Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.12.2011, Az. II R 26/10

2. Senat | REWIS RS 2011, 570

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Gegenstand

(Versicherungsteuerrechtliche Behandlung des Krankenversicherungsanteils in Reiseversicherungspaketen - Steuerbefreiung bei mehrere Gefahren abdeckenden Versicherungen - Notwendigkeit der von vornherein erfolgenden Aufteilung des Entgelts - Kein Vorliegen einer Vertrauenssituation - Keine Bindung des FA für die Zukunft - "Laufender Anmeldungszeitraum" i.S. des § 10 Abs. 4 VersStG - Rechtmäßigkeit eines Nachforderungsbescheids - Festsetzungsverjährung)


Leitsatz

1. Sind bei einer Mehrgefahrenversicherung ("Versicherungspaket") einzelne Versicherungen nach § 4 VersStG von der Besteuerung ausgenommen, kann eine Steuerbefreiung nur in Anspruch genommen werden, wenn das auf die steuerfreie Versicherung entfallende Versicherungsentgelt im Versicherungsvertrag gesondert ausgewiesen ist .

2. "Laufender Anmeldungszeitraum" i.S. des § 10 Abs. 4 VersStG ist jeder Anmeldungszeitraum nach Abschluss der Außenprüfung .

3. Mit einem Nachforderungsbescheid gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 AO gegen den Versicherer wegen Versicherungsteuer macht die Finanzbehörde materiell-rechtlich einen Haftungsanspruch geltend. Wegen der Akzessorietät des Haftungsanspruchs ist der Erlass eines Nachforderungsbescheids nur rechtmäßig, wenn die Steuerschuld, für die der Versicherer als Entrichtungsschuldner haftet, entstanden ist und noch besteht .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein Versicherungsunternehmen, vertrieb in den Jahren 2000 bis 2004 unter verschiedenen Bezeichnungen [X.]e.

2

Ein Versicherungspaket setzte sich aus einer bestimmten, durch den Versicherungsnehmer nicht individuell modifizierbaren Anzahl einzelner Versicherungen (z.B. Reiserücktrittskostenversicherung, Reiseabbruchversicherung, Umbuchungsgebührenschutz, Auslandsreisekrankenversicherung, Reisenotrufversicherung, [X.] und Reisegepäckversicherung) zusammen. Im Rahmen der Leistungsbeschreibung wurden die jeweiligen Versicherungen, die Bestandteil des [X.]s waren, einzeln erläutert. Die allgemeinen Versicherungsbedingungen unterteilten sich in einen allgemeinen Teil und einen besonderen Teil, der die spezifischen Bedingungen zu den einzelnen Versicherungen enthielt. Für ein [X.] war jeweils eine Gesamtprämie zu zahlen. Intern erfasste die Klägerin die Prämie buchhalterisch nach Versicherungsarten voneinander getrennt. Die Versicherungsnehmer erhielten pro [X.] jeweils einen Versicherungsschein.

3

Im Rahmen ihrer monatlichen Anmeldungen der Versicherungsteuer für die Zeiträume Januar 2000 bis Dezember 2004 ermittelte die Klägerin die Versicherungsteuer für [X.]e, in denen eine Auslandsreisekrankenversicherung enthalten war, ohne die auf die Auslandsreisekrankenversicherung kalkulatorisch entfallenden Entgeltanteile zu berücksichtigen.

4

Mit Verwaltungsakt vom 9. Dezember 2004 ordnete das damals zuständige Finanzamt ([X.]) gegenüber der Klägerin hinsichtlich der Versicherungsteuer für Januar 2000 bis Dezember 2003 eine Außenprüfung an. Im Verlauf der Außenprüfung erweiterte das [X.] mit Verwaltungsakt vom 24. Oktober 2005 die Außenprüfung um die [X.] Januar 2004 bis Dezember 2004.

