Bundessozialgericht, Urteil vom 26.05.2011, Az. B 14 AS 146/10 R

14. Senat | REWIS RS 2011, 6223

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Streitgegenstand - Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf - Übernahme der Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wegen chronischer Erkrankung - Sicherstellung der medizinischen Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung - Ergänzung durch den in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Gesundheitspflege - kein unabweisbarer laufender besonderer Bedarf - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Die Kosten einer Krankenbehandlung sind bei gesetzlich krankenversicherten Grundsicherungsberechtigten entweder durch das System des SGB 5 oder (ergänzend) durch die Regelleistung abgedeckt. Aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entstehen grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem beigeladenen Träger der Sozialhilfe die Erstattung von Kosten für Medikamente, die auf Grundlage von ärztlichen Privatrezepten verordnet worden sind.

2

Die im Jahre 1962 geborene Klägerin lebt mit ihrem 1949 geborenen Ehemann, der von der Beigeladenen Leistungen nach dem [X.] ([X.]) erhält, sowie ihren 1989 und 1996 geborenen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Die Klägerin und ihre Kinder erhalten seit 2005 Leistungen nach dem [X.] ([X.]), unter anderem für den [X.] vom [X.] bis zum 31.12.2006 (Bescheid vom 20.6.2006).

3

Mit Schreiben vom 7.9.2006 (Eingang bei dem Beklagten am 11.9.2006) machte die Klägerin bei dem Beklagten einen Mehrbedarf "für die chronischen Erkrankungen, chronischen Kopfschmerzen sowie Hautallergie" geltend. Die Kosten für die von ihren Ärzten ausgestellten Privatrezepte seien im Regelsatz nicht enthalten. Am 14.9.2006 beantragte sie zudem einen Mehrbedarf wegen "kostenaufwändiger Ernährung" bei Osteoporose und wies mit Schreiben vom [X.] auf einen bestehenden Eisenmangel hin. Antrag und Widerspruch blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 4.10.2006; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht ([X.]) Berlin legte das [X.] dahin aus, dass die Klägerin die Übernahme der auf Grundlage der vorgelegten privatärztlichen Rezepte sowie die fortlaufenden Kosten für ein Medikament gegen Eisenmangel in Höhe von 14,67 Euro monatlich begehre, und wies die Klage mit Urteil vom 29.8.2008 ab.

4

Die Berufung der Klägerin zum [X.] (L[X.]) [X.] blieb ohne Erfolg (Urteil vom 17.12.2009). Zulässiger Streitgegenstand sei vorliegend allein der Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf durch die entstandenen Kosten für aufgrund von Privatrezepten erworbene Medikamente wegen Kopfschmerzen, Hautallergie und Osteoporose. Der Beklagte habe mit den angefochtenen Bescheiden die Übernahme von Medikamentenkosten nach dem [X.] insoweit versagt, sodass über den geltend gemachten Anspruch vom 7.9.2006 bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] (am 17.12.2009) zu entscheiden sei. Dagegen habe die Klägerin erst mit Schreiben vom [X.] auf den Eisenmangel hingewiesen, ohne dies erkennbar mit einem Antrag auf Hilfeleistungen zu verbinden. Insoweit sei ein Vorverfahren nicht durchgeführt worden und die Klage also unzulässig. Gegenüber dem Beklagten bestehe ein Anspruch nicht. Die Voraussetzungen nach § 21 [X.] (insbesondere eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 [X.]) lägen nicht vor, da ein sonstiger, nicht ernährungsbedingter medizinischer Bedarf, der von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abgedeckt werde, in § 21 [X.] nicht genannt und daher kein Mehrbedarf in diesem Sinne sei (Hinweis auf B[X.] [X.]-4200 § 21 [X.]). Unabhängig davon, ob die Klägerin eine darlehensweise Gewährung von Leistungen nach § 23 [X.] überhaupt begehre, liege ein unabweisbarer Bedarf iS des § 23 Abs 1 Satz 1 [X.] nicht vor. Erst wenn eine Gefährdungslage für das sozialstaatlich unabdingbar gebotene Leistungsniveau entstehe, könne ein Anspruch nach § 23 Abs 1 Satz 1 [X.] entstehen. Zwar seien nach § 34 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch [X.] ([X.]B V) nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich von der Versorgung nach § 31 [X.]B V ausgeschlossen, nach Satz 2 dieser Vorschrift gelte aber eine Ausnahme bei bestimmten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als [X.] gälten und zur Anwendung bei dieser Erkrankung mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden könnten. Schon die Tatsache, dass der Klägerin die Arzneimittel nicht aufgrund der vorgenannten Vorschrift verordnet worden seien, spreche gegen eine Bedarfsunterdeckung im vorgenannten Sinne.

