Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2004, Az. IV ZR 228/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2848

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]/03

Verkündet am:

9. Juni 2004

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein _____________________

[X.] § 4 I Ziff. 6a

Zum Verhältnis des Ausschlußtatbestandes in § 4 I Ziff. 6a [X.] zu Regelungen in Besonderen Bedingungen.

[X.], Urteil vom 9. Juni 2004 - [X.]/03 - OLG Stuttgart

LG Stuttgart

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2004

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivil-senats des [X.] vom 11. Sep-tember 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die Beklagte aus einer Industrie-Haftpflichtversicherung bedingungsgemäßen Versicherungs-schutz zu gewähren hat. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemei-nen Versicherungsbedingungen für die Haftpflicht-Versicherung ([X.]) und die Risikobeschreibungen, Besonderen Bedingungen und Erläute-rungen zur Industrie-Haftpflichtversicherung ([X.]) zugrunde. Nach [X.]. I, Ziff. 1 [X.] ist "auf der Grundlage der [X.] für die Haftpflicht-Versicherung" die gesetzliche Haftpflicht der Klä-gerin aus "den Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und [X.] als Betreiberin eines Möbel-Einzelhandelsgeschäftes versichert. Gemäß [X.]. II, Ziff. 1 [X.] ist mitversichert die Haftpflicht der Klägerin aus "betriebsüblichen Risiken", insbesondere - 3 -

"a) als Eigentümer, Mieter, Leasingnehmer, Pächter und Nutznießer von Grundstücken, Gebäuden und Räum-lichkeiten, die ausschließlich für den versicherten [X.] oder für Wohnzwecke des Versicherungsnehmers und seiner Betriebsangehörigen benutzt werden.

Versichert sind hierbei Ansprüche aus Verstoß gegen die in obengenannten Eigenschaften obliegenden Pflichten (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen, Bürgersteigen und Fahrbahnen) - auch soweit sie der
Versicherungsnehmer in gesetzlichem Umfang vertrag-lich übernommen hat."

In der Nacht vom 9. auf den 10. März 2002 brannten die von der Klägerin und dem Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH angemie-teten Gewerberäume vollständig nieder. Die Erbinnen des Vermieters nehmen die Klägerin, den mitversicherten Geschäftsführer und einen [X.] mitversicherten leitenden Angestellten wegen der Kosten für die [X.] in Höhe von 35.626,31 • in Anspruch. Sie machen geltend, der Brand sei auf eine Knallgasexplosion zurückzuführen, die ihrerseits auf einer unzureichenden Wartung und Kontrolle der [X.] für die Sicherheitsbeleuchtung beruhe. Mit gleicher Begrün-dung verlangt der [X.], der eine Entschädigung für das zerstörte Gebäude gezahlt hat, einen Betrag von 1.700.000 •.

Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen, weil sich die Beklagte auf den [X.] nach § 4 I Ziff. 6a [X.] berufen könne. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

- 4 -

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Haftungsausschluß in § 4 I Ziff. 6a [X.] werde durch [X.]. II, Ziff. 1a [X.] nicht berührt. Die letztgenannte Klausel beziehe sich nicht auf das von § 4 I Ziff. 6a [X.] allein gemeinte Schadensereignis - also die Beschädigung oder [X.], die der Versicherungsnehmer gemietet ha-be -, sondern auf das versicherte Risiko, indem sie die gesetzliche Haft-pflicht des Versicherungsnehmers konkretisiere. Einem verständigen Versicherungsnehmer werde das durch die Aufzählung unter [X.]. II, Ziff. 1a [X.] deutlich, die unter anderem den Versicherungsnehmer in seiner Stellung als Eigentümer aufführe. Die Sichtweise der Klägerin [X.] zur Folge, daß dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz auch im Hinblick auf die in seinem Eigentum stehenden Sachen zustünde. An anderer Stelle, etwa in [X.]. [X.], Ziff. 11 [X.], werde eine Abweichung von § 4 I Ziff. 6a [X.] zudem besonders hervorgehoben.

I[X.] Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß sich die Beklagte auf den [X.] nach § 4 I Ziff. 6a [X.] berufen kann. Die [X.] stehen der Anwendbarkeit der [X.] nicht entgegen; insbesondere findet sich unter [X.]. II, Ziff. 1 keine "ausdrücklich andere Bestimmung" im Sinne des § 4 I [X.].
- 5 -

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdi-gung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß; in diesem Zusammenhang kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an ([X.]Z 84, 268, 272; [X.]Z 123, 83, 85 und ständig).

