Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.10.2017, Az. B 1 KR 18/17 B

1. Senat | REWIS RS 2017, 3359

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Beweiswürdigung - Fehlen von Entscheidungsgründen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 15. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, sie mit einer beidseitigen Mammareduktionsplastik zu versorgen, bei der [X.] und dem [X.] erfolglos geblieben. Das L[X.] hat ihre Berufung zurückgewiesen, die sie wegen Selbstbeschaffung der Leistung auf Zahlung von 2900 Euro gerichtet hat: Sie habe die Voraussetzungen für die begehrte Versorgung nicht erfüllt. Sie habe an keiner Krankheit gelitten, für die im Rechtssinne eine stationäre Mammareduktionsplastik notwendig gewesen sei. Weder habe eine Funktionsbeeinträchtigung der Brüste noch eine Entstellung vorgelegen noch ein hinreichender Grund für eine mittelbare Krankenbehandlung (Urteil vom 15.2.2017).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im L[X.]-Urteil.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] [X.]G zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] [X.]G abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G - hierzu 1.) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G - hierzu 2.).

4

1. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.]G und § 128 Abs 1 S 1 [X.]G (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB B[X.] SozR 1500 § 160a [X.]4, 24, 36). Daran fehlt es.

5

a) Die Klägerin rügt, das L[X.] habe den Wertungsrahmen verlassen, der durch den Grundsatz der freien Beweiswürdigung eröffnet sei. Es habe einseitig Beweisfeststellungen des Sachverständigen und der behandelnden Ärzte außer [X.] gelassen und sei so zu einem falschen und nicht hinnehmbaren Ergebnis gekommen. Es habe seine Entscheidung auf Schlussfolgerungen gestützt, die der Sachverständige nicht gezogen habe. Die Klägerin beachtet nicht, dass ein Verfahrensmangel nach der dargelegten ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung gestützt werden kann (vgl auch B[X.] Beschluss vom 14.10.2016 - [X.] KR 59/16 B - Juris Rd[X.]). Dies gilt selbst dann, wenn offensichtliche Widersprüche zwischen der Folgerung des Gerichts und der Aussage des Sachverständigen vorliegen (B[X.] Beschluss vom 8.10.1992 - 13 BJ 89/92 - Juris Rd[X.] 5; [X.], [X.]G, Stand April 2017, § 160 [X.] mwN). Die Beschwerdeführerin kann die gesetzliche Beschränkung der Verfahrensrüge auch nicht dadurch erfolgreich umgehen, dass sie die Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung zusätzlich als eine Verletzung des Willkürverbots bezeichnet (vgl B[X.] Beschluss vom 7.6.2016 - [X.]3 R 40/16 B - Juris Rd[X.] 6). Der erkennende Senat muss nicht weiter vertiefen, inwieweit von der Klägerin behauptete Widersprüche zwischen der Urteilsbegründung des L[X.] und den Ausführungen des gehörten Sachverständigen tatsächlich bestehen.

6

b) Soweit die Klägerin mit ihrer Darlegung, das L[X.] nehme "keine Beweiswürdigung vor, sondern stellt das Ergebnis des Sachverständigen verzerrend dar", sinngemäß das Fehlen von Entscheidungsgründen rügen will, legt sie deren Fehlen nicht schlüssig dar. Zwar sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (vgl § 128 Abs 1 [X.] [X.]G). Die Klägerin trägt aber selbst nicht vor, dass das L[X.] die Beweisergebnisse nicht gewürdigt hat, sondern kritisiert, dass das L[X.] sie nach ihrer Auffassung hätte abweichend würdigen müssen. Entscheidungsgründe fehlen nicht bereits dann, wenn die Gründe (vermeintlich) sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (stRspr, vgl zB B[X.] SozR [X.]9 zu § 128 [X.]G; B[X.] Beschluss vom 10.3.2011 - [X.] KR 134/10 B - Juris Rd[X.]1 mwN; B[X.] Beschluss vom 14.10.2016 - [X.] KR 59/16 B - Juris Rd[X.]). Infolgedessen legt eine Beschwerdebegründung das Fehlen von Gründen nicht schlüssig dar, wenn sie lediglich geltend macht, das L[X.] hätte weitere, konkret benannte rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte behandeln müssen. Im [X.] greift sie damit nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen, sondern die Richtigkeit der Entscheidung an. Solches Vorbringen reicht nicht aus, um die Revision zuzulassen (vgl B[X.] SozR 1500 § 160a [X.]; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 65/05 B - Juris Rd[X.]5; B[X.] Beschluss vom 10.3.2011 - [X.] KR 134/10 B - Juris Rd[X.]1 mwN; B[X.] Beschluss vom 14.10.2016 - [X.] KR 59/16 B - Juris Rd[X.]). So liegt es hier. Die Klägerin erläutert die (vermeintlich) fehlerhafte Beweiswürdigung lediglich umfänglich.

7

c) Die Klägerin rügt auch nicht zulässig, die Tatsachenfeststellung des L[X.] sei unvollständig. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 [X.]G stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des L[X.] wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (stRspr, vgl zB B[X.] Beschluss vom 20.7.2010 - [X.] KR 29/10 B - Rd[X.] 5 mwN; B[X.] Beschluss vom 1.3.2011 - [X.] KR 112/10 B - Juris Rd[X.] mwN; B[X.] Beschluss vom 14.10.2016 - [X.] KR 59/16 B - Juris Rd[X.] 5). Hierzu gehört die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl zB B[X.] Beschluss vom 14.6.2005 - [X.] KR 38/04 B - Juris Rd[X.] 5; B[X.] SozR 4-1500 § 160 [X.]3 Rd[X.]1 mwN). Daran fehlt es. Die Klägerin benennt bereits keinen Beweisantrag.

8

2. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwieweit diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB B[X.] SozR 3-1500 § 160a [X.] 21 [X.]8; B[X.] SozR 3-4100 § 111 [X.] [X.] f; B[X.] SozR 3-2500 § 240 [X.]3 S 151 f mwN). Die Klägerin formuliert bereits keine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung. Sie wirft vielmehr die Fragen auf, ob die bei ihr diagnostizierte [X.] beidseits eine Krankheit darstelle und daher ein Anspruch auf die Erbringung der Krankenhausleistung bestehe. Sie rügt damit die fehlerhafte Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall. Die möglicherweise fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall kann indes nicht zur Zulassung der Revision führen, denn die Revision dient nicht - wie schon die enumerative Aufzählung der Zulassungsgründe in § 160 Abs 2 [X.]G zeigt - einer allgemeinen Überprüfung des Rechtsstreits in der Sache (vgl zB B[X.] SozR 3-1500 § 160 [X.] 26). Auch wenn man die Fragen sinngemäß als allgemein gestellt auslegen wollte, legt die Klägerin nicht hinreichend in Auseinandersetzung mit der in der angefochtenen Entscheidung zitierten Rspr des B[X.] dar, wieso unter Berücksichtigung der nach vorstehenden Darlegungen (vgl oben, unter [X.]) bindenden Feststellungen des L[X.] (vgl § 163 [X.]G) Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren bestehen könnte.

9

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 [X.] [X.]G).

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 1 KR 18/17 B

25.10.2017

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Magdeburg, 16. Oktober 2014, Az: S 17 KR 143/10

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 128 Abs 1 S 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.10.2017, Az. B 1 KR 18/17 B (REWIS RS 2017, 3359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3359

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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