Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2013, Az. IV ZR 260/12

4. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8196

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Gegenstand

Erweiterter Haftpflichtversicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung: Auslegung der Besonderen Versicherungsbedingungen für einen Forderungsausfall


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 19. Juli 2012 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen

vier Wochen.

Gründe

1

[X.] Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer im Rahmen einer Privathaftpflichtversicherung geschlossenen Forderungsausfallversicherung auf Ersatz eines Schadens in Anspruch, der ihm aus betrügerischen Handlungen des [X.]in den Jahren 2006 und 2007 in behaupteter Gesamthöhe von 238.995,72 € entstanden ist.

2

Der Versicherungsschein vom 8. August 2003 beinhaltet eine Abdeckung von Personen-, Sach- und Vermögensschäden einschließlich Ausfalldeckung ab einer Schadensersatzforderung von 5.000 € im Sinne der zugrunde liegenden Besonderen Bedingungen. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung ([X.] 2002) zugrunde. Dort heißt es in [X.] § 1 unter anderem:

"1. Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadensereignisses, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen (Personenschaden) oder die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) zur Folge hatte, für diese Folgen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem [X.] auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

3. Der Versicherungsschutz kann durch besondere Vereinbarung ausgedehnt werden auf die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschädigung, die weder durch Personenschaden noch durch Sachschaden entstanden ist, sowie wegen Abhandenkommens von Sachen. …"

3

In § 4 ist zu Ausschlüssen unter anderem bestimmt:

"I[X.] Ausgeschlossen von der Versicherung bleiben:

1. Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. …"

4

Ferner sind Vertragsbestandteil die "Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflicht-Versicherung für Privatpersonen [X.]" ([X.]). Unter der Überschrift "[X.]" ist in [X.] Nr. 9 bestimmt:

"Bei Ausfall von rechtskräftig ausgeurteilten und vollstreckbaren Forderungen gegenüber [X.] gilt folgendes:

1) Die [X.] gewährt dem Versicherungsnehmer und der/den versicherten Person/en Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person während der Wirksamkeit der Versicherung von einem [X.] geschädigt wird und die daraus entstandenen Schadenersatzforderungen gegen den Schädiger nicht durchgesetzt werden können. Inhalt und Umfang der Schadenersatzansprüche richten sich in entsprechender Anwendung nach dem Deckungsumfang der Privathaftpflichtversicherung dieses Vertrages. Darüber hinaus besteht Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche, denen ein vorsätzliches Handeln des Schädigers (des [X.]) zugrunde liegt und für Schadenersatzansprüche, die aus der Eigenschaft des Schädigers ([X.]) als Tierhalter oder -hüter entstanden sind.

2) Haftpflichtschaden im Sinne dieser Bedingungen ist das Schadenereignis, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen (Personenschaden) oder die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) zur Folge hatte und für dessen Folgen der Versicherungsnehmer den [X.] aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Schadenersatz in Anspruch genommen hat.

…"

5

Das [X.] hat die auf Zahlung von 238.995,92 € nebst [X.] gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich seine Revision.

6

I[X.] Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

7

1. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht. Das Berufungsgericht hat, ohne einen der Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO zu benennen, die Revision zugelassen mit Rücksicht auf die zur Auslegung vergleichbarer Klauseln ergangenen Entscheidungen des [X.] vom 30. April 2009 (8 U 11/09, [X.], 1257) und vom 12. August 2010 (8 [X.]/09, bei juris; dasselbe Verfahren betreffend). Tatsächlich liegt kein Zulassungsgrund vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erforderlich. Es handelt sich lediglich um die Auslegung von Versicherungsbedingungen im Einzelfall.