5

Auch ein Anspruch gegen den Beigeladenen nach § 73 [X.] bestehe nicht. Aufgrund der nach den Angaben der Klägerin vollständig aktenkundigen ärztlichen Privatrezepte und Apothekenquittungen für Medikamente sei weder eine Verletzung der klägerischen Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit (Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz <[X.]>) noch aus Art 2 Abs 1 [X.] iVm dem Sozialstaatsprinzip ersichtlich. Den streitgegenständlichen Bereich betreffe lediglich ein Privatrezept über [X.] (im Wert von ca 1,38 Euro für 20 Stück) sowie für [X.] vom [X.] (5,16 Euro für 20 Stück) und eine Apothekenquittung vom 19.2.2008 ([X.] Ratiopharm, 20 Stück für 6,65 Euro). Vor diesem Hintergrund ergäben sich auch keine Anhaltspunkte zu weiteren Ermittlungen.

6

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision. Die Klägerin macht einen Anspruch lediglich noch aus § 73 [X.] gegen die Beigeladene geltend. Vorliegend streite Art 2 Abs 2 [X.] für eine analoge Anwendung von § 73 [X.]. Sie leide unter vielfältigen chronischen Erkrankungen und habe einen atypischen Bedarf an nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, deren Kosten von der Krankenkasse nicht übernommen würden. Solche Kosten für chronisch Kranke seien in der Regelleistung nach § 20 [X.] nicht ausreichend abgebildet. Der für die Gesundheitspflege vorgesehene Anteil sei nicht dazu gedacht, den besonderen notwendigen Bedarf für nicht verschreibungspflichtige Medikamente in einem für chronisch Kranke notwendigen Umfang zu decken. Es sei mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht vereinbar, ihr die benötigten, jedoch nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführten Medikamente dauerhaft vorzuenthalten. Der Anspruch sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um [X.] handele. Es handele sich um regelmäßig anfallende Kosten, weil es um die Behandlung chronischer Leiden gehe.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.]s [X.] vom 17. Dezember 2009 und das Urteil des [X.] vom 29. August 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2007 aufzuheben und den Beigeladenen zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die auf Grundlage von ärztlichen Privatrezepten verordneten Medikamente zu erstatten.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das [X.] ([X.]) habe in seiner Entscheidung vom [X.] (1 BvR 395/09 - [X.]-4200 § 20 [X.] 1) klargestellt, dass die sogenannte Härtefallregelung nicht für Zeiten vor der Entscheidung am [X.] gelten solle. Ansprüche gegenüber dem Beklagten bestünden deshalb nicht.

Der Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sollte es sich bei den begehrten, von den Krankenkassen nicht abgedeckten Leistungen um einen verfassungsrechtlich geschützten Bedarf handeln, sei allein zu prüfen, ob die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungskonform auszulegen seien. Wenn die Klägerin tatsächlich einen besonderen Bedarf habe, könne sie diesen mittlerweile nach § 21 Abs 6 [X.] geltend machen. Eine Regelung, wonach solche Kosten von den Trägern der Sozialhilfe zu übernehmen seien, sei nicht ersichtlich.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Allerdings stellt sich die Klage entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nur teilweise als zulässig dar (dazu unter 1.). Soweit die Klägerin zulässigerweise die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die [X.] vom 7.9.2006 bis zum 31.12.2006 geltend macht, steht ihr ein Anspruch nicht zu, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben (dazu unter 2.).