b) Der Versicherungsnehmer, der eine Industrie-Haftpflichtver-sicherung abschließt, wird erkennen, daß unter [X.]. I, Ziff. 1 i.V. mit [X.]. II, Ziff. 1 [X.] der gegenständliche Bereich des von der [X.] versprochenen Versicherungsschutzes festgelegt wird. Versichert ist danach die gesetzliche Haftpflicht der Klägerin aus den "betriebsüblichen Risiken", die mit ihrer Tätigkeit im Möbel-Einzelhandel einhergehen. Was unter betriebsüblichen Risiken zu verstehen ist, wird unter [X.]. II, Ziff. 1 näher umschrieben und durch die Aufzählung spezifischer Gefahren ("insbesondere") verdeutlicht. Vom Versicherungsschutz erfaßt ist die gesetzliche Haftpflicht der Klägerin als Mieterin von Grundstücken, Ge-bäuden und Räumlichkeiten, die für den versicherten Betrieb genutzt werden. Versichert sind Ansprüche, die sich aus Verstößen gegen die ihr als Mieterin obliegenden Pflichten ergeben, wobei diese Pflichten in der Klausel beispielhaft aufgeführt werden ("bauliche Instandhaltung, Be-leuchtung, Reinigung, ..."). Dazu zählen grundsätzlich auch die - hier nach § 67 [X.] teilweise auf den [X.] übergegangenen - Ansprüche des Vermieters, die er deshalb erhebt, weil die Klägerin mit der gemieteten Sache nicht sorgsam umgegangen sein soll (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 306d StGB).
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c) Bei aufmerksamer Durchsicht der Versicherungsbedingungen erschließt sich dem Versicherungsnehmer aber auch, daß die Umschrei-bung des versicherten Risikos für sich allein noch nichts darüber besagt, unter welchen weiteren Voraussetzungen die Beklagte dafür [X.] gewähren will. Das kommt in [X.]. I, Ziff. 1 [X.] durch den Hinweis, die gesetzliche Haftpflicht der Klägerin werde "auf [X.] der [X.]" versichert, ebenso zum Ausdruck wie durch die [X.] unter [X.]. II, Ziff. 1, die betriebsüblichen Risiken seien "im Rahmen dieses Vertrages" versichert, was die eingangs der [X.] erfolgte Be-zugnahme auf die [X.] wiederholt. Für den durchschnittlichen Versiche-rungsnehmer geht daher aus den Bedingungen mit der gebotenen Deut-lichkeit hervor, daß auch der nach § 4 I Ziff. 6a [X.] geltende Haftungs- ausschluß weiterhin Geltung hat (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 1962 - [X.] - VersR 1963, 32, 33; [X.] VersR 1960, 697, 698; [X.] VersR 1988, 393; [X.], [X.], 176; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 26. Aufl. § 1 [X.] [X.]. 19; [X.], [X.] § 4 [X.]. 208; Späte, [X.] Teil B § 4 [X.]. 113; anders - Abbedingung des Ausschlusses - [X.], 1215, 1216), mithin Versi-cherungsschutz für Haftpflichtansprüche wegen der Beschädigung frem-der, vom Versicherungsnehmer gemieteter Sachen nicht besteht.

2. Anders als die Kläger meinen, verliert das Leistungsversprechen der [X.], die gesetzliche Haftpflicht der Klägerin in ihrer Eigen-schaft als Mieterin des für den Betrieb genutzten Gebäudes zu [X.], durch die [X.] des § 4 I Ziff. 6a [X.] nicht jeden sachlichen Gehalt. Denn von dieser werden nur Schäden an der gemie-teten Sache selbst ausgenommen. Unberührt bleiben Ansprüche wegen Personenschäden und solcher Sachschäden, die an anderen Sachen als - 7 -

an der gemieteten eintreten ([X.], aaO; [X.] aaO; [X.], aaO). Ein verständiger Versicherungsnehmer wird sich in diesem Zu-sammenhang bewußt machen, daß sich aus seiner Stellung als Mieter eines Grundstücks oder Gebäudes über seine Rechtsbeziehung zum Vermieter hinaus eine Vielzahl von - in der Klausel durch die Nennung von Beispielen erläuterten - Verkehrssicherungspflichten ergeben kann, die [X.] in sich [X.], für die er Versicherungsschutz benötigt und auf Grundlage des [X.] der [X.] auch erhält.

3. Daß sich die inhaltliche Bedeutung der Klausel unter [X.]. II, Ziff. 1 [X.] auf die Beschreibung des versicherten Risikos beschränkt, ohne den Haftungsausschluß nach § 4 I Ziff. 6a [X.] zu beeinflussen, wird der Versicherungsnehmer zudem einer Zusammenschau der [X.], in die [X.] aufgenommenen Klauseln entnehmen. Denn in den Bestimmungen, die [X.]. II, Ziff. 1a [X.] nachfolgen, werden Abwei-chungen gegenüber den [X.] ausdrücklich hervorgehoben. Es wird [X.] besonders kenntlich gemacht, falls sich Veränderungen für die nach den [X.] bestehenden Leistungsausschlüsse ergeben. So enthält [X.]. [X.], Ziff. 11 [X.] eine Deckungserweiterung gegenüber § 4 I Ziff. 6a [X.] für die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden, die anläßlich von Geschäftsreisen an gemieteten Wohnräumen entstehen. Die Klausel unter [X.]. [X.], Ziff. 13 [X.] erfaßt - in Ergänzung des § 1 Ziff. 3 [X.] und abweichend von § 4 I Ziff. 6a [X.] - die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers wegen der Beschädigung, Vernichtung oder des Abhandenkommens von Sachen Betriebsangehöriger und Besuchern ein-schließlich von Kraftfahrzeugen. Diese besondere Gestaltung der [X.] konnte vom [X.] der Klägerin aus nur bedeuten, - 8 -

daß verschiedene Leistungsausschlüsse nach den [X.] keine Geltung haben, es bei dem [X.] für Schäden an gemieteten Sa-chen hingegen verbleiben sollte.

[X.][X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 228/03

09.06.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2004, Az. IV ZR 228/03 (REWIS RS 2004, 2848)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2848

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