Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2022, Az. KZR 8/21

Kartellsenat | REWIS RS 2022, 8383

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Gegenstand

Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen für Erhebung von Schadensersatzklage wegen Marktbeherrschungsmissbrauch durch Eisenbahninfrastrukturunternehmen


Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Urteil des Senats vom 8. Februar 2022 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Klägerin hat von der Beklagten Rückzahlung von [X.] verlangt. Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten hat der Senat zurückgewiesen ([X.], Urteil vom 8. Februar 2022 - [X.], juris). Die Beklagte macht geltend, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und das Recht auf [X.] verletzt. Sie hat beantragt, das Verfahren fortzusetzen. Die Klägerin ist dem entgegengetreten.

2

II. Die gemäß § 321a ZPO zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt weder den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG noch ihr Recht auf [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Senat hat bei seiner Entscheidung den Vortrag der Beklagten vollumfänglich zur Kenntnis genommen, geprüft und erwogen, aber nicht für durchgreifend gehalten.

3

1. Es bestand kein Anlass, das Verfahren nach § 148 ZPO auszusetzen, um ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] zu richten oder um die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache C- 721/20 über das Vorabentscheidungsersuchen des [X.] abzuwarten. Das hat der Senat mit Verweis auf seine gefestigte und ausführlich begründete Rechtsprechung auch unter Berücksichtigung des genannten Vorabentscheidungsersuchens begründet ([X.], Urteile vom 29. Oktober 2019 - [X.], [X.], 209 Rn. 20 ff. - [X.]; vom 1. September 2020 - [X.], N&R 2021, 56 Rn. 18 f. - [X.]; vom 22. Juni 2021 - [X.], [X.], 709 Rn. 11 ff. - [X.]I; vom 21. September 2021 - [X.], [X.], 65 Rn. 20 ff. - [X.] II). Darauf wird verwiesen. Das Verfahren der Anhörungsrüge dient nicht dazu, die Senatsentscheidung nochmals inhaltlich zur Überprüfung zu stellen oder einer [X.] die Möglichkeit zu eröffnen, mit dem [X.] nach dessen Entscheidung ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt zu diskutieren (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. Dezember 2014 - [X.], juris Rn. 10, vom 28. Juni 2022 - EnVR 17/20, juris Rn. 2).

4

Es ist lediglich erneut darauf hinzuweisen, dass nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des [X.]s auch dann, wenn sich aus der Richtlinie 2001/14/[X.] Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Erhebung und Sachprüfung einer Schadensersatzklage wegen Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens ableiten lassen sollten, es jedenfalls an einer entsprechenden Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber fehlte und ein solches Umsetzungsdefizit auch nicht dadurch geheilt werden könnte, dass die Zivilgerichte die maßgeblichen anspruchsbegründenden oder -vernichtenden Normen unangewendet lassen ([X.], [X.], 209 Rn. 38 ff. - [X.]; [X.], 119, 38 ff. - [X.], [X.], 709 Rn. 16 ff. - [X.]I, mit Verweis auf [X.], Urteile vom 16. Juni 2005 - [X.]/03, [X.]. 2005, [X.] Rn. 47 - [X.]; vom 8. Mai 2019 - [X.]/18, [X.], 1131 Rn. 38 - [X.]; vom 11. September 2019 - [X.]/18, [X.], 1919 Rn. 38 - [X.]; [X.], Beschluss vom 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, [X.], 669, 670; [X.], Urteil vom 15. Oktober 2019 - [X.], [X.], 2164 Rn. 22; Beschluss vom 31. März 2020 - [X.], [X.], 865 Rn. 12; Urteil vom 18. November 2020 - [X.], NJW 2021, 1008 Rn. 26; [X.], [X.], 669, 670; [X.], Urteile vom 7. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 101 Rn. 20; vom 28. Juni 2017 - [X.], [X.]Z 215, 126 Rn. 24; vom 26. März 2019 - [X.]/17, [X.]Z 221, 325 Rn. 21; s.a. [X.], [X.], 65 Rn. 21 - [X.] II). Ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz wäre nicht gewährleistet, wenn die Eisenbahnverkehrsunternehmen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche verfahrensrechtliche Voraussetzungen beachten müssten, die weder zum Zeitpunkt der [X.] noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung gesetzlich bestimmt und damit für die Berechtigten erkennbar waren ([X.], [X.], 209 Rn. 39 - [X.]).