8

Zunächst weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass [X.] Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der Schadensersatzansprüche auf den Umfang der Privathaftpflichtversicherung dieses Vertrages in entsprechender Anwendung verweist. Hieraus folgt, dass über [X.] § 1 Ziff. 3 [X.] 2002 in Verbindung mit dem Versicherungsschein grundsätzlich auch Vermögensschäden vom Versicherungsschutz umfasst wären. Erhebliche [X.] gegen diese Feststellungen bringt die Revisionserwiderung nicht vor. Weiter erfolgt durch [X.] Nr. 9 Abs. 1 Satz 3 [X.] eine Ausweitung des Deckungsschutzes auch für vorsätzliche Schädigungshandlungen des [X.]. Insoweit wird [X.] § 4 II Ziff. 1 [X.] 2002 abbedungen.

9

Dieser möglichen Erweiterung des Versicherungsschutzes auf Vermögensschäden steht allerdings [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] entgegen. Hiernach ist Haftpflichtschaden im Sinne dieser Bedingungen das Schadenereignis, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen (Personenschaden) oder die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) zur Folge hatte und für dessen Folgen der Versicherungsnehmer den [X.] aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Schadensersatz in Anspruch genommen hat. Somit besteht in der Forderungsausfallversicherung gerade kein Deckungsschutz für reine Vermögensschäden. Vielmehr wird der Deckungsumfang auf denjenigen beschränkt, der grundsätzlich auch in der allgemeinen Haftpflichtversicherung in [X.] § 1 Ziff. 1 vorgesehen ist. Ein derartiger Haftpflichtschaden liegt hier nicht vor, da der Kläger infolge des betrügerischen Handelns des J.    einen reinen Vermögensschaden erlitten hat.

Diese auch vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Versicherungsbedingungen steht nicht im Gegensatz zu den Entscheidungen des [X.] vom 30. April 2009 (8 U 11/09, [X.], 1257) und vom 12. August 2010 (8 [X.]/09, bei juris). Soweit der Kläger vorgetragen hat, jenem Urteil lägen die gleichen Versicherungsbedingungen wie die hier vorliegenden zugrunde, trifft dies nicht zu. Insbesondere kommt hier gerade die besondere Regelung der Definition des [X.] in [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] zum Tragen, die in der Entscheidung des [X.] nicht streitgegenständlich war. Ziff. 6.2 der dort verwendeten Bedingungen enthielt anders als hier [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] keine Definition des [X.], sondern eine Bestimmung des Inhalts, dass eine Inanspruchnahme aus der Forderungsausfallversicherung nur möglich ist, wenn die Zwangsvollstreckung aus dem Titel erfolglos geblieben ist oder voraussichtlich erfolglos bleiben wird (Urteil vom 30. April 2009 aaO Rn. 28). Ein Fall der Divergenz liegt daher nicht vor. [X.] Fragen oder solche zur Fortbildung des Rechts sind gleichfalls nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht vorgetragen.

2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger macht insoweit zunächst geltend, zwischen [X.] Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 [X.] bestehe für den verständigen Versicherungsnehmer ein Widerspruch, weil nach der erstgenannten Regelung der

Deckungsschutz der Forderungsausfallversicherung sich strikt nach der Haftpflichtversicherung richte, hier also auch Vermögensschäden erfasse, während dies nach [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] gerade nicht gelten solle.

Tatsächlich besteht ein derartiger Widerspruch nicht. [X.] Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] regelt lediglich allgemein, dass sich Inhalt und Umfang der Schadensersatzansprüche in entsprechender Anwendung nach dem Deckungsumfang der Privathaftpflichtversicherung dieses Vertrages richten. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob lediglich Sach- und Personenschäden versichert oder zusätzlich Vermögensschäden erfasst werden. Vielmehr wird umfassend auf sämtliche Regelungen hinsichtlich Deckungsumfang, Leistungsausschlüssen etc. verwiesen. Demgegenüber enthält [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] keine pauschale Verweisung, sondern enthält lediglich die Umschreibung des [X.] gerade für den in [X.] Nr. 9 [X.] geregelten Fall der Forderungsausfallversicherung. Insoweit ist [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] eine Sonderregelung zu [X.] Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Aus [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] kann der verständige Versicherungsnehmer ohne weiteres entnehmen, dass im Bereich der Forderungsausfallversicherung nur Personen- und Sachschäden mit den daraus resultierenden Folgeschäden, nicht dagegen reine Vermögensschäden versichert sind.