5

Im Bericht über die Versicherungsteueraußenprüfung vom 20. Juni 2006 vertrat das [X.] die Auffassung, bei einem [X.] handele es sich um ein einheitliches Versicherungsverhältnis. Daher sei auch das in der Versicherungsprämie enthaltene Entgelt für die Auslandsreisekrankenversicherung nicht als steuerfrei nach § 4 Nr. 5 des Versicherungsteuergesetzes in der hier maßgebenden Fassung ([X.]) zu beurteilen. Am 6. November 2006 erließ das [X.] gegenüber der Klägerin für September 2006 einen Versicherungsteuerbescheid, in dem es in einem Gesamtbetrag neben der von der Klägerin angemeldeten Versicherungsteuer für September 2006 auch die Nachforderung von Versicherungsteuer für den Prüfungszeitraum Januar 2000 bis Dezember 2004 festsetzte. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das [X.] als unbegründet zurück.

6

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, das in der Versicherungsprämie für die [X.]e enthaltene Entgelt für die Auslandsreisekrankenversicherung sei nach § 4 Nr. 5 Satz 1 [X.] steuerfrei. Die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift erfordere allein, dass die Zahlung des [X.] für ein Versicherungsverhältnis erfolge, das als Krankenversicherung gekennzeichnet sei. Diese Voraussetzung werde im Streitfall durch die als Bestandteil in den [X.]en enthaltenen Auslandsreisekrankenversicherungen erfüllt. Die [X.]e seien nicht als ein eigenständiger und neuartiger [X.] "Reiseversicherung" anzusehen. Es handele sich daher nicht um ein einziges Versicherungsverhältnis. Ebenso wenig stehe die Einheitlichkeit der für die [X.]e gezahlten Versicherungsprämien einer Steuerbefreiung entgegen. Der offene Ausweis des [X.] oder des Steuerbetrags werde durch das [X.] an keiner Stelle verlangt und sei demgemäß auch keine tatbestandliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung der Zahlung eines [X.]. Nur eine --im Streitfall nicht vorliegende-- willkürliche, nachträgliche Aufteilung des [X.] allein zu steuerrechtlichen Zwecken sei als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig anzusehen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1747 veröffentlicht.

7

Aufgrund der Änderung des § 7a [X.] durch Art. 10 Nr. 3 des Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform vom 10. August 2009 ([X.], 2702) ist der Beklagte und Revisionskläger (das [X.]) für die Versicherungsteuer zuständig geworden und damit zum 1. Juli 2010 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel eingetreten.

8

Mit der Revision rügt das BZSt die Verletzung des § 4 Nr. 5 Satz 1 [X.]. Die versicherungsteuerrechtliche Auslegung des Begriffs "Versicherungsverhältnis" habe nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen. Da ein [X.] nur einen Versicherungsvertrag begründe, könne das dort vereinbarte und vom Versicherungsnehmer gezahlte Versicherungsentgelt auch nur einheitlich behandelt werden. Ob das [X.] nach versicherungsaufsichtsrechtlichen Kriterien eine "kombinierte Versicherung" sei, sei versicherungsteuerrechtlich irrelevant. Ebenso wenig sei entscheidend, ob sich nach der Verkehrsauffassung ein neuer einheitlicher [X.] herausgebildet habe.

9

Das BZSt beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] ([X.]) hat mit Schriftsatz vom 18. November 2010 den Beitritt zum Verfahren nach § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erklärt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Das [X.] hat zu Unrecht entschieden, dass die Versicherungsprämien nach § 4 Nr. 5 Satz 1 [X.] von der Besteuerung ausgenommen sind, soweit sie anteilig auf die Auslandsreisekrankenversicherungen entfallen.

