 1 und die Kommentare zu § 544 ZPO, vgl. etwa [X.], in: [X.], ZPO, [X.]d. 6, 23. Aufl. 2018, § 544 Rn. 2; [X.], in: [X.], ZPO, 33. Aufl. 2020, § 544 Rn. 3; [X.]all, in: [X.]/[X.], ZPO, 17. Aufl. 2020, § 544 Rn. 2; siehe aber auch Prütting, in: [X.]/Schütze, ZPO und Nebengesetze, [X.]d. 7, 4. Aufl. 2014, § 544 ZPO Rn. 7). Vorbehaltlich des Vorgehens nach § 133 Abs. 6 VwGO kann das [X.]undesverwaltungsgericht zwar vor der Zulassung auf die Sachentscheidung des [X.] nicht zugreifen. Dies ist Folge des vor und nach dem [X.] unterschiedlichen Prüfungsprogramms nach § 132 Abs. 2 VwGO einerseits, § 137 Abs. 1 VwGO andererseits, ändert am Anfall der Hauptsache beim Revisionsgericht aber nichts [X.], in: [X.], VwGO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 2; Pietzner/[X.]ier, in: [X.]/[X.], VwGO, Stand Juli 2020, § 133 Rn. 16; siehe auch für den Antrag auf Zulassung der [X.]erufung [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 38 f., § 124a Rn. 223). Im Übrigen sprechen gerade auch in [X.]ezug auf die Streitwertfestsetzung Gründe der [X.] für dieses weite Verständnis des [X.]. Denn § 47 Abs. 3 [X.] regelt den Gleichlauf des Streitwerts im Nichtzulassungs- und im angestrebten Revisionsverfahren, sodass dabei jeweils dieselben Rückschlüsse auf die Richtigkeit der Streitwertfestsetzung der Vorinstanz möglich sind.

9

Hat das Revisionsgericht die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz geändert, kann es diese Entscheidung auch später von Amts wegen bzw. aufgrund einer Gegenvorstellung überprüfen. Dem steht nicht entgegen, dass in diesem Zeitpunkt die Hauptsache nicht mehr vor dem Revisionsgericht schwebt. Wollte man dies fordern, könnten, da der Vorinstanz eine Änderung der revisionsgerichtlichen Streitwertfestsetzung verwehrt ist, eventuelle Fehler entgegen der gesetzgeberischen Vorstellung nicht mehr korrigiert werden (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 27. August 2013 - 7 KSt 1.13 - juris Rn. 2; siehe auch [X.], [X.]eschluss vom 7. April 1989 - [X.] - NJW-RR 1989, 1278; [X.], [X.]/Fam[X.], 17. Aufl. 2020, § 63 [X.] Rn. 41 f.; [X.], in[X.]/[X.], Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, § 63 [X.] Rn. 73, 76).

Hiernach besteht kein Anlass für die begehrte Änderung der Streitwertfestsetzung. Dem Senat ist bei der [X.]emessung des Streitwerts für beide Instanzen kein Rechtsfehler unterlaufen. Der Streitwert beläuft sich für jeden Antragsteller nach § 52 Abs. 1 [X.] auf 10 000 €. Die Antragsteller haben ihr [X.] nicht in Rechtsgemeinschaft verfolgt; vielmehr haben sie als (Mit-)Eigentümer je verschiedener Grundstücke die durch den angegriffenen [X.]ebauungsplan jeweils erwarteten Nachteile zum Ausgangspunkt ihres Normenkontrollantrags gemacht (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Diese im Wege einer subjektiven Antragshäufung geltend gemachten Anträge sind ungeachtet einer Honorarvereinbarung gemäß § 39 Abs. 1 [X.] zu addieren. Dem steht nicht entgegen, dass das gemeinsame Ziel - die allgemein verbindliche Erklärung des [X.]ebauungsplans für unwirksam (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO) - bei beachtlichen Mängeln des Plans bereits aufgrund des Antrags eines antragsbefugten Antragstellers hätte erreicht werden können. Schon bei der Stellung des Normenkontrollantrags hätten sich solche Erwägungen aufdrängen müssen. Schließlich steht § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] der Streitwertfestsetzung nicht entgegen. Die Vorschrift besagt im Interesse des [X.] bzw. Antragstellers als des Rechtsmittelgegners, dass der Streitwert für alle Instanzen gleichbleibt, wenn sich der Streitgegenstand nicht ändert. Ein anderweitiger Vertrauensschutz des [X.] bzw. Antragstellers als des Rechtsmittelführers folgt daraus nicht. Denn gemeint ist damit der objektiv angemessene Streitwert, nicht dagegen die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 14. Oktober 1988 - 4 C 58.84 - [X.] 360 § 25 [X.] Nr. 3 und vom 22. Mai 2013 - 7 KSt 5.13 - juris Rn. 3).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Das Verfahren der Gegenvorstellung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Meta

4 BN 61/20, 4 BN 61/20 (4 BN 11/20)

17.03.2021

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 22. August 2019, Az: 1 C 4/18

§ 39 Abs 1 GKG, § 47 Abs 2 S 1 GKG, § 52 Abs 1 GKG, § 63 Abs 3 S 1 GKG, § 69a GKG, § 152a VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.03.2021, Az. 4 BN 61/20, 4 BN 61/20 (4 BN 11/20) (REWIS RS 2021, 7782)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7782

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 160/19

I ZB 1/16

V ZB 56/12

V ZR 277/16

II ZR 420/17

IV ZR 146/10

I B 99/14

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