1. Das von der Klägerin zutreffend im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Ziel, zusätzlich zur Regelleistung einen Mehrbedarf wegen der Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu erhalten, ist wegen der Leistungsklage nur teilweise, nämlich hinsichtlich des [X.]raums vom 7.9.2006 bis zum 31.12.2006, zulässig.

a) In der Sache macht die Klägerin höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geltend. Die Gewährung eines Mehrbedarfs kann von der Klägerin entgegen der Auffassung des [X.] nicht zulässigerweise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden, denn die Regelungen der Beklagten über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft) lassen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (vgl etwa [X.], 48 = [X.]-1500 § 71 [X.], Rd[X.]1; B[X.] [X.]-4200 § 21 [X.] Rd[X.]1). Um laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt es sich auch dann, wenn - wie hier - im Laufe des Verfahrens der Anspruch materiell-rechtlich allein noch auf § 73 [X.]B XII gestützt wird und sich also insoweit gegen den Beigeladenen richtet (zuletzt [X.] vom 15.12.2010 - [X.] AS 44/09 R - juris Rd[X.]3 und Urteil vom [X.] - [X.] AS 13/10 R - [X.]-3500 § 73 [X.] Rd[X.]2). Die weitere Auslegung des Klagebegehrens durch [X.] und [X.] dahin, dass nur die Klägerin, nicht dagegen die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts begehren, erweist sich als zutreffend (dazu B[X.] [X.]-4200 § 28 [X.] Rd[X.]5). Nach dem Gesamtzusammenhang der [X.]eststellungen des [X.] fließt der Bedarfsgemeinschaft kein weiteres, nach § 9 Abs 2 Satz 2 [X.]B II zu berücksichtigendes Einkommen zu, sodass die Höhe der Ansprüche der Kinder der Klägerin nicht von der Höhe des Bedarfs der Mutter abhängt (vgl § 9 Abs 2 Satz 3 [X.]B II).

b) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 4.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.], mit dem der Beklagte den zusätzlich zur Regelleistung geltend gemachten Mehrbedarf abgelehnt hat. Das Vorbringen der Klägerin in ihrem Schreiben vom 7.9.2006 ist dabei dahin auszulegen, dass sie die Notwendigkeit der Gewährung eines Mehrbedarfs wegen der Kosten, die aufgrund der chronischen Erkrankungen behauptet werden, und damit eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen von diesem [X.]punkt an geltend macht. Auf diesen Antrag hin hat der Beklagte in der Sache die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung mit Wirkung ab [X.]punkt der geltend gemachten Änderung überprüft. Der Bescheid des Beklagten vom 4.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] lässt zwar eine ausdrückliche Bezugnahme auf die mit Bescheid vom [X.] erfolgte Bewilligung für den [X.] vom [X.] bis zum 31.12.2006 nicht erkennen. Dies allein lässt aber - aus der insoweit für die Auslegung maßgeblichen Sicht eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (B[X.]E 67, 104, 110 = [X.] 3-1300 § 32 [X.] S 11) - nicht den Schluss zu, der Beklagte habe abschließend für die Zukunft über den geltend gemachten Mehrbedarf entscheiden wollen. Zu einer solchen Entscheidung mit Bindungswirkung für die Zukunft wäre er wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 [X.]B II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen nicht berechtigt gewesen (im Einzelnen Urteil des [X.]s vom 24.2.2011 - [X.] [X.]/10 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, Rd[X.]4). Die Bewilligungsentscheidungen wegen der [X.]olgezeiträume weisen dementsprechend jeweils eigenständige Entscheidungen über "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (inkl Mehrbedarfe)" aus.

In zeitlicher Hinsicht kann sich die Leistungsklage der Klägerin damit zulässigerweise nur auf höhere laufende Leistungen für den [X.] vom [X.] bis zum 31.12.2006 ab der geltend gemachten Änderung der Verhältnisse (hier ab dem 7.9.2006) richten. Die Bewilligungsentscheidungen wegen der [X.]olgezeiträume in den Jahren 2007 und 2008, die nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]essozialgerichts (B[X.]) nicht Gegenstand des Klage- bzw Berufungsverfahrens nach § 96 Sozialgerichtsgesetz ([X.]G) geworden sind (vgl nur B[X.]E 97, 242 = [X.]-4200 § 20 [X.], Rd[X.]0), hat die Klägerin im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung einschließlich der Mehrbedarfe nicht fristgerecht mit einem Rechtsbehelf angegriffen. Sie sind nach Aktenlage bestandskräftig geworden (vgl § 77 [X.]G), ihre Einbeziehung in das laufende Klage- bzw Berufungsverfahren im Wege der Klageänderung (§ 99 [X.]G, dazu B[X.] aaO) scheidet aus. Gleiches gilt schließlich für die [X.]e für das [X.], weil die Klägerin insoweit gesonderte Verfahren wegen der Höhe der Regelleistung unter dem Gesichtspunkt eines (seit dem 1.1.2009 von dem Beklagten nicht mehr anerkannten) ernährungsbedingten Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 [X.]B II anhängig gemacht hat und sie deswegen das vorliegende Verfahren nicht zulässigerweise um den bereits anderweitig rechtshängigen Streit wegen der Höhe der Regelleistung einschließlich der Mehrbedarfe erweitern kann.

2. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 [X.] und § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]B X). Nach § 48 Abs 1 Satz 1 [X.]B X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hier also der Bescheid vom [X.] über die Bewilligung der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B X mit Wirkung vom [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Dabei sind bei der [X.]rage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid (vom [X.]) abzuändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur B[X.] [X.]-4200 § 22 [X.]8 Rd[X.]2 mwN) .

Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 [X.]B X liegen jedoch nicht vor. Die Klägerin, die nach den [X.]eststellungen des [X.] Berechtigte iS des § 7 Abs 1 [X.]B II id[X.] des [X.] vom 30.7.2004 ([X.]) ist, hat neben einem Anspruch auf Regelleistung, der nach den [X.]eststellungen des [X.] und dem Vortrag der Beteiligten dem Grunde und der Höhe nach nicht zweifelhaft ist, keine weiteren Ansprüche auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen der von ihr geltend gemachten Belastungen mit Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Eine wesentliche Änderung ist damit nicht eingetreten, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben.

a) Ein Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf ist dabei unter allen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Entgegen der Auffassung des [X.] bleiben insbesondere die Aufwendungen wegen des behaupteten Eisenmangels nicht deshalb außer Betracht, weil sie nicht beantragt worden sind. Es genügt, dass die Klägerin auf die bei ihr bestehenden chronischen Erkrankungen und damit auf gesundheitliche Einschränkungen hingewiesen hat, aus denen die geltend gemachten Kosten erwachsen. Ein Mehrbedarf, bei dem es sich um eine laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt, muss nicht gesondert beantragt werden (vgl nur Urteil des [X.]s vom [X.] - [X.] [X.]/09 R - [X.]-4200 § 28 [X.] Rd[X.]4 mwN).

b) Der [X.] geht im [X.] an die Rechtsprechung des 7b. [X.]s des B[X.] (B[X.]E 97, 242 = [X.]-4200 § 20 [X.]) davon aus, dass die Regelungen des [X.]B II in der im streitigen [X.]raum geltenden [X.]assung keine Erhöhung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts über die gesetzliche Pauschale hinaus zulassen (zuletzt Urteil vom 15.12.2010 - [X.] AS 44/09 R - juris Rd[X.]7 zu Kosten, die aufgrund einer Behinderung entstehen; Urteil vom [X.] - [X.] AS 13/10 R - [X.]-3500 § 73 [X.] Rd[X.]4 zu Kosten eines Hygienemehrbedarfs bei AIDS und Urteil vom 28.10.2009 - [X.] AS 44/08 R - [X.]-4200 § 7 [X.]5 Rd[X.]7 zu Mehrkosten einer Schülermonatskarte ). Insbesondere scheidet § 21 Abs 5 [X.]B II als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Mehrbedarf aus, weil die Klägerin auch hinsichtlich der bestehenden Osteoporose im Ergebnis ihres Vortrages keine kostenaufwändige Ernährungsweise, sondern die Notwendigkeit der ergänzenden Einnahme von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geltend macht. Ein solcher Anspruch ist von § 21 Abs 5 [X.]B II nicht erfasst (vgl bereits B[X.] [X.]-4200 § 21 [X.] Rd[X.]1). § 23 Abs 1 [X.]B II als Rechtsgrundlage scheidet ebenfalls aus, weil es sich bei den geltend gemachten zusätzlichen Bedarfen um wiederkehrende Bedarfe handelt, die einer darlehensweisen Gewährung nicht zugänglich sind (vgl [X.] vom [X.], aaO, unter Hinweis auf [X.]-4200 § 7 [X.]5). Der [X.] geht schließlich davon aus, dass der vom [X.] geforderte verfassungsrechtliche Anspruch bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen (vgl [X.]E 125, 175, 252 ff = [X.]-4200 § 20 [X.]2 Rd[X.]04 ff) nur dann eingreift, wenn nicht bereits aufgrund einfachgesetzlicher Regelungen eine Leistungsgewährung möglich ist ([X.] vom [X.] - [X.] AS 13/10 R - [X.]-3500 § 73 [X.] Rd[X.]3; im Einzelnen sogleich).

