Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.12.2012, Az. VII ZR 133/11

7. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 663

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Gegenstand

Bauvertrag: Wirksamkeit einer Vertragsstrafenregelung für die Überschreitung von Zwischenfristen


Leitsatz

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Bauvertrags getroffene Vertragsstrafenregelung, die eine für die schuldhafte Überschreitung einer Zwischenfrist zu zahlende Vertragsstrafe auf höchstens 5 % der Gesamtauftragssumme festlegt, ist unwirksam.

Tenor

Die Revision des Streithelfers der Beklagten gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des [X.] vom 13. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Der Streithelfer der Beklagten hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt als Nachunternehmerin von der [X.] als Generalunternehmerin die Bezahlung restlichen [X.] von 87.405 € für die Lieferung und Montage eines [X.]. Die Beklagte hat mit einem Schadensersatzanspruch wegen Leistungsverzugs in gleicher Höhe aufgerechnet. Die Parteien streiten darum, ob infolge dieser Aufrechnung der Werklohnanspruch der Klägerin erloschen ist.

2

Der Streithelfer der [X.] (im Folgenden: Streithelfer), ein Deichverband, beauftragte die Beklagte im April 2008 unter Vereinbarung der VOB/B mit Bauleistungen zur Sanierung eines Deiches gegen Zahlung von 3.146.736,31 €. Gegenstand des Werkvertrags waren unter anderem der Abriss des alten und die Herstellung und Montage eines neuen [X.]. Die Arbeiten sollten insgesamt bis Ende August 2009 abgeschlossen werden. Für den Hochwasserschutz erforderliche Bestandteile waren bis spätestens 31. Oktober 2008 herzustellen, da nach der Deichschutzverordnung ([X.]) Bautätigkeiten innerhalb der [X.] grundsätzlich nur in der [X.] vom 1. April bis 31. Oktober erfolgen dürfen.

3

Die in dieses Vertragsverhältnis einbezogenen Besonderen Vertragsbedingungen des Streithelfers legen neben dem Fertigstellungstermin folgende verbindliche Fristen (= Vertragsfristen) fest:

- Herstellen der Rohrleitungsgräben für die Gas- und Wasserleitungen sowie der provisorischen [X.] bis spätestens zum 30. Mai 2008

- Herstellen aller für den Hochwasserschutz erforderlichen Bestandteile bis spätestens zum 31. Oktober 2008.

4

Darüber hinaus ist geregelt, dass der Auftragnehmer als Vertragsstrafe für jeden Werktag des Verzugs sowohl bei Überschreitung der Ausführungsfrist als auch bei Überschreitung von [X.] 5.000 € zu zahlen hat, wobei die Vertragsstrafe auf insgesamt 5,0% der Auftragssumme begrenzt ist.

5

Die Beklagte beauftragte im Mai 2008 die auf den Stahlwasserbau spezialisierte Klägerin mit der Herstellung und Montage des [X.] zum Preis von 208.850 €. [X.] war eine Fertigstellung bis Ende der 42. Kalenderwoche 2008 und damit bis 18. Oktober 2008. Grundlage war im Übrigen das [X.] vom 29. April 2008. Darin hatte sich die Klägerin mit den von der [X.] gestellten "Bedingungen zum [X.] ([X.])" einverstanden erklärt. Gemäß dortiger Ziff. 5.1 sind Arbeitsbeginn und Fertigstellung Vertragstermine. Für den Fall der schuldhaften Nichteinhaltung der Vertragstermine ist in Ziff. 5.5 bestimmt, dass der Nachunternehmer für alle Schäden und Nachteile haftet, die dem Auftraggeber entstehen.

6

Die Klägerin lieferte das Deichtor erst am 25. November 2008 und schloss die Montagearbeiten am 5. Dezember 2008 ab. Der Streithelfer hat im Hinblick auf die verspätete Herstellung der für den Hochwasserschutz erforderlichen Bestandteile eine Vertragsstrafe von 140.000 € (28 Tage zu je 5.000 €) geltend gemacht und diese von der [X.] der [X.] einbehalten. Mit dem daraus abgeleiteten Schadensersatzanspruch hat die Beklagte gegen die Restwerklohnforderung der Klägerin aufgerechnet.

7

Das [X.] hat der Klägerin die geltend gemachte Restwerklohnforderung zugesprochen. Die dagegen gerichtete Berufung der [X.] hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Streithelfer den [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Streithelfers hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

9

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Werklohnanspruch der Klägerin sei durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch nicht erloschen. Es fehle an einem zurechenbaren Schaden. Denn die als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu wertenden Regelungen zur Vertragsstrafe in den Besonderen Vertragsbedingungen des Streithelfers seien unwirksam und die Beklagte deshalb nicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 140.000 € verpflichtet.

Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Überschreitung jeder vertraglichen [X.] mit einer Vertragsstrafe in derselben Höhe sanktioniere, die für die Überschreitung des [X.] vorgesehen ist, sei wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Eine solche Klausel könne dazu führen, dass bei nur geringfügiger Überschreitung mehrfacher Zwischentermine durch die Kumulierung der Einzelvertragsstrafen innerhalb weniger Tage die gesamte Vertragsstrafe verwirkt sein könne, unabhängig davon, ob der Endtermin eingehalten werde. Die in den Besonderen Vertragsbedingungen des Streithelfers getroffene Vertragsstrafenregelung führe dazu, dass bereits bei einem Verzug von 18 Tagen, der sich auf beide [X.]en auswirke, die höchstmögliche Vertragsstrafe verwirkt sei, ohne dass sich dies für die Endausführung auswirken müsse. Nennenswerte Schäden träfen den Auftraggeber in aller Regel jedoch erst mit Überschreitung der Fertigstellungsfrist. Besondere Umstände, die eine Kumulierung der Einzelvertragsstrafen ausnahmsweise rechtfertigen könnten, seien im Ergebnis nicht gegeben. Zwar habe der Streithelfer ein legitimes Interesse daran, dass die dem Hochwasserschutz dienenden Arbeiten grundsätzlich bis zu Beginn der [X.] abgeschlossen werden. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass die Bezirksregierung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 [X.] Ausnahmegenehmigungen erteilen könne und dies im konkreten Fall auch getan habe. In einem solchen Fall sei ein legitimes Interesse an einer - gegebenenfalls kumulierenden - Sanktionierung der Fristenüberschreitung nicht gegeben. Diese Ausnahme hätte der Streithelfer auch bei Berücksichtigung seines nicht gering zu bewertenden Interesses in seine Geschäftsbedingungen aufnehmen können.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Beklagte von der Klägerin grundsätzlich Schadensersatz gemäß Ziff. 5.5 der Bedingungen zum [X.] sowie gemäß § 6 Nr. 6 Satz 1 VOB/[X.]. § 5 Nr. 4 VOB/B verlangen kann, sofern die mit dem Streithelfer vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt ist.

2. Der Beklagten steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin schon deshalb nicht zu, weil die Aufrechnung des Streithelfers mit dem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe unwirksam ist. Die Restwerklohnforderung der Beklagten ist damit nicht erloschen und ihr ist ein Schaden damit nicht entstanden. Die mit dem Streithelfer getroffene Vereinbarung über eine Vertragsstrafe für die Überschreitung der für das "Herstellen aller für den Hochwasserschutz erforderlichen Bestandteile" vereinbarten Frist ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Die Vertragsstrafenvereinbarung wurde durch von dem Streithelfer gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil. Sie unterliegt damit der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB. Dieser hält sie nicht stand. Die Vereinbarung benachteiligt die Beklagte unangemessen, weil sie für die Überschreitung dieses Zwischentermins eine Vertragsstrafe in Höhe der gesamten Auftragssumme vorsieht.

a) Der [X.] entscheidet in ständiger Rechtsprechung, dass eine Vertragsstrafenvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers auch die Interessen des Auftragnehmers ausreichend berücksichtigen muss. Eine unangemessen hohe Vertragsstrafe führt zur Nichtigkeit der Vertragsklausel nach § 307 Abs. 1 BGB ([X.], Urteil vom 23. Januar 2003 - [X.], [X.]Z 153, 311, 324 m.w.N.).

aa) Der [X.] muss nicht abschließend entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Parteien durch Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages vereinbaren können, dass die Überschreitung eines oder mehrerer Zwischentermine unter Vertragsstrafe gestellt wird. In Literatur und Rechtsprechung werden insoweit Bedenken geäußert, die Rechtsprechung des [X.]s zur Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit denen die Überschreitung des Fertigstellungstermins unter Vertragsstrafe gestellt wird, ohne weiteres auf [X.]en anzuwenden (vgl. [X.]/[X.], Privates Baurecht, 2. Aufl., S. 453 Rn. 297; [X.]/[X.], 17. Aufl., § 11 VOB/B Rn. 26; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 11 VOB/B Rn. 43; [X.], 3. Aufl., § 11 VOB/B Rn. 26; [X.], [X.], 1202; [X.], [X.], 949; [X.], NJW-RR 2002, 1178; [X.], [X.], 1780). Diese Bedenken sind schon deshalb gerechtfertigt, weil das Interesse des Auftraggebers an der Einhaltung eines Fertigstellungstermins in der Regel nicht identisch mit seinem Interesse daran ist, dass ein Zwischentermin nicht überschritten wird.