1. Nach § 1 Abs. 1 [X.] unterliegt die Zahlung des [X.] aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses der Steuer. [X.] ist gemäß § 3 Abs. 1 [X.] jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist. Gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 [X.] ist u.a. von der Besteuerung ausgenommen die Zahlung des [X.] für eine Versicherung, durch die Ansprüche auf Kapital-, Renten- oder sonstige Leistungen im Falle der Krankheit begründet werden.

a) Die Zahlung des [X.] für eine Krankenversicherung ist nur von der Versicherungsteuer befreit, wenn das darauf entfallende [X.] im Vertrag gesondert ausgewiesen ist. Dies gilt --entgegen der Auffassung des BMF-- auch, wenn durch ein (Reise-)Versicherungspaket mehrere Risiken abgedeckt werden (Mehrgefahrenversicherung) und eine Krankenversicherung Bestandteil dieses Versicherungspaketes ist.

aa) Sowohl der Steuergegenstand (§ 1 Abs. 1 [X.]) als auch die Ausnahmen von der Besteuerung (§ 4 [X.]) knüpfen an die Zahlung des [X.] an. Bei einem durch Vertrag entstandenen Versicherungsverhältnis wird das zu zahlende [X.] regelmäßig von den [X.] im Vertrag vereinbart, wobei sich die Versicherungsteuer auf die Höhe des [X.] auswirkt. Wird ein Versicherungsvertrag abgeschlossen, der mehrere Risiken einschließlich des Krankheitsrisikos absichert, greift eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 Satz 1 [X.] nur ein, wenn sich aus dem Vertrag ergibt, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt sind. Es muss also vertraglich geregelt sein, welcher Teil des [X.] für die begünstigte Krankenversicherung gezahlt wird.

Die vertragliche Festlegung des auf die Krankenversicherung entfallenden [X.] als Voraussetzung der Steuerbefreiung bei einer Mehrgefahrenversicherung lässt sich zwar nicht unmittelbar dem Wortlaut des § 4 Nr. 5 Satz 1 [X.] entnehmen. Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen aber dafür, die Steuerbefreiung nur zu gewähren, wenn aus dem Vertrag selbst zu erkennen ist, in welcher Höhe das [X.] für eine Krankenversicherung gezahlt wird. Denn begünstigt sind nur bestimmte im Einzelnen angeführte Versicherungen. Vereinbaren Versicherer und Versicherungsnehmer in einem einzigen Vertrag ein Versicherungspaket zur Abdeckung mehrerer Gefahren, muss deshalb zur Erlangung der Steuerbefreiung das [X.], das zum Teil auf eine begünstigte Krankenversicherung und zum Teil auf nicht begünstigte Versicherungen entfällt, im Vertrag entsprechend aufgeteilt werden.

Die Frage, ob eine Steuerbefreiung in Anspruch genommen werden kann, wenn der steuerfreie Teil des [X.] im Versicherungsvertrag nicht gesondert ausgewiesen ist, beant-wortet sich dabei ausschließlich nach versicherungsteuerrechtlichen Kriterien. [X.] Erwägungen sind ebenso wenig entscheidungserheblich wie die zivilrechtliche Qualifikation des Versicherungsvertrags.

bb) Das Erfordernis eines gesonderten Ausweises des auf eine steuerfreie Krankenversicherung entfallenden [X.] ergibt sich schon aus der Rechtsnatur und der Systematik der Versicherungsteuer. Diese ist eine Verkehrsteuer auf den rechtlich erheblichen Vorgang des [X.]. Entscheidend ist, dass eine geschuldete Leistung an den Gläubiger so bewirkt wird, dass die Schuld durch Zahlung des [X.] erlischt (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 16. Dezember 2009 [X.], [X.], 285, [X.], 1097). Bei einer Mehrgefahrenversicherung unter Einschluss einer steuerbefreiten Versicherung muss daher schon aus Gründen der Rechtsklarheit bereits im Zeitpunkt der Zahlung des [X.] eindeutig festgelegt sein, ob und inwieweit dieses i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 [X.] "für" eine Krankenversicherung gezahlt wird.