c) Der Klägerin steht aber auch gegen den Beigeladenen ein Anspruch aus § 73 [X.]B XII nicht zu. Hiernach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 [X.]B XII ist nach der Rechtsprechung des 7b. [X.]s, der sich der erkennende [X.] angeschlossen hat, eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 [X.]B XII geregelten Bedarfslagen aufweist und deren Sicherstellung zugleich aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist (vgl B[X.]E 97, 242 = [X.]-4200 § 20 [X.], Rd[X.]2 f; [X.] vom [X.] - [X.] AS 13/10 R - [X.]-3500 § 73 [X.] Rd[X.]9 f).

Wie der [X.] bereits entschieden hat und wovon auch die Vorinstanzen ausgehen, kann es sich hinsichtlich der geltend gemachten Bedarfe dem Grunde nach um Bedürfnisse mit Grundrechtsbezug handeln (hierzu Urteil des [X.]s vom 28.10.2009 - [X.] AS 44/08 R - [X.]-4200 § 7 [X.]5 Rd[X.]1). Durch eine nicht ausreichende Versorgung mit Arzneimitteln könnte das Recht der Klägerin auf Leben (Gesundheit) und körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs 2 GG berührt sein (zur Bedeutung dieses Grundrechts im Sozialrecht vgl insbesondere [X.]E 115, 25 ff = [X.]-2500 § 27 [X.]). Im Hinblick auf die streitigen Kosten einer Krankenbehandlung (hier die Versorgung mit Arzneimitteln) sind jedoch - anders als etwa hinsichtlich der Bedarfe für besondere Hygienemaßnahmen (vgl [X.] vom [X.] - [X.] AS 13/10 R - [X.]-3500 § 73 [X.] Rd[X.]7) - unabweisbare Bedarfe, die nicht entweder durch das System des [X.]B V (dazu unter aa) oder (ergänzend) durch die Regelleistung abgedeckt werden (dazu unter [X.]), nicht ersichtlich.

aa) Das sozialrechtlich zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG umfasst auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung ([X.] Urteil vom [X.] - 1 BvL 1/09 - [X.]E 125, 175 ff, 223 = [X.]-4200 § 20 [X.]2 Rd[X.]35; [X.] vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R - B[X.]E 100, 221 = [X.]-2500 § 62 [X.], Rd[X.]1; [X.] vom 18.1.2011 - B 4 [X.]/10 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen, Rd[X.]3). Der Anspruch auf Existenzsicherung insoweit wird im [X.]all der Klägerin - wie für den ganz überwiegenden Teil der Hilfebedürftigen - in erster Linie durch ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl § 5 Abs 2a [X.]B V) abgedeckt, deren Beiträge der Träger der Grundsicherung zahlt (§ 252 Abs 1 Satz 2 [X.]B V) und der [X.] trägt (§ 46 Abs 1 [X.]B II). Die Klägerin hat als Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 [X.]B V, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl § 27 Abs 1 Satz 1 [X.]B V); vom Anspruch auf Krankenbehandlung ist die Versorgung mit Arzneimitteln erfasst (§ 27 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B V). [X.] nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (sog [X.]; OTC = over the counter), deren Kosten die Klägerin vorliegend geltend macht, sind seit dem 1.1.2004 zwar grundsätzlich von der Versorgung nach §§ 31, 34 Abs 1 Satz 1 [X.]B V ausgeschlossen. Dies gilt allerdings auch hinsichtlich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nicht schlechthin und ausnahmslos, denn § 34 Abs 1 Satz 2 [X.]B V ermächtigt den Gemeinsamen [X.]esausschuss ([X.]), in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B V festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als [X.] gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung des Vertragsarztes ausnahmsweise verordnet werden können. Hiervon hat der [X.] Gebrauch gemacht und seine [X.] mit Beschluss vom 16.3.2004 um einen Abschnitt [X.] ergänzt (vgl BAnz 2004 S 8905, nunmehr § 12 der [X.]). Die Verordnung dieser Arzneimittel ist danach ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als [X.] gelten. Dabei gilt eine Krankheit als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Ausdrücklich genannt sind (mittlerweile in der Anlage I zu den genannten Richtlinien; zuvor in Abschnitt [X.] 16.4.9 und 16.4.14) verschiedene nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die unter anderem bei den Krankheiten Osteoporose und Eisenmangelanämie (die bei der Klägerin nach ihrem Vortrag vorliegen) unter bestimmten weiteren Voraussetzungen als [X.] gelten (zum Ganzen [X.] vom 6.11.2008 - B 1 KR 6/08 R - B[X.]E 102, 30 = [X.]-2500 § 34 [X.] 4).