5

Daran vermag das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 27. Oktober 2022 zur Auslegung von Art. 30 der Richtlinie 2001/14/[X.] ([X.]/20, juris - [X.]) nichts zu ändern. Daher kann der Richtlinie, anders als die Beklagte geltend macht, auch keine unmittelbar wirkende Prozessvoraussetzung entnommen werden. Ungeachtet dessen war die [X.] bereits mit vergleichbaren wie den hier in Rede stehenden, die Regionalfaktoren betreffenden Schienennetznutzungsbedingungen befasst und hat durch Bescheid vom 5. März 2010 - wenn auch nicht bestandskräftig - festgestellt, dass die Erhebung der Regionalfaktoren gegen Vorschriften des Allgemeinen Eisenbahngesetzes verstieß (dazu [X.], Urteil vom 5. April 2022 - [X.], [X.], 870 Rn. 22 ff. - [X.]). An dieser Rechtsauffassung hat die [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich festgehalten ([X.], Urteil vom 8. Februar 2022 - [X.], juris Rn. 40, 44).

6

2. Der Senat hat das Vorbringen der Beklagten zu den verfassungsrechtlichen Aufgabenzuweisungen und einer etwaigen daraus resultierenden Rechtfertigung des beanstandeten Preisverhaltens, auch im Hinblick auf etwaige [X.], berücksichtigt. Er hat es jedoch nicht für durchgreifend erachtet ([X.], Urteil vom 8. Februar 2022 - [X.], juris Rn. 42, 46).

7

3. Schließlich hat der Senat auch das Vorbringen der Beklagten zu der Frage, ob es sich bei den gezahlten [X.] um einen "Durchlaufposten" handelt, zur Kenntnis genommen, gewürdigt und erwogen, aber ebenfalls nicht für durchgreifend erachtet. Mit der Revisionsbegründung hat die Beklagte zwar allgemein geltend gemacht, dass davon auszugehen sei, dass es sich bei den [X.] um einen durchlaufenden Posten bei der Klägerin handele, die Klägerin dies weder substantiiert bestritten noch Beweis für ihre Gegenbehauptung angeboten habe und zu Ansprüchen der Aufgabenträger und deren Geltendmachung nichts vorgetragen sei. Damit hat sie die Feststellung des Berufungsgerichts, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehmenden Aufgabenträger in einem Verkehrsdurchführungsvertrag mit der Beklagten (gemeint: der Klägerin) verpflichtet werden sollten, der Klägerin [X.] als Kosten der Infrastruktur auch dann zu erstatten, wenn insoweit gar keine wirksame Zahlungsverpflichtung der Klägerin bestand, weder in der Sache beanstandet noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht mit der nach § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO hinreichenden Genauigkeit und Bestimmtheit ([X.], Urteil vom 8. Juli 1954 - [X.], [X.]Z 14, 205, 209) angegriffen. Soweit die Beklagte geltend macht, zu Ansprüchen der Aufgabenträger und deren Geltendmachung sei nichts vorgetragen, übergeht sie, dass die Klägerin nach den nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts vorgetragen hat, es könne der Fall eintreten, dass sich der Aufgabenträger weigere, Infrastrukturkosten zu übernehmen; die Regionalisierungsmittel dienten nicht dazu, rechtswidrige und rechtsmissbräuchliche [X.] zugunsten der Beklagten auszugleichen. Auf dieser Grundlage durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass sich die Klägerin der Gefahr von Rückforderungsansprüchen ausgesetzt sehen könnte. Die Revisionsbegründung hat übergangenen Vortrag dahin, die Klägerin sei berechtigt gewesen, rechtswidrige oder rechtsmissbräuchliche Infrastrukturkosten dauerhaft zu behalten, nicht aufgezeigt.

[X.]     

  

[X.]     

  

Tolkmitt

  

Rombach     

  

Holzinger     

  

Meta

KZR 8/21

20.12.2022

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 8. Februar 2022, Az: KZR 8/21, Urteil

Art 30 Abs 2 EGRL 14/2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2022, Az. KZR 8/21 (REWIS RS 2022, 8383)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8383

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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