cc) Zudem muss für den Versicherungsnehmer als Steuerschuldner (§ 7 Abs. 1 Satz 1 [X.]) erkennbar sein, für welches [X.] Versicherungsteuer zu zahlen ist. Das gilt unabhängig davon, dass im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und dem Versicherer die Steuer nach § 7 Abs. 4 [X.] als Teil des [X.] gilt, der Versicherer nach § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] für die Steuer haftet und sie nach § 7 Abs. 1 Satz 3 [X.] für Rechnung des Versicherungsnehmers zu entrichten hat. Das [X.] schließt eine Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers für die Versicherungsteuer nicht aus. Der Versicherungsnehmer muss deshalb auch aus Gründen der Rechtssicherheit feststellen können, ob und in welcher Höhe eine Steuerschuld besteht. Hierfür ist erforderlich, dass er den steuerfreien und den steuerpflichtigen Teil des [X.] dem Vertrag entnehmen kann.

dd) Dementsprechend hat der [X.] bereits mit Urteil vom 16. Dezember 1953 II 175/52 U ([X.]E 58, 375, [X.]I 1954, 54) entschieden, dass ein im Versicherungsvertrag ungeteiltes [X.], das sich auf mehrere Versicherungsarten bezieht, nicht nachträglich für die Zwecke der Besteuerung geteilt werden kann (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 58, 375, [X.]I 1954, 54). Diese Rechtsprechung ist entgegen der Ansicht des [X.] nicht in dem Sinne zu verstehen, dass lediglich eine willkürliche nachträgliche Aufteilung des [X.] allein zu steuerrechtlichen Zwecken als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig anzusehen ist. Vielmehr wird in der Entscheidung deutlich herausgestellt, dass eine Steuerbefreiung nur in Anspruch genommen werden kann, wenn der steuerfreie Teil des [X.] von vornherein im Versicherungsvertrag gesondert ausgewiesen ist. Eine interne Aufteilung und buchhalterische Erfassung des (steuerfreien) [X.] durch den Versicherer genügt diesen Anforderungen nicht.

b) Nach diesen Grundsätzen waren die Zahlungen der Entgelte für Reiseversicherungspakete insoweit, als sie rechnerisch auf eine Auslandsreisekrankenversicherung entfielen, nicht nach § 4 Nr. 5 Satz 1 [X.] von der Besteuerung ausgenommen. Denn sie waren im jeweiligen Versicherungsvertrag nicht gesondert ausgewiesen.

2. Da das [X.] von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Sie stellt sich insbesondere auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 [X.]O).

a) Die Grundsätze von [X.] und Glauben stehen der Festsetzung der Versicherungsteuer nicht entgegen. Dass das [X.] in der Vergangenheit insoweit keine Versicherungsteuer festgesetzt hat, als für Reiseversicherungspakete gezahlte [X.]e rechnerisch auf die Auslandsreisekrankenversicherung entfallen sind, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen zu Gunsten der Klägerin.

aa) Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von [X.] und Glauben kann nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. In diesem Zusammenhang verlangt der Grundsatz von [X.] und Glauben einen Vertrauenstatbestand, aufgrund dessen der Steuerpflichtige disponiert hat. Der Vertrauenstatbestand besteht in einer bestimmten Position oder einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten. Die Anwendung des Grundsatzes von [X.] und Glauben setzt nach der Rechtsprechung des [X.] regelmäßig voraus, dass sich der Steuerpflichtige und die Verwaltungsbehörde als Partner eines konkreten Rechtsverhältnisses (§§ 33 ff. der Abgabenordnung --[X.]--) gegenüberstehen ([X.]-Urteil vom 7. Oktober 2010 [X.], [X.]/NV 2011, 865, m.w.[X.]).