Es fehlt auch nicht am systematischen Zusammenhang der Regelung des [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] mit derjenigen in [X.] Nr. 9 Abs. 1 [X.]. In Absatz 1 werden die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung von Versicherungsschutz in der Forderungsausfallversicherung dargelegt mit der Besonderheit des Einschlusses vorsätzlicher Schädigungen in Satz 3. In den weiteren Absätzen von [X.] Nr. 9, die von Absatz 2 bis Absatz 13 reichen, erfolgen einzelne Begriffsbeschreibungen und Voraussetzungen der Leistung. Auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird nicht annehmen, dass sich sämtliche Anspruchsvoraussetzungen abschließend in Absatz 1 befinden, wenn danach noch zwölf weitere Absätze folgen, zumal die Definition des [X.] bereits in [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] aufgenommen ist.

Soweit der Kläger darauf verweist, die Bestimmungen in [X.] Nr. 9 Abs. 1 und 2 [X.] hätten übersichtlicher gestaltet werden können, wenn schon in Abs. 1 Satz 1 klargestellt worden wäre, dass die Beklagte nur für einen Sach- oder Personenschaden in der Forderungsausfallversicherung Ersatz verspricht, mag dies zutreffen, führt aber nicht dazu, dass die hier getroffene Regelung in [X.] Nr. 9 Abs. 1 und 2 [X.] intransparent wäre. Darauf, ob Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können, kommt es für die Beurteilung nicht an (Senatsurteil vom 20. Juni 2012 - [X.], [X.], 1113 Rn. 26 m.w.N.).

Es bestehen entgegen der Auffassung der Revision auch keine Anhaltspunkte dafür, dass [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] ein reines Redaktionsversehen der Beklagten wäre, weil die Bestimmung den Versicherungsschutz nur für den Regelfall definiere, nicht aber für den Ausnahmefall der Einbeziehung von Vermögensschäden. Welche Absichten die Beklagte bei der Fassung der Klausel in [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] hatte, steht nicht fest. Hierauf kommt es ohnehin nicht an. Die dem Versicherungsnehmer typischerweise unbekannte Entstehungsgeschichte von Versicherungsbedingungen hat bei ihrer Auslegung außer Betracht zu bleiben (Senatsurteil vom 27. Juni 2012 - IV ZR 212/10, [X.], 1253 Rn. 19). Im Übrigen kann die Regelung in [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.], wenn sie nicht eine bloße Wiederholung von [X.] § 1 Ziff. 1 [X.] 2002 sein soll, durchaus den Sinn haben klarzustellen, dass in der Forderungsausfallversicherung nur Personen- und Sachschäden ersetzt werden, nicht dagegen reine Vermögensschäden, selbst wenn diese aufgrund zusätzlicher Vereinbarung zwischen den Parteien für die eigentliche Haftpflichtversicherung gemäß [X.] § 1 Ziff. 3 [X.] in den Versicherungsschutz einbezogen wurden.

Auf dieser Grundlage kann schließlich von einer unklaren Klausel gemäß § 305c Abs. 2 BGB keine Rede sein. Der Inhalt von [X.] Nr. 9 Abs. 2 [X.] ist eindeutig und hat - wie oben gezeigt - einen eigenständigen Anwendungsbereich neben [X.] Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 [X.].

Mayen                                     Wendt                                     Felsch

               Harsdorf-Gebhardt                       [X.]

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

IV ZR 260/12

13.02.2013

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 19. Juli 2012, Az: 7 U 84/12, Urteil

§ 1 Nr 3 AHB 2002, § 4 Abs 2 Nr 1 AHB 2002, § 305c Abs 2 BGB, Abschn 4 Nr 9 Abs 1 S 2 PrHPflVBB 2000, Abschn 4 Nr 9 Abs 2 PrHPflVBB 2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2013, Az. IV ZR 260/12 (REWIS RS 2013, 8196)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8196

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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