Das Interesse des Auftraggebers an der Strafbewehrung eines bestimmten Termins ist ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Prüfung der Frage, inwieweit eine Vertragsstrafe den Auftragnehmer unangemessen belastet. Dieses Interesse beeinflusst die Druck- und Kompensationsfunktion der Vertragsstrafe und damit von vornherein auch die Frage, inwieweit eine Vertragsstrafe in bestimmter Höhe überhaupt gerechtfertigt sein kann. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein besonderes Interesse an der Einhaltung eines Zwischentermins besteht, weil gerade dessen Überschreitung die Gefahr besonders hoher Schäden birgt. Die Revision weist insoweit zutreffend darauf hin, dass die [X.] zum 31. Oktober 2008 dazu diente, das Schließen des Deichtores zu gewährleisten, um die regelmäßig ab November als hoch eingestufte Gefahr von Überschwemmungen zu verhindern.

bb) Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe ist aber nicht nur das Interesse des Auftraggebers daran zu würdigen, zur Vermeidung eventuell hoher Schäden Druck auf den Auftragnehmer auszuüben, um die Einhaltung eines Termins zu sichern. Vielmehr müssen auch die Interessen des Auftragnehmers berücksichtigt werden und vor allem muss beachtet werden, dass die für die Überschreitung eines Zwischentermins vereinbarte Vertragsstrafe unter Berücksichtigung ihrer Druck- und Kompensationsfunktion in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn steht, den der Auftragnehmer durch seine Leistung verdient. Insoweit gilt nichts anderes als für die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, mit der ein Fertigstellungstermin abgesichert werden soll ([X.], Urteil vom 23. Januar 2003 - [X.], [X.]Z 153, 311, 324 m.w.N.). Die Vereinbarung muss berücksichtigen, welche Auswirkungen die Vertragsstrafe auf den Auftragnehmer hat, und sich in wirtschaftlichen Grenzen halten.

Auf dieser Grundlage hat der [X.] entschieden, dass eine Obergrenze einer Vertragsstrafe für die Überschreitung eines Fertigstellungstermins von über 5 % der Auftragssumme zu hoch ist ([X.], Urteil vom 23. Januar 2003 - [X.] aaO, 325). Diese Wertung muss auch die Beurteilung beeinflussen, welche Höhe einer Vertragsstrafe nicht mehr hingenommen werden kann, wenn es um die Sicherung von [X.] geht. Insoweit ist zu bedenken, dass der Auftraggeber bei der Absicherung eines Zwischentermins nicht davon profitieren können soll, dass der Auftragnehmer später noch weitere Leistungen erbringt, die nicht dazu dienen, die Einhaltung des Zwischentermins zu sichern. Vielmehr ist ein angemessenes Gleichgewicht der Interessen von Auftraggeber und Auftragnehmer nur gewahrt, wenn der Auftraggeber nicht anders steht als hätte er den Auftragnehmer allein mit Leistungen bis zum Zwischentermin beauftragt. In diesem Fall wäre der Zwischentermin ein Endtermin und die prozentualen Höchstsätze einer Vertragsstrafe müssten sich an der Auftragssumme orientieren. Eine Vertragsstrafe, die einen Tagessatz von mehr als 0,3 % und eine Obergrenze von 5 % von einem höheren Betrag vorsieht, wäre unangemessen und deshalb unwirksam. Nicht anders kann es sein, wenn die Vertragsstrafe für einen Zwischentermin an die gesamte Auftragssumme anknüpft, die auch durch Leistungen erwirtschaftet wird, die erst nach dem Zwischentermin erbracht werden. Das gilt - entgegen der Auffassung der Revision - auch dann, wenn bei [X.], die Bauleistungen im Rahmen des Hochwasserschutzes zum Gegenstand haben, die Einhaltung einer [X.] zur Erhaltung des Hochwasserschutzes unabdingbar notwendig ist und daran ein größeres Interesse als an der Einhaltung der Fertigstellungsfrist besteht. Kann bei Nichteinhaltung einer [X.] ein ebenso hoher oder noch höherer Schaden wie bei Überschreitung einer Fertigstellungsfrist entstehen, ist der Auftraggeber ausreichend durch die Möglichkeit geschützt, seinen Schadensersatzanspruch gesondert gegen den Auftragnehmer zu verfolgen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2000 - [X.], [X.], 1049 = [X.], 327 = [X.] 2000, 331). Darüber hinaus ist es ihm unbenommen, eine Vertragsstrafe individuell zu vereinbaren.

b) Die zwischen dem Streithelfer und der Beklagten für den Zwischentermin 31. Oktober 2008 vereinbarte Vertragsstrafe ist danach unwirksam, denn sie knüpft die Obergrenze der Vertragsstrafe von 5 % an die Auftragssumme. Ob die Vertragsstrafe auch noch aus anderen Gründen unwirksam sein könnte, muss der [X.] nicht entscheiden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka                          Safari Chabestari                           Eick

                Leupertz                                      Kartzke

Meta

VII ZR 133/11

06.12.2012

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 13. Mai 2011, Az: I-22 U 186/10

§ 307 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.12.2012, Az. VII ZR 133/11 (REWIS RS 2012, 663)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 663

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Wird zitiert von

VII ZR 42/22

I ZR 77/12

VII ZR 133/11

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