Eine solche Vertrauenssituation kann der Steuerpflichtige selbst durch die Erteilung einer verbindlichen Zusage oder Auskunft des [X.] herbeiführen; daran fehlt es im Streitfall.

bb) Darüber hinaus wird Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] für den Fall berücksichtigt, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des [X.], die bei der bisherigen Festsetzung durch die Finanzbehörde angewandt worden ist, geändert hat, woran es im Streitfall aber hinsichtlich der versicherungsteuerrechtlichen Beurteilung von Reiseversicherungspaketen fehlt. Vielmehr konnte bereits dem [X.]-Urteil in [X.]E 58, 375, [X.]I 1954, 54 entnommen werden, dass ohne gesonderten Ausweis des [X.] im Versicherungsvertrag der auf die Krankenversicherung entfallende Teil des [X.] nicht steuerfrei ist.

cc) Auch wenn, wofür tatsächliche Feststellungen des [X.] fehlen, im Rahmen von Außenprüfungen die von der Klägerin angenommene Steuerfreiheit nicht beanstandet worden sein sollte, würde dies keinen nach [X.] und Glauben zu beachtenden Vertrauenstatbestand begründen. Denn nach den Grundsätzen der [X.] ergibt sich allein aus der früheren, auch aufgrund von Außenprüfungen vorgenommenen Beurteilung keine Bindung des [X.] für die Zukunft ([X.]-Urteil in [X.]/NV 2011, 865).

Nach dem Grundsatz der [X.] hatte das [X.] in jedem Besteuerungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung musste es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (ständige Rechtsprechung des [X.], z.B. Urteile vom 13. April 1967 V 235/64, [X.]E 88, 443, [X.]I 1967, 442; in [X.]/NV 2011, 865, jeweils m.w.[X.]). Dies ist sogar dann angenommen worden, wenn die --fehlerhafte-- Auffassung im Prüfungsbericht niedergelegt worden war (vgl. [X.]-Urteil vom 16. Juli 1964 V 92/61 S, [X.]E 80, 446, [X.]I 1964, 634) oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte ([X.]-Urteil vom 22. Juni 1971 VIII 23/65, [X.]E 103, 77, [X.] 1971, 749). Aus der gesetzlichen Regelung der verbindlichen Zusage nach einer Außenprüfung (§§ 204 ff. [X.]) ergibt sich, dass Außenprüfungen für sich allein keine Grundlage für einen Vertrauensschutz bilden können ([X.]-Urteil in [X.]/NV 2011, 865).

b) Das [X.] durfte die nachgeforderte Versicherungsteuer mit Steuerbescheid für den [X.] September 2006 festsetzen.

aa) Nach § 10 Abs. 4 [X.] sind Steuerbeträge, die aufgrund einer Außenprüfung nachzuentrichten oder zu erstatten sind, zusammen mit der Steuer für den laufenden [X.] festzusetzen.

Der Gesetzgeber hat § 10 Abs. 4 [X.] durch Art. 20 Nr. 3 des [X.] 1985 ([X.], 1493) in das [X.] eingefügt. Die [X.]regierung hat zur Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt, die Regelung über die Festsetzung der Steuerbeträge, die aufgrund einer Außenprüfung nachzuentrichten seien (Absatz 4), sei wegen des neuen Steueranmeldungsverfahrens erforderlich, damit die Nachforderung der Steuerbeträge möglichst wenig Verwaltungsaufwand verursache (vgl. BTDrucks 10/1636, [X.]). Der Vereinfachungszweck des § 10 Abs. 4 [X.] besteht somit darin, dass die Finanzbehörde nach einer Außenprüfung nicht für jede einzelne zu korrigierende Versicherungsteueranmeldung einen Änderungsbescheid zu erlassen, sondern alle Änderungen in einem Bescheid zusammenzufassen hat.