Damit ist ohne weitere Ermittlungen seitens der Träger der Grundsicherung davon auszugehen, dass grundrechtsrelevante Beeinträchtigungen durch eine nicht ausreichende Krankenbehandlung, die durch ergänzende Leistungen der Grundsicherung abzuwenden wären, ausscheiden. Im Grundsatz ist eine Behandlung ua von Osteoporose und Eisenmangelanämie auch durch [X.] zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung dann gesichert, wenn die Erkrankung lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen nach dem [X.]B V und damit insbesondere die [X.]rage, ob sich § 34 Abs 1 [X.]B V im Einzelnen als verfassungsgemäß darstellt, können nur innerhalb dieses Leistungssystems daraufhin überprüft werden, ob sie im Rahmen des Art 2 Abs 1 GG gerechtfertigt sind (dazu [X.]E 115, 25 ff = [X.]-2500 § 27 [X.]). Die [X.]rage, ob die Kosten für Arzneimittel als Teil einer Krankenbehandlung übernommen werden, muss der Hilfebedürftige gegenüber seiner Krankenkasse klären. Hinsichtlich der therapeutischen Notwendigkeit einer bestimmten Krankenbehandlung und den Anforderungen an ihren Nachweis gelten für Leistungsempfänger nach dem [X.]B II keine anderen Voraussetzungen als für die übrigen Versicherten nach dem [X.]B V, die Versicherungsschutz insbesondere aufgrund abhängiger Beschäftigung erlangen (vgl bereits Urteil des [X.]s vom 15.12.2010 - [X.] AS 44/09 R - juris Rd[X.]1).

[X.]) Die übrigen Kosten für Gesundheitspflege, die unter anderem für medizinisch notwendige, aber nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse abgedeckte [X.] unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung der [X.] auch von Hilfebedürftigen nach dem [X.]B II selbst zu zahlen sind, sind in der Regelleistung abgebildet und lösen damit grundsätzlich keinen Bedarf nach § 73 [X.]B XII aus. Im streitigen [X.]raum wird für die Abteilung 06 (Gesundheitspflege) auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 ein Gesamtbetrag in Höhe von 13,19 Euro berücksichtigt (vgl [X.]). Soweit die Klägerin wegen ihrer chronischen Erkrankungen geltend macht, dieser Betrag reiche nicht aus, richtet sich dieser Angriff im [X.] gegen die Höhe der Regelleistung. Bezogen auf die [X.] vor dem 1.1.2011 hat das [X.] (aaO, Rd[X.]10 ff) hinsichtlich der Höhe der Regelleistung klargestellt, dass deren rückwirkende Erhöhung ausscheidet. Ohnehin macht die Klägerin wegen der Erkrankungen, die nicht schon in der Anlage I der [X.] erfasst sind, nach den [X.]eststellungen des [X.] keine Kosten geltend, die den in der Regelleistung enthaltenen Betrag übersteigen. Allein die Tatsache, dass auch die weiteren Erkrankungen chronisch sein mögen, führt jedenfalls nicht zu einem Anspruch auf einen höheren Bedarf. Ob der seit dem 1.1.2011 geltende Regelbedarf unter Berücksichtigung (auch) der vom Leistungsberechtigten nach dem [X.]B II selbst zu tragenden Kosten für Gesundheitspflege ausreichend hoch bestimmt ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 146/10 R

26.05.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 29. August 2008, Az: S 124 AS 14819/07, Urteil

§ 95 SGG, § 20 Abs 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 21 Abs 5 SGB 2 vom 24.12.2003, § 73 S 1 SGB 12, § 27 Abs 1 S 1 SGB 5, § 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 5, § 34 Abs 1 S 1 SGB 5, § 34 Abs 1 S 2 SGB 5, § 12 AMRL, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.05.2011, Az. B 14 AS 146/10 R (REWIS RS 2011, 6223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6223

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