Entgegen der Auffassung des [X.] Niedersachsen (Urteil vom 18. Juli 2011  3 [X.]/09, nicht veröffentlicht --n.v.--) ergibt sich aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 [X.] nicht, dass die Verwaltung darauf beschränkt ist, aufgrund einer Außenprüfung nachzufordernde Beträge nur mit der Steuer des [X.]s festzusetzen, in dem die Außenprüfung endete. § 10 Abs. 4 [X.] legt keinen bestimmten [X.] fest; es muss sich lediglich um einen laufenden [X.] handeln. "Laufender [X.]" i.S. des § 10 Abs. 4 [X.] ist deshalb jeder [X.] nach Abschluss der Außenprüfung.

Auch der Gesetzesbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber den [X.], für den die nachzufordernde Steuer festzusetzen ist, festlegen wollte. Ebenso wenig sind Gründe ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber die Festsetzung der nachzufordernden Steuer auf den Monat, in dem die Außenprüfung beendet wurde, hätte beschränken sollen. Die Frage, ob eine Festsetzung der nachzufordernden Steuer noch zulässig ist, beantwortet sich nach den allgemeinen Regelungen über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. [X.]).

bb) Eine Festsetzung der aufgrund der Außenprüfung nachgeforderten Versicherungsteuer zusammen mit der Versicherungsteuer für September 2006 war danach grundsätzlich möglich. Die Außenprüfung war im Juni 2006 beendet.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der [X.] kann mangels tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden, in welcher Höhe das [X.] Versicherungsteuer zu Recht nachgefordert hat. Das [X.] wird hierzu festzustellen haben, inwieweit die nachgeforderte Versicherungsteuer auf den Zeitraum Dezember 2001 bis Dezember 2004 entfällt. Für die Versicherungsteuer für Januar 2000 bis November 2001 durfte das [X.] am 6. November 2006 keinen Nachforderungsbescheid mehr erlassen, weil insoweit die Steuerschuld der Versicherungsnehmer bereits festsetzungsverjährt war.

a) Ist eine Steuer aufgrund gesetzlicher Verpflichtung anzumelden (§ 150 Abs. 1 Satz 3 [X.]), so ist gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 [X.] eine Festsetzung der Steuer nach § 155 [X.] nur erforderlich, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führt oder der Steuer- oder [X.] die Steueranmeldung nicht abgibt.

§ 167 Abs. 1 Satz 1 [X.] begründet in der Auslegung durch die Rechtsprechung ein Wahlrecht für die Finanzbehörde, den [X.] entweder durch Haftungsbescheid oder durch Steuerbescheid in Anspruch zu nehmen, wenn dieser seine Anmeldepflicht nicht erfüllt hat ([X.]-Beschluss vom 18. März 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 1237, m.w.[X.]). Der Erlass eines [X.] ändert allerdings nichts daran, dass durch diesen materiell-rechtlich ein Haftungsanspruch geltend gemacht wird. Die Steuerfestsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 [X.] erfasst damit denjenigen, der die Steuer als Entrichtungssteuerschuldner nicht angemeldet hat, gerade in seiner Funktion als [X.] (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2009, 1237, m.w.[X.]).

Das hat zur Folge, dass die tatbestandlichen Erfordernisse der materiell-rechtlichen Haftungsnorm zu beachten sind (vgl. [X.]-Urteil vom 13. September 2000 [X.]/99, [X.]E 193, 286, [X.] 2001, 67, zu § 44 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes). Wegen der Akzessorietät des [X.] ist hierfür im Regelfall weiter erforderlich, dass auch die Steuerschuld, für die gehaftet werden soll, entstanden ist und noch besteht (vgl. [X.]-Urteil vom 15. Oktober 1996 [X.], [X.]E 181, 392, [X.] 1997, 171; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 190, 192). Ist der Steueranspruch durch Verjährung erloschen (§ 47 [X.]), kann ein Haftungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden (vgl. [X.]-Beschluss vom 11. Juli 2001 [X.], [X.]E 195, 510, [X.] 2002, 267). Dementsprechend kann gegenüber dem Versicherer ein Nachforderungsbescheid nicht mehr ergehen, wenn der Steueranspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer festsetzungsverjährt ist.

b) Im Streitfall waren am 6. November 2006 die Voraussetzungen für den Erlass eines [X.] für [X.] vor Dezember 2001 nicht erfüllt, weil hinsichtlich der Versicherungsteuerschuld der Versicherungsnehmer für Januar 2000 bis einschließlich November 2001 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

aa) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist Steuerschuldner der Versicherungsnehmer. Der Versicherer haftet für die Steuer (§ 7 Abs. 1 Satz 2 [X.]) und hat die Steuer für Rechnung des Versicherungsnehmers zu entrichten (§ 7 Abs. 1 Satz 3 [X.]). Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] hat der Versicherer innerhalb von fünfzehn Tagen nach Ablauf eines jeden [X.]s eine eigenhändig unterschriebene Steuererklärung abzugeben, in der er die im [X.] entstandene Steuer selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung), und die im [X.] entstandene Steuer zu entrichten. Ist eine Steueranmeldung einzureichen, beginnt gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] die Festsetzungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steueranmeldung eingereicht wird. Die Abgabe der Versicherungsteueranmeldung ist auch für den Beginn der Festsetzungsfrist der Steuerschuld des Versicherungsnehmers das nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] maßgebliche Ereignis (vgl. [X.]-Urteil vom 29. Januar 2003 [X.], [X.]E 202, 1, [X.] 2003, 687; [X.]-Beschluss vom 10. Februar 2009 [X.]/08, n.v., jeweils zur Kapitalertragsteuer).

bb) Vorliegend hat die Klägerin die Steueranmeldungen für den Zeitraum Januar 2000 bis Dezember 2004 --mit Ausnahme für die Monate Dezember-- beim [X.] im Kalenderjahr des jeweiligen [X.]s eingereicht. Die Steueranmeldungen für die Dezembermonate hat die Klägerin jeweils im Laufe des Monats Januar des auf den jeweiligen Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres abgegeben. Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]) begann nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] für die Versicherungsteuer für Januar bis November 2000 mit Ablauf des Jahres 2000 und für Dezember 2000 bis November 2001 mit Ablauf des Jahres 2001 zu laufen. Sie endete somit für die Versicherungsteuer für Januar bis November 2000 mit Ablauf des Jahres 2004 und für Dezember 2000 bis November 2001 mit Ablauf des Jahres 2005. Die Versicherungsteuer für Januar 2000 bis November 2001 war somit gegenüber den Versicherungsnehmern zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] am 6. November 2006 festsetzungsverjährt. Unerheblich ist, dass vor Ablauf der Festsetzungsfrist am 10. Mai 2005 bei der Klägerin mit einer Außenprüfung begonnen worden ist. Denn der Ablauf der Festsetzungsfrist gegenüber dem Versicherungsnehmer wird durch eine Außenprüfung beim Versicherer nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] gehemmt (vgl. [X.]-Urteil vom 1. Dezember 1995 [X.], [X.]E 179, 312, [X.] 1996, 239, zur Lohnsteuer; vgl. allgemein hierzu [X.] in Tipke/ [X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 171 [X.] Rz 57, jeweils m.w.[X.]).

Meta

II R 26/10

13.12.2011

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 21. April 2010, Az: 4 K 3009/07

§ 1 Abs 1 VersStG, § 3 Abs 1 VersStG, § 4 Nr 5 VersStG, § 5 Abs 1 S 1 Nr 1 VersStG, § 6 Abs 1 VersStG, § 7 VersStG, § 8 Abs 1 VersStG, § 10 Abs 4 VersStG, § 150 Abs 1 S 3 AO, § 155 AO, § 167 Abs 1 AO, § 170 Abs 2 S 1 Nr 1 AO, § 171 Abs 4 S 1 AO, § 169 AO, §§ 169ff AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.12.2011, Az. II R 26/10 (REWIS RS 2011, 570)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 570

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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